Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Der Bescheid des Integrationsamts vom 17. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht ihren Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO).
Gemäß
§ 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes.
a) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen wird allein durch die Kündigung des Arbeitgebers bewirkt. Die dazu nach § 85
Abs. 1
SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamts ist eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für diese rechtsgeschäftliche Gestaltungserklärung, erschöpft sich aber auch hierin (
BVerwG, B.v. 7.3.1991 -
5 B 114/89 - ZfSH/SGB 1991, 311 - juris Rn. 5; dem folgend BayVGH, U.v. 18.6.2008 -
12 BV 05.2467 - juris Rn. 41). Die Entscheidung des Integrationsamtes über die Zustimmung zur Kündigung von schwerbehinderten Menschen ist eine Ermessensentscheidung (ausführlich dazu BayVGH, B.v. 12.8.2008 -
12 ZB 07.3029 - juris Rn. 8 unter Hinweis auf Kuhlmann, Behindertenrecht 2006, 93/97 f.,
m.w.N.), mit der das Integrationsamt die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe mit den Schutzinteressen des behinderten Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der in
§ 89 SGB IX vorgesehenen Einschränkungen abwägt. Sie ist an Sinn und Zweck des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen auszurichten (
BVerwG, U.v. 2.7.1992 -
5 C 51/90 - BVerwGE 90, 287 - juris Rn. 23 f.). Danach ist das Interesse der schwerbehinderten Arbeitnehmer, ihren Arbeitsplatz zu behalten, mit dem Interesse des Arbeitgebers, Personalkosten zu sparen, abzuwägen (
BVerwG, U.v. 19.10.1995 -
5 C 24/93 - BVerwGE 99, 336 - juris Rn. 13). Es ist dem Fürsorgegedanken des Gesetzes Rechnung zu tragen, das die Nachteile schwerbehinderter Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen will und dafür in Kauf nimmt, dass die Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers eingeengt wird. Besonders hohe Anforderungen an die Zumutbarkeit beim Arbeitgeber sind im Rahmen der Abwägung der gegensätzlichen Interessen dann zu stellen, wenn die Kündigung auf Gründen beruht, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben. Entsprechend ist der Schutz umso geringer, je weniger ein Zusammenhang zwischen Kündigungsgrund und Behinderung feststellbar ist. Andererseits ist auch die unternehmerische Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers mit dem ihr zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen. Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses ist es nicht, eine zusätzliche, zweite Kontrolle der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Kündigung zu schaffen. Die §§ 85
ff. SGB IX sollen nach ihrer Regelungskonzeption erkennbar keinen umfassenden Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer vor einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bieten (
BVerwG, B.v. 11.5.2006 -
5 B 24/06 - juris Rn. 10). Das Integrationsamt hat im Zustimmungsverfahren nach § 85
ff. SGB IX grundsätzlich auch nicht zu prüfen, ob die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Schwerbehinderten etwa sozial gerechtfertigt
i.S.v. § 1
Abs. 2
KSchG ist (
vgl. BVerwG, U.v. 2.7.1992 - 5 C 51/90 - BVerwGE 90, 287 - juris, Leitsatz 3). Denn diese Prüfung ist allein von den Arbeitsgerichten vorzunehmen. Der Sonderkündigungsschutz soll vor allem die Nachteile der Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen (
BVerwG, U.v. 28.2.1968 -
V C 33.66 - BVerwGE 29, 140 - juris Rn. 17). Dessen Zweck geht dahin, den Schwerbehinderten vor den Gefahren, denen er wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt ist, zu bewahren und sicherzustellen, dass er gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen gerät (
BVerwG, U.v. 12.1.1966 -
V C 62.64 - BVerwGE 23, 123 - juris Rn. 35). Bei der Entscheidung, ob die Zustimmung erteilt oder versagt werden soll, können deshalb nur Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiten. Rechtfertigen solche Erwägungen eine Versagung der Zustimmung nicht, so hat die behördliche Zustimmung dem Kündigenden diejenige Rechtsstellung zurückzugeben, die er hätte, wenn es keinen besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte gäbe (
BVerwG, U.v. 2.7.1992 - 5 C 51/90 - BVerwGE 90, 287 - juris Rn. 24). Allerdings darf die Integrationsbehörde an einer offensichtlich unwirksamen Kündigung in dem Sinne, dass die Unwirksamkeit der Kündigung "ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt und sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt", nicht mitwirken (siehe zum Ganzen: BayVGH, U.v. 28.9.2010 -
