Die Berufung des Klägers ist begründet und führt unter Abänderung des angegriffenen Urteils zu antragsgemäßen Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die angegriffenen Kündigungen nicht beendet worden ist.
I. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist weder durch die außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 21.05.2012 noch durch die ordentliche Kündigung vom 31.07.2012 mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet worden. Zwar hat der Kläger im Zuge der Erledigung der übertragenen Kommissionierungstätigkeit in mehrfacher und bedeutsamer Hinsicht gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen (1), ohne dass diese Pflichtverletzungen jedoch ohne vorangehende Abmahnung eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen können (2). Von der Berechtigung des weitergehenden Vorwurfs, der Kläger habe es mit seiner Arbeitsweise von vornherein darauf angelegt, eine überhöhte Akkordvergütung zu erschleichen oder habe jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass zu seinen Gunsten die volle Akkordvergütung trotz unvollständiger Auftragserledigung abgerechnet und ausgezahlt werde, hat sich die Kammer hingegen auch auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nicht überzeugen können (3). Auch die Anforderungen an eine Verdachtskündigung sind nicht erfüllt (4).
1. Indem der Kläger am 04. und 05. April 2012 gegen Schichtende jeweils mit der Bestückung eines für die laufende Produktion benötigten Wagens begonnen hat, obgleich die Kommissionierung nicht bis zum Schichtende abzuschließen war, verstieß der Kläger zum einen gegen die ihm zuvor ausdrücklich erteilten Anweisung des Abteilungsleiters S1 (a). Zum anderen hat der Kläger mit der Eintragung der für die vollständige Erledigung des Auftrages kalkulierten Akkordminuten und dem Einlegen des auftragsbezogenen Etiketts in das Akkordbuch in vorwerfbarer Weise gegen den Grundsatz verstoßen, dass eine nach dem Arbeitsergebnis abzurechnende Tätigkeit erst nach vollständiger Erledigung zur Abrechnung eingereicht und erst recht nicht eine unvollständig erbrachte Leistung als vollständig geleistet angegeben werden darf (b). Schließlich muss dem Kläger zum Vorwurf gemacht werden, dass er mehrere Gelegenheiten ausgelassen hat, die - nach seiner Darstellung ohne böse Absicht vorgenommene - Falschabrechnung zu korrigieren, nachdem sich die Fertigstellung der begonnenen Kommissionierungsaufträge am Folgetage als unmöglich erwies (c).
a) Auch wenn der Kläger in der Vergangenheit zeitlich überwiegend mit der Kommissionierung von Fronten befasst war und - wie zu seinen Gunsten unterstellt wird - bei diesen Kommissionierungsaufträgen weder die Notwendigkeit bestand, eine bestimmte Reihenfolge einzuhalten, noch Bedenken dagegen bestanden, einen unvollständigen Kommissionierungsauftrag am Folgetage abzuschließen, änderten sich die Anforderungen an die sachgerechte Arbeitsweise, wenn der Kläger - wie dies im hier maßgeblichen Zeitraum zutraf - im Bereich der Kommissionierung von Auszügen eingesetzt war. Die zur Kommissionierung bereitstehenden Wagen sind hier in verschiedene Zonen eingeteilt und entsprechend gekennzeichnet, wobei Wagen der Zonen 1 bis 4 für die aktuelle Tagesproduktion vorgesehen sind. Der Kläger hat zwar die Erkennbarkeit einer solchen Einteilung nach Zonen und eine entsprechende Kenntnis hiervon bestritten, die genannte Zonen-Einteilung als solche steht demgegenüber außer Streit und ist im Übrigen vom Zeugen S1 bestätigt worden.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer darüber hinaus davon überzeugt, dass der Abteilungsleiter S1 den Kläger nur wenige Tage vor dem hier maßgeblichen Kündigungssachverhalt konkret darauf hingewiesen hat, dass dann, wenn absehbar ist, dass Wagen der Zonen drei oder vier nicht rechtzeitig zum Schichtende fertig werden, mit der Kommissionierung von Wagen aus den Zonen sechs oder sieben begonnen werden solle. Anlass für dieses Gespräch war die Tatsache, dass am Vortage ein für die Produktion in der Spätschicht benötigter Wagen in der Frühschicht nicht fertig kommissioniert worden war und hierfür - wie anhand des am Wagen befindlichen Zettels erkennbar war - der Kläger die Verantwortung trug. In Anbetracht dieser konkreten Anweisung kommt es nicht darauf an, ob im Betrieb ohnehin eine entsprechende Handhabung üblich und bekannt war.
