Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.04.2003 - 4 Ca 2325/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit mehrerer Arbeitgeberkündigungen.
Die Beklagte betreibt in Z. eine Lohndreherei. In dieser werden mehr als 5 Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden beschäftigt. Der Kläger ist 1944 geboren und verheiratet. Er trat im Jahre 1984 in das Unternehmen ein. Zuletzt war er verantwortlich für die externe Galvanisierung und die Trow-Anlage sowie die Waschanlage. Er verdiente 4.054,48 Euro brutto. Seit 1998 war er Mitglied des bei der Beklagten gegründeten Betriebsrates, ab Januar 2001 zwischenzeitlich dessen Vorsitzender.
Am 28.06.2001 fand ein Gespräch zwischen dem Kläger und dem Betriebsleiter der Beklagten Y. im Büro des Klägers statt. Am 02.07.2001 kam es zu einer weiteren Besprechung zwischen dem Betriebsleiter Y., dem Fertigungsleiter X. und dem Kläger. Im Rahmen einer hitzigen Diskussion sagte der Kläger, er habe das Gespräch voriger Woche mit Herrn Y. auf Band aufgenommen. Ein Einverständnis des Betriebsleiters Y. zur Aufnahme lag nicht vor. Wenige Stunden später erschien der Kläger beim Betriebsleiter in dessen Büro und bekräftigte erneut, er habe das Gespräch auf Band aufgenommen, es mehrfach abgehört und kenne den genauen Wortlaut. Zugleich bot er dem Betriebsleiter an, das Band einmal anzuhören, wenn er ihm nicht glaube. Der Betriebsleiter lehnte ab.
Die Beklagte ersuchte den Betriebsrat mit Anschreiben vom 09.07.2001 um Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Klägers. Der Betriebsrat verweigerte mit Schreiben vom 10.07.2001 die Zustimmung zur fristlosen Kündigung. Die Beklagte leitete mit am 16.07.2001 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenem Antrag die Ersetzung der Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Klägers wegen des Vorfalls am 28.06.2001 ein. Im Rahmen eines auf Strafantrag des Betriebsleiters Y. eingeleiteten Ermittlungsverfahren fand eine Hausdurchsuchung beim Kläger statt, bei der Tonbänder mit aufgenommenen Gesprächen gefunden wurden. Der zuständige Polizeihauptmeister übersandte mit Schreiben vom 27.09.2001, eingegangen beim Betriebsleiter am 02. 10.2001 eine 5 1/2 -seitige Gesprächsniederschrift eines beim Kläger gefundenen Tonbandes, die den Hinweis enthält, vermutlich handele es sich bei den Gesprächsteilnehmern um den Kläger und Herrn Y.. Tatsächlich wurde das Gespräch, welches wiederum ohne Information des Betriebsleiters Y. aufgenommen wurde, Anfang Februar 2001 von beiden unter vier Augen geführt.
Nachdem der Betriebsleiter die Geschäftsleitung noch am 02.10.2001 über das Protokoll informiert hatte, hat diese mit Schreiben vom 08.10.2001 erneut den Betriebsrat um Zustimmung zur fristlosen Kündigung wegen der entdeckten Tonbandaufnahme von Anfang Februar 2001 ersucht. Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 09.10. 2001 mit, er habe beschlossen, der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung nicht zuzustimmen. Die Beklagte leitete daraufhin am 15.10.2001 erneut ein Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung zur fristlosen Kündigung wegen erwiesener Tonbandaufnahme ein.
Wegen des Vorfalls am 28.06.2001 ersetzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 14.10.2001 (4 BV 14/01) die Zustimmung des Betriebsrates zur fristlosen Kündigung. Die erkennende Kammer wies die hiergegen gerichtete Beschwerde mit Beschluss vom 25.04.2002 - 4 TaBV 1524/01 - zurück. Die vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 23.10.2002 - 2 ABN 19/02 - verworfen.
Im Verfahren wegen Tonbandaufnahme aus dem Februar (4 BV 25/01) ersetzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 16.01.2002 die fehlende Zustimmung des Betriebsrates. Die hiergegen gerichtete Beschwerde nahm der Kläger am 11.11.2002 zurück. Am 13.11.2002 stellte das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 4 TaBV 187/02 das Verfahren ein.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich am 08.11.2002 und verwies zur Begründung auf den dem Verfahren 4 BV 14/01 zugrunde liegenden Sachverhalt. Eine weitere fristlose Kündigung erfolgte unter Berufung auf den Kündigungsvorwurf des Verfahrens 4 BV 25/01 am 18.11.2002.
