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Urteil
Erledigung bei Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers

Gericht:

VG Saarlouis 3. Kammer


Aktenzeichen:

3 K 1276/16


Urteil vom:

12.10.2018


Grundlage:

Orientierungssätze:

1. Hat sich ein Verwaltungsakt vor einer Entscheidung durch das angerufene Gericht durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

2. Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt ein, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist.

3. Das berechtigte Interesse wegen Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Saarland

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Zustimmung des Beklagten zur ordentlichen, verhaltensbedingten Kündigung des einem Schwerbehinderten gleichgestellten Klägers durch die Beigeladene.

Der im Jahr 1968 geborene Kläger ist seit dem Jahr 1992 bei der Beigeladenen beschäftigt und war dort zuletzt als Maschinenführer eingesetzt. Der Kläger hat aufgrund einer psychischen Störung einen anerkannten Grad der Behinderung von 30 vom Hundert und wurde einem schwerbehinderten Menschen durch Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 05.12.2012 gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX gleichgestellt.

Die Beigeladene beantragte mit beim Beklagten am 08.10.2015 eingegangenen Schreiben die Zustimmung zur ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Klägers. Zur Begründung führte die Beigeladene aus, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien seit Jahren nicht störungsfrei verlaufe und der Kläger in den vergangenen Jahren wegen verschiedenen Pflichtverletzungen bereits abgemahnt worden sei. So habe der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten durch verschiedene Handlungen (Verstoß gegen die Sicherheitsvorschriften, verspätete Arbeitsaufnahme, fehlende Einhaltung von Pausenzeiten, Verstoß gegen die Vorgaben im Falle einer Erkrankung und außerdienstliche Betätigung) verletzt. Zudem habe er sich gegenüber anderen Arbeitnehmern sowie Vorgesetzten beleidigend geäußert, was im Jahr 2012 eine Abmahnung und sodann eine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung zur Folge gehabt habe, die schließlich im Jahr 2013 vergleichsweise beendet worden sei. Nachdem im Jahr 2015 bekannt geworden sei, dass der Kläger Psychopharmaka nehme, sei er, nachdem er trotz mehrfacher Aufforderung kein entsprechendes ärztliches Attest bezüglich seiner Maschinenführungstauglichkeit vorgelegt habe, erneut abgemahnt worden. Dem Kläger sei eine Maschinenführerposition in einem anderen Betriebsteil angeboten worden, diese Umsetzung sei jedoch nicht zu Stande gekommen. Kündigungsrelevant sei neben diesen Vorgängen, dass der Kläger bereits im Jahr 2011 seine Vorgesetzten beleidigt und unwahre Behauptungen aufgestellt habe. Zudem habe der Kläger im September 2015 eine Email an die Personalleiterin geschrieben, in der er Vorwürfe gegen einen anderen Mitarbeiter erhoben habe (er sei "attackiert", "bedroht" und als "Lügner" bezeichnet worden), die nach einer Befragung der auf dieser Schicht weiter anwesenden Mitarbeitern nicht hätten bestätigt werden können. Trotz dessen habe der Kläger an seinen Behauptungen festgehalten. Zudem habe sich eine Mitarbeiterin, deren Identität vorerst nicht bekanntgegeben werde, so geäußert, dass der Kläger wiederholt Mitarbeiter und Vorgesetzte kritisiere, "auf brutalste Weise Unruhe" stifte, sie lange Angst vor ihm gehabt habe und eine frühere Aussage von ihm gelautet habe: "Am liebsten würde er mit einer Kalaschnikow hier mal so richtig aufräumen." Auch habe ein weiterer Mitarbeiter, der diese Aussage im Vertrauen auf die Verschwiegenheit getätigt habe und daher ebenfalls nicht namentlich benannt werde, geäußert: "Ich habe Angst, dass der mal Amok läuft." Weiter habe dieser Mitarbeiter geäußert, dass er "Angst um seine Familie habe, denn der fahre zu Hause vorbei und knalle seine Familie ab!" Das Verhalten des Klägers, der im Betrieb und außerhalb diverse Vorwürfe gegenüber anderen Betriebsangehörigen erhebe und nach Kenntnis der Beigeladenen auch Strafanzeigen gegenüber anderen Mitarbeitern erstattet habe, führe zu einer Beeinträchtigung des Betriebsfriedens und verhindere eine gedeihliche Zusammenarbeit aller Mitarbeiter, so dass ein Verstoß gegen die vertragliche Rücksichtnahmepflicht vorliege.

