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Urteil
Antrag auf Zulassung der Berufung - Klage gegen die Zustimmung des Integrationsamts zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses - Weiterbeschäftigungsmöglichkeit

Gericht:

OVG NRW 12. Senat


Aktenzeichen:

12 A 2702/10 | 12 A 2702.10


Urteil vom:

27.06.2011


Tenor:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Gründe:

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Das Zulassungsvorbringen führt nicht zu ernstlichen Zweifeln i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es vermag die entscheidungstragende Annahme des Verwaltungsgerichts, die Erteilung der Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei ermessensfehlerfrei erfolgt, nicht in Frage zu stellen.

Zwar hatte der Beklagte als Integrationsamt, um seine Ermessensentscheidung in sachgerechter Weise treffen zu können, anknüpfend an seinen Antrag als Arbeitgeber und von ihm ausgehend von Amts wegen all das zu ermitteln (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und dann auch zu berücksichtigen, was erforderlich war, um die gegensätzlichen Interessen von Klägerin und Arbeitgeber gegeneinander abwägen zu können.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 2. Juli 1992 - 5 C 51/90 -, BVerwGE 90, 287, juris, und vom 5. Juni 1975 - V C 57.73 -, BVerwGE 48, 264, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 1. April 2011 - 12 A 505/10 - und vom 25. Mai 2009 - 12 A 472/09 -, juris, m.w.N.

Die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass der Beklagte dem gerecht geworden sei, ist jedoch durch das Zulassungsvorbringen nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Allein daraus, dass neben den vom Beklagten gewählten einige weitere Möglichkeiten bestanden hätten, den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu ermitteln, folgt nicht, dass ein Verstoß gegen die behördliche Amtsermittlungspflicht vorläge und das Ermessen auf unzureichender Tatsachengrundlage ausgeübt worden wäre. Amtsermittlung bedeutet nicht, jedwedem denkbaren Ermittlungsansatz zu einer von einem Beteiligten für relevant gehaltenen Frage nachzugehen. Vielmehr entscheidet die Behörde selbst, welche Unterlagen bzw. sonstigen Erkenntnismittel sie für die geeignetsten zur Aufklärung sämtlicher entscheidungserheblicher Tatsachen und Umstände hält - Verfahrensherrschaft der Behörde (§ 20 Abs. 1 Satz 2 SGB X) -. Geben diese hinreichend Aufschluss über das Vorliegen der Voraussetzungen für den das Verwaltungsverfahren abschließenden Verwaltungsakt, kann sie sich auf diese Erkenntnisquellen beschränken. Davon ging der Beklagte hier nach Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens sowie Stellungnahmen von Personalrat und Schwerbehindertenvertretung, Durchführung von zwei Kündigungsschutzverhandlungen und umfangreichen Schriftsätzen beider Beteiligter hinsichtlich des Nichtbestehens von auch arbeitgeberseits zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die Klägerin aus.

Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die "O." nicht selbst in Augenschein nahm bzw. keine noch genauere Arbeitsplatzbeschreibung einholte, um evtl. dort bestehende Risiken für die Klägerin beurteilen zu können. Die Klägerin selbst hat nämlich mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20. Mai 2008 im Widerspruchsverfahren vorgetragen, dass in der O. "des Öfteren Patientinnen und Patienten auftreten, die [...] 'wenn ihnen etwas nicht passt', die Person, die für die O. zuständig ist, beschimpfen, kratzen und weiterhin körperlich angreifen. Dies geschieht durchaus in massiver Form." Hinsichtlich Tätigkeiten in Bibliothek und Archiv musste der Beklagte einerseits schon nicht ermitteln, ob dort Stellen frei sind, da er annahm, dass die Klägerin dort Arbeiten verrichten müsste, die sie nach Aussage ihrer Ärzte gerade vermeiden solle. Andererseits hat er insoweit - wie die Klägerin selbst mit ihrem Zulassungsvorbringen einräumt - Informationen eingeholt. Auch die Nachfrage bei Beteiligten stellt - wie die Klägerin anscheinend verkennt - Ermittlungstätigkeit der Behörde dar, was § 21 Abs. 2 SGB X verdeutlicht. Davon abgesehen dürfte die Nachfrage bei der Personalverwaltung des Arbeitgebers regelmäßig das probate Mittel sein, um zu erfahren, ob es in einem bestimmten Bereich freie Stellen gibt, bzw. wie die dortigen Stellen derzeit besetzt sind. Für die aus Sicht des Beklagten entscheidungserheblichen Aspekte, weshalb keine Stelle auf psychiatrischen Stationen im Rahmen der Pflege oder des Haushaltstrainings sowie als Ergotherapeutin, im Projekt "D." oder sonst als Krankenschwester in Betracht kam, ist ebenfalls nicht ersichtlich, dass es weiterer Ermittlungen bedurft hätte. Dass auf psychiatrischen Stationen Zugriffsmöglichkeiten auf Medikamente bestehen, die Arbeit mit psychisch Kranken teilweise psychisch sehr belastend ist, eine Ausbildung der Klägerin als Ergotherapeutin bzw. eine pädagogische Zusatzausbildung fehlt und Krankenschwestern körperlich anstrengende Tätigkeiten wie schweres Heben durchführen müssen, durfte der Beklagte als gegeben voraussetzen.

Auch mit ihrem Zulassungsvorbringen vermochte die Klägerin nicht darzulegen, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, dass die Besetzung solcher Stellen - soweit es sie im Beendigungszeitpunkt gab - mit der Klägerin dieser und auch ihrem Arbeitgeber zumutbar war. Eine Auseinandersetzung mit den einzelnen genannten Annahmen des Beklagten ist nicht erfolgt. Insbesondere hinsichtlich der O. fehlt jedwede Erläuterung dazu, weshalb nunmehr entgegen den Ausführungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren dort nicht mit körperlichen Angriffen der Patienten zu rechnen sei, bzw. was die Klägerin darunter versteht, dass dort "keine gefährlichen Patienten" beschäftigt würden, und wo genau sich welche "männlichen Helfer" befinden sollen, die innerhalb welcher Zeitspanne und in welcher Form der Klägerin zu Hilfe kommen könnten.

Es ist insoweit auch nicht rechtsfehlerhaft, dass sich das Verwaltungsgericht etwaigen Feststellungen des Arbeitsgerichts L. hinsichtlich zumutbarer Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht anschloss. Unabhängig davon, dass angesichts der Aufnahme dieser Entscheidung sowohl in die Gründe zu I. des Widerspruchsbescheides als auch in den Tatbestand des angegriffenen Urteils nichts dafür ersichtlich ist, dass das Verwaltungsgericht den Inhalt des arbeitsgerichtlichen Urteils nicht zur Kenntnis genommen und in seine Entscheidungsfindung einfließen lassen hätte, und eine Bindung des Verwaltungsgerichts an derartige Feststellungen ohnehin nicht besteht, hat das Landesarbeitsgericht L. das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen, womit auch ohne ausdrückliche Auseinandersetzung mit diesen die für die arbeitsgerichtliche Klagestattgabe maßgeblichen Feststellungen hinfällig sind.

Auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der vom Beklagten getroffenen Interessenabwägung werden durch das Zulassungsvorbringen nicht ernstlich in Zweifel gezogen. Soweit die Klägerin meint, das Verwaltungsgericht - richtiger wohl der Beklagte bei seiner Ermessensausübung - habe berücksichtigen müssen, dass die Erwerbsminderung der Klägerin auf ihren seit 1981 beim selben Arbeitgeber ausgeübten Beruf zurückzuführen sei, ist diese Behauptung durch nichts belegt. Selbst wenn der Klägerin insoweit hinsichtlich Rücken- und Gelenkerkrankungen gefolgt würde, beruht ihre Behinderung und gerade auch die Problematik, eine geeignete Stelle bei ihrem Arbeitgeber für sie zu finden, die die Abwägung erforderlich macht, insbesondere auch auf seelischen Leiden. Hinzukommen laut Bescheid des Oberbürgermeisters der Stadt L. vom 11. Januar 2008 Nierenleiden, Diabetes mellitus, anerkannte Unfallfolgen laut eines Bescheides der Berufsgenossenschaft bereits aus dem Jahr 1972, Bluthochdruck und Herzinsuffizienz, für die sich ebenfalls nicht ohne weiteres ein Verantwortungsbeitrag ihres Arbeitgebers erkennen lässt. Das Verwaltungsgericht musste die lange Betriebszugehörigkeit der Klägerin - anders als diese meint - auch nicht in den Entscheidungsgründen - nochmals - ausführlich würdigen, da es insofern die behördliche Zustimmungsentscheidung überprüfte und bestätigte, die auf Seite 3 des Ausgangs- und Seite 13 des Widerspruchsbescheides diesen Gesichtspunkt jeweils ausdrücklich betont und gewürdigt hat.

Soweit die Klägerin rügt, das Verwaltungsgericht habe nicht annehmen dürfen, das Arbeitsverhältnis sei "sinnentleert", da sie doch ihre Arbeitsleistung erbracht haben würde, ist dies insofern zirkulös, als es verkennt, dass das Verwaltungsgericht zuvor festgestellt hat, es habe im Beendigungszeitpunkt keine Stelle gegeben, die der Klägerin zumutbar gewesen wäre, was die Klägerin - wie bereits ausgeführt - nicht erfolgreich angegriffen hat. Was die Klägerin insofern mit den Ausführungen ab Seite 5 unten - eingeleitet mit der Wendung: "In diesem Zusammenhang sei auf Folgendes verwiesen" - des Schriftsatzes vom 16. Dezember 2010 darlegen möchte, erschließt sich dem Senat nicht. Welche Bedeutung für konkrete Beschäftigungsalternativen im Beendigungszeitpunkt,

vgl. zur Maßgeblichkeit dieses bzw. des Kündigungszeitpunkt auch für die gerichtlich zu überprüfende Entscheidung des Widerspruchsausschusses: BVerwG, Beschluss vom 7. März 1991 - 5 B 114.89 -, BR 1991, 113,

bzw. für die hier vorzunehmende Interessenabwägung die dort aufgezählten Arbeitsplatzbesetzungen vor bzw. nach dem Beendigungszeitpunkt haben sollen, ist nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die angedeuteten möglicherweise überobligatorischen Anstrengungen des Beklagten als Arbeitgeber zur Schaffung von behinderungsgerechten Arbeitsplätzen in anderen Fällen, da weder dargetan ist, welche Maßnahmen dies auch für die Klägerin ermöglicht hätten, noch dass der damit verbundene sächliche, personelle und organisatorische Aufwand mit demjenigen in den angegebenen Referenzfällen vergleichbar wäre.

Die geltend gemachten Verfahrensmängel (Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) durch das Verwaltungsgericht führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Ein Verstoß gegen den gerichtlichen Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) durch das Unterlassen einer - klägerseits im Zulassungsvorbringen nicht konkretisierten - Beweiserhebung ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt. Zu welchem konkreten Beweisthema und durch welches Beweismittel sich ausgehend von der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts diesem eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen, ist nicht erkennbar. Abgesehen davon ist Rügeverlust eingetreten. Die Geltendmachung der Verletzung der Pflicht zur Amtsermittlung setzt unter anderem die Darlegung voraus, dass die unterlassene gerichtliche Aufklärung vor dem Tatsachengericht rechtzeitig gerügt worden ist.

Vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 12. August 1997 - 8 B 165.97 -; OVG NRW, Beschlüsse vom 16. November 2010 - 12 A 2183/09 -, vom 10. Oktober 2008 - 12 A 1818/07 - und vom 7. August 2007 - 12 A 189/06 -.