Der Kläger teilte mit Schreiben vom 27.11.2002 über seinen Prozessbevollmächtigten schriftlich mit, beide Kündigungen seien rechtsunwirksam, er zu 50 %
GdB schwerbehindert sei und die Zustimmung des Integrationsamtes fehle. In der Anlage beigefügt war die Kopie eines Widerspruchsbescheids des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vom 15.04.2002. Daraus ist ersichtlich, dass der Kläger gegen den Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten vom 07.01.2002 am 17.01.2002 Widerspruch eingelegt hat. Mit dem Widerspruchsbescheid wurde die
GdB mit 50 bewertet.
Der Kläger hat mit beim Arbeitsgericht C-Stadt eingegangenem Schriftsatz unter dem 28.11.2002 Kündigungsschutzklage erhoben, mit der er sich gegen die Kündigungen vom 08.11. und 18.11.2002 zur Wehr setzte.
Der Rechtsstreit wurde an das Arbeitsgericht Trier verwiesen.
Die Beklagte beantragte am 28.11.2002 beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung - Integrationsamt - die Zustimmung zu den bereits erfolgten und zur beabsichtigten fristlosen Kündigung des Klägers.
Mit Bescheid vom 11.12.2002 wurde die beantragte Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags erteilt. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 12.12.2002 erneut zweimal fristlos, wobei wiederum eine Kündigung mit dem Kündigungsvorfall aus dem Verfahren 4 BV 14/01 und die andere mit dem aus dem Verfahren 4 BV 25/01 begründet wurde. Am 05.12.2002 bat die Beklagte ihren Betriebsrat unter Berufung auf die den beiden vorangegangenen Beschlussverfahren zu Grunde liegenden Kündigungsvorwürfe erneut um Zustimmung zur fristlosen Kündigung und führte zur Begründung für das erneute Zustimmungsverfahren die nunmehr bekannte Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers an. Der Betriebsrat verweigerte am 09.12.2002 die Zustimmung, da nach seiner Auffassung kein fristloser Kündigungsgrund vorliege. Mit beim Arbeitsgericht Trier am 11.12.2002 eingegangenem Antrag hat die Beklagte die Ersetzung der Zustimmung zur fristlosen Kündigung des Klägers erbeten. Dieses Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen, es wurde zwischenzeitlich in der Beschwerdeinstanz ausgesetzt.
Der Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes wurde vom Kläger mit mittlerweile erfolglosem Widerspruch bekämpft, hiergegen hat er vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben.
Der Kläger hat vorgetragen, die Kündigung vom 08.11.2002 und die Kündigung vom 18.11.2002 seien beide unwirksam, weil das Integrationsamt nicht vorher zugestimmt habe. Er sei nicht verpflichtet gewesen, seine nunmehr festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft der Beklagten früher bekannt zu geben. Sein Verhalten sei nicht treuwidrig. Er habe im Übrigen damit rechnen können, dass er im Zustimmungsersetzungsverfahren gute Chancen habe, nachdem die Staatsanwaltschaft die Strafverfahren eingestellt habe.
Der Kläger beantragt,
1. es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.11.2002 aufgelöst worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.11.2002 aufgelöst worden ist.
3. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 12.12.2002 aufgelöst worden ist.
4. Die Beklagte wird verurteilt, ihn zu veränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger dürfe sich unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben und aufgrund von analoger Anwendung des § 162
BGB nicht auf den Sonderkündigungsschutz berufen. Er habe bereits offensichtlich im Januar 2002 Widerspruch gegen einen Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten vom 07. 01.2002 erhoben und jedenfalls am 16.04.2002 von seiner Anerkennung als Schwerbehinderter Kenntnis gehabt. Die Beklagte vertritt die Auffassung, der Kläger habe sie "ins offene Messer laufen lassen" um zu verhindern, dass sie noch vor Rechtskraft des Zustimmungsersetzungsverfahren die Zustimmung des Integrationsamtes einhole. Er habe die Schwerbehinderung ausschließlich in der Hoffnung verschwiegen, mit dieser Trumpfkarte im Kündigungsschutzverfahren zum Erfolg zu kommen, was sich auch aus seinem untauglichen Versuch zeige, die Klage zunächst vor dem Arbeitsgericht C-Stadt und nicht bei dem voll inhaltlich vertrauten Arbeitsgericht Trier zu erheben. Jedenfalls seien die Kündigungen vom 12.12.2002 aufgrund der Zustimmung des Integrationsamtes wirksam. Die Beklagte habe unverzüglich nach Kenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft die dortige Zustimmung beantragt und unverzüglich nach Erteilung der Zustimmung fristlos gekündigt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.04.2003 - 4 Ca 2325/02 - verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, weswegen der Kläger sich nicht auf die fehlende Zustimmung des Integrationsamtes berufen könne. Es sei ihm unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich auf den im nach §§ 85, 91