Mit Schreiben vom 20.10.2015 übersandte der Beklagte den Antrag auf Zustimmung vom 06.10.2015 an den Kläger und bat um Rücksendung des beiliegenden Fragebogens.

Per E-Mail vom 29.10.2015 übersandte der Kläger den ausgefüllten Fragebogen, in dem er als Art der Behinderung "depressive Störung" sowie die erfolgte Anerkennung mit Bescheid vom 05.12.2012 angab. Ergänzend führte er aus, dass die Beigeladene zu seinen Lasten falsche Behauptungen bis hin zu "Rufmord" auftrage. Er sei mit der "deklassierenden, diskreditierenden, entwürdigenden und rufschädigenden Verhaltensweise" der Beigeladenen seit 13 Jahren konfrontiert, wobei sich dazu noch "Kompetenzlosigkeit in fast allen Führungsebenen" geselle. In den letzten 13 Jahren habe er in keiner Instanz Hilfe erfahren. Im Jahr 2002 habe er seinen Status als "Mitarbeiter Technik" und "Vorarbeiter" verloren und sei von der Lohngruppe E8 auf E5 samt Wegfall der Vorarbeiterzulage zurückgestuft worden; hierauf basiere der heutige Konflikt. Er werde "durch Lügen und Betrügen" ohne Grund als "Lügner und Betrüger dargestellt" - was ihn auch krank gemacht habe - und durch die Beigeladene als Gewaltverbrecher dargestellt, was üble Nachrede und Verleumdung sei. Trotz seiner Behinderung erledige er ganz normal seine Arbeit, sofern man ihn lasse, was sich für ihn immer schwieriger gestalte, weil er fast schon belästigt werde. Die Anfeindungen und Vorhaltungen zielten seit Jahren nur darauf ab, ihn aus der Firma zu drängen, was letztendlich auch zu seiner Behinderung geführt habe. Es stimme, dass das Arbeitsverhältnis seit Jahren nicht störungsfrei verlaufe, wobei der Ursprung im Jahr 2002 liege. Der Antrag auf Zustimmung zur Kündigung beruhe überdies eindeutig auf einer Abmahnung aus dem Jahr 2012, welche nach dem Vergleich zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Neunkirchen im Jahr 2013 aus der Personalakte habe entfernt werden müssen. Im Übrigen habe die Beigeladene ihre Verpflichtungen aus diesem Vergleich, der unter anderem eine einmalige Umsetzung in eine andere Schicht vorgesehen habe, nicht vollständig erfüllt.

Mit Schreiben vom 29.10.2015 teilten der Betriebsratsvorsitzende und die Schwerbehindertenvertreterin der Beigeladenen gegenüber dem Beklagten mit, dass das Arbeitsverhältnis seit langem nicht störungsfrei verlaufe und im gesamten persönlichen Arbeitsumfeld Spannungen zu beobachten seien. Hierfür alleine den Kläger verantwortlich zu machen, auch wenn er "kein einfacher Mitarbeiter" sei, werde der Situation jedoch nicht ganz gerecht. Es werde empfohlen, vor Ausspruch einer Kündigung unter Mitwirkung des Integrationsamtes auf eine Versetzung des Klägers hinzuwirken, weil das Vertrauensverhältnis im angestammten Bereich unwiederbringlich gestört sei.

Nach der an das Integrationsamt übermittelten gutachterlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes des Beklagten vom 01.11.2015 habe sich beim Kläger seit dem Jahr 2007 keine wesentliche Änderung bezüglich seines Grades der Behinderung (30 v.H.), der auf der Diagnose "psychische Störung" beruhe, ergeben, sodass am 01.11.2020 ein Nachuntersuchungstermin erfolgen solle.

Per E-Mail vom 10.11.2015 teilte der Kläger gegenüber dem Beklagten mit, dass eine Umsetzung in der Vergangenheit nie eine mögliche Option gewesen sei. Er sei jedoch grundsätzlich bereit, einer Umsetzung zuzustimmen, allerdings nur dann, wenn er sich nicht "verschlechtere".