Soweit der Kläger der Aussage des Zeugen entgegengehalten hat, ein Gespräch mit einer solchen Anweisung sei erst am Tage der Übergabe des Kündigungsschreibens vom 21.05.2012 geführt worden, überzeugt dies nicht. Auch wenn der Kläger im Anschluss an die vom Abteilungsleiter festgestellten Produktionsstörungen vom 04. und 05. April zunächst feiertagsbedingt und sodann nach dem 10. April wegen seiner Erkrankung bis zum 23. April nicht im Betrieb anwesend war, erscheint es doch vollkommen unplausibel, welcher Sinn darin liegen soll, erst am Tage der Kündigung ein Gespräch mit dem Kläger in der fraglichen Angelegenheit zu führen. Das gilt umso mehr, als der Zeuge bereits nach Einsicht in die Abrechnungsunterlagen den subjektiven Eindruck gewonnen hatte, der Klägers wolle sich mit der gewählten Vorgehensweise finanzielle Vorteile zu erschleichen, und aus diesem Grunde seinen Vorgesetzten unterrichtet hatte. Selbst wenn der Zeuge bis zum Ausspruch der Kündigung keine Kenntnis davon hatte, dass nach dem Willen der Geschäftsführung eine Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses nicht in Betracht kam, erscheint es doch ausgeschlossen, dass das angeblich erst am Tage der Kündigung geführte Gespräch die Arbeitsweise unter Beachtung der Zonen-Einteilung zum Gegenstand gehabt haben soll, hingegen die dem Zeugen zwischenzeitlich aufgefallene Abrechnungsproblematik unerwähnt geblieben wäre.
Unter diesen Umständen ist die Kammer von der Richtigkeit der Aussage des Zeugen S1 überzeugt. Dementsprechend steht zur vollen Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger in vorwerfbarer Weise gegen die erteilte Arbeitsanweisung zur Bearbeitung der Kommissionierungsaufträge verstoßen hat. Da die erteilte Anweisung aus dem Gespräch vom 27. März am 04. und 05. April erst wenige Tage zurücklag, scheidet ein schlichtes Vergessen der Anweisung aus, vielmehr muss zu Lasten des Klägers zumindest angenommen werden, dass er sich - sei es aus Gleichgültigkeit oder weil ihm die aushilfsweise Tätigkeit in der Abteilung "Auszüge kommissionieren" als belastend oder sonst wie unerwünscht erschien - um die erteilte Anweisung nicht gekümmert hat und ihm die produktionsbedingten Vorgaben wie auch etwaig Ablaufstörungen gleichgültig waren.
b) Unabhängig hiervon musste es dem Kläger auch ohne ausdrückliche Hinweise bewusst sein, dass die von ihm gewählte Vorgehensweise, einen nur teilweise erledigten Auftrag als vollständig erledigt zur Abrechnung einzureichen, nicht vertragsgerecht war. Auch wenn der Kläger an sich beabsichtigte, den unfertigen Kommissionierungsauftrag am Folgetage abzuschließen, musste sich ihm - unabhängig von den zuvor erläuterten Produktionsnotwendigkeiten - aufdrängen, dass die gewählte Verfahrensweise zu Unklarheiten, Missverständnissen oder gar einem Missbrauchsverdacht führen musste, wenn aus irgendwelchen Gründen die beabsichtigte Fertigstellung des Auftrages scheiterte, wie dies ohne weiteres etwa im Falle einer Erkrankung oder sonstigen Arbeitsverhinderung eintreten konnte. Allein der Umstand, dass der Kläger nicht wusste, wie mit einem unvollständig kommissionierten Auftrag zu verfahren war, weil vergleichbare Situationen an seinem Stammarbeitsplatz nicht vorkamen, vermag hieran nichts zu ändern. Hätte der Kläger einen Vorgesetzten um Rat gefragt, wäre ihm - eben aus den genannten Gründen - mit Sicherheit mitgeteilt worden, dass die von ihm gewählte Vorgehensweise keinesfalls akzeptiert werden kann. Auch insoweit muss dem Kläger wiederum der Vorwurf gemacht werden, sich ohne Bedacht über die betrieblichen Regeln und die erkennbar berechtigten Belange des Arbeitgebers hinweggesetzt zu haben.