Abs. 1
SGB IX zustehenden Sonderkündigungsschutz zu berufen. Er habe einen plausiblen Grund nicht angeführt, zwar habe es ihm sicherlich frei gestanden, den Rechtsweg im Zustimmungsersetzungsverfahren auszuschöpfen. Dies erläutere jedoch nicht, warum er der Beklagten keine Mitteilung von der Zustimmungsbedürftigkeit der zu erwartenden fristlosen Kündigung gemacht hat. Spätestens nachdem der Kläger auch in zweiter Instanz unterlegen gewesen sei, hätte ihm klar sein müssen, dass ein Verfahren vor dem Integrationsamt mit größerer Wahrscheinlichkeit erforderlich als entbehrlich sein würde. Da er auch zu diesem Zeitpunkt die Beklagte nicht informiert habe, lasse dies lediglich den Schluss zu, dass er den Ausspruch der außerordentlichen Kündigung nur abwarten wollte, um die Beklagte zu zwingen für eine wirksame Kündigung nicht nur die Zustimmung des Integrationsamtes zu beantragen, sondern auch erneut ein Beteiligungsverfahren nach § 103
BetrVG durchführen zu müssen.
Die fristlose Kündigung scheitere nicht an § 103
Abs. 1
BetrVG. Die Zustimmung des Betriebsrates sei rechtskräftig ersetzt. Die fristlose Kündigung vom 08.11.2002 habe das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Die gegen die Kündigung vom 18.11. und 12.12.2002 gerichteten Klagen seien zulässig, jedoch unbegründet, da zum Zeitpunkt des Ausspruchs dieser Kündigungen ein Arbeitsverhältnis bereits nicht mehr bestanden habe. Auch der Weiterbeschäftigungsantrag sei nicht erfolgreich.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen.
Gegen das dem Kläger am 23.04.2003 zugestellte Urteil richtet sich die am 21.05.2003 eingelegte Berufung.
Der Kläger hat seine Berufung, nachdem die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis 23.07.2003 verlängert worden war, mit am 22.07.2003 eingegangenem Schriftsatz begründet. Die Beklagte habe nicht unverzüglich nach Rechtskraft des Beschlusses bezüglich der Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrates die außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Die Nichtzulassungsbeschwerde sei bereits durch Beschuss vom 23.10. 2002 als unzulässig verworfen worden. Zwar sei der Beklagten erst am 08.11.2002 dieser Beschluss zugestellt worden. Im Falle einer außerordentlichen Kündigung hätte sie sich aber beim Bundesarbeitsgericht nach dem Stand der Dinge erkundigen müssen und die Zustellung des Beschlusses nicht abwarten dürfen, so dass ein schuldhaftes Zögern gegeben sei.
Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht dem Kläger die Berufung auf den Sonderkündigungsschutz unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt. Die Kündigung hätte der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes bedurft. Er habe sich nicht rechtsmissbräuchlich verhalten. Die Verfahren
gem. § 103
BetrVG und das Verfahren vor dem Integrationsamt stünden unabhängig nebeneinander. Bezüglich der Schwerbehinderteneigenschaft trete keine präjudizielle Wirkung ein. Eine weitere Einschränkung hinsichtlich der Einhaltung der Monatsfrist durch § 242
BGB sei nicht geboten.
Eine Offenbarungspflicht während des Zustimmungsersetzungsverfahrens scheide deswegen aus, weil die Möglichkeit bestehe, dass die Hauptfürsorgestelle auch nach Abschluss eines solchen Verfahrens beteiligt wird. Des Weiteren sei es denkbar, dass ein erstinstanzlich die Zustimmung ersetzender Beschluss des Arbeitsgerichts durch höhere Instanzen aufgehoben werde, so dass die Schwerbehinderung des Betriebsratsmitgliedes keine Rolle spiele. Er sei davon ausgegangen, dass es nicht bei der Zustimmungsersetzung verbleibe, weil sogar das Strafverfahren eingestellt wurde. Zudem würde die Annahme einer Mitteilungspflicht, wie sie von dem Arbeitsgericht aufgestellt wurde, ihn gegenüber einem Mitarbeiter, der nicht Mitglied des Betriebsrates sei, schlechter stellen. Die Monatsfrist habe er gewahrt, weil er mit Schreiben vom 27.11.2002 mitgeteilt habe, er sei schwerbehindert.