Mit Schreiben vom 30.11.2015 sowie per Email vom 08.12.2015 nahm die Beigeladene zu dem Vortrag des Klägers Stellung und beanstandete, dass dessen Diktion weit über die zulässige Rechtsverteidigung hinausgehe. Eine Umsetzung sei nach dem Vergleich aus dem Jahr 2013 nicht zu Stande gekommen, weil eine ranggleiche Umsetzung vereinbart gewesen sei, der Kläger jedoch unter Hinweis auf seine Abstufung im Jahr 2002 eine höherwertigere Stelle beanspruche. Zudem habe der Kläger zwischenzeitlich, am 11.11.2015, Auszüge aus einem Schriftsatz des Beigeladenenvertreters mit eigenen Kommentaren an dem firmeneigenen Infoboard sowie am "Schwarzen Brett" angepinnt und zugleich andere Mitarbeiter aufgerufen, ihn bei seinem Vorgehen gegen seine Kündigung sowie den erlittenen "Rufmord" zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund werde eine streitige Entscheidung gewünscht, weil das Arbeitsverhältnis nachhaltig zerrüttet sei und einer anderweitigen Verwendung des Klägers Unsicherheit und Ängste anderer Mitarbeiter entgegenstünden. Daher sei auch eine mündliche Verhandlung nicht sachdienlich.

Mit Bescheid vom 14.12.2015 erteilte das Integrationsamt des Beklagten die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers durch die Beigeladene. Im vorliegenden Fall liege ein Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigungsgrund vor bzw. lasse sich nicht völlig ausschließen, so dass eine Entscheidung nach freiem Ermessen zu treffen sei. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei seit Jahren belastet. Es seien bereits mehrere Abmahnungen ausgesprochen worden. Auch nach dem gerichtlichen Vergleich vom 14.03.2013 sei das Arbeitsverhältnis nicht störungsfrei verlaufen. Nach Würdigung und Abwägung des Sachverhalts könne eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz das zerrüttete Arbeitsverhältnis nicht mehr im positiven Sinn korrigieren. Nach Abwägung der widerstreitenden Interessen und unter Berücksichtigung der gesteigerten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers seien im vorliegenden Fall die Interessen des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses höher zu bewerten. Auch unter Berücksichtigung des im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedankens der Rehabilitation sei es dem Arbeitgeber angesichts des Bekanntwerdens verschiedener Äußerungen ab September 2015 nicht zumutbar, das Arbeitsverhältnis aufrecht zu erhalten, sodass die Zustimmung zu der Kündigung erteilt werde.

Mit Schreiben vom 04.01.2016 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 08.12.2015 Widerspruch. Er habe weder beleidigende noch unwahre Angaben gemacht und auch - bis auf eine zweimalige Verspätung, die auf eine Medikamentenumstellung zurückzuführen sei - die ihm unterstellten Verfehlungen nicht begangen. Es habe mehrere "Präventivgespräche" gemäß § 84 Abs. 1 SGB IX gegeben, in seiner Personalakte gebe hierzu jedoch keinen Vermerk. Jedenfalls habe die Personalreferentin in der letzten Gesprächsrunde, auf die Frage, ob sie überhaupt in der Lage sei, ihm zu helfen, mitgeteilt, dass sie das nicht könne. Auf einen neuen Termin habe er jahrelang vergeblich gewartet. Gegen die Abmahnungen der Beigeladenen sei er gerichtlich vorgegangen, beziehungsweise gehe gegenwärtig dagegen vor.

Mit Widerspruchsbescheid aufgrund mündlicher Verhandlung vom 02.05.2016, dem Kläger zugestellt am 16.07.2016, wies der Widerspruchsausschuss des Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach Abwägung der widerstreitenden Interessen und unter Berücksichtigung der gesteigerten Fürsorgepflicht des Arbeitgebers seien fallbezogen die Interessen der Beigeladenen höher zu bewerten. Im Fall einer Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen seien zudem schwerbehinderte Arbeitnehmer im Prinzip genauso zu behandeln wie nicht behinderte Arbeitnehmer. Ob die Gründe für eine Kündigung ausreichten, sei gegebenenfalls vom Arbeitsgericht zu überprüfen. Die Ermessensentscheidung des Integrationsamtes sei jedenfalls nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat am 12.08.2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes erhoben.

