Die Revision des Beklagten hat, soweit sie die ordentliche Kündigung vom 25. Oktober 2002 betrifft, teilweise Erfolg.
A. Das Landesarbeitsgericht hat seine der Klage stattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Berufung des Beklagten sei unzulässig, soweit er die Kündigung vom 8. August 2002 angegriffen habe. Er habe insoweit nicht nur selbst eingeräumt, dass es an der notwendigen Zustimmung des Integrationsamts zu dieser Kündigung gefehlt habe, sondern sich auch nicht mit der erstinstanzlichen Entscheidung auseinander gesetzt.
Die im Übrigen zulässige Berufung sei unbegründet. Zwar seien die Kündigungen vom 6. September und 9. September 2002 nicht wegen einer nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats unwirksam, da auf Grund des einheitlichen Lebenssachverhalts die Beteiligung der Personalvertretung am 23. August 2002 ausgereicht habe. Die außerordentlichen Kündigungen vom 5. September, 6. September und 9. September 2002 seien aber unwirksam, weil kein wichtiger Grund iSv. § 626
Abs. 1
BGB bzw. § 54
Abs. 1
BAT vorliege. Zwar könne in der privaten Nutzung des Internets ein arbeitsvertraglicher Pflichtenverstoß liegen, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Eine solche exzessive Nutzung des Internets habe der Beklagte aber nicht dargelegt. Sie ergebe sich auch nicht aus der Anzahl der privaten Adressen
bzw. aus dem Stundenumfang der Internet- Nutzung. Allein der Umstand einer unberechtigten Installation von Software auf dem Dienststellenrechner rechtfertige die außerordentliche Kündigung nicht. Zwar habe der Kläger damit gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen. Die bloße abstrakte Gefahr für die Sicherheit des Behördennetzes wiege aber nicht so schwer, dass das Arbeitsverhältnis sofort beendet werden müsse. Es sei dem Beklagten zuzumuten, auf diese Pflichtverletzung mit einer Abmahnung zu reagieren. Der berechtigte Verdacht des Beklagten, der Kläger habe seine Vorgesetzten täuschen wollen, rechtfertige die Kündigung nicht, weil sie als Tatkündigung ausgesprochen worden sei. Eine Täuschungsabsicht stehe nicht fest. Dem Beklagten sei es im Übrigen zumutbar, den Kläger zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Selbst wenn man in einer Privatnutzung des Internets sowie der unberechtigten Installation von fremder Software auf dem Dienstrechner zusammen betrachtet eine schwere Pflichtverletzung sehen würde, sei es dem Beklagten, bei dem kein konkreter Schaden entstanden sei und sich der behauptete Vertrauensverlust lediglich auf einen Verdacht stütze, in Anbetracht des Alters, der bisherigen Dauer des Arbeitsverhältnisses und der Schwerbehinderung des Klägers zuzumuten, das Arbeitsverhältnis noch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzusetzen.
Die hilfsweise als ordentliche Kündigungen erklärten Kündigungen vom 5. September, 6. September und 9. September 2002 einerseits und die vom 25. Oktober 2002 andererseits seien nach § 1
Abs. 2
KSchG unwirksam. Die möglichen Pflichtverletzungen rechtfertigten eine verhaltensbedingte Kündigung nicht. Zwar lägen in der verbotenen Nutzung des Internet - Zugangs zu privaten Zwecken auch ohne erkennbare Schäden für den Arbeitgeber, dem Herunterladen von Software und der sich hieraus ergebenden abstrakten Gefährdung des
EDV- Netzes sowie dem objektiven Herunterladen einer Software, die die Internet - Auftritte des Klägers auch für den Arbeitgeber nicht mehr nachvollziehbar machten, erhebliche Verstöße gegen die arbeitsvertraglichen Pflichten des Klägers. Gleichwohl hätte der Beklagte unter Berücksichtigung des "ultima ratio Grundsatzes" vor dem Ausspruch einer Kündigung auf diese Pflichtenverstöße zunächst mit einer Abmahnung reagieren müssen. Die Vorwürfe seien nicht so schwerwiegend. Ein verständig abwägender Arbeitgeber hätte sie nicht zum Anlass einer Kündigung wegen Vertrauensverlustes genommen. Insoweit überwiege in Anbetracht des nicht erkennbaren Schadens für das
EDV-System das Bestandsschutzinteresse des langjährig beschäftigten, älteren und schwerbehinderten Klägers die Interessen des Beklagten an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Schließlich sei der Auflösungsantrag unbegründet. Aus den vom Beklagten vorgetragenen Aspekten ergebe sich nicht, dass ein weiteres gedeihliches Zusammenarbeiten zwischen den Arbeitsvertragsparteien zukünftig nicht mehr möglich sei.
B. Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts folgt der Senat nur teilweise im Ergebnis und in den Begründungen.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die außerordentlichen Kündigungen vom 5., 6. und 9. September 2002 unwirksam sind. Weiter hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die (hilfsweise erklärten) ordentlichen Kündigungen vom 5., 6. und 9. September 2002 rechtsunwirksam sind. Die Ausführungen zur Unzulässigkeit der Berufung des Beklagten gegen die Kündigung vom 8. August 2002 hat die Revision nicht angegriffen.
Soweit das Berufungsgericht auch die ordentliche Kündigung vom 25. Oktober 2002 als sozial ungerechtfertigt angesehen hat, folgt ihm der Senat jedoch nicht.
I. Die außerordentliche - und hilfsweise ordentliche - Kündigung vom 5. September 2002 ist unwirksam nach § 174 Satz 1
BGB. Sie scheitert an der fehlenden Vorlage einer auf den Bauoberrat R ausgestellten Vollmachtsurkunde.
1. Nach § 174 Satz 1
BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Die Kündigung ist eine einseitige Willenserklärung.
Es kann dahinstehen, ob der Bauoberrat R Vertretungsmacht zum Ausspruch dieser Kündigung hatte. Es entspricht jedenfalls der allgemeinen Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass bei der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch einen Bevollmächtigten des Arbeitgebers grundsätzlich die Vorlage einer Vollmachtsurkunde erforderlich ist (
BAG 30. Mai 1972 - 2 AZR 298/71 - BAGE 24, 273; 29. Juni 1989 - 2 AZR 482/88 - AP
BGB § 174
Nr. 7 = EzA
BGB § 174
Nr. 6). Dies gilt auch für den öffentlichen Dienst (Senat 29. Juni 1989 aaO). Die Ungewissheit, ob ein einseitiges Rechtsgeschäft von einem wirklich Bevollmächtigten ausgeht und der Vertretene dieses Rechtsgeschäft gegen
bzw. für sich gelten lassen muss, besteht im gleichen Maß, wenn - vorbehaltlich der Sonderregelung des § 174 Satz 2
BGB - der Bevollmächtigte eines privaten oder eines öffentlichen Arbeitgebers handelt. In beiden Fällen können beispielsweise eine Vollmachtsüberschreitung, ein Vollmachtsmissbrauch oder überhaupt nur Zweifel am Bestehen einer Vollmacht vorliegen, so dass der Dritte durch das Zurückweisungsrecht geschützt werden muss. Der gesetzlich geforderte Nachweis der Vollmacht erschwert dabei den Geschäftsverkehr nicht unnötig.
b) Der Kläger
bzw. dessen Prozessbevollmächtigter hat die Kündigung unverzüglich, nämlich am 5. September 2002, dh. am selben Tage, wegen fehlender Vorlage der Vollmachtsurkunde zurückgewiesen.
2. Die Zurückweisung der Kündigung war auch nicht gemäß § 174 Satz 2
BGB ausgeschlossen, weil der Kläger vom Beklagten
bzw. dem Wasserwirtschaftsamt W von der Bevollmächtigung des Bauoberrats R in Kenntnis gesetzt worden war.
a) § 174 Satz 2
BGB bildet die Ausnahme zu § 174 Satz 1
BGB. Das Zurückweisungsrecht ist nach § 174 Satz 2
BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Vollmachtgeber demjenigen, gegenüber dem das einseitige Rechtsgeschäft vorgenommen werden soll, die Bevollmächtigung (vorher) mitgeteilt hat. Eine konkludente Mitteilung genügt, die Erlangung der Kenntnis auf anderem Wege dagegen nicht (Erman/Palm
BGB 11. Aufl. § 174 Rn. 6; Soergel/ Leptien
BGB 13. Aufl. § 174 Rn. 4).
