I. Die nach § 64
ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66
Abs. 1, 64
Abs. 6
ArbGG i.V.m. §§ 517, 519
ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist somit zulässig.
II. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung zutreffend festgestellt, dass sowohl die Versetzung der Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2009 als auch die außerordentliche Änderungskündigung der Beklagten vom 16.03.2009 mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2009 rechtsunwirksam sind.
Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis rechtfertigen könnten. Die Berufungskammer nimmt daher Bezug auf die Begründung des angefochtenen Urteils und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69
Abs. 2
ArbGG). Die Angriffe der Beklagten im Berufungsverfahren sind aus den folgenden Erwägungen nicht geeignet, die Entscheidung des Arbeitsgerichts in Frage zu stellen:
1. Das Arbeitsgericht hat der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung vom 16.03.2009 zu Recht stattgegeben. Die gegen die Versetzung gerichtete Klage ist begründet. Die Beklagte war nicht kraft ihres Direktionsrechts nach § 106 Satz 1 GewO berechtigt, die Klägerin am 16.03.2009 mit sofortiger Wirkung von ihren Aufgaben als stellvertretende Pflegedirektorin zu entbinden und ihr eine Tätigkeit als Krankenschwester zuzuweisen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die bereits das Arbeitsgericht zutreffend zitiert hat, kann der öffentliche Arbeitgeber dem Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts nur solche Tätigkeiten zuweisen, die dessen Fähigkeiten und Kräften einerseits und den Merkmalen seiner im Arbeitsvertrag genannten Entgeltgruppe andererseits entsprechen. Das Direktionsrecht berechtigt den öffentlichen Arbeitgeber nicht, dem Arbeitnehmer (auf Dauer) eine Tätigkeit einer niedrigeren Entgeltgruppe zu übertragen. Die Änderung der bisherigen Tätigkeit unter Einbeziehung geringerwertiger Tätigkeiten kann auch der öffentliche Arbeitgeber nur im Wege einer Änderungskündigung und nicht allein gestützt auf sein Direktionsrecht erreichen (
BAG Urteil vom 23.11.2004 - 2 AZR 38/04 - NZA 2005, 986,
m.w.N.).
Die Klägerin ist seit dem 30.11.1992 stellvertretende Pflegedienstleiterin
bzw. Pflegedirektorin der Beklagten. Diese Tätigkeit, die ihr förmlich übertragen worden ist, entspricht den tariflichen Merkmalen der Entgeltgruppe E 11 TVöD-K. Die der Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2009 zugewiesene Tätigkeit als Krankenschwester entspricht den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppe E 7a TVöD-K. Die monatliche Vergütungsdifferenz beträgt
EUR 1.379,95 brutto. Die Tätigkeiten sind ganz offensichtlich nicht gleichwertig. Eine Umsetzung der Klägerin auf den geringerwertigen Arbeitsplatz einer Krankenschwester ist deshalb durch bloße Arbeitgeberweisung nicht möglich.
2. Auch die außerordentliche Änderungskündigung der Beklagten ist unwirksam. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Änderungskündigung vom 16.03.2009 mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2009 nicht durch einen wichtigen Grund im Sinne des § 34
Abs. 2 Satz 1 TVöD gerechtfertigt ist.
2.1. Die Beklagte konnte gemäß § 34
Abs. 2 Satz 1 TVöD das Arbeitsverhältnis der Klägerin, die im Kündigungszeitpunkt das 40. Lebensjahr vollendet hatte und länger als 15 Jahre bei ihr beschäftigt war, nur aus einem wichtigen Grund kündigen. Eine ordentliche Kündigung war ausgeschlossen. Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung gemäß § 34
Abs. 2 Satz 1 TVöD gilt auch für eine Änderungskündigung (
vgl. zuletzt:
BAG Urteil vom 28.10.2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 31 - Juris,
m.w.N.). Mit dem Begriff des "wichtigen Grundes" knüpft die tarifvertragliche Bestimmung an die gesetzliche Regelung des § 626
Abs. 1
BGB an.
2.2. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Änderungskündigung setzt voraus, dass die alsbaldige Änderung der Arbeitsbedingungen unabweisbar notwendig ist und die geänderten Bedingungen dem gekündigten Arbeitnehmer zumutbar sind. Auch vom Arbeitnehmer nicht zu vertretende Umstände in seiner Person können geeignet sein, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Ein wichtiger Grund kann insbesondere dann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund von Umständen, die in seiner Sphäre liegen, zu der nach dem Vertrag vorausgesetzten Arbeitsleistung auf unabsehbare Dauer nicht mehr in der Lage ist. Darin liegt regelmäßig eine schwere und dauerhafte Störung des vertraglichen Austauschverhältnisses, der der Arbeitgeber, wenn keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten bestehen, mit einer außerordentlichen Kündigung begegnen kann, wenn eine andere Beschäftigungsmöglichkeit besteht, mit einer außerordentlichen Änderungskündigung. Ist die ordentliche Kündbarkeit tariflich ausgeschlossen, kann eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigung entsprechenden Auslauffrist berechtigt sein (
BAG Urteil vom 28.10.2010 - 2 AZR 688/09 - Rn. 32, a.a.O.).