Das Urteil widerspreche auch der Entscheidung des
BAG vom 19.01.1983, wonach der Rechtssatz, dass sich der gekündigte Arbeitnehmer innerhalb einer Regelfrist von einem Monat seit Zugang der Kündigung auf eine bereits festgestellte oder beantragte Schwerbehinderteneigenschaft berufen könne und müsse auch dann gelten, wenn der Arbeitgeber vorsorglich eine weitere Wiederholungskündigung ausspricht. Auch in einem solchen Fall sei nicht schon auf den Zeitpunkt der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft abzustellen. Das Urteil des Arbeitsgerichts widerspreche auch der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.05.2000 (AP
Nr. 42 zu § 303
BetrVG). Hierin werde festgestellt, dass beide Verfahren unabhängig voneinander bestehen und hinsichtlich der Berufung auf die Schwerbehinderteneigenschaft keine Präklusion eintrete. Die Kündigung vom 08.11.2002 sei auch rechtsunwirksam, weil der Betriebsrat zur Schwerbehinderung des Klägers nicht angehört wurde
bzw. dessen Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung vorgelegen hat. Die Kündigung vom 18.11.2002 sei rechtsunwirksam, da die Zustimmung des Integrationsamtes nicht vorliege. Auch sei hier der Betriebsrat zur Schwerbehinderung nicht angehört worden. Auch die Kündigung vom 12.12.2002 sei rechtsunwirksam, da der Betriebsrat trotz Kenntnis der Beklagten von der Schwerbehinderung nicht angehört
bzw. dessen Zustimmung beantragt wurde.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er habe die Beklagte über das laufende Verfahren und die Feststellungen der Schwerbehinderteneigenschaft zunächst nicht informiert, weil er davon ausgegangen sei, das Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt werde entbehrlich sein, weil kein wichtiger Kündigungsgrund vorläge. Außerdem habe er befürchtet, bei Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft weitere Nachteile erleiden zu müssen.
Der Kläger beantragt,
das am 09.04.2003 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Trier mit dem Aktenzeichen - 4 Ca 2325/02 - , zugestellt am 23.04.2003, in vollem Umfang abzuändern und
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.11.2002 aufgelöst worden ist;
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 18.11.2002 aufgelöst worden ist;
3. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlosen Kündigungen der Beklagten vom 12.12.2002 aufgelöst worden ist;
4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers und Berufungsklägers zurückzuweisen.
Sie habe unverzüglich nach Rechtskraft und Zustellung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 23.10. 2003 die Kündigung ausgesprochen. Der Zivilprozess sei dadurch geprägt, das Fristen die in Gang gesetzt werden regelmäßig an die Zustellung der anzugreifenden Entscheidung gekoppelt seien.
Im Übrigen sei der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts ohne mündliche Verhandlung ergangen, so dass es zu seiner Wirksamkeit in jedem Fall der förmlichen Zustellung bedurfte. Am Tage der Zustellung des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts habe die Beklagte die Kündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht habe zu Recht dem Kläger die Berufung auf den Sonderkündigungsschutz versagt. Ihm sei die Absicht der Beklagten, das Arbeitsverhältnis wegen strafbaren Verhaltens außerordentlich zu kündigen spätestens seid Einleitung des Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat bekannt. Er habe gegenüber dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht im sich anschließenden Beschwerdeverfahren seine Schwerbehinderung verschwiegen und insoweit die Gerichte getäuscht. Dies sei auch konsequent erfolgt, weil der in allen Verfahren anwaltlich vertretene Kläger natürlich erkannt habe, dass dann, wenn er seine Schwerbehinderteneigenschaft offenbare, die Beklagte sofort das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt einleite und angesichts der dort geltenden kurzen Fristen auch rechtzeitig vor Rechtskraft des betriebsverfassungsrechtlichen Zustimmungsverfahrens seine Zustimmung erreicht hätte. Damit wäre die Absicht des Klägers, seine Schwerbehinderung als "Joker" nach ausgesprochener Kündigung spielen zu können, vereitelt worden.