aa) Der Kläger ist weder ausdrücklich noch konkludent über die Bevollmächtigung des Bauoberrats R in Kenntnis gesetzt worden.
bb) Entgegen der Auffassung des Beklagten ergibt sich eine solche In-Kenntnis-Setzung auch nicht aus dem "Vertretungszusatz", mit dem der Bauoberrat R das Kündigungsschreiben unterzeichnet hat. Das In - Kenntnis - Setzen im Sinne dieser Norm setzt eine entsprechende Information über die Bevollmächtigung durch den Vollmachtgeber und nicht einen Hinweis des Vertreters auf seine Vertreterstellung voraus. Dafür sieht das Gesetz gerade die Vorlage der Vollmachtsurkunde vor. Auch ist das Kündigungsschreiben nicht "gesiegelt" worden (
vgl. BAG 29. Juni 1988 - 7 AZR 180/87 - BAGE 59, 93).
cc) Schließlich folgt aus dem Hinweis auf die allgemeinen Vertretungsregeln der Behörden des Beklagten bei Abwesenheit des Behördenleiters
bzw. seines Vertreters nicht hinreichend, dass damit der Empfänger einer Kündigung von der Bevollmächtigung eines entsprechenden Vertreters ausreichend iSv. § 174
Abs. 2
BGB in Kenntnis gesetzt worden ist. Zum einen hat der Beklagte diese "Vertretungsregelung" nicht im Einzelnen in den Prozess eingeführt. Zum anderen kommt entscheidend hinzu, dass der Beklagte auch nicht die Abwesenheit des Behördenleiters
bzw. dessen Vertreters und deren Grund und Dauer dargelegt hat. Diese Aspekte zeigen schon, dass zwar der Bauoberrat R auf Grund der allgemeinen Vertretungsregelung zu diesem Zeitpunkt zum Ausspruch der Kündigung
ggf. bevollmächtigt gewesen sein mag, es aber für den Empfänger der Kündigungserklärung, den Kläger, nicht deutlich erkennbar gewesen ist, ob überhaupt ein Vertretungsfall und damit die Voraussetzungen der Vertretung
bzw. Bevollmächtigung im konkreten Einzelfall vorgelegen haben. Gerade für diese Fälle sieht das Gesetz aber die Vorlage der Kündigungsvollmacht mit der Kündigungserklärung vor.
dd) Schließlich hat der Bauoberrat R auch keine solche Stellung inne, die zwingend mit einem Kündigungsrecht verbunden zu sein pflegt. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein In-Kenntnis-Setzen von einer Bevollmächtigung zum Ausspruch der Kündigung auch darin liegen, dass der Arbeitgeber bestimmte Mitarbeiter, zB durch Bestellung zum Prokuristen, Generalbevollmächtigten oder Leiter einer Personalabteilung, in eine Stellung beruft, mit der das Kündigungsrecht üblicherweise verbunden zu sein pflegt (
BAG 30. Mai 1972 - 2 AZR 289/71 - BAGE 24, 273; 11. Juli 1991 - 2 AZR 107/91 - AP
BGB § 174
Nr. 9 = EzA
BGB § 174
Nr. 9). Davon kann vorliegend, bei einem Bauoberrat ohne allgemeine Personalkompetenz, nicht ausgegangen werden. Der Hinweis des Beklagten, die Mitarbeiter des höheren Dienstes seien stets in einer Stellung, die üblicherweise auch mit einer entsprechenden Vollmacht ausgestattet sei, vermag die Voraussetzungen des § 174 Satz 2
BGB nicht zu erfüllen. Mit einer Tätigkeit im höheren Dienst ist nicht stets und ständig eine Bevollmächtigung zu Personalentscheidungen, insbesondere zu Kündigungen, verbunden. Eine generelle Ausnahme und Ausweitung einer solchen Kompetenz auf alle Mitarbeiter des höheren Dienstes würde zu einer konturenlosen Verwässerung der Ausnahmevorschrift des § 174 Satz 2
BGB führen.
II. Die außerordentlichen und hilfsweise ordentlichen Kündigungen vom 6. und 9. September 2002 sind wegen der fehlenden Beteiligung des Personalrats nach
Art. 77
Abs. 4 Bay. PersVG unwirksam.
