Die zulässige Klage ist unbegründet. Der vom Kläger nach § 79
Abs. 1
Nr. 2
VwGO angegriffene Widerspruchsbescheid vom 21. September 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO.
Der Kläger greift den Widerspruchsbescheid vom 21. September 2011 insoweit an, als nach seiner Auffassung der Antrag der Beigeladenen auf Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung verfristet war. Streitgegenstand ist damit nur, ob die Beigeladene den Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung fristgerecht
gem. § 91 Abs. 2 SGB IX beantragt hat. Die materiell-rechtliche Entscheidung des Widerspruchsausschusses, dass ein Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Behinderung des Klägers nicht besteht und damit nach § 91
Abs. 4
SGB IX die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung erteilt werden soll, ist vom Kläger nicht angegriffen worden und damit vorliegend nicht verfahrensgegenständlich. Sie ist zudem in der Sache nicht zu beanstanden. Hierzu wird auf die zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen (§ 117
Abs. 5
VwGO).
Die Beigeladene hat den Antrag auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers fristgerecht nach § 91
Abs. 2 Satz 1
SGB IX beim Integrationsamt beantragt.
Nach § 91
Abs. 2 Satz 1
SGB IX kann die Zustimmung nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrags beim Integrationsamt. Die Frist beginnt nach Satz 2 mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Zu den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen gehört auch die Kenntnis des Arbeitgebers über die Schwerbehinderteneigenschaft (
BAG v. 14.05.1982,
7 AZR 1221/79; VGH Baden-Württemberg v. 20.06.2006,
9 S 604/06;
vgl. Lachwitz/Schellhorn/Welti: HK-
SGB IX, § 91 Rz. 18). Dabei gelten die Sonderkündigungsschutzregelungen des
SGB IX erst dann, wenn ein Gleichstellungsbescheid vorliegt, der den Minderbehinderten durch Gleichstellungsbescheid (
vgl. § 68 Abs. 2 SGB IX) einem Schwerbehinderten gleichstellt. Dieser Gleichstellungsbescheid hat konstitutiven Charakter. Somit kann erst die Kenntnis vom Gleichstellungsbescheid die zweiwöchige Zustimmungsantragsfrist in Lauf setzen (
vgl. BVerwG v. 5.10.1995,
5 B 73.94). Der Arbeitgeber kann erst vom Ergehen und der Kenntnis des Gleichstellungsbescheides an wissen, dass der Arbeitnehmer die gleiche Rechtsstellung besitzt wie ein Schwerbehinderter.
Vorliegend ist das Gericht der Überzeugung, dass die Beigeladene erst durch das Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 11. März 2011, ihr zugestellt am 14. März 2011, Kenntnis vom Gleichstellungsbescheid erhalten hat.
Im Rahmen der Anhörung nach
§ 87 Abs. 2 SGB IX haben sowohl der Betriebsrat als auch die Schwerbehindertenvertretung der Beigeladenen erklärt, dass der Kläger seine Gleichstellung weder der Beigeladenen noch ihnen mitgeteilt habe.
Auch den Aussagen des Klägers im Rahmen der Anhörung nach § 87
Abs. 2
SGB IX lässt sich nach Ansicht des Gerichts entnehmen, dass die Beigeladene erst durch das Schreiben des Rechtsanwalt des Klägers vom 11. März 2011 darüber informiert worden ist, dass der Kläger durch den Gleichstellungsbescheid vom 24. Januar 2009 nach
§ 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist. Dies ergibt sich zum einen aus der Bezugnahme des Klägers auf die Ausführungen der Beigeladenen im Antrag auf Zustimmung
gem. §§ 85 ff. SGB IX ("Wie mein Arbeitgeber selbst ausführt, wurde dieser von meinen Anwalt informiert, dass ein Gleichstellungsbescheid vorliegt"). Zum anderen ist dies seiner Aussage zu entnehmen, dass diese Information auch fristgemäß erfolgt sei ("Die Information erfolgt auch fristgemäß ("Dreiwochenfrist nach Bundesarbeitsgericht,
z.B. Urteil 12. Januar 2006)"). Das Bundesarbeitsgericht hat in der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung ausgeführt, dass der Arbeitnehmer innerhalb einer Regelfrist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung dem Arbeitgeber seine Schwerbehinderung mitteilen muss (
BAG v. 12.02.2006,
2 AZR 539/05 - juris).
Zudem hat der Kläger im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen, der Beigeladenen den Gleichstellungsbescheid bereits vor dem 14. März 2011 vorgelegt zu haben, obwohl er hierzu zumindest im Rahmen der Anhörung zum Widerspruch der Beigeladenen gegen den Bescheid vom 14. April 2011 ausreichend Gelegenheit gehabt hätte (zweifache Aufforderung zur Stellungnahme) und hierzu auch verpflichtet gewesen wäre. Denn auf dem Gebiet des schwerbehindertenrechtlichen Kündigungsschutzes unterliegt es in erster Linie der sozialrechtlichen Mitwirkungspflicht des schwerbehinderten Arbeitnehmers, der Zustimmungsbehörde rechtzeitig die in seiner Sphäre liegenden, aus seiner Sicht relevanten Umstände, wenn sie nicht offen zu Tage liegen, anzuzeigen. Nur dann kann die Zustimmungsbehörde auch alle diejenigen Umstände bei ihrer Entscheidungsfindung einbeziehen, soweit sich ihr diese nicht aufdrängen (
OVG NRW v. 23.01.1992,
13 A 297/91, NZA 1992, 844). Vorliegend hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten im Schreiben vom 11. März 2011 zwar darauf hingewiesen, dass der Beigeladenen die Tatsache, dass der Kläger einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, bekannt sein müsste, ohne diese Aussage in seiner Anhörung vor dem Integrationsamt oder im Widerspruchsverfahren aber auch nur annähernd zu präzisieren. Dies geht zu seinen Lasten.
