Die zulässigen Klagen sind unbegründet. Die Bescheide des Beklagten vom 14. Mai 2018 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO).
1. Rechtsgrundlage für die erteilten Zustimmungen ist
§ 174 Abs. 1 i.V.m. § 168 SGB IX. Danach ist eine außerordentliche Kündigung von schwerbehinderten Menschen nur zulässig, wenn das Integrationsamt zuvor seine Zustimmung erteilt hat. Der Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 60 ein schwerbehinderter Mensch im Sinne von
§ 2 Abs. 2 SGB IX und genießt damit den besonderen Kündigungsschutz nach §§ 168
ff. SGB IX.
2. Formelle Fehler lagen nicht vor. Insbesondere erfolgte der Antrag auf Zustimmung durch die Beigeladene am 30. April 2018 innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 174
Abs. 2 Satz 1
SGB IX, was von der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr gerügt wurde. Für den Fristbeginn ist nach § 174
Abs. 2 Satz 2
SGB IX auf den Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt, abzustellen. Für den vorliegenden Fall einer beantragten Zustimmung zu einer verhaltensbedingten Kündigung wegen leichtfertiger Strafanzeige musste die Beigeladene jedenfalls Kenntnis des Tatvorwurfs sowie der betroffenen Personen haben. Damit war das bloße Wissen um ein gegen "Unbekannt" geführtes Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft ohne Kenntnis eines Tatvorwurfs nicht ausreichend. Vielmehr ist erst auf den Zugang der Ablehnung des - mit der gebotenen Eile von der Beigeladenen gestellten - Akteneinsichtsgesuchs abzustellen, aus dem sich sowohl die Personen, gegen die das Ermittlungsverfahren nunmehr geführt wurde, als auch der Tatvorwurf der Körperverletzung ergaben. Eine tatsächliche Kenntnisnahme eines Kündigungsberechtigten lag frühestens am 18. April 2019, dem Tag des Eingangs des staatsanwaltschaftlichen Schreibens bei den Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen, vor, weswegen die Antragsfrist gemäß § 26
Abs. 1
SGB X i.V.m. §§ 187
Abs. 1, 188
Abs. 2
BGB frühestens mit Ablauf des 2. Mai 2018 endete.
3. Die Entscheidungen des Beklagten waren auch materiell rechtmäßig. Insbesondere sind vorliegend keine Ermessensfehler ersichtlich.
a) Über die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung oder deren Versagung hat das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (§ 174
Abs. 1
i.V.m. §§ 171 ff. SGB IX) und dabei das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers am Fortbestehen seines Arbeitsplatzes und das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegeneinander abzuwägen (
vgl. BVerwG, U.v. 19.10.1995 -
5 C 24.93 - juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 12.8.2008 -
12 ZB 07.3029 - juris Rn. 8).
Die Ermessensentscheidung unterliegt nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (§ 114 Satz 1
VwGO). Dem Gericht ist es versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen. Es kann die Entscheidung nur auf Ermessensfehler hin überprüfen (
vgl. zum Ganzen BayVGH, U.v. 31.1.2013 -
12 B 12.860 - juris Rn. 27
ff.). Die Prüfung erstreckt sich insbesondere auch darauf, ob die Behörde von einem ausreichend ermittelten und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist (
vgl. BVerwG, U.v. 19.10.1995 - 5 C 24.93 - juris Rn. 15), ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet (§ 114 Satz 1 Alt. 1
VwGO) und von der ihr eingeräumten Entscheidungsbefugnis in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 Satz 1 Alt. 2
VwGO). Dabei ist die Sachlage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich (
vgl. BVerwG, B.v. 10.11.2008 -
5 B 79.08 - juris Rn. 5).
Die dem Beklagten durch § 20
SGB X auferlegte Aufklärungspflicht, die ihre Grenzen bei fehlenden
bzw. unsubstantiierten Angaben der Beteiligten findet (BayVGH, U.v. 18.6.2008 -
12 BV 05.2467 - juris Rn. 47), gewinnt ihre Konturen und Reichweite aus dem materiellen Recht. Soweit ein Umstand materiellrechtlich für die gebotene Interessenabwägung Bedeutung hat, unterliegt er der Aufklärungspflicht. Welche Umstände im Einzelnen und mit welchem Gewicht für die Interessenabwägung maßgeblich sind, lässt sich nicht allgemein bestimmen; entscheidend sind der Bezug zur Behinderung und die an der Zweckrichtung des behindertenrechtlichen Sonderkündigungsschutzes gemessene Bedeutung (
vgl. BVerwG, U.v. 19.10.1995 - 5 C 24.93 - juris Rn. 15).