Soweit der Kläger sich damit zu verteidigen sucht, er habe die erledigte Teilmenge nicht errechnen können, liegt dies neben der Sache. Der Ermittlung einer Teilmenge bedurfte es schon deshalb nicht, weil der Kommissionierungsauftrag erst nach vollständiger Erledigung zur Abrechnung einzureichen war. Sofern der Kläger dokumentieren wollte, dass er - über die vollständig abgearbeiteten und dokumentierten Aufträge hinaus - nicht etwa untätig geblieben war, sondern einen umfangreichen Auftrag nicht zum Abschluss hatte bringen können, hätte im Akkordbuch die Eintragung "Auftrag noch nicht abgeschlossen" o. ä genügt. Selbst bei einer nur grob geschätzten Angabe der erledigten Teilmenge wäre aus dem Abgleich mit der für den Gesamtauftrag kalkulierten Vorgabezeit deutlich geworden, dass der betreffende Kommissionierungsauftrag nicht als vollständig erledigt zur Abrechnung eingereicht werden sollte.
c) Von besonderem Gewicht ist schließlich der Vorwurf, dass der Kläger die vorzeitige Abrechnung des unvollständig kommissionierten Auftrages nicht von sich aus offengelegt hat, als er am 05.
bzw. 10. April feststellte, dass der Wagen, dessen Beladung er am 04.
bzw. 05. April begonnen hatte, nicht mehr am zurückgelassenen Platz stand. Unter Berücksichtigung des Gesprächs vom 27. März musste sich dem Kläger sogleich aufdrängen, dass der von ihm unvollständig kommissionierte und stehen gelassene Wagen im Zuge des Produktionsablaufs benötigt und die unvollständige Kommissionierung anderweit erledigt worden und nicht etwa der stehen gelassene Wagen nur örtlich verstellt war. Damit lag auf der Hand, dass die Eintragung des Auftrages als abgeschlossen nicht nur in zeitlicher Hinsicht ungenau, sondern auch in der Sache korrekturbedürftig geworden war, um Unklarheiten bei der Abrechnung des Auftrages zu vermeiden. Zutreffend hat das Arbeitsgericht darauf verwiesen, dass der Kläger mehr als einmal Gelegenheit hatte, von sich aus die Korrekturbedürftigkeit der fehlerhaften Eintragung anzusprechen. Auch wenn - worauf nachfolgend noch weiter einzugehen ist - es dem Kläger weder bei der unzutreffenden Eintragung in das Akkordbuch noch zu dem Zeitpunkt, als er das Fehlen des Wagens bemerkte, zwangsläufig darum gegangen sein muss, aus dieser Situation wirtschaftliche Vorteile zu ziehen, bleibt doch festzuhalten, dass der Kläger in erheblichem Maße gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstieß, indem er die nunmehr bedeutsam gewordene "Ungenauigkeit" seiner Eintragung im Akkordbuch nicht aus eigener Initiative korrigierte, sondern untätig blieb. Soweit sich der Kläger damit zu verteidigen sucht, er habe nicht gewusst, wie er sich zu verhalten habe, ist ihm entgegen zu halten, dass er dann Anlass hatte, sich um Klärung zu bemühen. Ein erfahrener Kollege hätte dem Kläger zweifellos erläutert, dass unter den gegebenen Umständen kaum damit gerechnet werden könne, dass die Falschabrechnung unbemerkt bleibe und dass im Falle der Aufdeckung durch den Vorgesetzten weit mehr Ärger als bei selbst veranlasster Offenlegung des Sachverhalts drohe. Von einer unüberschaubaren oder ausweglosen Konfliktsituation, welche den Kläger entlasten könnte, kann danach keine Rede sein. Selbst wenn der Kläger mit deutlichen Vorhalten durch den Vorgesetzten - insbesondere auch wegen der entstandenen Störung des Produktionsablaufs - rechnen musste, vermag dies an der Bedeutsamkeit und Schwere des pflichtwidrigen Handelns
bzw. der unterbliebenen Korrekturmeldung nichts zu ändern.
2. Weder die dargestellten Pflichtverletzungen des Klägers im Einzelnen noch das dargestellte vertragswidrige Verhalten des Klägers in seiner Gesamtheit können indessen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch fristlose oder fristgerechte Kündigung ohne vorangehende Abmahnung rechtfertigen. Die dem Kläger anzulastenden Verhaltensweisen betreffen sämtlich ein steuerbares Verhalten, so dass es grundsätzlich vor Ausspruch einer Kündigung einer vorangehenden und erfolglos gebliebenen Abmahnung bedarf.