1. Nach
Art. 77
Abs. 1 Satz 1 Bay. PersVG wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit. Nach
Art. 77
Abs. 3 Satz 1 Bay. PersVG ist der Personalrat vor einer außerordentlichen Kündigung anzuhören. Die Beteiligungspflicht des Personalrats besteht vor jeder Kündigung durch den Arbeitgeber (Ballerstedt/Schleicher/Faber/ Eckinger Bay. Personalvertretungsgesetz
Art. 77 Rn. 2).
Vor den genannten Kündigungen ist der Personalrat nicht -
bzw. nicht erneut - beteiligt worden. Deshalb liegt ein Beteiligungsfehler vor, der zur Unwirksamkeit der Kündigung führt.
2. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts und des Beklagten konnte von einer Beteiligung des Personalrats nicht deshalb abgesehen werden, weil dieser bereits zur Kündigung vom 5. September 2002 beteiligt worden war und die erneuten Kündigungen auf demselben Lebenssachverhalt beruhten. Die gesetzliche Regelung des
Art. 77 Bay. PersVG verlangt vielmehr eine Beteiligung des Personalrats vor jeder Kündigung.
a) Der öffentliche Arbeitgeber hat grundsätzlich für jede Kündigung das Mitwirkungs- oder Anhörungsverfahren nach
Art. 77 Bay. PersVG durchzuführen. Deshalb bedarf es einer - erneuten - Beteiligung des Personalrats immer dann, wenn der öffentliche Arbeitgeber nach Anhörung
bzw. Mitwirkung des Personalrats bereits eine Kündigung erklärt hat und nunmehr eine neue (weitere) Kündigung aussprechen will. Das gilt auch, wenn der Arbeitgeber zwar die Kündigung auf den gleichen Sachverhalt stützt, die erste Kündigung dem Arbeitnehmer aber zugegangen ist und der Arbeitgeber damit seinen Kündigungswillen bereits verwirklicht hat. Das Gestaltungsrecht und die damit im Zusammenhang stehende Beteiligung des Personalrats ist mit dem Zugang der Kündigungserklärung verbraucht (
BAG 16. September 1993 -
2 AZR 267/93 - BAGE 74, 185; 5. September 2002 -
2 AZR 523/01 - AP LPVG Sachsen § 78
Nr. 1; zuletzt 10. November 2005 - 2 AZR 623/04 -). Etwas anderes kommt nur in den Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Arbeitgeber seinen Kündigungsentschluss noch nicht verwirklicht hat. Nur dann kann eine erneute Beteiligung des Personalrats entbehrlich sein, wenn das frühere Beteiligungsverfahren ordnungsgemäß war, der Personalrat der Kündigung vorbehaltlos zugestimmt hat und eine Wiederholungskündigung im angemessenen zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen und auf denselben Sachverhalt gestützt wird (
BAG aaO).
b) Durch den Ausspruch der außerordentlichen - und hilfsweise ordentlichen - Kündigung vom 5. September 2002 hatte der Beklagte seinen Kündigungswillen bereits verwirklicht. Damit war die Beteiligung des Personalrats vom 23. August 2002 "verbraucht". Es liegt auch kein Fall vor, in dem ausnahmsweise eine erneute Beteiligung des Personalrats entbehrlich wäre. Die außerordentliche - hilfsweise ordentliche - Kündigung vom 5. September 2002 war dem Kläger bereits zugegangen. Im Übrigen fehlt es auch an den weiteren Voraussetzungen, um ausnahmsweise von einer erneuten Beteiligung des Personalrats absehen zu können. So hatte der Personalrat der beabsichtigten Kündigung schon nicht vorbehaltlos zugestimmt.
III. Die Revision ist jedoch begründet, soweit sie die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung vom 25. Oktober 2002 angreift.
Auf Grund der bisherigen tatsächlichen Feststellungen hätte das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag des Klägers nicht stattgeben dürfen. Es liegt - was das Landesarbeitsgericht auch zutreffend erkannt hat - eine schuldhafte Arbeitsvertragspflichtverletzung des Klägers und damit an sich ein erheblicher verhaltensbedingter Grund zur Kündigung vor. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bedurfte es vorliegend jedoch keiner Abmahnung. Da auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Interessenabwägung Defizite aufweist, kann der Senat aber nicht abschließend über die Sozialwidrigkeit der Kündigung entscheiden. Der Rechtsstreit muss daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen werden (§ 563
ZPO).