12 B 10.1088 - juris Rn. 30; U. v. 16.11.1993 -
12 B 92.84 - juris).
Maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Beurteilung eines bestehenden, gegen das Interesse des Schwerbehinderten abzuwägenden Kündigungsinteresses des Arbeitgebers ist der der Kündigung zugrunde liegende historische Sachverhalt. Grundsätzlich beurteilt sich die Frage, ob ein Kündigungssachverhalt vorliegt, aus dem der Arbeitgeber das seinem Antrag zugrunde liegende Kündigungsinteresse herleitet, jedenfalls im Falle einer Anfechtungsklage nach dem historischen Sachverhalt, der den Kündigungsgrund bildet und bis zum Zugang der Kündigungserklärung vorliegt (
vgl. BVerwG, B.v. 10.11.2008 -
5 B 79.08 - juris Rn. 4 f.; B.v. 7.3.1991 - 5 B 114/89 - juris Rn. 4 f.; BayVGH, U.v. 18.6.2008 - 12 BV 05.2467 - juris Rn. 43; B.v. 20.6.2006 - 9
ZB 06.930 - juris Rn. 3; B.v. 31.1.2005 - 9
ZB 04.2740 - juris Rn. 14). Für diesen Zeitpunkt hat die Behörde für ihre Entscheidungsfindung all diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die von den Beteiligten an sie herangetragen worden sind oder die sich ihr sonst hätten aufdrängen mussten. Denn nur die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe sind mit dem Schutzinteresse des behinderten Arbeitnehmers abzuwägen. Tatsachen und Umstände, die erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind, gehören daher nicht zu dem zugrunde zu legenden Sachverhalt. Andernfalls würde die Behörde die Zustimmung zu einer Kündigung bestätigen oder versagen, die sich auf nicht vom Arbeitgeber geltend gemachte Kündigungsgründe stützen würde (siehe zum Ganzen: BayVGH, U.v. 28.9.2010 - 12 B 10.1088 - juris Rn. 32).
Um die nach §§ 85
ff. SGB IX erforderliche Ermessensentscheidung sachgerecht treffen zu können, muss das Integrationsamt anknüpfend an den Antrag des Arbeitgebers und von ihm ausgehend von Amts wegen all das ermitteln und sodann auch berücksichtigen, was erforderlich ist, um die gegensätzlichen Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Arbeitnehmers gegeneinander abwägen zu können (
vgl. BVerwG, U.v. 19.10.1995 -
5 C 24.93 - BVerwGE 99, 336, 338 f. - juris Rn. 15). Die dem Integrationsamt in § 20
SGB X auferlegte Aufklärungspflicht gewinnt ihre Konturen und Reichweite aus dem materiellen Recht. Soweit ein Umstand materiell-rechtlich für die gebotene Interessenabwägung Bedeutung hat, unterliegt er der Aufklärungspflicht (siehe zum Ganzen: BayVGH, U.v. 31.1.2013 -
12 B 12.860 - juris Rn. 31 unter Bezugnahme auf
BVerwG, U.v. 19.10.1995 - 5 C 24.93 - BVerwGE 99, 336, 339 - juris Rn. 15).