Allein der Umstand, dass der Kläger die Anweisung des Vorgesetzten missachtet hat, die Reihenfolge der zu kommissionierenden Wagen zu beachten, bedeutet nicht, dass eine Abmahnung von vornherein zwecklos und entbehrlich war, etwa weil der Kläger ohnehin zu einer korrekten Arbeitsweise nicht bereit oder in der Lage gewesen wäre. Gleiches gilt auch für die "vorzeitige" Eintragung der noch nicht vollständig erledigten Kommissionierungsaufträge in das Akkordbuch und auch für den Verstoß gegen die Verpflichtung, die als unrichtig erkannten Angaben im Akkordbuch unaufgefordert zu korrigieren. Richtig ist zwar der Hinweis des Arbeitsgerichts, der Arbeitgeber könne häufig die vom Arbeitnehmer eingereichten Angaben nicht oder nur stichprobenartig kontrollieren, der Arbeitnehmer genieße also einen erheblichen Vertrauensvorschuss, weswegen eine "Verschiebung der Prüfverantwortlichkeit" auf den Arbeitgeber nicht in Betracht komme. Abgesehen davon, dass im vorliegenden Fall - anders als etwa im Fall der Spesenabrechnung, bei welcher Falschangaben i.d.R. nur zufällig zu Tage treten - die fehlerhafte Arbeitsweise des Klägers nicht verborgen bleiben konnte und damit zugleich - wie im Folgenden auszuführen ist - auch die Unrichtigkeit der Eintragungen in das Akkordbuch zu Tage trat, kommt auch nach dem arbeitsgerichtlichen Urteil als ein die Kündigungen tragender Grund nicht schon der Verstoß gegen die genannten Verhaltenspflichten als solcher und der hierauf gestützte "Vertrauensverlust" in Betracht, vielmehr ist auch nach dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils maßgeblich, inwiefern der von der Beklagten erhobene Vorwurf zutrifft, der Kläger habe auf die dargestellte Weise den Versuch unternommen, sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Allein in diesem Sinne ist auch der Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigungen im Sinne einer Tat- und Verdachtskündigung angehört worden.
3. Dem Standpunkt des Arbeitsgerichts, das Verhalten des Kläger könne nicht anders als im Sinne eines versuchten Lohnbetruges gewürdigt werden, vermag die Kammer aus den nachstehenden Gründen nicht zu folgen.
a) Das Arbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung auf die Überzeugung gestützt, der Kläger habe in zwei Fällen einen versuchten Lohnbetrug begangen. Schon als der Kläger am 04.04.2012 das zum Auftrag gehörende Etikett in das Akkordbuch gelegt und in die Arbeitskarte eine komplette Kommissionierung eingetragen habe, habe er gewusst, dass er den betreffenden Frontenwagen am Folgetage nicht würde fertigstellen können. Weder sei glaubhaft, dass der seit langem in der Frontenkommissionierung tätige Kläger mit der Einteilung der Wagen nach Produktionszonen und deren Bedeutung für den Produktionsablauf nicht vertraut gewesen sei, noch könne der Kläger die entsprechende Kenntnis mit Rücksicht auf das eine Woche zuvor geführte Gespräch mit dem Abteilungsleiter S1 in Abrede stellen. Auf dieser Grundlage müsse von einem systematischen Vorgehen des Klägers mit dem Ziel ausgegangen werden, sich nicht verdiente Arbeitsvergütung zu erschleichen. Selbst wenn aber dem Kläger abgenommen werde, dass er geglaubt habe, der könne den unvollständig kommissionierten Wagen am Folgetage fertigstellen, sei nicht einsichtig, warum er nicht im Akkordbuch die nur teilweise Auftragserledigung vermerkt, sondern den Auftrag als vollständig erledigt dokumentiert habe. Schließlich habe der Kläger mehrfach die Möglichkeit zu einer entsprechenden Klarstellung gehabt, hiervon aber keinen Gebrauch gemacht, was die Einschätzung rechtfertige, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Klarstellung beabsichtigt, sondern eine Überzahlung wenigstens billigend in Kauf genommen habe. Ein vorsätzliches Handeln des Klägers könne auch nicht mit der Erwägung ausgeräumt werden, dass der Vorgang nicht habe unentdeckt bleiben können. Ein Arbeitnehmer, der zur Abrechnung nach Akkordminuten berechtigt und verpflichtet sei, genieße einen erheblichen Vertrauensvorschuss, weil der Arbeitgeber die Angaben nicht oder nur stichprobenartig nachprüfen könne. Eine Verschiebung der Prüfverantwortlichkeit auf den Arbeitgeber komme danach nicht infrage.
