Sprungnavigation Tastaturkurzbefehle

Suche und Service

Urteil
Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung - Fehlerfreie Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung - Kein Verfahrensfehler bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Gericht:

OVG NRW 12. Senat


Aktenzeichen:

12 A 505/10 | 12 A 505.10


Urteil vom:

01.04.2011


Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Solche liegen entgegen der Auffassung des Klägers nicht schon dann vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht offensichtlich rechtmäßig ist. Vielmehr liegt es am Kläger, gewichtige Gesichtspunkte gegen deren Richtigkeit darzulegen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).

Soweit der Kläger rügt, die Verfahrensvorschrift des § 87 Abs. 2 SGB IX sei dadurch verletzt, dass die Stellungnahmen des Beigeladenen eine hinreichende Publizität vermissen ließen, zieht dies das Ergebnis der angefochtenen Entscheidung schon deshalb nicht in Zweifel, weil § 87 Abs. 2 SGB IX sich nicht zu Stellungnahmen des Arbeitgebers - hier: des Beigeladenen - verhält. Die Vorschrift regelt nach ihrem eindeutigen und abschließenden Wortlaut nur, dass das Integrationsamt Stellungnahmen des Betriebsrates oder Personalrates und der Schwerbehindertenvertretung einzuholen und den schwerbehinderten Menschen - hier: den Kläger - anzuhören hat. Insoweit kann dahinstehen, was der Kläger in diesem Zusammenhang unter einer hinreichenden Publizität versteht und ob sich für ein solches Erfordernis hinsichtlich der in der Vorschrift geregelten Stellungnahmen und Anhörung ein normativer Anknüpfungspunkt findet. Falls der Kläger meinen sollte, die dort geregelten Äußerungen Dritter und des Schwerbehinderten könnten nur dann effektiv eingeholt werden, wenn diesen ein aussagekräftiger Antrag des Arbeitgebers nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB IX vorgelegt wird, begegnet der Antrag des Beigeladenen vom 16. März 2007 keinen Bedenken. Er versetzt die in § 87 Abs. 2 SGB IX Genannten in die Lage, sich substantiiert zu äußern, indem er den Schwerbehinderten, den Beendigungstatbestand, den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt und die vom Arbeitgeber gegebene Begründung hinreichend konkret bezeichnet.

Vgl. zu den inhaltlichen Anforderungen an die Aufforderung zur Stellungnahme: Lampe, in: GK-SGB IX, Stand: Februar 2011, § 87 Rn. 66.

Die Vorlage etwa eines vollständig vom Beklagten ausermittelten Sachverhalts zur Stellungnahme an die Schwerbehinderten- und Arbeitnehmervertretung zu fordern, scheidet schon deshalb aus, weil diese Äußerungen regelmäßig in einem frühen Stadium des Ermittlungs- und Entscheidungsprozesses des Beklagten eingeholt werden und gerade auch dazu dienen, Aspekte aufzuzeigen, zu denen ggf. weiter zu ermitteln ist. Der Kläger hingegen ist laufend über den Ermittlungsstand des Beklagten informiert worden.

Die klägerische Auffassung, das Verwaltungsgericht sei zur Prüfung des § 33 TVöD/AT nicht befugt, ist nicht geeignet, darzulegen, dass das Verwaltungsgericht eine dem Kläger günstigere Entscheidung hätte treffen müssen. Das Verwaltungsgericht hat zugunsten des Klägers - "um den Schwerbehindertenschutz zu gewährleisten" - seine diesbezügliche Prüfungskompetenz angenommen. Es ist nicht ersichtlich, wie das Ergebnis ohne derartige Prüfung für den Kläger hätte günstiger ausfallen können.

Soweit der Kläger der Ansicht ist, dem Beigeladenen als Arbeitgeber habe eine Belehrung des Klägers über § 33 Abs. 2 und 3 TVöD/AT oblegen, setzt er sich weder mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, es sei Aufgabe des Arbeitnehmers, sich über die Rechtsfolgen der Bewilligung einer Rente zu erkundigen, und der Beigeladene habe aus nicht in seiner Sphäre liegenden Gründen erst nach Ablauf der Frist des § 33 Abs. 3 TVöD/AT von der Existenz des Rentenbescheides erfahren und unverzüglich reagiert, noch mit der vom Verwaltungsgericht zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen,

Urteil vom 23. Mai 2005 - 11 K 5336/04 -,

oder der die Auffassung des Verwaltungsgerichts ebenfalls stützenden einschlägigen Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit auseinander.

Vgl. BAG, Urteile vom 15. März 2006 - 7 AZR 332/05 -, BAGE 117, 255, juris, vom 1. Dezember 2004 - 7 AZR 135/04 -, BAGE 113, 64, juris, und vom 3. September 2003 - 7 AZR 661/02 -, BAGE 107, 241, juris; LAG Köln, Urteil vom 9. November 2009 - 2 Sa 633/09 -, juris.