Diesen Anforderungen genügt die Darlegung schon deshalb nicht, weil daraus nicht ersichtlich ist, dass die gewerkschaftlich vertretene Klägerin spätestens in der mündlichen Verhandlung am 4. November 2010 die ihrer Ansicht nach unterlassene Aufklärung gegenüber dem Verwaltungsgericht angesprochen und gerügt hat.

Insofern ist ebenfalls in Bezug auf die Gewährleistung rechtlichen Gehörs Rügeverlust eingetreten. Eine Versagung rechtlichen Gehörs kann ein Rechtssuchender nämlich nur dann mit Erfolg rügen, wenn er zuvor die nach Lage der Sache gegebenen, zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. August 2003 - 1 B 359/02 -, Buchholz 402.25, § 1 AsylVfG Nr. 273, juris, m.w.N.

Zu den verfahrensrechtlichen Befugnissen, von denen ein Rechtsanwalt - oder auch ein gewerkschaftlicher Rechtssekretär - erforderlichenfalls Gebrauch machen muss, um den Anspruch des von ihm vertretenen Beteiligten auf rechtliches Gehör durchzusetzen, zählt dabei insbesondere auch die Stellung eines unbedingten Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung, der gemäß § 86 Abs. 2 VwGO nur durch einen Gerichtsbeschluss, der zu begründen ist, abgelehnt werden kann. Die begründete Ablehnung des Beweisantrages ermöglicht es dem Antragsteller zu ersehen, ob er neue, andere Beweisanträge stellen oder seinen Vortrag ergänzen muss.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Januar 1997 - 8 B 2.97 -, Buchholz 310, § 102 VwGO Nr. 21, juris, m.w.N.; Urteil vom 22. April 1986 - 9 C 318.85 - u.a., NVwZ 1986, 928, juris; OVG NRW, Beschlüsse vom 20. September 2010 - 12 A 2167/09 -, vom 22. April 2010 - 12 A 2793/09 -, vom 3. März 2010

- 12 A 1877/09 -, vom 22. Oktober 2009 - 12 A 1494/07 -, vom 25. Februar 2009 - 12 A 3169/08 - und vom 13. Dezember 2007 - 12 A 2268/06 -.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat laut Sitzungsprotokoll in der mündlichen Verhandlung vom 4. November 2010 Beweisanträge nicht gestellt.

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ergibt sich auch nicht daraus, dass das Verwaltungsgericht die Klägerin nicht dazu befragt hat, wie sie dazu stehe, ob das nach ihrem Wunsch fortzuführende Arbeitsverhältnis "sinnentleert" sei. Dass ein Arbeitsverhältnis in dem der Arbeitnehmer seiner Arbeitsverpflichtung nicht mehr nachkommen kann sinnentleert ist, hat die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht bezweifelt. Eine gesonderte gerichtliche Anhörung dazu war entbehrlich, da die Frage, ob die Klägerin noch eine bei ihrem Arbeitgeber freie Stelle ausfüllen könne, vorrangiger Gegenstand des Verwaltungs-, Widerspruchs- und Klageverfahrens war und sich die Klägerin schriftlich mehrfach dazu geäußert hatte. Daraus, dass das Verwaltungsgericht dem diesbezüglichen Vortrag der Klägerin nicht folgte und angesichts der umfangreichen Schriftsätze der Beteiligten schon im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren umfassend vorbereitet war und dadurch das Urteil zeitnah nach der mündlichen Verhandlung absetzen konnte, ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass es das Vorbringen der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen und abgewogen hätte. Weder aus dem Zulassungsvorbringen noch aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergibt sich Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, der in entscheidungserheblicher Weise über das bereits zuvor schriftsätzlich Vorgetragene hinausgeht. Insbesondere, dass die Klägerin wünsche, weiter bei ihrem bisherigen Arbeitgeber beschäftigt zu werden, ist niemals in Abrede gestellt worden und ergibt sich schon aus der Natur eines Widerspruchs und einer Klage gegen die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 188 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist nunmehr rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Referenznummer:

R/R5345


Informationsstand: 19.02.2013