I. Die Berufung der Beklagten gegen das dem Feststellungsbegehren des Klägers stattgebende Urteil ist statthaft (§§ 8
Abs. 2, 64
Abs. 2 lit. c
ArbGG). Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der beiden von der Beklagten erklärten Kündigungen. Das Rechtsmittel ist form- und fristgerecht eingelegt und rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden, so dass es gemäß §§ 64
Abs. 6, 66
Abs. 1
ArbGG, §§ 519, 520
ZPO zulässig ist. Die Beklagte kann jedoch mit ihrer Berufung keinen Erfolg haben. Die mit dem Schreiben vom 12. Juli 2003 erklärte Kündigung ist schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte unzutreffend von der Zustimmungsfiktion ausgegangen ist. Die Wirksamkeit der weiteren schriftlichen Kündigung vom 14. August 2003 scheitert daran, dass durch die vorangegangene Kündigung die Anhörung des Betriebsrats verbraucht war und der Betriebsrat nicht erneut angehört worden ist.
II. Die beiden vom Kläger rechtzeitig angegriffenen aus wichtigem Grunde fristlos, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres ausgesprochenen Kündigungen vom 12. und 14. Juli 2003 sind unwirksam. Die Unwirksamkeit der Kündigung vom 12. Juli 2003 folgt daraus, dass das Integrationsamt zwar die Zustimmung erteilt hat, die Beklagte jedoch vorzeitig unter der Annahme, die Zustimmung gelte mangels einer Äußerung des Integrationsamtes innerhalb der Entscheidungsfrist als erteilt, gekündigt hat. Die weitere Kündigung vom 14. Juli 2003, die wie die Kündigung vom 12. Juli 2003 wegen Diebstahls von Firmeneigentum sowie hilfsweise wegen des Verdachts des Diebstahls erfolgt ist, ist unwirksam, weil der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat zu dieser Wiederholungskündigung nicht angehört worden ist. Weder die erste noch die zweite Kündigung sind auf den Vorwurf des Arbeitszeitbetruges
bzw. auf den Verdacht desselben gestützt worden, denn insoweit hat das Integrationsamt die beantragte Zustimmung nicht erteilt.
1. Da der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht auf einen
GdB 50 verweisen konnte, denn diese Feststellung ist erst gemäß Bescheid des Versorgungsamtes vom 15. Januar 2004 mit Wirkung vom 14. November 2003 getroffen worden, er jedoch seit dem 16. Januar 2001 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt war,finden die besonderen Regelungen für schwerbehinderte Menschen im Hinblick auf den Kündigungsschutz gemäß § 68
Abs. 1
SGB IX Anwendung.
Somit bedurfte die beabsichtigte außerordentliche fristlose
bzw. die hilfsweise außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes (§§ 85, 91
SGB IX). Auch für die außerordentliche, mit einer sozialen Auslauffrist ausgesprochene Kündigung eines Schwerbehinderten wie eines gleichgestellten behinderten Arbeitnehmers ist die Zustimmung nach § 91
SGB IX erforderlich (
vgl. BAG, Urteil vom 12. August 1999 -
2 AZR 748/98, AP
Nr. 7 zu § 21
SchwbG 1986; Neumann in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen,
SGB IX, 10. Auflage, § 91 Rn. 4 und 6; Gröninger/Thomas, Schwerbehindertengesetz, § 21 Rn. 3; KR-Etzel, 7. Auflage, § 91
SGB IX Rn. 2; Neumann, AR-Blattei SD 1440.2 Rn. 127; Braasch in: Neumann, Handbuch
SGB IX, § 19 Rn. 99).
Ob sich nicht im Falle einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist, welche die tariflich ausgeschlossene ordentliche Kündigung ersetzt, wie bei der Beteiligung des Betriebsrats bei einer außerordentlichen befristeten Kündigung gegenüber tariflich unkündbaren Arbeitnehmern das Zustimmungsverfahren nach den Regeln bei einer ordentlichen Kündigung richtet, ist bislang noch nicht entschieden worden und kann vorliegend dahingestellt bleiben (
vgl. dazu: Düwell in: LPK-
SGB IX, § 91 Rn. 8; Zwanziger in: Kittner/Däubler/Zwanziger, Kündigungsschutzrecht, 5. Auflage, § 21
SchwbG Rn. 2; Griebeling in: Hauck,
SGB IX, § 88 Rn. 5 und § 91 Rn. 4; Müller-Werner in: Müller-Werner/Schorn,
SGB IX Teil 2, § 91 Rn. 45
ff.).