1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung gemäß § 1
Abs. 2
KSchG handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1
KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachengericht ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr. des Senats, beispw. 10. Oktober 2002 - 2 AZR 472/01 - BAGE 103, 111; 24. Juni 2004 - 2 AZR 63/03 - AP
KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung
Nr. 49 = EzA
KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung
Nr. 65).
2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat sowohl den Inhalt des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes überspannt als auch bei der notwendigen Interessenabwägung nicht alle fallrelevanten Aspekte berücksichtigt.
a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht von einer arbeitsvertraglichen Pflichtenverletzung des Klägers ausgegangen. In welchem Umfang der Kläger allerdings durch eine verbotene Nutzung des Internet-Zugangs zu privaten Zwecken ohne erkennbare Schäden für den Arbeitgeber, durch das Herunterladen von Software und die sich daraus ergebende abstrakte Gefährdung des
EDV-Netzes sowie durch das objektive Herunterladen einer Software, die die Internetnutzung des Klägers auch für den Arbeitgeber nicht mehr nachvollziehbar macht, seine Pflichten verletzt hat, kann nach den bisherigen lückenhaften tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht sicher beurteilt werden. Jedenfalls rechtfertigen die vom Berufungsgericht genannten Aspekte nach der Rechtsprechung des Senats (7. Juli 2005 - 2 AZR 581/04 - EzA
BGB 2002 § 626
Nr. 10, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) die Annahme einer Verletzung der arbeitsvertraglichen Leistungs - und Nebenpflichten.
Es liegen zwar keine ausreichenden Feststellungen zu den möglichen Schäden beim Beklagten und vor allem zum Umfang der privaten Internet - Nutzung während der Arbeitszeit vor. Mögliche Pflichtverletzungen des Klägers insoweit können auf Grund der installierten Anonymisierungssoftware auch wohl nur im Stadium der Vermutung
bzw. Unterstellung bleiben. Deshalb kommt vor allem dem unstreitigen Herunterladen und der Installation der JAP/JAVA - Anonymisierungssoftware entscheidungserhebliche Bedeutung zu.
Nach Auffassung des Senats hat der Kläger bereits mit der unerlaubten Installation der Anonymisierungssoftware seine Pflichten erheblich verletzt. Zum einen hat er das sich aus der Dienstanweisung und der Dienstvereinbarung ergebende Verbot einer Installation von privater Software missachtet. Zum anderen hat er durch seine eigenmächtige Veränderung von technischen Arbeitsmitteln des Arbeitgebers seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht (§ 241
Abs. 2
BGB) erheblich verletzt und durch sein Handeln seine Obhuts- und Betreuungspflicht gegenüber den ihm überlassenen und anvertrauten Betriebsmitteln missachtet.
b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte der Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers auch ohne vorherige Abmahnung ordentlich kündigen.
aa) Für eine verhaltensbedingte Kündigung gilt das sog. Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Die vergangene Pflichtverletzung muss sich deshalb noch in der Zukunft belastend auswirken (
BAG 21.11.1996 -
2 AZR 357/95 - AP
BGB § 626
Nr. 130 = EzA
KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung
Nr. 56; ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 1
KSchG Rn. 296). Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 1
KSchG Rn. 297). Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose (Staudinger/Preis § 626
BGB Rn. 103). Liegt eine ordnungsgemäße Abmahnung vor und verletzt der Arbeitnehmer erneut seine vertraglichen Pflichten, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen (ErfK/Ascheid 6. Aufl. § 1
KSchG Rn. 300; Staudinger/Preis § 626
BGB Rn. 106). Die Abmahnung ist insoweit notwendiger Bestandteil bei der Anwendung des Prognoseprinzips.