b) Die Kammer teilt zwar den rechtlichen Ausgangspunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils, dass der Versuch des Arbeitnehmers, den Arbeitgeber durch unrichtige Aufzeichnungen der Arbeitszeit zur Zahlung nicht geschuldeter Vergütung zu veranlassen, an sich als "wichtiger Grund" zur außerordentlichen Kündigung
gem. § 626
BGB geeignet ist und dass auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ein derartiger festgestellter Sachverhalt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Einhaltung der Kündigungsfrist rechtfertigen würde. Weder kann sich die Kammer indessen der Auffassung anschließen, das Verhalten des Klägers spreche für eine systematisch angelegte Vorgehensweise, durch absichtliche Auswahl von Kommissionierungsaufträgen der Wagen der Zonen 1 bis 4 und deren unvollständige Kommissionierung nebst unzutreffender Eintragungen in das Akkordbuch eine höhere als die tatsächlich erbrachte Akkordleistung vorzutäuschen, noch folgt aus dem Umstand, dass der Kläger in vorwerfbarer Weise die gebotene Richtigstellung unterlassen hat, die zweifelsfreie Überzeugung, dass der Kläger eine Überzahlung wenigstens billigend in Kauf genommen hat.
Wie im Folgenden auszuführen ist, spricht gegen das vom Arbeitsgericht angenommene systematische Vorgehen der Umstand, dass mit einer gezielten Auswahl eines nicht bis zum Schichtende abzuschließenden Kommissionierungsauftrages nicht allein Störungen des Produktionsablaufs, sondern auch zusätzliche Vergütungszahlungen an die jeweils eingesetzte "Ersatzkraft" verbunden waren. Gleiches gilt auch für den Vorwurf, der Kläger habe eine nachträgliche Korrekturmeldung in der Vorstellung unterlassen, die Unrichtigkeit seiner Angaben im Akkordbuch werde nicht auffallen, die sich dann ergebende Überzahlung nehme er billigend in Kauf. Allein der Umstand, dass ein mit Betrugsabsicht handelnder Arbeitnehmer mit der Möglichkeit einer Entdeckung nicht rechnet, schließt zwar - wie das Arbeitsgericht zutreffend betont - die entsprechende Betrugsabsicht nicht aus. Besteht allerdings nach den erkennbaren betrieblichen Abläufen keinerlei Aussicht darauf, dass unzutreffende Angaben über den Umfang der geleisteten Arbeit unbemerkt bleiben und dass aus diesem Grunde eine überhöhte Lohnzahlung realistischerweise nicht zu erwarten ist, so kommt diesem Umstand wesentliche Bedeutung bei der rechtlichen Prüfung der Bereicherungsabsicht zu. Allein für den Fall, dass für das Verhalten des Arbeitnehmers jede andere plausible Erklärung fehlt, kann mit dem für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblichen Grad der Gewissheit auf den inneren Willen geschlossen werden, sich auf Kosten des Arbeitgebers einen Vermögensvorteil zu verschaffen.
c) Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Kammer die volle und zweifelsfreie Überzeugung von einem versuchten "Lohnbetrug" auch unter Berücksichtigung der durchgeführten Beweisaufnahme nicht gewinnen können.
(1) Eine systematisches Vorgehen in dem Sinne, dass der Kläger gegen Schichtende gezielt einen Wagen mit einem Kommissionierungsauftrag ausgewählt hat, welcher produktionsbedingt noch am selben Tage benötigt wurde, jedoch bis zum Schichtende nicht fertigzustellen war, weswegen die angefangene Kommissionierung von einem anderen Mitarbeiter abgeschlossen werden musste, gleichwohl der Kläger die für die Kommissionierung kalkulierte Akkordzeit vollständig als selbst geleistet für sich in Anspruch nahm und vergütet erhalten wollte, scheidet bei realistischer Betrachtung aus.