Die Rechtsprechung zur einmonatigen Mitteilungsfrist sei getragen von einem wechselseitigen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Sie sei nicht entwickelt worden, um einem dolosen Arbeitnehmer zu eröffnen, die Schwerbehinderung als Mittel einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung des Arbeitgebers zu missbrauchen. Spätestens nach der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren am 25.04.2002 und nach Verkündung der dort ergangenen Entscheidung sei dem Kläger klar gewesen, dass eine Kündigung der Beklagten wegen des vermeintlichen oder auch des tatsächlichen Mitschnittes von Gesprächen mit dem Betriebsleiter erfolgreich sein würde. Wenn er in dem Zusammenhang vortrage, sogar das Strafverfahren sei eingestellt worden, sei darauf hinzuweisen, dass bezüglich des Vorfalls vom 28.06.2001 die Einstellung erfolgt sei, weil der Nachweis strafbaren Handelns für den Vorfall nicht zu führen sei und für den Vorfall aus Februar 2001 eine Einstellung erfolgte mit der Begründung, hierfür sei ein Strafantrag seitens des Geschädigten nicht gestellt worden.
Wegen der weiteren umfangreichen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 09.10.2003.
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64
Abs. 6, 66
Abs. 1
ArbGG i. V. m. § 520
ZPO). Das Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung vollkommen zutreffend die Klage des Klägers mit der Begründung abgewiesen, bereits die Kündigung vom 08.11.2002 habe das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung beendet. Damit habe im Zeitpunkt des Zugangs der nachfolgenden Kündigungen kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden, somit können die hiergegen gerichteten Klagen des Klägers nicht erfolgreich sein.
Im Berufungsverfahren sind keine neuen rechtserheblichen Gesichtspunkte aufgetreten, die eine Abweichung von dem vom Arbeitsgericht mit überzeugender Begründung gelieferten Ergebnis bringen könnten. Die Berufungskammer nimmt daher
gem. § 69
ArbGG voll inhaltlich Bezug auf den begründenden Teil der angefochtenen Entscheidung und stellt dies ausdrücklich fest.
Lediglich wegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei kurz auf Folgendes hinzuweisen:
Die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung scheitert nicht daran, dass sie den Anforderungen des § 626
Abs. 1
BGB nicht genügen würde. Zwar hat das Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden und das Kündigungsschutzgesetz ist aufgrund Beschäftigtenzahl der Beklagten und Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers anwendbar. Er hat seine Klage fristgerecht innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben.Aufgrund des rechtskräftig abgeschlossenen Zustimmungsersetzungsverfahrens ist hinsichtlich des Vorliegens des wichtigen Grundes zur fristlosen Kündigung der Kläger nach § 103
BetrVG präkludiert. Der Kläger kann das Fehlen eines wichtigen Grundes
gem. § 626
Abs. 1
BGB nicht mehr geltend machen, nachdem im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlende Zustimmung des Betriebsrates zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung wegen der heimlichen Tonbandaufnahme im Juni 2001 rechtskräftig ersetzt wurde (
vgl. KR Etzel, 5. Aufl., § 103
BetrVG RdNr. 139). In diesem Verfahren haben die Arbeitsgerichte umfassend zu prüfen, ob die beabsichtigte außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist. Das
gem. § 103
Abs. 2 Satz 2
BetrVG beteiligte Betriebsratsmitglied wird von der Rechtskraft der Entscheidung erfasst. Damit ist er gehalten, in das Verfahren alle ihn entlastenden Umstände einzuführen. Aufgrund der Präklusionswirkung der Entscheidung des Zustimmungsersetzungsverfahrens kann er sich in späteren Kündigungsschutzverfahren nur auf solche Tatsachen berufen, die er im Zustimmungsersetzungsverfahren nicht geltend gemacht hat und auch nicht hätte geltend gemacht werden können. Insoweit herrscht Übereinstimmung soweit es um das Vorliegen eines wichtigen Grundes i.
S. von §§ 626
Abs. 1
BGB, 15
Abs. 1
S. 1
KSchG geht (
vgl. BAG AP
Nr. 42 zu § 103
BetrVG 1972 II 2 b aa m. w. N.). Die Rechtskraft führt dazu, dass das Gericht den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zu Grunde legen muss, wenn diese die Vorfrage für die Entscheidung eines Folgeprozesses bildet. Die Rechtskraft der Zustimmungsersetzung trat ein, als der Beschluss des Bundesarbeitsgericht über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 25.04.2002 (2 ABN 19/02 vom 23.10.2002) den Parteien zugestellt wurde. Diese Zustellung erfolgte an die Beklagte unstreitig erst am 08.11.2002, an diesem Tag sprach die Beklagte die streitbefangene Kündigung aus.
Die Auffassung des Klägers, hierin sei keine unverzügliche Kündigung nach Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens zu sehen, geht fehl. Nach § 329
Abs. 1
ZPO sind die aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehenden Beschlüsse des Gerichts zu verkünden, nicht verkündete Beschlüsse sind den Parteien formlos mitzuteilen. Selbst diese Entscheidung eine Frist in Lauf, ist sie zuzustellen (§ 329
Abs. 2
ZPO). Für das Wirksamwerden eines Beschlusses ist es in der Regel erforderlich, dass der Beschluss den Parteien, für die er bestimmt ist, zugegangen ist (
vgl. Bundesverfassungsgericht NJW RR 1994, 255).