Das Integrationsamt hat daher zunächst zu untersuchen, ob Kündigungsgründe überhaupt vorliegen. Es muss im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht aus § 20
SGB X sicherstellen, dass Kündigungsgründe tatsächlich bestehen und nicht lediglich vorgeschoben werden (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 22.5.2012 -
12 ZB 12.88 - juris Rn. 12; U.v. 28.9.2010 - 12 B 10.1088 - juris Rn. 36;
BVerwG, B.v. 30.6.2011 -
5 B 53/10 - juris).
Das Integrationsamt ist insbesondere nicht dadurch der Pflicht enthoben, sich von der Richtigkeit der für ihre Entscheidung wesentlichen Behauptungen eine eigene Überzeugung zu verschaffen, dass das Arbeitsgericht
ggf. die für die Kündigungszustimmung wesentlichen Behauptungen einer selbständigen Feststellung unterziehen kann; wären nämlich unter dieser Voraussetzung das Integrationsamt und Verwaltungsgericht an den Tatsachenvortrag des Arbeitgebers gebunden, dann würde das Zustimmungsverfahren zu einer leeren Förmlichkeit ausgehöhlt und damit im Ergebnis dem Schwerbeschädigten der Rechtsschutz verweigert. Die Aufklärungspflicht, die ihre Rechtsgrundlage in § 20
SGB X findet, wird verletzt, wenn das Integrationsamt sich damit begnügt, das Vorbringen des Arbeitgebers, soweit es im Rahmen der nach § 85
SGB IX gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, nur auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen (siehe zum Ganzen:
BVerwG, U.v. 19.10.1995 -
5 C 24/93 - BVerwGE 99, 336 - juris Rn. 14; U.v. 28.11.1958 -
V C 32.56 - BVerwGE 8, 46 - juris Rn. 39;
VG Augsburg, U.v. 17.9.2013 -
Au 3 K 13.476 - juris Rn. 58; U.v. 29.9.2009 -
Au 3 K 09.697 - juris Rn. 25-29).
Bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen ist das Zustimmungsermessen regelmäßig zugunsten des Arbeitgebers auszuüben, wenn dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird, mit seinem Verhalten gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen zu haben und das ihm vorgeworfene Fehlverhalten keine Ursache in seiner Behinderung hat. Die auch insoweit bestehende Verpflichtung des Integrationsamts zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung (§ 20
Abs. 1 Satz 1
SGB X) findet ihre Grenzen unter anderem in der sich aus der Bestimmung des § 21
Abs. 2
SGB X ergebenden allgemeinen Mitwirkungspflicht des Betroffenen. Das Integrationsamt muss nur solchen Umständen nachgehen, die sich ihm aufdrängen. Dagegen besteht grundsätzlich kein Anlass, in Richtung auf denkbare Umstände, die allein den Lebensbereich des Betroffenen berühren, von ihm aber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht werden, von Amts wegen zu ermitteln. Dies gilt für die Schwerbehindertenfürsorge im Rahmen des Sonderkündigungsschutzes umso mehr, als der Schwerbehindertenstatus zum grundrechtlich geschützten Bereich der Persönlichkeitsrechte gehört und es dem Schwerbehinderten überlassen bleiben muss, ob und auf welche seiner Behinderungen er sich im Rahmen des § 85
SGB IX beruft (siehe zum Ganzen: BayVGH, B.v. 6.12.2010 -
12 ZB 09.954 - juris Rn. 17
m.w.N.).
Bei einem substantiierten Bestreiten des einer verhaltensbedingten Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalts durch den Arbeitnehmer - wenn also der Geschehensablauf anders geschildert wird als vom Arbeitgeber - reicht es nicht aus, wenn sich das Integrationsamt lediglich auf mittelbare Aussagen verlässt, um die durch die divergierenden Aussagen entstandenen Widersprüche aufzuklären. Es sind vielmehr unmittelbare Zeugenaussagen oder schriftliche Stellungnahmen der am Geschehen Beteiligten einzuholen (
VG München, U.v. 13.10.2010 -
M 18 K 10.169 - juris Rn. 28;