Der Gesetzgeber bezweckt mit dem Sonderkündigungsschutz den Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile schwerbehinderter Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und mutet insoweit dem Arbeitgeber Einschränkungen in seiner Gestaltungsfreiheit zu (BayVGH, B.v. 12.8.2008 -
12 ZB 07.3029 - juris Rn. 8). Nach der Zwecksetzung des Sonderkündigungsschutzes gewinnt der Schwerbehindertenschutz gegenüber der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers an Gewicht, wenn die beabsichtigte Kündigung auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben, sodass insofern an die Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber besonders hohe Anforderungen zu stellen sind (
BVerwG, U.v. 19.10.1995 - 5 C 24.93 - juris Rn. 16). Entsprechend ist der Schutz umso geringer, je weniger ein Zusammenhang zwischen Kündigungsgrund und Schwerbehinderung feststellbar ist (BayVGH, B.v. 12.8.2008 - 12
ZB 07.3029 - juris Rn. 8; U.v. 28.9.2010 -
12 B 10.1088 - juris Rn. 30).
Zweck des Zustimmungserfordernisses ist es nicht, eine zusätzliche Kontrolle der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Kündigung zu schaffen. Allerdings darf das Integrationsamt an einer offensichtlich unwirksamen Kündigung in dem Sinne, dass die Unwirksamkeit ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt und sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt, nicht mitwirken (
vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2012 -
12 ZB 11.1063 - juris Rn. 11 m.w.N).
b) Gemessen an diesen durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen erfolgten die streitgegenständlichen Entscheidungen, die Zustimmung zu den Kündigungen zu erteilen, ermessensfehlerfrei.
(1) Die ermessenslenkende Norm des § 174
Abs. 4
SGB IX war vorliegend nicht einschlägig, sodass der Beklagte sein Ermessen frei auszuüben hatte. Der Beklagte hat vorliegend zu Recht angenommen, dass ein Zusammenhang zwischen Kündigungsgrund und Behinderung nicht auszuschließen war. Jedenfalls würde sich bei fehlerhafter Nichtanwendung der Norm keine Verletzung des Klägers in eigenen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO) ergeben.
(2) Die Behörde hat vorliegend die Umstände, die nach der Zweckrichtung des behindertenrechtlichen Sonderkündigungsschutzes in die Interessenabwägung einzustellen waren, im gebotenen und - vor dem Hintergrund der Zwei-Wochen-Frist des § 174
Abs. 3 Satz 1
SGB IX, nach deren Ablauf eine Zustimmung zu Lasten des Klägers nach § 174
Abs. 3 Satz 2
SGB IX fingiert worden wäre - auch ausreichenden Umfang ermittelt.
Durch Abfrage von Angaben zum Arbeitsverhältnis sowie zur Schwerbehinderung des Klägers (
vgl. Verweis des Klägers auf die Formularinhalte vorangegangener Verfahren) und durch Anhörung von Kläger, Beigeladener, Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung erhielt der Beklagte eine ausreichende Tatsachengrundlage für die spätere Abwägungsentscheidung.
In Hinblick auf die von der Klagepartei gerügte Aufklärungspflichtverletzung bezüglich des Kündigungssachverhalts und eine insoweit nicht ausreichende Schlüssigkeitsprüfung ist auf den oben darlegten Grundsatz hinzuweisen, wonach das Integrationsamt - mit Ausnahme einer (hier nicht gegebenen) offensichtlich unwirksamen Kündigung - keine zusätzliche Prüfung der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit vorzunehmen hat. Dies wirkt sich auf die Reichweite der Aufklärungspflicht aus: Der Beklagte musste den Kündigungssachverhalt nicht abschließend ermitteln, jedoch soweit aufklären, dass ihm eine Entscheidung darüber möglich war, ob das Vorliegen eines wichtigen Grundes nicht ausgeschlossen
bzw. der angegebene Kündigungssachverhalt nicht lediglich vorgeschoben war.
Der Beklagte ist dieser Aufklärungspflicht nachgekommen, indem er die Beteiligten anhörte und auch die Schwerbehindertenvertretung zur Richtigkeit des von der Beigeladenen geschilderten Sachverhalts befragte. Auch ist darauf hinzuweisen, dass der Beklagte dem Kläger nach der Darlegung des Sachverhalts durch die Beigeladene mit Antrag vom 30. April 2018 und durch Stellungnahme vom 9. Mai 2018 jeweils Gelegenheit zur Äußerung gab, sodass kein Sachvortrag der Beigeladenen zugrunde gelegt wurde, auf den der Kläger nicht hätte erwidern können. Weitere Einzelheiten zum staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren und den Vorwürfen des Klägers gegenüber den Mitarbeitern der Beigeladenen ergaben sich aus dem Schriftverkehr zwischen Kläger und Staatsanwaltschaft, welcher dem Beklagten ausweislich der Behördenakte zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlag.
Damit ging die Aufklärung des Kündigungssachverhalts durch den Beklagten zum einen über eine bloße Schlüssigkeitsprüfung hinaus. Zum anderen ist die von der Klagepartei zitierte Rechtsprechung (
BVerwG, U.v. 19.10.1995 - 5 C 24.93), wonach eine Schlüssigkeitsprüfung hinsichtlich der Umstände nicht ausreiche, die für den behindertenrechtlichen Kündigungsschutz von wesentlicher Bedeutung seien, vor dem Hintergrund des beschränkten Prüfungsumfangs nur eingeschränkt übertragbar. Auch betraf das Urteil eine Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung, sodass die die Nachforschungsmöglichkeiten einschränkende Zwei-Wochen-Frist des § 174
Abs. 3 Satz 1
SGB IX insoweit nicht anwendbar war.