Das Zustimmungsverfahren würde sich bei der Anwendung der Regeln bezüglich einer ordentlichen Kündigung und somit nach den §§ 85 - 88
SGB IX richten. Das Integrationsamt hat nur die Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung wegen Diebstahls erteilt. Die hilfsweise gestellten Anträge - Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres wegen Diebsstahls und Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung hilfsweise mit sozialer Auslauffrist wegen des Verdachts des Diebstahls - hat das Integrationsamt nicht entschieden. Selbst wenn im Hinblick auf den am 14. Juli 2003 zugegangenen Bescheid vom 08. Juli 2003 die dadurch erteilte Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung wegen Diebstahls in eine Zustimmung zu den Hilfsanträgen umgedeutet werden könnte, würde die nach der Zustellung erklärte Kündigung vom 14. Juli 2003 gemäß § 102
Abs. 1 Satz 3
BetrVG unwirksam sein.
2. Die mit dem Schreiben vom 12. Juli 2003 aus wichtigem Grund (Diebstahl von Firmeneigentum sowie hilfsweise wegen des Verdachts auf Diebstahl) erklärte fristlose, hilfsweise mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres erklärte Kündigung ist unwirksam, weil die Beklagte unzutreffend davon ausgegangen ist, die beantragte Zustimmung gelte gemäß § 91
Abs. 3 Satz 2
SGB IX als erteilt, weil sich das Integrationsamt nicht innerhalb der Entscheidungsfrist geäußert habe.
a) Nach § 91
Abs. 1
SGB IX gelten die Vorschriften des 4. Kapitels des Teil 2 des
SGB IX mit Ausnahme von § 86
SGB IX auch bei einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung, soweit sich aus dem Gesetz nichts Abweichendes ergibt. Für die Zustimmung gilt eine Antragsfrist von zwei Wochen, für deren Einhaltung der Eingang des Antrags bei dem Integrationsamt maßgebend ist (§ 91
Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz
SGB IX). Das Integrationsamt trifft seine Entscheidung innerhalb von zwei Wochen vom Tag des Eingangs des Antrags an (§ 91
Abs. 3 Satz 1
SGB IX). Die Zustimmung gilt nach § 91
Abs. 3 Satz 2
SGB IX als erteilt, wenn innerhalb der Frist von zwei Wochen vom Tage des Eingangs des Antrags an eine Entscheidung nicht getroffen worden ist. Anders als im Falle einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, für welche eine Entscheidungsfrist nicht, jedoch die Zustellung der Entscheidung gesetzlich nach § 88
Abs. 2 Satz 1
SGB IX vorgeschrieben ist, bedarf es einer vorherigen Zustellung des Bescheids des Integrationsamtes nicht, wenn dem Arbeitgeber gegenüber die erteilte Zustimmung verlautbart worden ist.
Der Arbeitgeber kann die außerordentliche Kündigung gegenüber einem schwerbehinderten Menschen
bzw. gleichgestellten behinderten Arbeitnehmer schon dann erklären, wenn ihm das Integrationsamt seine Zustimmung innerhalb der zweiwöchigen Entscheidungsfrist mündlich oder fernmündlich bekannt gegeben hat (
vgl. BAG, Urteil vom 09. Februar 1994 -
2 AZR 720/93, BAGE 75, 355 = AP
Nr. 3 zu § 21
SchwbG 1986; Urteil vom 12. August 1999, a.a.O.; ablehnend: Großmann
GK SchwbG, 2. Auflage, § 21 Rn. 70 und 109
ff.). Fehlt es an einer solchen Bekanntgabe, hat das Integrationsamt jedoch die beantragte Zustimmung innerhalb der Entscheidungsfrist erteilt und den Bescheid zur Post gegeben, kann der Arbeitgeber erst dann wirksam kündigen, wenn ihm der Bescheid auf andere Weise - hier durch postalische Übersendung - zugegangen ist (§ 39
Abs. 1
SGB X).
b) Der Kündigungsabsicht der Beklagten zugrunde lag der Vorfall vom 20. Juni 2003. Gleichviel ob der Lauf der Antragsfrist bereits an diesem Tag oder erst mit dem 24. Juni 2003 begann, hat die Beklagte die Antragsfrist des § 91
Abs. 2 Satz 1
SGB IX unzweifelhaft gewahrt. Ihre beiden Anträge sind unstreitig am 26. Juni 2003 beim Integrationsamt eingegangen. Soweit der Kläger meint, die Frist des § 626
Abs. 2
BGB sei nicht gewahrt, bestehen dafür keine Anhaltspunkte. Das Integrationsamt hat entsprechend § 91
Abs. 3 Satz 1 innerhalb der zweiwöchigen Frist eine Entscheidung getroffen. Da der Antrag am 26. Juni 2003 beim Integrationsamt eingegangen war, endete die Entscheidungsfrist mit Ablauf des 10. Juli 2003. Der zustimmende Bescheid datiert vom 08. Juli 2003. Er ist am 10. Juli 2003 postalisch aufgegeben und der Beklagten am 14. Juli 2003 zugestellt worden. Mit Schreiben von diesem Tag ist die zweite Kündigung erklärt worden, welche am 15. Juli 2003 zugegangen ist. Somit bestehen keine Anhaltspunkte, die Frist des § 626
Abs. 2
BGB sei nicht gewahrt worden.