Dies bedeutet, dass die Obliegenheit der Beklagten, unverzüglich nach rechtskräftigem Abschluss des Zustimmungsersetzungsverfahrens die außerordentliche Kündigung auszusprechen, von ihr gewahrt wurde. Ihr kann insbesondere nicht angesonnen werden, beim Bundesarbeitsgericht zu irgendeinem Zeitpunkt, der nicht feststellbar ist, nachzufragen, ob bereits eine Entscheidung über die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig ergangen ist oder nicht.
Die Kündigung vom 08.11.2002 ist auch nicht etwa deswegen unwirksam, weil eine vorherige Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung des Klägers, welcher als schwerbehinderter Mensch anerkannt ist
gem. §§ 85, 91
SGB IX fehlt. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis und in der Begründung zu Recht dem Kläger die Berufung auf den Sonderkündigungsschutz unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen Treu und Glauben (§ 242
BGB) versagt.
Zwar kann sich der Kläger grundsätzlich auf den Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch berufen, auch wenn die Ersetzung der fehlenden Zustimmung des Betriebsrates zur außerordentlichen Kündigung rechtskräftig durch Gerichte für Arbeitssachen erfolgt ist. Ausgangspunkt ist der Streitgegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens, der die Grenze der materiellen Rechtskraft bildet.
Streitgegenstand ist nicht allein die Prüfung des Vorliegens eines wichtigen Grundes i.
S. von § 626
Abs. 1
BGB und die Wahrung der Frist von § 626
Abs. 2
BGB. Die beabsichtigte Kündigung ist grundsätzlich unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Unwirksamkeitsgründe zu überprüfen. Auch im Beschlussverfahren ist eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf bestimmte Rechtsfragen, etwa auf einzelne Anspruchsgrundlagen nicht möglich. Der zur Entscheidung gestellte Sachverhalt ist im Rahmen der Anträge unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Daher ist der vom Arbeitgeber in das Verfahren eingeführte Kündigungsanlass auch anhand der Maßstäbe der §§ 138, 242, 612 a
BGB zu prüfen. Der Kündigungssachverhalt kann nicht isoliert, nur unter einem bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt gewürdigt werden. Insoweit kann sich die Präklusionswirkung auch auf eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers beziehen. Soweit die Behinderung etwa im Rahmen der Interessenabwägung relevant ist, ist der Arbeitnehmer gehindert, im Kündigungsschutzprozess eine erneute Würdigung unter Berücksichtigung der erst dann geltend gemachten Behinderung zu verlangen.
Grundsätzlich gilt jedoch etwas anderes für solche Kündigungsvoraussetzungen, deren Nichtvorliegen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Zustimmungsersetzungsverfahren deshalb nicht den Schluss auf die Unwirksamkeit der beabsichtigten Kündigung zulässt, weil sie auch später noch in einem besonderen Verfahren herbei geführt werden können. Dem Arbeitgeber steht es grundsätzlich frei, den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen bei dem Integrationsamt vor, während oder erst nach der Betriebsratbeteiligung zu stellen (
vgl. BAG AP
Nr. 3 zu § 108 BPersVG).
Das Bundesarbeitsgericht hat in der Entscheidung vom 11.05.2000 (AP
Nr. 42 zu § 103
BetrVG 1972) dargelegt, dass die Überprüfung des Unwirksamkeitsgrundes der fehlenden Zustimmung des Integrationsamtes nicht Gegenstand des Zustimmungsersetzungsverfahrens ist. Die aus dessen rechtskräftigem Abschluss folgende Präklusionswirkung erstreckt sich nicht auch auf diesen Unwirksamkeitsgrund. Grundsätzlich bestehe eine Obliegenheit zur Geltendmachung des Unwirksamkeitsgrundes im laufenden Zustimmungsersetzungsverfahren nicht.