Sie ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Staudinger/Preis § 626
BGB Rn. 105; Schlachter NZA 2005, 433, 435) . Nach § 1
Abs. 2
KSchG muss die Kündigung durch das Verhalten des Arbeitnehmers bedingt sein. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt, wenn es andere geeignete mildere Mittel gibt, um die Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Dieser Aspekt hat durch die Regelung des § 314
Abs. 2
BGB eine gesetzgeberische Bestätigung erfahren (Staudinger/Preis § 626
BGB Rn. 105; Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis 9. Aufl. Rn. 1172; Gotthardt Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform Rn. 304
ff.; Kleinebrink FA 2002, 226
ff.; Schlachter NZA 2005, 433, 437) . Nach dieser Norm ist eine Kündigung erst nach erfolglosem Ablauf einer zur Abhilfe bestimmten Frist oder nach einer erfolglosen Abmahnung zulässig. Eine vorherige Abmahnung ist unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes aber ausnahmsweise entbehrlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann (
BAG 18. Mai 1994 -
2 AZR 626/93 - EzA
BGB § 611 Abmahnung
Nr. 31) oder es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (
BAG 10. Februar 1999 - 2 ABR 31/98 - BAGE 91, 30; 21. Juli 1999 - 2 AZR 676/98 - AP
BBiG § 15
Nr. 11 = EzA
BBiG § 15
Nr. 13; siehe auch Gotthardt aaO Rn. 207; Staudinger/Preis § 626
BGB Rn. 118) . Ähnliches ergibt sich aus § 314
Abs. 2 Satz 2
BGB, nach dem § 323
Abs. 2
BGB entsprechende Anwendung findet. Nach § 323
Abs. 2
BGB ist eine Fristsetzung
bzw. damit auch eine Abmahnung entbehrlich, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt
bzw. eine Kündigung rechtfertigen.
bb) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Rahmens bedurfte es vorliegend keiner Abmahnung.
Durch die Installation der Anonymisierungssoftware auf dem betrieblichen Rechner des Beklagten hat der Kläger seine arbeitsvertraglichen Pflichten schwer verletzt. Die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens war dem Kläger ohne weiteres erkennbar. Auch konnte er mit einer Hinnahme seines Handelns durch den Beklagten offensichtlich nicht rechnen. Auf Grund der Dienstanweisung und der Dienstvereinbarung wusste er, dass auf dem Dienstrechner keine private
bzw. fremde Software geladen werden durfte. Ferner musste es sich ihm aufdrängen, dass insbesondere die Installation einer "Anonymisierungssoftware" dem Interesse des Beklagten eklatant zuwiderläuft. Aus den Hinweisen zum Programm JAP konnte der Kläger deutlich erkennen, dass niemand, also auch nicht der beklagte Arbeitgeber, herausbekommen kann, wann und welche Verbindungen zu einem bestimmten Rechner aufgebaut worden sind. Mit der Installation der Anonymisierungssoftware hat deshalb der Kläger nicht nur in das Betriebsmittel des Beklagten erheblich eingegriffen, sondern dem Arbeitgeber auch die Möglichkeit genommen, seine technisches Betriebsmittel
ggf. zu überwachen
bzw. zu kontrollieren. Dies gilt umso mehr, als die Installation durch den Kläger heimlich erfolgte und er den Beklagten auch nicht später von der Installation in Kenntnis gesetzt hat. Insoweit liegt der Einwand des Klägers neben der Sache, es sei durchaus im Interesse des Arbeitgebers, sich gegen ein Ausspähen von Außen, das mit der Anonymisierungssoftware verhindert werden könne, zu schützen. Nicht der Kläger hat darüber zu befinden, ob es für den Beklagten notwendig und sinnvoll ist, einen zusätzlichen Datenschutz zu erlangen. Dies mag der Beklagte selbst entscheiden. Nichts wäre einfacher gewesen, als den Leiter der Dienststelle über einen solchen "Verbesserungsvorschlag" zu informieren und die Einführung dieser Anonymisierungssoftware in der Dienststelle des Beklagten anzuregen.