c) Nur dann, wenn innerhalb der zweiwöchigen Frist keine Entscheidung getroffen worden ist, gilt die Zustimmung nach § 91
Abs. 3 Satz 2
SGB IX als erteilt. Einer Zustellung der Entscheidung vor Ausspruch der Kündigung bedarf es nicht. Der Beklagten ist nach ihrem Vorbringen innerhalb der gesetzlichen Frist weder mündlich noch fernmündlich die erteilte Zustimmung mitgeteilt worden. Nach ihrem Vorbringen ist ihr auf ihre telefonische Erkundigung am 09. Juli 2003 - also vor Ablauf der Entscheidungsfrist nach § 91
Abs. 3 Satz 1
SGB IX - nur mitgeteilt worden, die Zustimmung werde voraussichtlich erteilt. Der Bescheid sei noch nicht unterschrieben. Damit war für die Beklagte erkennbar noch nicht eine bereits erteilte Zustimmung fernmündlich mitgeteilt worden. Sie konnte nur davon ausgehen, die Zustimmung werde erteilt werden. Wenn die Beklagte am zweiten Tag nach Ablauf der Entscheidungsfrist mit der Begründung kündigte, das Integrationsamt habe sich innerhalb der Entscheidungsfrist nicht geäußert, deshalb gelte die beantragte Zustimmung als erteilt, hat sie verkannt, dass nach dem Wortlaut des Gesetzgebers nur dann die Zustimmung fingiert wird, wenn innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Entscheidung getroffen worden ist. Das Integrationsamt ist nicht verpflichtet, sich innerhalb der gesetzlichen Frist zu äußern. Die Beklagte handelte auf eigenes Risiko, wenn sie sich nicht vor Abgabe ihrer Kündigungserklärung bei dem Integrationsamt erkundigte, ob und
ggf. mit welchem Inhalt eine Entscheidung durch das Integrationsamt getroffen worden ist.
Dies gilt umso mehr, als die Beklagte zwei Anträge an das Integrationsamt gerichtet hat und ihr bei einem erneuten Anruf am 10. Juli 2003 - am letzten Tag der Entscheidungsfrist - mitgeteilt worden war, der Bescheid sei am 09. Juli 2003 zur Post gegeben worden, welche jedoch gerade keine Zustimmung enthielt. Der Bescheid vom 09. Juli 2003, welcher den Antrag auf Zustimmung bezüglich einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen
bzw. hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist wegen Arbeitszeitbetrugs sowie hilfsweise wegen des Verdachts des Arbeitszeitbetrugs betraf und die Verweigerung der Zustimmung beinhaltete, ist bei der Beklagten am 11. Juli 2003 eingegangen. Da der Beklagten, die zwei Anträge auf Zustimmung gestellt hatte, einerseits ein ablehnender Bescheid am 12. Juli 2003 vorlag und der andererseits am 09. Juli 2003 fernmündlich mitgeteilt worden war, die Zustimmung werde voraussichtlich erteilt, der Bescheid sei noch nicht unterschrieben, war sie aus eigener Fürsorge gehalten, bevor sie die Kündigung erklärte, sich zu vergewissern, ob und wie das Integrationsamt über den zweiten Antrag entschieden hatte. Nicht das Integrationsamt hatte sich vor Ablauf der Entscheidungsfrist zu äußern, es hatte nur eine Entscheidung zu treffen, um den Eintritt der Zustimmungsfiktion auszuschließen.