(3) Ermessensfehler ergeben sich auch nicht aus dem Ergebnis der Abwägungsentscheidung.
Dass der Beklagte erkannt hat, eine Ermessensentscheidung (und keine gebundene Entscheidung) treffen zu müssen, und sein Ermessen auch ausgeübt hat, wird aus der Bescheidsbegründung offensichtlich. Er hat die Grenzen des Ermessens gewahrt und ist geleitet von Sinn und Zweck des schwerbehindertenrechtlichen Sonderkündigungsschutzes unter Abwägung der für und gegen die Erteilung der Zustimmung streitenden Gesichtspunkte zu dem vertretbaren Ergebnis gekommen, dass die Ermessensentscheidung zugunsten der Beigeladenen ausfalle.
Der Beklagte nahm dabei zugunsten des Klägers einen Zusammenhang zwischen der anerkannten Behinderung und dem Kündigungsgrund an und ist folgerichtig von einem hohen schwerbehindertenrechtlichen Schutzniveau ausgegangen. Indem er zugunsten des Klägers dessen Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, ein erschwertes Finden einer Anschlussbeschäftigung und die aufgrund seiner Alters und seiner Schwerbehinderung zu erwartenden Schwierigkeiten, einen Anschlussarbeitsplatz zu finden, sowie ein mögliches Absinken des Lebensstandards in die Abwägung einstellte, hat er keine ersichtlichen, nach dem Gesetzeszweck relevanten Belange des Klägers außer Acht gelassen.
Nicht zu beanstanden ist, dass der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung eine eventuelle (Mit-)Ursächlichkeit von Vertretern der Beigeladenen für die Schwerbehinderung und für das der Kündigung zugrunde liegende Verhalten des Klägers, nämlich die Strafanzeige, nicht einbezog. Während das Vorliegen eines Zusammenhangs zwischen der anerkannten Behinderung und dem Kündigungsgrund wesentlich für die Bestimmung des schwerbehindertenrechtlichen Schutzniveaus ist, welches der Beklagte vorliegend als hoch ansah, kommt es dagegen auf ein Kausalverhältnis zwischen dem angeblich erlittenen Mobbing und der Schwerbehinderung
bzw. dem Kündigungsgrund nicht an (
vgl. VG Augsburg, U.v. 17.9.2013 - Au
3 K 13.698 - juris Rn. 53). Auf Grundlage der ausreichenden Ermittlungen - insbesondere unter Berücksichtigung des Schriftverkehrs zwischen Kläger und Staatsanwaltschaft, aus dem sich entnehmen ließ, auf welche Art von Verhalten der Kläger seine Vorwürfe stützte -, musste der Beklagte auch nicht davon ausgehen, dass die Strafanzeige von der Beigeladenen provoziert worden war.
Auch die im Bescheid begründete Nichtberücksichtigung der Nichtdurchführung eines Präventionsverfahrens war, da ein solches aufgrund des betroffenen Vertrauensverhältnisses und der Vielzahl der berührten Mitarbeiter keine Möglichkeit zur Vermeidung der Kündigung geliefert hätte, vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (
BVerwG, B.v. 29.8.2007 -
5 B 77.07 - juris Rn. 5) vertretbar.
Sachfremde Erwägungen sind nicht ersichtlich. Anders als die Klagepartei meint, hat der Beklagte auch nicht zu Lasten des Klägers unterstellt, dass dieser leichtfertig Strafanzeige erhoben habe. Vielmehr hat der Beklagte in der Bescheidsbegründung festgestellt, dass "eine falsche Anschuldigung von Kollegen und Vorgesetzten durch (den Kläger) nicht von vorne herein ausscheide" und damit kein Fall vorliegt, bei dem sich die Unwirksamkeit der Kündigung geradezu aufdrängt. Dies wird auch durch die arbeitsgerichtlichen Entscheidungen gestützt, wonach "an sich" ein Grund für eine außerordentliche Kündigung vorliege und auch die Interessenabwägung zulasten des Klägers ausfalle (
vgl. ArbG München, U.v. 26.7.2018 - 13 CA 2795/18 - UA
S. 13 f.;
LAG München, U.v. 26.7.2018 - 13 CA 2795/18 - UA
S. 27
ff.).
4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154
Abs. 1
VwGO abzuweisen.
Hinsichtlich der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat das Gericht gemäß § 162
Abs. 3
VwGO eine Billigkeitsentscheidung zu treffen. Da sich die Beigeladene, die keinen Antrag stellte, keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154
Abs. 3 Halbs. 1
VwGO), entsprach es vorliegend der Billigkeit, die Kosten nicht der unterliegenden Partei aufzuerlegen.
Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2
VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167
VwGO, §§ 708
ff. ZPO.