Die Klage ist begründet.
Die Klage ist begründet, soweit sich der Kläger mit seinem Klageantrag zu 2 gegen die Kündigung der Beklagten vom 22. November 2004 wehrt. Die Klage ist begründet, weil die Kündigung der Beklagten gemäß. § 134
BGB nichtig ist.
Die Kündigung der Beklagten vom 22. November 2004 ist nichtig, weil die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung gegen das Zustimmungserfordernis nach
§ 85 SGB IX verstoßen hat.
Die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen bedarf gemäß § 85
SGB IX der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Dabei ist eine Schwerbehinderung im Sinne der §§ 85
ff. SGB IX gegeben, wenn bei der betroffenen Person ein Grad der Behinderung von mindestens 50 vorliegt,
§ 2 Abs. 2 SGB IX. Die vorherige Zustimmung des Integrationsamtes ist öffentlich-rechtliche Wirksamkeitsvoraussetzung, eine ohne die erforderliche Zustimmung ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 134
BGB unheilbar nichtig.
Es ist zwischen den Parteien im Ausgangspunkt unstreitig, dass der Kläger deutlich vor Zugang der Kündigung der Beklagten vom 22. November 2004 einen Antrag auf Anerkennung eines schwerbehinderten Menschen gestellt hat. Demgemäß wurde mit Bescheid vom 06. Oktober 2004 dann auch festgestellt, dass der Kläger ein schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 20 ist. Nach der Einlegung des Widerspruchs hiergegen erkannte das Hessische Amt für Versorgung und Soziales bezogen auf den Kläger einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 ab dem 16. Februar 2004, mithin ebenfalls weit vor Zugang der Kündigung der Beklagten, an. Damit sind die Voraussetzungen des Sonderkündigungsschutzes nach § 85
SGB IX gegeben: Der Kläger hat vor Zugang der Kündigung einen Antrag auf Anerkennung als schwerbehinderter Mensch gestellt, es existiert weiterhin eine Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bezogen auf den Zeitpunkt vom 16. Februar 2004 und die Beklagte hatte vor Ausspruch der Kündigung Kenntnis von der Antragstellung des Klägers.
Diese Rechtslage wird auch nicht durch
§ 90 Abs. 2 a Alt. 1 SGB IX verändert. Der Sonderkündigungsschutz nach § 90
Abs. 2 a Alt. 1
SGB IX besteht, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nachgewiesen ist. Dieser Nachweis kann nach der Gesetzesbegründung durch einen Feststellungsbescheid nach
§ 69 Abs. 1 SGB IX erbracht werden. Dass die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch bereits durch die Existenz eines entsprechenden Bescheides nachgewiesen ist und dass es der Vorlage dieses Bescheides an den Arbeitgeber vor Ausspruch des Kündigungszugangs nicht bedarf, ergibt eine Auslegung der Norm.
Dem Wortsinn des Begriffes "nachgewiesen ist" lassen sich keine hinreichend deutlichen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass hiermit die Vorlage des Bescheides oder die entsprechende Mitteilung an den Arbeitgeber gemeint ist. Den Sonderkündigungsschutz nach § 85
SGB IX soll nämlich nicht nur derjenige Arbeitnehmer genießen, der den entsprechenden Nachweis nach § 90
Abs. 2 a Alt 1
SGB IX führen kann, sondern auch derjenige, der unter die zweite Alternative des § 90
Abs. 2 a
SGB IX fällt, der sich zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung also noch im Anerkennungsverfahren befindet. Würde man die erste Alternative des § 90
Abs. 2 a
SGB IX dahingehend auslegen, dass die Vorlage oder Information des Arbeitgebers durch den Arbeitnehmer erforderlich sei, würde diese Regelung zu einem Widerspruch zur zweiten Alternative des § 90
Abs. 2 a
SGB IX geraten. Der Sonderkündigungsschutz nach dem
SGB IX setzt nämlich die Kenntnis des Arbeitgebers von der Schwerbehinderteneigenschaft gerade nicht voraus. Der Arbeitnehmer ist auch nicht verpflichtet, den Arbeitgeber während des Laufs des Arbeitsverhältnisses über eine Schwerbehinderung zu informieren. Hätte der Gesetzgeber es anders regeln wollen, so hätte er die bisherige Rechtslage klar und deutlich abändern müssen, zumindest hätte dies im Wortlaut einer entsprechenden Bestimmung Anklang oder Andeutung finden müssen. Weiterhin hat der Gesetzgeber (BT-Dr 15/2357,
S. 24) allein auf das Vorhandensein eines Feststellungsbescheides nach § 69
Abs. 1
SGB IX abgestellt und diesen dem Bescheid nach § 69
Abs. 2
SGB IX gleichgestellt. Deswegen ist der Nachweis der Schwerbehinderung nach der Auffassung des Gesetzgebers dann erbracht, wenn der Arbeitnehmer entweder offensichtlich schwerbehindert ist oder das Aberkennungsverfahren positiv abgeschlossen wurde oder ein Bescheid nach § 69
Abs. 2
SGB IX vorliegt.