Mit Urteil vom 07.03.2017 hat das Arbeitsgericht N. (Az. 1 Ca 61/16), das über die Kündigungsschutzklage des Klägers gegen die Beigeladene zu entscheiden hatte, u.a. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers und der Beigeladenen nicht durch die Kündigung der Beigeladenen vom 06.01.2016 aufgelöst worden sei. Gegen dieses Urteil hat die Beigeladene Rechtsmittel eingelegt. Am 20.06.2018 haben der Kläger und die Beigeladene vor dem Landesarbeitsgericht des Saarlandes (Az. 1 Sa 29/17) einen Vergleich geschlossen und sich darauf geeinigt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung vom 06.01.2016 nicht zum 30.09.2016 beendet worden ist sowie zu unveränderten Bedingungen ungekündigt über den vorbezeichneten Zeitpunkt hinaus fortbesteht. Daneben wurde vereinbart, dass der Vorfall im November 2015 (Aushang am "Schwarzen Brett") zum Gegenstand einer Abmahnung gemacht wird und sich die Parteien zum Stillschweigen über den Vergleich sowie das vorangegangene Verfahren verpflichten, soweit sie nicht "Dritten gegenüber zur Preisgabe verpflichtet" sind. Mit Schriftsatz vom 20.07.2018 hat der Beigeladene das Verwaltungsgericht über den Abschluss des Vergleichs unterrichtet.

Der Kläger trägt zur Begründung seines Begehrens im vorliegenden Verfahren vor, dass er auch im Nachgang zu der vergleichsweisen Einigung vor dem Landesarbeitsgericht und der Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses ein Rechtsschutzinteresse betreffend das vorliegende Verfahren habe. Durch die Unterrichtung des Verwaltungsgerichts über den Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht habe die Beigeladene gegen die Vereinbarung über das Stillschweigen verstoßen und gezeigt, dass sie sich weiterhin rechtsbrüchig verhalte. Zwar werde das Arbeitsverhältnis seit dem Urteil des Arbeitsgerichts N. vom 07.03.2017 störungsfrei in einem anderen Betriebsteil fortgesetzt. Er erhoffe sich jedoch eine Signalwirkung für zukünftige Entscheidungen des Integrationsamtes. Da ihm der Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht ferner bislang nicht zugestellt worden sei, betrachte er die Angelegenheit nicht als abgeschlossen. Im Verfahren über die Zustimmungserteilung sei nicht berücksichtigt worden, dass eine Weiterbeschäftigung in einem anderen Betriebsteil möglich und zumutbar gewesen sei. Zudem habe das Integrationsamt den Darstellungen der Beigeladenen zu den Vorfällen und Abmahnungen Glauben geschenkt, obwohl er dies wiederholt in Abrede gestellt habe und die Beigeladene keine Belege für ihre Behauptungen beigebracht habe. Ferner könne dem wirtschaftlichen Interesse der Beigeladenen kein Gewicht zukommen, weil er seine Arbeitsleistung uneingeschränkt erbracht habe. Überdies sei der Betriebsratsvorsitzende vom Widerspruchsausschuss nicht angehört worden. Dieser sei erst zum Zeitpunkt der Entscheidung eingetroffen; der Betriebsratsvorsitzende habe zwar auf der Anwesenheitsliste unterschrieben, sei aber nicht gehört worden. Seit dem Abteilungswechsel im Jahr 2002 sehe er sich einer andauernden Bedrohung ausgesetzt, die schließlich eine starke Depression, diagnostiziert im Jahr 2012, ausgelöst habe. Wegen dieser Erkrankung sei er mit einem Schwerbehinderten gleichgestellt. Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten sei stets einwandfrei, was sein Verhaltenszeugnis vom 22.04.2013 bestätige. Des Weiteren sei in den vergangenen Jahren keine Prävention nach § 84 SGB IX erfolgt. Da die Entscheidung über die Zustimmungserteilung ermessensfehlerhaft sei, sei sie zurückzunehmen.


Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 14.12.2015 und der Widerspruchsbescheid vom 02.05.2016 rechtswidrig waren.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsverhältnis sei bereits seit Jahren belastet gewesen. Der Kläger habe die Vorwürfe der Beigeladenen zurückgewiesen und seinerseits den Vorwurf des Mobbings erhoben. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Arbeitgeber für den Verlauf alleine verantwortlich gemacht werden könne, weil auch der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung den Kläger als "keinen einfachen Mitarbeiter" beschrieben hätten. Nach Würdigung des Sachverhaltes sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Vertrauensverhältnis zerrüttet sei, sei die Zustimmung zu erteilen gewesen. Das Interesse der Beigeladenen sei höher zu bewerten als das Interesse des Klägers. Da die Möglichkeit bestanden habe, dass sich die Behinderung ungünstig auf das Arbeitsverhältnis ausgewirkt habe, sei eine Ermessenentscheidung gefällt worden. Hierbei hätten auch die Äußerungen des Klägers berücksichtigt werden dürfen, die ab September 2015 bekannt geworden seien. Bei der Ermessensentscheidung sei überdies beachtet worden, dass die Kündigung nicht aus personenbedingten Gründen, sondern aus verhaltensbedingten Gründen erfolgt sei. In diesen Fällen seien schwerbehinderte Arbeitnehmer oder ihnen gleichgestellte Arbeitnehmer im Prinzip genauso zu behandeln wie nicht behinderte Arbeitnehmer. Es sei jedoch berücksichtigt worden, dass der Kläger seine gesundheitlichen Probleme als Grund für das zweimalige Verschlafen und den nachfolgenden verspäteten Arbeitsbeginn benannt habe. Soweit der Kläger beanstande, dass der Betriebsratsvorsitzende vom Widerspruchsausschuss nicht gehört worden sei, werde auf die Anwesenheitsliste vom 02.05.2016 verwiesen, auf der der Vertreter des Betriebsrates seine Anwesenheit mit seiner Unterschrift bestätigt habe.

Die Beigeladene tritt den klägerischen Begehren entgegen. Der Kläger habe keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein Zusammenhang zwischen der Behinderung und dem Grund, aus dem die Kündigung erfolgt sei, bestehe. Zudem habe auch ein Präventionsverfahren gemäß § 84 SGB IX stattgefunden; dies habe der Kläger selbst bestätigt. Jedenfalls sei durch den Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht Erledigung eingetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage ist bereits unzulässig.

Hat sich ein Verwaltungsakt vor einer Entscheidung durch das angerufene Gericht durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. (sog. Fortsetzungsfeststellungsklage, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).

Zwar hat sich vorliegend der streitgegenständliche Verwaltungsakt - die Zustimmung des Beklagten zur Kündigung des Klägers durch die Beigeladene - erledigt (vgl. § 39 Abs. 2 SGB X, wortgleich: § 43 Abs. 2 VwVfG). Die Erledigung eines Verwaltungsakts tritt ein, wenn er nicht mehr geeignet ist, rechtliche Wirkungen zu erzeugen oder wenn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innewohnte, nachträglich entfallen ist (Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.09.2008 - 7 C 5.08 - Rn., 14, juris). Das ist vorliegend der Fall. Durch den am 20.06.2018 in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht des Saarlandes geschlossenen Prozessvergleich zwischen dem Kläger und der Beigeladenen über die unveränderte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wirkt sich die Kündigung der Beigeladenen und damit folglich auch der Bescheid des Beklagten über die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung des Klägers durch die Beigeladene nicht mehr aus, sodass Erledigung eingetreten ist. Über die Beendigung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens hatten die Verfahrensbeteiligten das Verwaltungsgerichts zu unterrichten, weil sich dieser Umstand auf das laufende Verfahren auswirkt und den Beteiligten im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht eine Prozessförderungspflicht obliegt (vgl. § 86 VwGO); insoweit ist das Verwaltungsgericht i.S.d. des Vergleichs ein Dritter, dem die Beteiligten zur Preisgabe verpflichtet waren. Entgegen der Auffassung des Klägers bedurfte es zur Rechtsverbindlichkeit des Vergleichs überdies keiner Zustellung des Vergleichstextes an ihn selbst. Der Prozessvergleich ist ein Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragsparteien vor einem deutschen Gericht. Der Vergleich, den der vor dem Landesarbeitsgericht anwaltlich vertretene Kläger mit der Beigeladenen geschlossen hat, wurde in dem Moment wirksam, als er durch das Gericht im Einvernehmen mit den Beteiligten protokolliert und anschließend - was das Protokoll belegt - nochmals verlesen und genehmigt wurde. Die förmliche Zustellung an die Prozessbeteiligten ist dagegen keine Wirksamkeitsvoraussetzung.

Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist allerdings mangels eines "berechtigen Interesses" des Klägers i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO unzulässig. Für ein "berechtigtes Interesse" i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an der Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Bescheides - hier der Zustimmung des Beklagten zu der sich nicht mehr auswirkenden Kündigung des Beigeladenen - genügt nach ständiger Rechtsprechung jedes nach vernünftigen Erwägungen nach Lage des Falles anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art, wobei entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet sein muss, die Position des Klägers in einem dieser Bereiche zu verbessern.