Da zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung zwar objektiv eine Entscheidung getroffen war, so dass die Zustimmungsfiktion nicht mehr eintreten konnte, die Beklagte jedoch unter der Annahme, die beantragte Zustimmung gelte mangels Äußerung des Integrationsamtes als erteilt, gekündigt hat, ist die Kündigung vom 12. Juli 2002 unwirksam. Wird dem die Zustimmung begehrenden Arbeitnehmer innerhalb der gesetzlichen Frist weder mündlich noch fernmündlich die Zustimmung durch das Integrationsamt mitgeteilt, ist jedoch eine für ihn positive Entscheidung getroffen und die Entscheidung zur Post gegeben worden, greift die Zustimmungsfiktion des § 91
Abs. 3 Satz 2
SGB IX nicht ein. Dies ist für den Fall der ablehnenden Entscheidung bereits höchstrichterlich entschieden (
vgl. BAG, Urteil vom 16. März 1983 -
7 AZR 96/81, BAGE 44, 22 = AP
Nr. 6 zu § 18
SchwbG; Urteil vom 27. Februar 1987 -
7 AZR 632/85, AP
Nr. 26 zu § 626
BGB Ausschlussfrist; Urteil vom 09. Februar 1994 -
2 AZR 720/93,
a. a. O. ).
Danach greift die Zustimmungsfiktion nicht ein, wenn die ablehnende Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Frist den Machtbereich der Behörde verlassen hat. Es reicht vielmehr aus, wenn der ablehnende Bescheid am letzten Tag der gesetzlichen Frist zur Post gegeben worden ist, jedoch erst danach zugeht. Für den zustimmenden Bescheid gilt dieser Grundsatz entsprechend. Zwar kann der Arbeitgeber sowohl im Falle einer für ihn positiven Entscheidung als auch dann, wenn objektiv die Zustimmung als erteilt gilt, die beabsichtigte Kündigung erklären. Kann jedoch die Zustimmungsfiktion nicht eingreifen, weil das Integrationsamt fristgerecht eine Entscheidung getroffen hat, so kann nur die bekanntgegebene Entscheidung Grundlage für eine Kündigung sein.
3. Die weitere nach Erteilung der beantragten Zustimmung mit dem Schreiben vom 14. Juli 2003 erklärte Kündigung ist gemäß § 102
Abs. 1 Satz 3
BetrVG unwirksam, weil der bei der Beklagten gebildete Betriebsrat vor dieser Kündigung nicht angehört worden ist.
a) Ist der Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung angehört und ist die Kündigung erklärt worden, so ist der Betriebsrat vor einer erneuten Kündigung, selbst wenn sie auf den gleichen Sachverhalt wie die erste Kündigung gestützt werden soll, grundsätzlich erneut anzuhören. Von dieser Verpflichtung ist der Arbeitgeber dann befreit, wenn eine Kündigung, zu welcher der Betriebsrat ordnungsgemäß angehört worden ist, und der er ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt hat, am fehlenden Zugang gescheitert ist (
vgl. BAG, Urteil vom 11. Oktober 1989 - 2 AZR 88/89, AP
Nr. 55 zu § 102
BetrVG 1972). In einem solchen Falle ist vor einer erneuten Kündigung eine nochmalige Anhörung des Betriebsrats entbehrlich, weil sie in engem zeitlichen Zusammenhang ausgesprochen und auf denselben Sachverhalt gestützt wird. Eine weitere Kündigung im eigentlichen Sinne liegt nicht vor, weil eine Kündigung empfangsbedürftig ist (
vgl. BAG, Urteil vom 06. Februar 1997 - 2 AZR 192/96, EzA § 102
BetrVG 1972
Nr. 95; Richardi/Thüsing,
BetrVG, 9. Auflage, § 102 Rn. 118).
Einer erneuten Kündigung bedarf es auch dann nicht, wenn eine objektiv zugegangene Kündigung durch ein weiteres Schreiben bestätigt wird, weil der Arbeitgeber irrtümlich davon ausgegangen ist, die Kündigung sei nicht zugegangen (
vgl. LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28. April 1997 - 15 Sa 149/96, LAGE § 102
BetrVG 1972 Rn. 57; Koch in Ascheid/ Preis/Schmidt, Großkommentar zum Kündigungsrecht, 2. Auflage, § 102
BetrVG Rn. 26; HaKo-
BetrVG/Braasch, § 102 Rn. 31). Ist eine erste Kündigung ordnungsgemäß zugegangen, will der Arbeitgeber jedoch wegen Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Kündigung vorsorglich erneut kündigen ( sog. Wiederholungskündigung), ist der Betriebsrat vor Ausspruch der vorsorglichen Kündigung erneut anzuhören (
vgl. BAG, Urteil vom 31. Januar 1996 - 2 AZR 273/95, AP
Nr. 80 zu § 102
BetrVG 1972; Urteil vom 24. Oktober 1996 - 2 AZR 3/96, AP
Nr. 32 zu § 103
BetrVG 1972; ErfK/Kania, 4. Auflage, § 102
BetrVG 1972 Rn. 2; HaKo-
BetrVG/Braasch, § 102 Rn. 31; HaKo Kündigungsschutzgesetz/Griebeling, 2. Auflage, § 102
BetrVG Rn. 38; a.A. Kiel/Koch, Die betriebsbedingte Kündigung, Rn. 653).