3. In Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß der Kündigung der Beklagten vom 16.03.2009 unter Gewährung einer der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechenden Auslauffrist von sechs Monaten zum Quartalsende am 30.09.2009 nicht unabweisbar notwendig. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.
3.1. Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht allerdings nicht, soweit es ein im Verhalten der Klägerin liegenden wichtigen Kündigungsgrund geprüft hat. Die Klägerin ist unstreitig alkoholkrank. Vor diesem Hintergrund kommt eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund aufgrund vorwerfbaren Verhaltens nicht in Betracht. Eine verhaltensbedingte Kündigung könnte allenfalls darauf gestützt werden, dass die Klägerin ihre sich negativ auf das Arbeitsverhältnis auswirkende Alkoholabhängigkeit schuldhaft selbst herbeigeführt habe. Hierfür besteht vorliegend keinerlei Anhaltspunkt, insbesondere kann aus der am 15.10.2008 begonnenen, aber letztlich fehlgeschlagenen ambulanten Suchttherapie und dem Rückfall der Klägerin auf dem Betriebsfest vom 06.03.2009 nicht der Schluss gezogen werden, die Klägerin habe den Rückfall vorsätzlich oder fahrlässig im Sinne einer Pflichtverletzung selbst verschuldet. Das wirft die Beklagte der Klägerin wegen der unstreitig bestehenden Alkoholsucht auch nicht vor.
3.2. Eine Kündigung wegen Alkoholsucht ist vielmehr nach den für die krankheitsbedingte Kündigung geltenden Grundsätzen zu beurteilen (
vgl. unter vielen:
BAG Urteil vom 16.09.1999 -
2 AZR 123/99 - NZA 2000, 141,
BAG Urteil vom 09.07.1998 - 2 AZR 201/98 - EzA § 626
BGB Krankheit
Nr. 1,
BAG Urteil vom 13.12.1990 - 2 AZR 336/90 - EzA § 1
KSchG Krankheit
Nr. 33;
LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom 27.03.2008 - 10 Sa 669/07 und Urteil vom 20.03.2008 -
2 Sa 612/07; jeweils
m.w.N.). Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit im medizinischen Sinne. Sie liegt vor, wenn der gewohnheitsmäßige übermäßige Alkoholgenuss trotz besserer Einsicht nicht aufgegeben oder reduziert werden kann. Wesentliches Merkmal dieser Erkrankung ist die physische oder psychische Abhängigkeit vom Alkohol. Sie äußert sich vor allem im Verlust der Selbstkontrolle. Ein Alkoholiker kann, wenn er zu trinken beginnt, den Alkoholkonsum nicht mehr kontrollieren, mit dem Trinken nicht mehr aufhören. Dazu kommt die Unfähigkeit zur Abstinenz. Der Alkoholiker kann auf Alkohol nicht verzichten. Auch das Bundessozialgericht sieht in ständiger Rechtsprechung die Alkoholabhängigkeit als Krankheit an (BSGE 28, 114).
Wenn Alkoholabhängigkeit eine Krankheit ist, folgt hieraus in Bezug auf eine Kündigung, die im Zusammenhang mit der Alkoholsucht des Arbeitnehmers steht, dass die Grundsätze der krankheitsbedingten Kündigung anzuwenden sind. Hierbei kann sich allerdings aus der Besonderheiten der Alkoholabhängigkeit unter Berücksichtigung der jeweiligen Aufgabenstellung des Arbeitnehmers die Notwendigkeit ergeben, an die negative Zukunftsprognose geringere Anforderungen zu stellen (
vgl. BAG, a.a.O.). Die Prognose wird wesentlich davon bestimmt, in welchem Stadium der Sucht sich der Arbeitnehmer befindet, in welcher Weise sich frühere Therapien auf den Zustand des Arbeitnehmers ausgewirkt haben, ob er vor Ausspruch der Kündigung therapiebereit war und ob eine solche Therapie aus medizinischer Sicht eine gewisse Erfolgsaussicht hat.
Der Arbeitgeber ist nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in der Regel verpflichtet, einem alkoholkranken Arbeitnehmer, dem er aus personenbedingten Gründen kündigen will, zuvor die Chance zu einer Entziehungskur zu geben (so ausdrücklich:
BAG Urteil vom 17.06.1999 -
2 AZR 639/98 - Rn. 34 - NZA 1999, 1328,
m.w.N.;
vgl. auch: ErfK/Oetker, 11. Aufl., § 1
KSchG, Rn. 153, APS/Dörner, 3. Aufl., § 1
KSchG, Rn. 233, KR/Griebeling, 9. Aufl., § 1
KSchG, Rn. 286 ; jeweils
m.w.N.).
3.3. Nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falles war die Beklagte verpflichtet, der ordentlich unkündbaren Klägerin vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zunächst die Durchführung einer stationären Entziehungstherapie zu ermöglichen. Bei Alkoholabhängigkeit gehört es zur Krankheit, dass die Abhängige annimmt, sie könne die Sucht willentlich beherrschen. Von einer negativen Prognose kann deshalb nur ausgegangen werden, wenn der Erkrankten klar gemacht worden ist, dass sie sich einer Entziehungskur unterziehen muss, und sie eine derartige Maßnahme ablehnt.