vgl. auch
OVG NRW, B.v. 12.2.2009 -
12 A 3108/08 - juris).
Eine Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist nach alledem ermessensfehlerhaft und verwaltungsgerichtlich aufzuheben, soweit sie nicht auf einer vollständigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beruht (
vgl. Trenk-Hinterberger, in: HK-SGB IX, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 10). In einem solchen Fall ist die Verpflichtung des Gerichts, den Streitgegenstand spruchreif zu machen (
vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow,
VwGO, 3. Aufl., 2010, § 113 Rn. 56
ff.) regelmäßig beschränkt. Das Gericht hat insoweit nur zu ermitteln, ob die vom Integrationsamt im klagegegenständlichen Bescheid herangezogenen Erwägungen ausreichen, die getroffene Verwaltungsentscheidung zu tragen; denn das Gericht ist nicht befugt, einen Ermessensakt aus Gründen aufrechtzuerhalten, die für die erlassende Behörde nicht oder nicht allein ausschlaggebend waren. Das Integrationsamt hat sodann Ermittlungsdefizite im Rahmen des nach der Aufhebung der Zustimmungsentscheidung weiter anhängigen Antragsverfahrens zu beseitigen und erneut über die beantragte Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden (siehe zum Ganzen: BayVGH, U.v. 31.1.2013 - 12 B 12.860 - juris Rn. 33/44 f. unter Bezugnahme auf
BVerwG, U.v. 16.9.1986 - 1 C 13/85 - BVerwGE 75, 26 - juris Rn. 19).
b) Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze ist die gegenständliche Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts ermessensfehlerfrei und somit rechtlich nicht zu beanstanden.
In seiner Abwägung der vom Beigeladenen als Arbeitgeber geltend gemachten verhaltensbedingten Kündigungsgründe mit den Schutzinteressen der schwerbehinderten Klägerin ist das Integrationsamt rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Interessen des Beigeladenen an der Kündigung vorliegend überwiegen. Bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen ist das Zustimmungsermessen regelmäßig zugunsten des Arbeitgebers auszuüben, wenn dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird, mit seinem Verhalten gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen zu haben und das ihm vorgeworfene Fehlverhalten keine Ursache in seiner Behinderung hat. So liegt der Fall auch hier.
aa) Das Gericht ist durch die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zu der Auffassung gelangt, dass die verhaltensbedingten Kündigungsgründe nicht nur vorgeschoben sind. Dies gilt insbesondere für den Vorfall der pflichtwidrigen Nichtbehandlung der Krebspatientin am 30. August 2013 durch die Klägerin, der aus Sicht des Gerichts aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung bereits für sich genommen ausreichend ist, die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts zu tragen, so dass von einer weiteren Beweisaufnahme abgesehen werden konnte.
Die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommene Krebspatientin, an deren Glaubwürdigkeit das Gericht keinerlei Zweifel hat, hat insoweit angegeben, dass sie im August 2013 an vier Tagen pro Woche zur Bestrahlung ins ...klinikum musste. An einem Tag pro Woche wurde ihr im ...klinikum ein Mittel zur Chemotherapie verabreicht. Ihr ging es folglich Ende August 2013 sehr schlecht. Sie musste sich ständig erbrechen und litt auch unter permanentem Durchfall. Dies ging sogar so weit, dass ihr im ...klinikum vor der Bestrahlung eine Infusion verabreicht wurde, damit sie die Behandlung durchstehen konnte. Sie ist am 30. August 2013 wegen ihrer Beschwerden vor allem deshalb nicht ins ...klinikum gegangen, weil man dort dann das unter Umständen sehr langwierige Aufnahmeverfahren durchlaufen muss. Sie wusste nicht, ob diese Beschwerden die üblichen Begleiterscheinungen der Therapie waren oder aber zusätzliche Symptome hinzugekommen sind. Dies wollte sie durch den Beigeladenen als ihren Hausarzt abklären lassen. Sie hat sodann morgens in der Praxis des Beigeladenen angerufen und gefragt, ob sie vorbeikommen kann. Die Sprechstundenhilfe sagte ihr, dass die Klägerin, die die Urlaubsvertretung für den Beigeladenen ausübte, noch nicht da sei, diese werde sich verspäten. Sie hat sich dann gleich von ihrem Lebensgefährten zur Praxis fahren lassen und hat