Dass die unvollständige Kommissionierung eines Wagens, welcher noch am selben Tage für die laufende Produktion benötigt wurde, nicht unbemerkt bleiben konnte und geblieben ist, stellt auch die Beklagte nicht in Abrede. Vielmehr hat der vom Landesarbeitsgericht vernommene Zeuge S1 bestätigt, dass er jeweils am 04.04. und 05.04.2012 selbst entsprechende Feststellungen getroffen und einen Mitarbeiter beauftragt hat, die Kommissionierung abzuschließen. Zugleich war anhand der am betreffenden Wagen vorhandenen Zettel zu erkennen, dass der Kläger für die unvollständige Kommissionierung verantwortlich war. Auch wenn es im Interesse eines zügigen Produktionsablaufs dem Abteilungsleiter vorrangig darum gehen musste, für die Vervollständigung der Kommission zu sorgen, verstand es sich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung eines störungsfreien Produktionsablaufs als auch im Hinblick auf die Frage der Vergütungsabrechnung von selbst, dass der Abteilungsleiter den Vorgang nicht auf sich beruhen ließ. Wie der Zeuge S1 glaubwürdig ausgesagt hat, hatte er den Kläger erst in der Woche zuvor wegen eines gleichartigen Vorgangs angesprochen und ihn auf die produktionsbedingte Notwendigkeit hingewiesen, gegen Schichtende nur noch mit der Kommissionierung von Wagen zu beginnen, welche nicht mehr am selben Tage benötigt wurden. Die Tatsache, dass der Kläger nunmehr gleichwohl erneut einen für die aktuelle Produktion benötigten Wagen unvollständig kommissioniert hatte, stellte sich damit aus Sicht des Abteilungsleiters S1 als wiederholter Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten dar. Unabhängig davon, ob bereits bei dem früheren Vorfall vom 26.03., welcher Anlass für das Gespräch vom 27.03.2012 gewesen war, die Frage der korrekten Abrechnung des Auftrages ins Blickfeld geraten war, musste es auch aus Sicht des Klägers als vollkommen unrealistisch erscheinen, durch gezielt unvollständig erledigte Akkordarbeit Vergütungsvorteile zu erlangen, wenn zwangsläufig durch die erforderlicher Nacharbeit zusätzliche Lohnkosten anfielen. Die Annahme, der Abteilungsleiter werde sich bei einer unvollständigen Kommissionierung zwar im Interesse des Produktionsablaufs um die Vervollständigung des Auftrages kümmern und die hierfür anfallende Bezahlung der Nacharbeit regeln, hingegen der Frage der Abrechnung des nur unvollständig kommissionierten Auftrages keine Beachtung schenken, erscheint unter Berücksichtigung der Lebenserfahrung fernliegend. Auch der tatsächliche Geschehensablauf bestätigt diese Einschätzung. Darüber hinaus gab der Umstand, dass sich das für die Akkordabrechnung bestimmte Etikett nicht mehr am Wagen befand, konkreten Anlass zur Nachprüfung, ob und wie denn die unvollständig erbrachte Leistung zur Abrechnung eingereicht war. Dass es sich hierbei nicht um theoretische Überlegungen handelt und die unrichtige Abrechnung des Kläger nicht etwa zufällig entdeckt wurde, wird durch die Aussage des Zeugen S1 bestätigt, dass sich sein Augenmerk - jedenfalls als es erneut zu einer unvollständigen Kommissionierung durch den Kläger gekommen war - auch auf die Überprüfung der Akkordabrechnung richtete. Anders als bei einem System der Vergütungsabrechnung, welches vom Produktionsablauf vollständig abgekoppelt ist und bei welchem Unstimmigkeiten nur zufällig zu bemerken sind, war hier der Abteilungsleiter S1 gleichermaßen für den Produktionsablauf als auch für die - wenn auch nur stichprobenartige - Kontrolle der Akkordbücher zuständig. Zwar war im Hinblick darauf, dass die ausgedruckten Abrechnungsunterlagen nicht länger aufbewahrt wurden, ein direkter Abgleich der Eintragungen in das Akkordbuch mit den aufgeführten Vorgabezeiten nur eingeschränkt möglich. Darum geht es hier jedoch nicht. Wegen der vom Kläger veranlassten Produktionsstörung und der hiermit verbundenen zusätzlichen Lohnaufwendungen lag ein Sachverhalt vor, der zur Überprüfung der Abrechnung konkreten Anlass bieten musste. Dass der Kläger demgegenüber von der Erwartung ausging, er könne risikolos die volle Vergütung für eine unvollständig erbrachte und erst von einem Kollegen abgeschlossene Arbeit abrechnen, ohne dass dies spätestens im Wiederholungsfalle bemerkt werde, erscheint nach Überzeugung der Kammer als nicht realistisch. Ob das Verhalten des Klägers anders - nämlich im Sinne eines "systematischen Lohnbetruges" zu beurteilen wäre, wenn dem Kläger - wie die Beklagte behauptete hat - vom Vorgesetzten S1 im Gespräch vom 27. März ausdrücklich erklärt worden wäre, wie bei "angefangenen Wagen" die anteilig erbrachte Akkordleistung zu dokumentieren ist, kann dahinstehen. Eine derartige konkrete Anweisung hat der Zeuge S1 bei seiner Vernehmung vor dem Landesarbeitsgericht nicht bestätigt.
(2) Auch der Annahme des Arbeitsgerichts, der Kläger habe, selbst wenn es an einer systematischen Vorgehensweise der Falschabrechnung fehle, jedenfalls durch die unterlassene Aufdeckung der fehlerhaften Eintragungen in das Akkordbuch eine Überzahlung erstrebt oder jedenfalls billigend in Kauf genommen, vermag die Kammer nicht zu folgen.