Gleichwohl ist der Kläger nach Treu und Glauben (§ 242
BGB) gehindert, sich nun im Kündigungsschutzverfahren auf seine Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zu berufen. Der Kläger hat bewusst und in voller Absicht seine ihm seit Monaten bekannte Schwerbehinderteneigenschaft verschwiegen, dies ausschließlich aus dem Grund, eine vermeintlich nichtige Kündigung der Beklagten herbei zu führen. Ihm war die Absicht der Beklagten das Arbeitsverhältnis aufgrund strafbaren Verhaltens außerordentlich zu kündigen spätestens seit Einleitung des Zustimmungsverfahrens beim Betriebsrat bekannt. Dass die Chancen der Beklagten das Arbeitsverhältnis außerordentlich aufgrund der Vorfälle kündigen zu können deutlich besser zu beurteilen waren als seine Chancen das Zustimmungsersetzungsverfahren werde für ihn zu einem positiven Ergebnis führen, war dem Kläger spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Anhörung vor der Beschwerdekammer am 25.04.2002 und der Verkündung der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz bekannt.
Gleichwohl hat er weder bis zum Termin der laufenden Anhörung noch bis zum Abschluss des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten von seiner mittlerweile festgestellten Schwerbehinderteneigenschaft Mitteilung gemacht. Dies geschah, wie die Beklagte zutreffend vorbringt, ausschließlich in der Absicht, nicht nur einen weiteren zeitlichen Vorteil zu erlangen, sondern der Beklagten die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung nachhaltig zu erschweren. Hätte der Kläger seine Schwerbehinderteneigenschaft früher offenbart, wäre es der Beklagten ohne Zweifel möglich gewesen, eine Zustimmung des Integrationsamtes wegen des Kündigungsgrundes, der erkennbar mit der Schwerbehinderung nichts zu tun hat, zu erreichen und dann, sollte die Zustimmung des Betriebsrats rechtskräftig ersetzt werden, die außerordentliche Kündigung auszusprechen, die dann jedenfalls nicht mit einem möglichen Mangel fehlender Zustimmung des Integrationsamtes versehen wäre. Dies hat der Kläger erkannt.
Er hat weiter, dies ergeht aus seiner Erklärung auch in der mündlichen Verhandlung hervor und ergibt sich auch aus seinem bisherigen Prozessvortrag darauf gesetzt, dass eine nachträgliche Mitteilung der Schwerbehinderteneigenschaft den Arbeitgeber wiederum in Zugzwang setzt, nämlich den Betriebsrat über die Schwerbehinderteneigenschaft zu informieren und, auch dies lässt die Rechtsauffassung des Klägers erkennen, den Arbeitgeber dann zu zwingen, erneut bei dem Betriebsrat eine Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu beantragen die, dies hat die nachfolgende Verfahrensgeschichte gezeigt, dann wiederum vom Betriebsrat mit der gleichen Begründung wie im ersten Verfahren, verweigert wurde verbunden mit der Folge, dass die Beklagte dann wiederum ein Jahre dauerndes Zustimmungsersetzungsverfahren, dessen Ausgang ungewiss ist, bei den Arbeitsgerichten einleiten muss. Das Ziel des Klägers war es daher eindeutig, in positiver Kenntnis seiner Schwerbehinderung den Ausgang des betriebsverfassungsrechtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens und den folgenden Ausspruch der fristlosen Kündigung abzuwarten, um erst danach den Arbeitgeber von der Schwerbehinderung in Kenntnis zu setzen und ihn damit zu zwingen, für eine wirksame Kündigung nicht nur die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle zu beantragen, sondern auch erneut das betriebsverfassungsrechtliche Zustimmungs- und Zustimmungsersetzungsverfahren zu betreiben.
Dies stellt eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der dem Kläger von der Rechtsprechung eingeräumten Befugnis dar, sich auf den besonderen Kündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch auch dann zu berufen, wenn der beklagten Arbeitgeberin im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Schwerbehinderteneigenschaft nicht bekannt ist, diese innerhalb der Regelfrist von einem Monat nachträglich bekannt gemacht wird. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der nach einem Kündigungsausspruch im Zeitraum von einem Monat zu offenbarenden Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch ist getragen von einem wechselseitigen Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Sie ist nicht entwickelt worden, um Arbeitnehmern, die ihre Rechtsposition dolos einsetzen wollen, besonderen Schutz zu gewähren. Der von einer Kündigung, egal aus welchem Rechtsgrund überraschte Arbeitnehmer, der schwerbehindert ist oder einen Antrag auf Schwerbehinderung bereits gestellt hat, soll dann, wenn er dies in einem Zeitraum von einem Monat nach Kündigung dem Arbeitgeber offenbart, nicht schlechter gestellt sein, als wenn er vor Ausspruch der Kündigung seine Schwerbehinderung offenbart hätte. Wenn ein Arbeitnehmer ganz genau weiß, dass der Arbeitgeber ihn wegen eines tiefgreifenden Vertrauensmissbrauchs die Kündigung aussprechen will und im konkreten Fall notwendige begleitende Verfahrensschritte einleitet und auch noch bis in mehrere Instanzen hin weiter verfolgt, dann ist der Ausspruch der Kündigung als solcher nach Abschluss der entsprechenden Verfahrensschritte für den Arbeitnehmer nicht überraschend. Der Kläger hat eindeutig in der Absicht gehandelt, sich einen weiteren zeitlichen Vorteil (das Arbeitsverhältnis verbunden mit der Lohnzahlungsverpflichtung besteht ja weiterhin fort) zu erreichen. Er wollte durch seine Vorgehensweise einzig und allein der Beklagten, die berechtigt ist, eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund auszusprechen, die Möglichkeit dieser sofortigen Maßnahme nehmen, um die Beklagte wiederum in einen Zeitraum mehrerer Monate wenn nicht gar Jahre zwingen, ihn weiterzubeschäftigen. Dies ist die Ausnutzung einer formalen Rechtsposition, die gegen Treu und Glauben verstößt.
Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer seine Motivlage anders dargestellt hat, ist dies wie vom Arbeitsgericht bereits geschehen auch vom Berufungsgericht als bloße Schutzbehauptung zu werten. Seine Hoffnung, das Zustimmungsersetzungsverfahren vor den Arbeitsgerichten werde für ihn positiv ausgehen, musste spätestens nach Verkündung der Beschwerdeentscheidung am 25.04.2002 als minimal erscheinen. Die weitergegebene Begründung des Klägers, er habe Nachteile befürchtet, wenn er nunmehr frühzeitig die Arbeitgeberin über die Schwerbehinderteneigenschaften informiert, ist schon deswegen nicht plausibel, weil der Kläger ja damit rechnen musste, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund nach wie vor kündigen will. Welche weiteren Nachteile ihm als Schwerbehinderten dann seitens der Beklagten hätten zugefügt werden können, ist nicht ersichtlich. Der Kläger legte es einzig und allein darauf an, mit der zurückgehaltenen Mitteilung über seine festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft die Beklagte wiederum in ein längeres zeitraubendes Verfahren zu bringen und für diesen Zeitraum seinen Arbeitsplatz vorübergehend zu behalten.
Schließlich ist seine Begründung, er werde gegenüber schwerbehinderten Menschen, die nicht Betriebsratsmitglieder sind, benachteiligt nicht nachvollziehbar. Gegenüber einem schwerbehinderten Menschen, der nicht Betriebsratsmitglied ist, wäre das Zustimmungsersetzungsverfahren wie im vorliegenden Fall entbehrlich gewesen. Die Kündigung wäre zu einem entscheidend früheren Zeitpunkt ausgesprochen worden, nämlich innerhalb von zwei Wochen nach § 626
Abs. 2
BGB. Dann wäre es Sache des Klägers gewesen, innerhalb eines Monats nach Zugang dieser außerordentlichen Kündigung auf die Schwerbehinderteneigenschaft hinzuweisen und die Beklagte hätte dann die Möglichkeit gehabt, die Zustimmung des Integrationsamtes zu erhalten und dann unverzüglich nach dieser Zustimmung erneut das Arbeitsverhältnis außerordentlich zu kündigen. Der Kläger genießt als schwerbehindertes Betriebsratsmitglied sämtliche Kündigungsschutzrechte nach § 103
BetrVG und hat dies wie im vorliegenden Fall ersichtlich auch jedenfalls bis zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses am 08. 11.2003 erhalten. Er ist aufgrund seiner Eigenschaft als Betriebsratsmitglied somit nicht schlechter gestellt als jeder normale schwerbehinderte Mitarbeiter, der nicht Organmitglied ist.
Da das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 08.11.2002 beendet wurde, gingen gegen die zeitlich nachfolgenden Kündigungen gerichteten Klagen des Klägers ins Leere. Sie waren abzuweisen.
Die Berufungskammer hatte daher keine Veranlassung der Frage nachzugehen, ob die jedenfalls mit Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung vom 18.12.2002 deswegen unwirksam ist, weil es erforderlich gewesen wäre, eine erneute Zustimmung des Betriebsrates
gem. § 103
BetrVG vor dieser Kündigung, diesmal unter Hinweis auf festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers einzuholen.
Mangels Bestand eines Arbeitsverhältnisses besteht für den Kläger auch kein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung.
Nach allem war die Berufung des Klägers gegen das angefochtene Urteil mit der Kostenfolge des § 97
ZPO zurückzuweisen.
Die Kammer hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage, ob und wann das Berufen auf festgestellte Schwerbehinderteneigenschaft gegen Treu und Glauben verstößt, die Revision zugelassen.