b) Vorliegend hat die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit dem wortgleichen Schreiben wie ihr auf Zustimmung an das Integrationsamt gerichteter Antrag zu einer beabsichtigten außerordentlichen fristlosen Kündigung wegen Diebstahls sowie hilfsweise wegen des Verdachts des Diebstahls hilfsweise jeweils mit sozialer Auslauffrist von sechs Monaten zum Schluss eines Kalendervierteljahres angehört. Das Anhörungsschreiben ist am 26. Juni 2003 beim Betriebsrat eingegangen, der noch am selben Tag Bedenken angemeldet hat. Soweit der Kläger vorsorglich eine ordnungsgemäße Anhörung bestritten hat, geht dieses pauschale Bestreiten ins Leere.
Die Beklagte hat sowohl das Anhörungsschreiben als auch die Stellungnahme des Betriebsrats zur Gerichtsakte gereicht. Der Kläger hat nicht andeutungsweise dargetan, aus welchen Gründen die Anhörung nicht ordnungsgemäß sein soll. Die Beklagte hat ausgehend von der Annahme, die Zustimmung des Integrationsamtes gelte als erteilt, mit Schreiben vom 12. Juli 2003 die Kündigung aus dem Grund erklärt, welchen sie dem Betriebsrat mitgeteilt hatte. Die Beklagte hat, nachdem ihr der zustimmende Bescheid des Integrationsamtes vom 08. Juli 2003 am 14. Juli 2003 zugegangen war, das Arbeitsverhältnis mit im Wesentlichen gleichen Wortlaut gekündigt. Das Kündigungsschreiben vom 14. Juli 2003 unterscheidet sich von dem vom 12. Juli 2003 nur dadurch, dass nunmehr auf die erteilte Zustimmung hingewiesen worden ist. Zu dieser erneuten Kündigung, welche die Beklagte als vorsorglich und klarstellende Kündigung bezeichnet hat (
vgl. Schriftsatz vom 05. Januar 2004), obwohl sich dies aus dem Wortlaut des Kündigungsschreibens nicht ergibt, ist der Betriebsrat nicht angehört worden.
Nach den dargestellten Grundsätzen ist diese sogenannte Wiederholungskündigung nach § 102
Abs. 1 Satz 3
BetrVG unwirksam. Die Kündigung vom 12. Juli 2003 ist dem Kläger am 14. Juli 2003 zugegangen. Die Beklagte hat nicht nur vorsorglich erneut gekündigt sondern deshalb, weil ihr am 14. Juli 2003 die erteilte Zustimmung des Integrationsamtes zu der beabsichtigten Kündigung vorlag. Vor Ausspruch der erneuten Kündigung vom 14. Juli 2003 hätte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat erneut beteiligen müssen. Da eine solche Beteiligung unterblieben ist, ist die Kündigung vom 14. Juli 2003 wegen Nichtanhörung des Betriebsrats unwirksam.
4. Die Verurteilung der Beklagten, den Kläger bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzverfahren als Fluggerätemechaniker weiter zu beschäftigen, hat das Arbeitsgericht auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung (
vgl. BAG, Beschluss vom 27. Februar 1985 - GS 1/84, BAGE 48, 122 = AP
Nr. 14 zu § 611
BGB Beschäftigungspflicht) entsprochen. Zwar ist die Beklagte dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, sie hat jedoch seit dem 01. April 2004 - also ab dem Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Urteils - die Verdienstansprüche abgerechnet und an den Kläger ausbezahlt. Der Kläger hat nicht auf den erhobenen Anspruch auf Weiterbeschäftigung verzichtet, sondern, wie er geltend macht, nur nicht auf eine tatsächliche Weiterbeschäftigung entgegenkommenderweise insistiert, um einvernehmlich nach Abschluss des Rechtsstreits möglichst im Rahmen eines beantragten Altersteilzeitarbeitsverhältnisses weiterbeschäftigt zu werden.
III. 1. Die Kosten ihrer somit erfolglosen Berufung hat die Beklagte gemäß § 64
Abs. 6
ArbGG i.V.m. § 97
Abs. 1
ZPO zu tragen.
2. Ein Rechtsmittel ist gegen dieses Berufungsurteil nicht gegeben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72
Abs. 2
ArbGG) liegen nicht vor. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht selbstständig durch den Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde anzufechten (§ 72 a
ArbGG), wird hingewiesen.