ca. eine Stunde auf die Klägerin gewartet. Sie hat der Klägerin sodann ihre Probleme geschildert und gebeten, ihr Blut abzunehmen um zu überprüfen, ob der Leukozyt-Wert in Ordnung ist. Sie hatte zuvor bereits Probleme mit dem Blutbild und deshalb vermutet, dass ihre Beschwerden auf ein ähnliches Blutbild zurückzuführen sind. Die Klägerin hat ihr dann gesagt, sie sei Patientin des Beigeladenen und solle wiederkommen, wenn dieser wieder vom Urlaub zurück ist. Sie hat trotzdem nochmals ausdrücklich gebeten, ob die Klägerin ihr nicht Blut abnimmt, um es auf die Leukozyten zu untersuchen. Die Klägerin hat sie jedoch erneut darauf verwiesen, wiederzukommen, wenn der Beigeladene nach seinem Urlaub wieder in der Praxis ist. Sie hat sich dann erst wieder in die Praxis begeben, nachdem der Beigeladene wieder vom Urlaub zurück war. Dort wurde ihr dann von einer Sprechstundenhilfe Blut abgenommen und untersucht. Der Beigeladene hat das Ergebnis der Blutuntersuchung schließlich mir ihr besprochen. Mit dem Blutbild war alles in Ordnung (
vgl. zum Ganzen auch: eidesstattliche Versicherung, Blatt 89 der Gerichtsakte).
Die Nichtbehandlung der Krebspatientin am 30. August 2013 stellt nach Auffassung des Gerichts einen ganz erheblichen Verstoß der Klägerin gegen ihre arbeitsvertraglichen und berufsrechtlichen Pflichten dar, der für sich genommen geeignet ist, die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts zu tragen.
Ausweislich eines Merkblatts des Universitätskrebszentrums Göttingen für Patienten mit Chemotherapie (abrufbar unter http://www.onkologie-haematologie. med.uni-goettingen.de/media/project/IKO_Flyer_Meta.
pdf; Blatt 123 f. der Gerichtsakte) kann es durch eine Chemotherapie zu Blutbildveränderungen kommen. Diese treten meist
ca. 8-14 Tage nach dem Beginn der Therapie auf. Der für den Sauerstofftransport im Körper zuständige rote Blutfarbstoff (Hb = Hämoglobin) kann nach der Chemotherapie abfallen, dadurch kann es zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit kommen. Der rote Blutfarbstoff sollte bei einem Abfall auf unter 8 g/dl durch Bluttransfusionen (Erythrozytenkonzentrate) ersetzt werden. Die für die Blutgerinnung zuständigen Thrombozyten (Blutplättchen) können ebenfalls durch die Chemotherapie abfallen, wodurch es zu einer vermehrten Blutungsneigung kommen kann (blaue Flecken, Nasenbluten, Zahnfleischbluten). Die Thrombozyten sollten bei einem Abfall unter 10.000 pro μl durch Thrombozytenkonzentrate ersetzt werden. Daneben kann es zu einem Abfall der für die Infektabwehr verantwortlichen Leukozyten (weiße Blutkörperchen) kommen. Infektionen sind häufige Nebenerscheinungen bei der Behandlung von Patienten mit bösartigen Erkrankungen, vor allem aufgrund der Therapie (Chemotherapie/ Strahlentherapie), aber auch durch Verdrängung des Knochenmarkes durch bösartige Zellen. Sind die Leukozyten unter 1.000 Zellen pro µl abgefallen, spricht man von der Aplasiephase. In dieser Phase sind Patienten besonders anfällig für Infektionen. Vor diesem Hintergrund sind als Vorsichtsmaßnahmen nach der Chemotherapie 1-2 mal pro Woche Blutbildkontrollen durch den Hausarzt erforderlich, bei Thrombozytenwerten unter 50.000/Mikroliter muss das Blutbild jeden zweiten Tag kontrolliert werden. Bei Abfall der Thrombozyten unter 20.000/µll oder des Hämoglobins unter 8 g/dl wird empfohlen, dass sich der Hausarzt oder der Patient selbst sofort mit dem behandelnden Krebsspezialisten in Verbindung setzt.