Von einer mangelnden Therapiebereitschaft der Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung am 16.03.2009 und damit von einer negativen Prognose vermag die Berufungskammer nicht auszugehen. Die Klägerin hatte im Mitarbeitergespräch vom 08.10.2008 im Rahmen des betrieblichen Eingliederungsmanagements ihre Alkoholerkrankung eingeräumt, was die Beklagte ausweislich des Inhalts des vorgelegten Gesprächsprotokolls nicht erwartet hatte. Die Klägerin erklärte laut Gesprächsprotokoll, dass sie sich seit Januar 2008 aktiv im Rahmen einer ambulanten Behandlung bei Frau
Dr. S. um eine Problembewältigung bemühe. Zwischenzeitlich sei es sicherlich zu drei Rückfällen gekommen, die allerdings auch nach dem Dafürhalten von Frau
Dr. S. durchaus normal seien. Frau
Dr. S. habe ihr angeraten, sich zusätzlich in eine Suchtberatung zu begeben. Der Leiter der Personalabteilung verdeutlichte der Klägerin in dem Gespräch vom 08.10.2008, dass nach seinen Erfahrungen eine stationäre Behandlung mehr Chancen für eine grundlegende Verbesserung verspreche. Als Lösungsansatz wurde schließlich vereinbart, dass in vierzehn Tagen ein erneutes Gespräch erfolgen solle, in dem die noch einzuleitenden Maßnahmen einer begleitenden therapeutischen Behandlung im Rahmen der Suchtberatung besprochen werden sollten.
Die Klägerin hat im Anschluss an das Mitarbeitergespräch vom 08.10.2008 unstreitig seit dem 15.10.2008 regelmäßig einmal wöchentlich die Fachstelle Sucht der Diakonie in Y-Stadt besucht. Sie hat sich bis zum Rückfall auf dem Betriebsfest am 06.03.2009 an die getroffene Vereinbarung gehalten und die ambulante Therapie durchgeführt. Aus dem Rückfall der Klägerin am 06.03.2009 lässt sich keine zwingende negative Prognose für die weitere, nachteilige Entwicklung ihrer Alkoholerkrankung ableiten. Es gibt keinen Erfahrungssatz, wonach ein Rückfall nach
bzw. während einer ambulanten Therapie ein endgültiger Fehlschlag jeglicher Alkoholtherapie - insbesondere einer stationären Entwöhnungsbehandlung - für die Zukunft bedeutet.
Der Beklagten ist zuzugeben, dass sie der Klägerin im Mitarbeitergespräch vom 08.10.2008 die von der Rechtsprechung verlangte Chance gegeben hat, sich einer Therapie zu unterziehen. Der Beklagten ist auch zugute zu halten, dass der Rückfall vom 06.03.2009 Anlass zu der Besorgnis gegeben hat, dass die Klägerin in Zukunft nicht fähig sein könnte, ohne Alkohol zu leben. Allerdings übersieht die Beklagte, dass sie ausweislich des Protokolls des Mitarbeitergesprächs vom 08.10.2008 selbst der Ansicht war, dass eine ambulante Therapie in aller Regel nicht ausreicht, um eine Alkoholsucht wirksam zu bekämpfen und durch absolute Abstinenz zu bewältigen. Die Beklagte war deshalb vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung trotz des Rückfalls, der nicht zu verharmlosen ist, verpflichtet, der ordentlich unkündbaren Klägerin nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Chance zu geben, sich einer stationären Entziehungskur zu unterziehen.
3.4. Weil die außerordentliche Kündigung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt, kann die Frage offen bleiben, ob sich Probleme, die durch die Alkoholkrankheit einer stellvertretenden Pflegedirektorin auftreten können, durch die Beschäftigung als Krankenschwester lösen lassen. Schließlich kann von einer alkoholisierten Krankenschwester eine größere Gefahr für die Patienten ausgehen, als von einer stellvertretenden Pflegedirektorin. Es spricht vieles dafür, dass das Änderungsangebot der Beklagten nicht geeignet ist, Schaden vom Krankenhaus, insbesondere von den zu versorgenden Patienten, abzuwenden, wenn ihre Befürchtung eintreten sollte, dass die Alkohohlabhängigkeit der Klägerin ihre dienstliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.
Es kann außerdem dahingestellt bleiben, ob die Beklagte erhebliche betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigungen ausreichend dargelegt hat. Das Arbeitsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass ein singulärer alkoholbedingter Vorfall auf einem Betriebsfest, noch nicht die Annahme der Beklagten rechtfertigt, dieser führe - sozusagen zwangsläufig - zu erheblichen betrieblichen Störungen.
III. Nach alledem ist die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97
Abs. 1
ZPO zurückzuweisen.
Ein Grund, der nach den hierfür maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72
Abs. 2
ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen könnte, besteht nicht.