Ohne Zweifel trifft es zwar zu, dass für den Kläger mehrfach die Gelegenheit bestand, den korrekten Sachverhalt gegenüber dem Abteilungsleiter klarzustellen. Soweit der Kläger sein Verhalten damit zu erklären sucht, er habe aus gesundheitlichen Gründen nicht im Akkord eingesetzt werden dürfen, ohne den Akkordeinsatz wäre es nicht zu der entstandenen Problematik gekommen, liegt dies neben der Sache, da der Kläger tatsächlich im Akkord eingesetzt war und seine Arbeitsleistung nach den Akkordregeln vergütet erhalten wollte, wie sich aus seinen Eintragungen in das Akkordbuch ergibt. Warum der Kläger nicht sogleich am 05.04.2012 oder am ersten Arbeitstag nach den Feiertagen, dem 10.04.2012, von sich aus auf die Korrekturbedürftigkeit der als fehlerhaft erkannten Eintragungen im Akkordbuch hingewiesen hat, lässt sich damit nicht mit der betriebsärztlich attestierten Einsatzbeschränkung begründen. Ebenso wenig überzeugt der Hinweis auf eine krankheitsbedingte Überforderung. Aus welchem Grunde der Kläger durch die Diabetes-Erkrankung und die hiermit verbundenen Leistungsbeschränkungen nicht in der Lage gewesen sein soll, die Unrichtigkeit der "vorzeitigen" Abrechnung der unvollständigen Kommissionierung zu erkennen und die notwendigen Schritte zur Richtigstellung zu unternehmen, wird durch den Klägervortrag nicht überzeugend begründet.
Auch ohne Berücksichtigung des klägerischen Gesundheitszustandes lässt aber allein der Umstand, dass der Kläger pflichtwidrig keine Schritte unternommen hat, die fehlerhaften Angaben im Akkordbuch zu korrigieren, nicht die zwingende Schlussfolgerung zu, der Kläger habe von einer Korrekturmeldung bewusst mit dem Ziel abgesehen, eine überhöhte Akkordvergütung zu erlangen
bzw. der Kläger habe eine Überzahlung zumindest billigend in Kauf genommen.
Theoretisch lässt sich zwar nicht ausschließen, dass der Kläger es bewusst darauf ankommen ließ, ob seine unrichtigen Angaben bei der Akkordabrechnung auffallen würden, so dass von einer Täuschung durch bewusstes Unterlassen der gebotenen Richtigstellung auszugehen wäre. In Anbetracht des Umstandes, dass die Unvollständigkeit der Arbeitsleistung bereits aufgefallen und diese Tatsache auch dem Kläger bekannt war, weil der "angefangene" Wagen nicht mehr am gewählten Abstellort bereitstand, ferner auch aus Sicht des Klägers nicht zweifelhaft sein konnte, dass der von ihm unvollständig erledigte Kommissionierungsauftrag von einem Kollegen zu Ende geführt worden sein musste, welcher hierfür seinerseits Vergütung zu beanspruchen hatte, konnte auch der Kläger unschwer erkennen, dass seine unrichtigen Angaben im Akkordbuch zum Umfang der Kommissionierungsleistung der Beklagten nicht verborgen bleiben würden. Wenn der Kläger gleichwohl untätig blieb, anstatt von sich aus die gebotene Klarstellung vorzunehmen, so kommt als Erklärung hierfür nicht allein - wie das Arbeitsgericht angenommen hat - der Wunsch und Wille des Klägers in Betracht, die sich aus den unrichtigen Angaben im Akkordbuch ergebende Überzahlung "mitzunehmen". Nicht weniger realistisch und jedenfalls nicht auszuschließen ist die Erklärung, dass der Kläger der zu erwartenden und unangenehmen Situation ausweichen wollte, dass der Abteilungsleiter ihm sein in mehrfacher Hinsicht vertragswidriges Verhalten vorhalten würde. Bei der gebotenen Korrekturmeldung ging es nicht lediglich um die Beseitigung eines formalen Abrechnungsfehlers oder darum, dass der Kläger einen nicht vollständig kommissionierten Auftrag in der Erwartung, die Erledigung zeitnah nachholen zu können, bereits in das Akkordbuch eingetragen hatte. Vielmehr war mit der Korrekturmeldung die Notwendigkeit verbunden, die Verantwortlichkeit für die entstandene Störung der Produktion durch Nichtbeachtung der vorgegebenen Bearbeitungsreihenfolge einzuräumen. Hieraus ergab sich zweifellos eine gewisse "Hemmschwelle", welche ein Verhalten nachvollziehbar macht, gleichsam "den Kopf in den Sand zu stecken". Gleich ob sich der Kläger - wofür ein Motiv nicht ersichtlich ist - bei seiner Kommissionierungstätigkeit am 04. und 05.04.2012 bewusst über die in der Beweisaufnahme bestätigte Anweisung des Vorgesetzten S1 hinweggesetzt oder allein sorgfaltswidrig der Anweisung keine Beachtung geschenkt hatte, war für ihn abzusehen, dass die seiner Person zweifelsfrei zuzuordnende Produktionsstörung zu erneuten Vorhalten führen würde. Die Möglichkeit, dass der Kläger in dieser Situation den Dingen ihren Lauf ließ, ohne zu bedenken, dass sich aus den unrichtigen Eintragungen in das Akkordbuch der Verdacht unredlichen Handelns ergeben konnte, liegt jedenfalls nicht völlig fern. Demgegenüber lässt sich die zweifelsfreie Überzeugung, der Kläger habe eine Korrekturmeldung in dem Bewusstsein unterlassen, die Beklagte werde möglicherweise den Akkordlohn aufgrund seiner unrichtigen Angaben abrechnen, was er bewusst in Kauf nehme, unter diesen Umständen nicht gewinnen. Die Frage des vorsätzlichen Handels betrifft eine innere Tatsache, die nur auf der Grundlage solcher Anknüpfungstatsachen bejaht werden kann, die mit der gebotenen Eindeutigkeit einen entsprechenden Rückschluss zulassen, weil jedwede andere Verhaltensinterpretation bei realitätsgerechter Sicht ausgeschlossen ist. An solchen hinreichenden Überzeugungsgrundlagen fehlt es hier. Verbleibende Zweifel gehen nach der gesetzlichen Beweislastverteilung zu Lasten der Beklagten.
4. Die ausgesprochene Kündigung ist auch nicht als Verdachtskündigung berechtigt. Richtig ist zwar, dass durch das Verhalten des Klägers ein über einen vagen Anfangsverdacht hinausgehender ernstlicher Verdacht entstanden ist, der Kläger habe bewusst von einer Korrektur der fehlerhaften Eintragungen in sein Akkordbuch abgesehen in der Hoffnung, bei der Akkordabrechnung werde die unvollständige Auftragserledigung nicht auffallen, die hiermit verbundene Überzahlung nehme er billigend in Kauf. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen zur Tatkündigung bleibt indessen auch bei der Prüfung der "Dringlichkeit" des Verdachts zu beachten, dass das den Verdacht maßgeblich begründende Verhalten des Klägers - nämlich die unterlassene Aufdeckung der fehlerhaften Eintragung in das Akkordbuch - keineswegs nur so erklärt werden kann, der Kläger habe damit eine überhöhte Arbeitsvergütung erlangen wollen oder nehme dies in Kenntnis des erwarteten Geschehens in Kauf, vielmehr sind - wie ausgeführt - auch andere plausible Gründe nicht fernliegend, die das Untätigbleiben des Klägers erklären und nicht als bloße Schutzbehauptung unberücksichtigt bleiben können. An der Dringlichkeit des Verdachts fehlt es aber nicht allein, wenn ein äußerer Geschehensablauf lediglich als möglich oder überwiegend wahrscheinlich anzusehen ist, zugleich aber auch ein abweichender Geschehensablauf nicht völlig fern liegt. Gleiches gilt auch, wenn es um die Beurteilung innerer Vorgänge - hier des vorsätzlichen Handelns
bzw. Unterlassens - anhand äußerer Anknüpfungstatsachen geht. Kann das Gericht die volle und zweifelsfreie Überzeugung vom Vorliegen eines Vorsatzes nicht gewinnen, weil nach den Umständen auch ein nicht vorsätzliches Handeln in Betracht kommt, so kann allein aus der Unaufklärbarkeit des Geschehens nicht die Dringlichkeit des Verdachts hergeleitet werden.
Auf dieser Grundlage kann die Kammer das Vorliegen eines dringenden Verdachts nicht feststellen. Ein vorsätzliches Handeln des Klägers kommt zwar ernstlich in Betracht, andererseits lassen die genannten Gesichtspunkte es keineswegs als fernliegend erscheinen, dass der Kläger aus den genannten Gründen ohne den Willen, sich zu bereichern, schlicht untätig geblieben ist, anstatt die gebotene Korrekturmeldung vorzunehmen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist.
III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72
ArbGG liegen nicht vor.