Es lag somit eine erhebliche Pflichtverletzung vor, bei der der Kläger nicht damit rechnen konnte, der Beklagte werde sie hinnehmen und dulden. Deshalb bedurfte es keiner Abmahnung. Genauso wenig bedurfte es einer Abmahnung im Hinblick auf die notwendige negative Prognose. Auf Grund der Verhaltensweisen des Klägers und seiner erheblichen Pflichtverletzung war der Schluss gerechtfertigt, er werde auch zukünftig seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht einhalten. Dies gilt umso mehr, als er sofort nach Erhalt des reparierten Rechners erneut die Anonymisierungssoftware installiert hatte.
c) Ob dieser erhebliche Pflichtenverstoß ausreichend ist, das Arbeitsverhältnis unter Beachtung der notwendigen umfassenden Interessenabwägung zu beenden, wird das Landesarbeitsgericht erneut zu prüfen haben. Die bisherige Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts weist Abwägungsdefizite auf. Das Berufungsgericht hat insoweit lediglich zu Gunsten des Arbeitgebers eine "Gesamtschau der Vorwürfe" vorgenommen und diesen Aspekten die sozialen Belange des Klägers gegenübergestellt. Damit wird es den anderen vom Beklagten vorgetragenen Interessen nicht gerecht.
aa) Bei der Interessenabwägung hat das Berufungsgericht einen umfassenden Beurteilungsspielraum, in dem das Revisionsgericht grundsätzlich nicht eingreifen kann. Lediglich in Ausnahmefällen, wenn sämtliche Abwägungsaspekte feststehen, ist eine eigene Abwägung durch das Revisionsgericht möglich. Daran fehlt es jedoch vorliegend.
bb) Bei der Interessenabwägung sind zugunsten des Klägers insbesondere die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Lebensalter und vor allem seine Schwerbehinderteneigenschaft zu berücksichtigen.
Hinsichtlich des Beendigungsinteresses des Beklagten ist vor allem zu beachten, dass der Kläger seine arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht erheblich verletzt hat. Hinzu kommt der vom Landesarbeitsgericht bei der Interessenabwägung nicht hinreichend gewürdigte Umstand, dass der Kläger gerade eine Anonymisierungssoftware installiert hat, mit der dem Arbeitgeber jegliche Kontrollmöglichkeit seines technischen Betriebsmittels entzogen wird. Ist die Installation dieser Anonymisierungssoftware bewusst vom Kläger zur Umgehung einer möglichen Kontrolle durch den Arbeitgeber erfolgt, wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat, so wird sich dies bei einer Abwägung der widerstreitenden Interessen erheblich zu Lasten des Klägers auswirken. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste das Landesarbeitsgericht
ggf. berücksichtigen und weiter aufklären, ob und in welchem Umfang eine private Nutzung des Internets durch den Kläger erfolgte und ob
ggf. in der Dienststelle des Wasserwirtschaftsamtes W geringfügige private Nutzungen toleriert worden sind ( "grundsätzlich"). Schließlich wäre in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, ob durch die Installation des Programms JAP/JAVA die Gefahr eines Virenbefalls durch Umgehung des rechnereigenen Schutzsystems bestand. Sollte dies der Fall sein, wäre dies zu Lasten des Klägers bei der Interessenabwägung ohne weiteres zu berücksichtigen.
3. Ob sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts zur ordentlichen Kündigung vom 25. Oktober 2002 aus anderen Gründen ( wegen einer fehlerhaften Zustimmung des Integrationsamts, der fehlerhaften Anhörung des Personalrats oder einer wirksamen Zurückweisung der Kündigungserklärung nach § 174
BGB) als richtig darstellt (§ 561
ZPO), kann auf Grund der fehlenden tatsächlichen Feststellungen einerseits und der fehlenden Prüfung dieser Aspekte durch das Berufungsgericht andererseits noch nicht abschließend festgestellt werden. Das Landesarbeitsgericht wird dies
ggf. nachzuholen haben, wenn es unter Berücksichtigung der Interessenabwägung einen verhaltensbedingten Grund für gegeben ansieht. Dies gilt insbesondere für die Frage der wirksamen Zurückweisung der Kündigungserklärung nach § 174
BGB. Insoweit fehlt es an den notwendigen Feststellungen zur Vertretungsberechtigung des Baudirektors und Behördenleiters G.
Stellt das Landesarbeitsgericht wiederum die Sozialwidrigkeit der Kündigung fest, hat es erneut auch über den hilfsweise gestellten Auflösungsantrag des Beklagten zu entscheiden.
IV. Die Kostenentscheidung bleibt dem Berufungsurteil vorbehalten.