Das exemplarisch in Bezug genommene Merkblatt verdeutlicht aus Sicht des Gerichts nachhaltig, dass es mit Blick auf die seitens der Krebspatientin am 30. August 2013 geschilderte Beschwerdesymptomatik medizinisch zwingend geboten gewesen wäre, unverzüglich eine Blutabnahme und -analyse zu veranlassen, um eine akute Gefahrenlage auszuschließen. Diese Vorgehensweise entsprach nicht nur dem subjektiven Empfinden der als Zeugin vernommenen Krebspatientin, sondern war auch objektiv medizinisch indiziert. Das entsprechende Unterlassen einer Behandlung durch die Klägerin stellt einen Verstoß gegen die Berufsordnung für die Ärzte Bayerns i.d.F. der Bekanntmachung vom 9. Januar 2012 (BerufsO-Ärzte) dar. Nach § 1
Abs. 2 BerufsO-Ärzte ist es insbesondere Aufgabe des Arztes, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern. Gemäß § 2
Abs. 2 Satz 2 BerufsO-Ärzte hat der Arzt sein ärztliches Handeln stets am Wohl des Patienten auszurichten. Diesen Maßgaben ist die Klägerin vorliegend nicht gerecht geworden; unerheblich ist insoweit, dass sich das Blutbild der Krebspatientin im Nachhinein als unauffällig erwiesen hat.
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie sich beim fraglichen Vorfall am 30. August 2013 in einer besonderen Be- oder gar Überlastungssituation befunden hat. Nach glaubwürdiger Angabe der Krebspatientin waren zum maßgeblichen Zeitpunkt keine weiteren Patienten in der Praxis. Andere Gründe spielten für die pflichtwidrige Nichtbehandlung ersichtlich keine Rolle, die Klägerin hat sich gegenüber der Patientin allein darauf berufen, sie als Patientin des Beigeladenen nicht behandeln zu wollen.
Die Klägerin war auch arbeitsvertraglich verpflichtet, die besagte Krebspatientin am 30. August 2013 im Wege der Urlaubsvertretung des Beigeladenen zu behandeln. Der die Arbeitszeit regelnde § 4 des Anstellungsvertrags lautet wie folgt (Hervorhebung nicht im Original; Blatt 5 f. der Verwaltungsakte):
"Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 40 Stunden pro Woche, und zwar von Montag bis Freitag von 8:00 bis 13:00 und Montag, Dienstag und Donnerstag von 14:00 bis 18:00. Mittwoch und Freitag Nachmittag sind frei.
Im Urlaub des Praxisinhabers (jeweils 4-6 Wochen pro Jahr [)] vertritt der angestellte Arzt den Praxisinhaber auch am Mittwoch-Nachmittag (zu Hausbesuchen) und am Freitag-Nachmittag in der Sprechstunde von 14.00 - 18.00."
Das hervorgehobene Wort "auch" lässt ohne weiteres den Umkehrschluss zu, dass die Klägerin als angestellte Ärztin arbeitsvertraglich eine allgemeine Vertretungspflicht hinsichtlich ihres urlaubsbedingt abwesenden Arbeitgebers während der regelmäßigen Arbeitszeit trifft, zusätzlich jedoch auch am Mittwoch- und Freitag-Nachmittag.