Der Kläger hat nicht dargelegt, wodurch und zu welchem Zeitpunkt ausnahmsweise nach § 242 BGB eine Belehrungspflicht des Beigeladenen begründet worden sein soll. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weshalb seiner Meinung nach ohne Belehrungspflicht bzw. Nachholungsmöglichkeit hinsichtlich des Antrags nach § 33 Abs. 3 TVöD/AT der gesamte Sonderkündigungsschutz der §§ 87 ff., 92 SGB IX ausgehebelt werde. Denn die Regelungen des § 33 Abs. 2 und 3 TVöD/AT treffen behinderte und nichtbehinderte Arbeitnehmer grundsätzlich gleichermaßen. Der Sonderkündigungs- oder hier Sonderbeendigungsschutz der §§ 85 ff. i.V.m. § 92 SGB IX setzt schließlich auch gerade erst an, wenn arbeitsrechtlich eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in Betracht kommt. In diesem Fall ist der Schwerbehinderte zusätzlich dadurch geschützt, dass noch die Zustimmung des Integrationsamtes erforderlich ist und dieses eine eigene Prüfung durchführt. Gerade dies ist vorliegend auch geschehen. Durch die Einräumung von Ermessen in den §§ 85 ff. SGB IX, fällt die danach zutreffende Entscheidung aber nicht zwingend zugunsten des Schwerbehinderten aus.

Das Zulassungsvorbringen vermag auch die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, die Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung sei ermessensfehlerfrei erfolgt, nicht in Frage zu stellen. Ermessensfehler ergeben sich nicht zwangsläufig aus dem Umstand, dass der Beklagte sich keine Stellenlisten des Beigeladenen vorlegen ließ. Der Kläger legt nicht dar, weshalb einzig die Vorlage - nicht näher konkretisierter - im Zustimmungsverfahren angeforderter Stellenlisten als Basis einer sachgerechten Ermessensentscheidung hätte dienen können. Zwar hatte der Beklagte, um seine Ermessensentscheidung in sachgerechter Weise treffen zu können, anknüpfend an den Antrag des Beigeladenen und von ihm ausgehend von Amts wegen all das zu ermitteln (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und dann auch zu berücksichtigen, was erforderlich war, um die gegensätzlichen Interessen von Kläger und Beigeladenem gegeneinander abwägen zu können.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 2. Juli 1992 - 5 C 51/90 -, BVerwGE 90, 287, juris, und vom 5. Juni 1975 - V C 57.73 -, BVerwGE 48, 264, juris; OVG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2009 - 12 A 472/09 -, juris, m.w.N.

Dies bedeutet aber nicht, dass er jedwede denkbare Unterlagen zu einer von einem Beteiligten für relevant gehaltenen Frage anzufordern hat. Vielmehr entscheidet er selbst, welche Unterlagen er für die geeignetsten zur Aufklärung sämtlicher entscheidungserheblicher Tatsachen und Umstände hält - Verfahrensherrschaft der Behörde (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X) -. Geben diese hinreichend Aufschluss über das Vorliegen der Voraussetzungen für den das Verwaltungsverfahren abschließenden Verwaltungsakt, kann er sich auf diese Erkenntnisquellen beschränken. Davon ging der Beklagte hier hinsichtlich des Nichtbestehens von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger aus. Nachdem der Kläger bestimmte Tätigkeiten mitgeteilt hatte, die er sich vorstellen könne, haben sich die Stadt E. und der Beigeladene mit Schreiben vom 2. April, 15. und 18. Mai 2007 dahingehend geäußert, dass solche Stellen nicht verfügbar seien. Mit Schreiben vom 23. Januar 2008 wurde noch erläutert, weshalb ein Tausch oder Ringtausch nicht möglich sei. Der Beklagte hat dies als ausreichend angesehen, da weder der Kläger, noch der Personalrat, die Schwerbehindertenvertretung oder der Integrationsfachdienst einen konkreten freien Arbeitsplatz hätten benennen können. Solche greifbaren Anhaltspunkte für eine Wahrheitswidrigkeit der Angaben der Beigeladenen und der Stadt E., die ggf. die Vorlage von ganz bestimmten Stellenlisten oder sonstige weitergehende Ermittlungen erforderlich machen könnten, hat der Kläger weder im Klageverfahren noch mit seiner Zulassungsbegründung vorgetragen.

Woraus der Kläger entnimmt, der Beklagte habe "nur formell" Ermessenserwägungen angestellt, "tatsächlich" aber gehandelt, als wenn eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege, ergibt sich aus seinem Zulassungsvorbringen ebenfalls nicht.

Entgegen der Auffassung des Klägers kommt der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu. Welche Anforderungen an die Ermessensentscheidung nach § 85 SGB IX - hier im Rahmen des § 92 Satz 2 SGB IX -, insbesondere die zu ermittelnde Tatsachengrundlage als Ausgangspunkt der Ermessensbetätigung, zu stellen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.

Vgl. etwa die diesbezüglichen Nachweise in OVG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2009 - 12 A 472/09 -.

Daran ändert auch nichts, dass der Kläger dies - ohne Formulierung einer konkreten entscheidungserheblichen Frage - nahezu identisch auch unter § 87 Abs. 2 SGB IX verortet. Eine über den Einzelfall hinausgehende Klärung verallgemeinerungsfähiger Rechts- oder Tatsachenfragen lässt der hier vorliegende Rechtsstreit jeweils nicht erwarten. Hinsichtlich der Frage einer zugunsten des Klägers ausgeübten Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte bezüglich § 33 TVöD/AT im Rahmen des § 92 SGB IX fehlt es - wie bereits dargestellt - an einer Entscheidungserheblichkeit. Die Frage, ob und unter welchen Umständen dem Arbeitgeber gegenüber seinem Arbeitnehmer eine Belehrung über § 33 Abs. 2 und 3 TVöD/AT obliegt, ist - wie ebenfalls bereits näher ausgeführt - durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts geklärt.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2 , 162 Abs. 3, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen im Berufungszulassungsverfahren waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da dieser insoweit seinerseits nicht am Kostenrisiko teilnimmt.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Referenznummer:

R/R5348


Informationsstand: 20.02.2013