Explizit gesetzlich nicht geregelt ist dann der Fall, dass ein Arbeitnehmer nach zunächst erfolglosem Anerkennungsantrag im Widerspruchsverfahren oder mit einer verwaltungsgerichtlichen Klage Erfolg hat. Zur alten Rechtslage ist man davon ausgegangen, dass die Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung, also mit ex-tunc-Wirkung anerkannt sei (
BAG vom 16.08.1991 -
2 AZR 241/90, NZA 1992,
S. 23;
BAG vom 11.05.2000 -
2 AZR 276/99, NZA 2000,
S. 1106; ErfK-Rolfs, § 85
SGB IX RdN. 5).
Dabei ist davon auszugehen, dass gerade aufgrund der ex-tunc-Wirkung eines Widerspruchsbescheides wie im vorliegenden Fall rechtlich ein Nachweis zum Zeitpunkt der Kündigung vorliegt. Für die Existenz des Sonderkündigungsschutzes nach § 85
SGB IX kommt es allein auf das objektive Vorliegen der Schwerbehinderung zum Zeitpunkt der Kündigung an. Der neue Ausnahmetatbestand des § 90
Abs. 2 a 1. Alt.
SGB IX beruht allenfalls auf einer beschränkten gesetzgeberischen Absicht, nämlich Missbräuche zu verhindern. Dies kann aber für die vorliegende Situation nicht bedeuten, dass an der vormaligen Rechtslage etwas geändert werden sollte. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn der spätere Erfolg des Widerspruchs allein auf einer im Ausgangsverfahren unterlassenen und erst später nachgeholten Mitwirkung beruht.
Dafür hat die Kammer allerdings keinerlei Anhaltspunkte, die Beklagte hat ihr tatsächliches Vorbringen auch darauf nicht bezogen. Deswegen verbleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Verweigerte man einem schwerbehinderten Arbeitnehmer, der erst im Widerspruchsverfahren mit seinem Antrag Erfolg hat, den Sonderkündigungsschutz, würde man seinen verfahrensrechtlichen Einsatz materiell-rechtlich weitgehend entwerten und damit die Rechtslage konterkarieren.
Daran kann auch die Tatsache der Mitteilung des Integrationsamtes an die Beklagte, dass eine Zustimmung zur Kündigung nicht erforderlich sei, nichts ändern. Der Kläger hat nachträglich einen verfahrensrechtlichen Erfolg erzielt, dieser ist vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlich garantierten Gebotes des effektiven Rechtsschutzes (
BVerfG vom 02.03.1993, BVerfGE 88,
S. 118 [123 f.];
BVerfG vom 20.06.1995, NJW 1995;
S. 3173;
BVerfG vom 30.04.2003, NJW 2003,
S. 1924) zu beschränken oder gar aufzuheben. Deshalb ist auf der Grundlage der rückwirkenden Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch ab dem 16. Februar 2004 davon auszugehen, dass der Kläger zum Einen als schwerbehinderter Mensch den Sonderkündigungsschutz schon ab diesem Zeitpunkt genießen konnte, während der Nachweis ebenfalls vor Ausspruch der Kündigung durch den Kläger als geführt anzusehen ist.
Die Klage ist im Klageantrag zu 3 begründet, soweit der Kläger Weiterbeschäftigung begehrt.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits zu, weil er im Kündigungsschutzprozess erstinstanzlich obsiegt hat Danach steht dem Arbeitnehmer auf der Grundlage des Arbeitsvertrages
i. V. m. § 105 GewO
i. V. m. § 242
BGB i. V. m.
Art. 1 und 2
GG ein Weiterbeschäftigungsanspruch zu, weil das Interesse eines Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung das Interesse des Arbeitgebers an der Nichtbeschäftigung überwiegt. Die Beklagte hat auch keinerlei Einwände gegen das Bestehen eines Weiterbeschäftigungsanspruches geltend gemacht, sodass dieser so auszuurteilen ist.
Die Klage ist begründet, soweit der Kläger im Klageantrag zu 1 Arbeitsentgelt begehrt.
Die Klage ist begründet, weil dem Kläger ein entsprechender Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zusteht. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 615 Satz 1
BGB i. V. m. § 293
BGB i. V. m. § 296
BGB.