Entgegen der Auffassung der Klägerin stand einer Behandlung der Krebspatientin auch nicht entgegen, dass die Klägerin als Allgemeinmedizinerin rechtlich gar nicht befugt wäre, den Beigeladenen als Facharzt für Innere Medizin zu vertreten. Zwar trifft es zu, dass ein Allgemeinmediziner kassenärztlich nicht berechtigt ist, in Vertretung eines Facharztes für Innere Medizin fachärztliche Leistungen zu erbringen und abzurechnen (
BSG, U.v. 14.12.2011 - B 6 KA 31/10 R - MedR 2012, 826 - juris). Jedoch ist ein Allgemeinmediziner ohne weiteres berechtigt, einen fachärztlich tätigen Internisten in Bereichen zu vertreten, die er selbst als Hausarzt aufgrund seiner Qualifikation erbringen und auch abrechnen darf (
vgl. Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg -
FAQ; abrufbar unter http://www.kvbawue.de/ praxisalltag/vertretungen/faq-vertretungen/, Blatt 136 der Gerichtsakte). In ihrem Merkblatt "Allgemeine Informationen zum Thema Vertretungen" (abrufbar unter http://www.kvb.de/fileadmin/kvb/dokumente/Praxis/Praxisfuehrung/ Zulassung/KVB-Merkblatt-Vertretung-Vertragsarzt.
pdf, Blatt 125
ff. der Gerichtsakte) führt die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) aus, dass ein "wechselseitiges Tätigwerden" innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft nur insoweit möglich ist, als eine Überschneidung der Fachgebiete und
ggf. die für die konkrete Leistungserbringung erforderlichen Qualifikationen sowie die Gleichheit der Versorgungsbereiche (hausärztlich/fachärztlich) dies auch zulassen (Seite 7 des Merkblatts). Im Falle angestellter Ärzte sind diese nach dem Merkblatt bei Vertretung des Arbeitgebers sogar nicht an die aus ihrer Anstellung resultierende Zuordnung zum haus- oder fachärztlichen Versorgungsbereich gebunden (Seite 8 des Merkblatts). Die gegenständliche unterlassene Blutuntersuchung zählt ohne weiteres zum hausärztlichen Leistungsspektrum, so dass die Klägerin rechtlich nicht gehindert war, den Beigeladenen insoweit zu vertreten. Da sie ihren hausärztlichen Tätigkeitsbereich mithin nicht verlassen hätte, wäre die entsprechende ärztliche Maßnahme auch von der entsprechenden Berufshaftpflichtversicherung unproblematisch umfasst gewesen.
Klarzustellen ist noch, dass allein der pauschale Hinweis auf vorangegangene vergebliche Versuche des Beigeladenen, das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung zu beenden, nicht genügt, um die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Zustimmungsentscheidung in Frage zu stellen (
vgl. BayVGH, B.v. 1.12.2009 -
12 ZB 08.2361 - juris Rn. 8). Gleiches gilt für das klägerseitig nur unsubstantiiert erfolgte Bestreiten der Umstände des maßgeblichen Vorfalls vom 30. August 2013.
bb) Eine offensichtliche arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der gegenständlichen Kündigung, die eine Ablehnung des Zustimmungsantrags bedingen würde, war ebenfalls nicht gegeben. Dies ergibt sich bereits aus dem Endurteil des Arbeitsgerichts vom 17. April 2014 (Az. 3 Ca 54/14), mit dem die arbeitsrechtliche Klage der Klägerin abgewiesen worden ist (
vgl. BayVGH, U.v. 18.6.2008 -
12 BV 05.2467 - juris Rn. 45).
2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154
Abs. 1
VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188
VwGO).
Nachdem der Beigeladene einen eigenen (Klageabweisungs-) Antrag gestellt, sich somit nach § 154
Abs. 3
VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen (§ 162
Abs. 3
VwGO -
vgl. VG Augsburg, U.v. 17.9.2013 - Au 3 K 13.698 - juris Rn. 60).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167
VwGO i.V.m. §§ 708
ff. der Zivilprozessordnung (
ZPO).