Der Zeuge erklärte in der mündlichen Verhandlung, der Kläger habe die Beigeladene von seiner Gleichstellung vor der Kündigung nicht schriftlich informiert und habe weder der Beigeladenen noch dem Betriebsrat seine Gleichstellung mit einem Schwerbehinderten angezeigt. Zwar sei er selbst vom Kläger mündlich über dessen Gleichstellung "privat" in Kenntnis gesetzt worden. Ein Gleichstellungsbescheid sei ihm jedoch nicht vorgelegt worden. Das Gericht sieht diesen Vortrag als glaubwürdig an, zumal er mit der Aussage des Klägers vom 4. April 2011 übereinstimmt. Die unbestrittene Tatsache, dass der Kläger bis zu seiner Kündigung weder Sonderurlaub noch sonstige Vergünstigungen in Anspruch genommen hat, die ihm als einem Schwerbehinderten Gleichgestellten zugestanden hätten, spricht im Übrigen auch dafür, dass der Kläger die Beigeladene nicht über seine Gleichstellung informiert hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Umstände der Gewährung des Arbeitgeberdarlehens, die der Kläger erst in seiner Klagebegründung vom 20. Oktober 2011 vorgetragen hat, überhaupt zu berücksichtigen sind oder ob dieser Vortrag bereits deswegen präkludiert ist, da der Kläger seinen Mitwirkungspflichten nicht (vollumfänglich) nachgekommen ist und sich erst im gerichtlichen Verfahren auf diese Tatsachen berufen hat (so
OVG NRW v. 23.01.1992, a.a.O). Denn nach Auffassung des Gerichts ist dem Schreiben des Betriebsratvorsitzenden vom 21. Januar 2010 jedenfalls nicht zu entnehmen, dass der Geschäftsführer der Beigeladenen vor dem 14. März 2011 positiv vom Vorliegen des Gleichstellungsbescheides Kenntnis hatte. Weder ist dem Schreiben der Gleichstellungsbescheid beigefügt worden, noch ist in diesem an irgendeiner Stelle konkret auf die Gleichstellung des Klägers mit einem behinderten Menschen hingewiesen worden.
Der Anregung des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, den Personalleiter der Beigeladenen dazu zu vernehmen, ob dieser schon zum Zeitpunkt der Darlehensbeantragung und damit auch im Zeitpunkt der Kündigung zumindest "privat" Kenntnis von der Gleichstellung des Klägers hatte, brauchte das Gericht nicht nachgehen. Dies ist nämlich nicht entscheidungserheblich, da es nicht auf die "private" Kenntnis von der Gleichstellung des Klägers ankommt. Vielmehr muss der Kläger den Arbeitgeber schriftlich von seiner Gleichstellung informieren und den Gleichstellungsbescheid vorlegen, um den Sonderkündigungsschutz im Sinne der §§ 85
ff. SGB IX in Anspruch nehmen zu können (
BVerwG v. 5.10.1995,
5 B 73.94). Darüber hinaus war dieses Vorbringen auch verspätet (§ 87 b
VwGO).
Damit begann die Frist des § 91
Abs. 2 Satz 1
SGB IX hier am 14. März 2011, also zu dem Zeitpunkt, in dem die Beigeladene von der Gleichstellung des Klägers Kenntnis erlangt hat, und endete nach § 26
Abs. 1
SGB X i.V.m. § 188
Abs. 2 Alt. 1
BGB am 28. März 2011. Die Beigeladene hat glaubhaft machen können, dass der Antrag auf Zustimmung nach §§ 85
ff. SGB IX per Einschreiben/Rückschein bereits am 28. März 2011 beim Integrationsamt eingegangen ist. Damit hat die Beigeladene die Zweiwochenfrist des § 91
Abs. 2 Satz 1
SGB IX eingehalten. Der Bescheid vom 14. April 2011, mit dem das Integrationsamt den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung wegen Verfristung abgelehnt hat, ist somit rechtswidrig und verletzt die Beigeladene in ihren Rechten. Der Widerspruchsbescheid vom 21. September 2011 hat daher zu Recht dem Widerspruch stattgegeben, den Bescheid vom 14. April 2011 aufgehoben und die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses erteilt.
Nach alledem ist der Widerspruchsbescheid vom 21. September 2011 rechtmäßig ergangen und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Klage ist damit mit der Kostenfolge des § 154
Abs. 1
VwGO abzuweisen. Es entspricht vorliegend der Billigkeit, dass der Kläger auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, da diese zum einen einen Sachantrag gestellt hat und damit wegen § 154
Abs. 3
VwGO ein Kostenrisiko eingegangen ist und zum anderen durch die Vorlage mehrerer Schriftsätze das Verfahren wesentlich gefördert hat, § 162
Abs. 3
VwGO.
Die Gerichtskostenfreiheit beruht auf § 188 Satz 2
VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167
Abs. 1 und 2
VwGO, §§ 708
Nr. 11, 711, 709 Satz 2
ZPO.