Vgl. u.a. Urteil der Kammer vom 11.05.2012 - 3 K 358/11 -, Rn. 23, juris.

Ein solches, für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliches Feststellungsinteresse lässt sich hier insbesondere nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen.

Das berechtigte Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO wegen Wiederholungsgefahr setzt die hinreichend bestimmte Gefahr voraus, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen erneut ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Ist dagegen ungewiss, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse eintreten wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes, kann das Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht aus einer Wiederholungsgefahr hergeleitet werden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.10.2006 - 4 C 12/04 -, Rn. 8, juris.

Hieran gemessen fehlt es im Fall des Klägers an einer solchen hinreichend bestimmten Wiederholungsgefahr. Streitgegenstand der vorliegenden Fortsetzungsfeststellungsklage ist die Entscheidung der Beklagten, auf Antrag der Beigeladenen die Zustimmung zur Kündigung des Klägers zu erteilen. Die für die Zustimmungsentscheidung nach den §§ 168 ff. Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) - vorliegend greift noch § 85 SGB IX in der Fassung vom 31. August 2015 (a.F.) - zuständige Behörde hat bei ihrer Ermessensentscheidung über die Abwägung der Interessen des jeweiligen (schwerbehinderten) Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes einerseits und der Interessen des jeweiligen Arbeitgebers an einer möglichst wirtschaftlichen und reibungslosen Führung des Betriebs andererseits ausschließlich den "historischen Sachverhalt" des jeweiligen Einzelfalls zugrunde zu legen. Demnach ist bei der im Ermessenswege zu treffenden Entscheidung über die Erteilung einer Zustimmung zur Kündigung jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen.

Vgl. VG Bayreuth, Urteil vom 14.02.2011 - B 3 K 10.918 -, Rn. 23, juris.

Danach hängt die durch den Beklagten zu treffende Ermessensentscheidung von diversen individuellen Gesichtspunkten ab. So ist bei der Abwägungsentscheidung unter anderem zu berücksichtigten, welche alternativen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen und mit welchen wirtschaftlichen Belastungen die Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber verbunden ist. Diese Umstände sind von Fall zu Fall unterschiedlich und können sich im Laufe der Zeit verändert darstellen.

Vgl. hierzu: VG Magdeburg, Urteil vom 24.10.2013 - 4 A 155/13 -, Rn. 24, juris (m.w.N.).

Eine Wiederholungsgefahr kann auch nicht deshalb angenommen werden, weil eventuell zu befürchten ist, dass der Beklagte im Falle einer erneuten Kündigung die für die Ermessensentscheidung maßgeblichen individuellen Umstände nicht oder nicht hinreichend berücksichtigt. Zwar spricht vorliegend einiges dafür, dass der Beklagte in seiner Ermessensentscheidung einen möglichen Ursachenzusammenhang zwischen der zur Anerkennung der Schwerbehinderung führenden (psychischen) Erkrankung des Klägers und den zur Kündigung führenden Vorwürfen des Arbeitgebers nicht hinreichend i.S.d. § 20 SGB X untersucht hat. Allerdings kann keineswegs pauschal davon ausgegangen werden, dass der Beklagte in zukünftigen Fällen generell die individuellen Gesichtspunkte bei seiner Prüfung außer Acht lässt; (Vgl. hierzu: VG Magdeburg, Urteil vom 24.10.2013 - 4 A 155/13 -, Rn. 25, juris.) hierbei ist wiederum zu berücksichtigen, dass es sich bei jeder Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung um eine Einzelfallentscheidung handelt.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses des Klägers zu bejahen. Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Vgl. BVerwG, Urteil vom 16.05.2013 - 8 C 20/12 -, Rn. 16, juris). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt sowohl an einer Diskriminierung als auch an einer Außenwirkung. In dem angefochtenen Bescheid, der nur den Beteiligten bekannt ist, findet sich nichts, was geeignet wäre, den Kläger herabzuwürdigen. Im ersten Teil des Bescheides wird lediglich der Sachverhalt wiedergegeben. In der rechtlichen Bewertung erfolgt im Wesentlichen eine Interessenabwägung. Beleidigende oder sonst herabwürdigende Passagen gibt es nicht.

Weitere berechtigte Interessen i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO sind weder durch den Kläger dargetan noch ersichtlich.


II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 188 Satz 2, 1. Hs. VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil sie keinen Antrag gestellt und sich somit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Referenznummer:

R/R8625


Informationsstand: 01.04.2021