Der Arbeitgeber gerät danach gemäß § 296 Satz 1
BGB auch ohne ein wörtliches Angebot in Annahmeverzug, weil es einer nach dem Kalender bestimmten Mitwirkungshandlung, des Arbeitgebers bedarf, nämlich der Einrichtung eines funktionsfähigen Arbeitsplatzes und der Zuweisung der Arbeit damit der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung erbringen kann. Der Annahmeverzug endet
bzw. tritt von vornherein nicht ein, wenn dem Arbeitnehmer die Erbringung der geschuldeten Leistung unmöglich ist. Dies ergibt sich aus § 297
BGB. Unmöglichkeit der Arbeitsleistung ist nicht schon immer dann anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer aus Gründen in seiner Person nicht mehr alle Arbeiten verrichten kann, die zum Spektrum der vertraglich vereinbarten Tätigkeiten zählen. Dem Arbeitnehmer kann nämlich durch Ausübung, des Weisungsrechts gemäß § 106 GewO ein vertragsgerechter Arbeitsplatz mit Aufgaben zugewiesen werden, die dem Arbeitnehmer weiterhin möglich sind. Ist es dem Arbeitgeber möglich und zumutbar, dem krankheitsbedingt nur eingeschränkt leistungsfähigen Arbeitnehmer leidensgerechte Arbeit zuzuweisen, so ist die Zuweisung anderer Arbeiten unbillig (
BAG vom 24.09.2003 - 5 AZR 282/02).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist nicht davon auszugehen, dass die Beklagte ausreichend eine etwaige Leistungsunmöglichkeit des Klägers ab dem 12. Oktober 2004 dargelegt hätte. Die Beklagte stellt nämlich nur darauf ab, dass der Kläger nach mehreren Betriebsbegehungen und Inaugenscheinnahmen von Arbeitsplätzen nicht in der Lage gewesen sei, seine Arbeitsleistung an seinem bisherigen Arbeitsplatz zu erbringen. Warum dies der Fall gewesen sein könnte, begründet die Beklagte ausschließlich mit etwaigen Äußerungen des Klägers oder einer Bezugnahme auf den betriebsärztlichen Dienst. Der Kläger seinerseits hat eine Leistungsunmöglichkeit oder gar eine Arbeitsunfähigkeit in Abrede gestellt. Gleichzeitig hat der Kläger behauptet, dass die Erkrankung im Zusammenhang mit dem tuberkulösen Gewebe ausgeheilt sei.
In einer solchen Situation ist dann der Arbeitgeber, hier die Beklagte, für die bestehende Leistungsunfähigkeit darlegungs- und beweispflichtig (
BAG vom 05.11.2003 -
5 AZR 562/02 - DB 2004,
S. 439). Dieser Darlegungslast ist die Beklagte nicht nachgekommen. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang nämlich nur dargelegt, sie könne den Kläger nicht leidensgerecht einsetzen, denn die Frischluftzufuhr könne nicht durchgehend gesichert werden. Ob damit, auch und gerade unter Berücksichtigung eines möglichen Einsatzes des Weisungsrechts, eine Leistungsunmöglichkeit im Gesamtbetrieb der Beklagten dargelegt ist, kann die Kammer nicht annehmen. Der Tatsachenvortrag der Beklagten ist auch unter Bezugnahme auf die vielen Betriebsbegehungen im Hinblick auf eine völlige Leistungsunmöglichkeit nicht ausreichend, zumal der Kläger selbst auf etwaige Einschränkungen hingewiesen hat. Diese begründen aber nur Einschränkungen und keine Unmöglichkeit bezogen auf den Monat Oktober. Auch wenn man zu Gunsten der Beklagten unterstellen sollte, dass der Kläger selbst sich unklar über seine Einsatzmöglichkeiten ihr gegenüber geäußert haben könnte, so ersetzt dies nicht tatsächliches Vorbringen bezogen auf eine objektive Leistungsunmöglichkeit in der Person des Klägers.
Die Kostenentscheidung findet ihre Grundlage im § 46
Abs. 2
ArbGG i. V. m. § 91
Abs. 1
ZPO, da die Beklagte in vollem Umfang unterlegen ist.
Der Wert des Streitgegenstandes ist im Urteil festzusetzen, § 61
Abs. 1
ArbGG. Er bestimmt sich im vorliegenden Fall für den Kündigungsrechtsstreit gemäß § 42
Abs. 4 GKG auf drei Bruttomonatsgehälter des Klägers, während der Weiterbeschäftigungsanspruch mit einem weiteren Bruttomonatsgehalt zu bewerten ist. Hinzuzuaddieren ist schließlich das mit dem Antrag zu 1 geltend gemachte Leistungsinteresse.