1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 11. Oktober 2011 (Az.: 5 Ca 143/11) abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Bewilligung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung des Klägers geendet hat.
Der am 00.00.1961 geborene Kläger arbeitet aufgrund eines schriftlichen Vertrages vom 09.11.1999 (
vgl. Akten 1. Instanz Bl. 5 bis 7; I/5-7) seit dem 01.02.2000 bei der Beklagten, einem großen Anbieter von
IT-Dienstleistungen mit mehreren hundert Beschäftigten, als "Berater und Betreuer für Database-Marketing-Services" zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt
EUR 6.146,91 brutto. In
Nr. III.1. des Arbeitsvertrages haben die Parteien die Anwendbarkeit der jeweiligen Tarifverträge "F." der TGF vereinbart.
Die Beklagte hat mit der Gewerkschaft ver.di mit Datum 15.05.2006 einen ab 01.08.2010 geltenden Manteltarifvertrag (künftig: MTV) vereinbart (
vgl. I/52-70), der unter anderem folgende Regelung beinhaltet:
"§ 5 Kündigung
...
2. Auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Arbeitsverhältnisse enden ohne Kündigung
a. bei Erwerbsunfähigkeit oder vollständiger Erwerbsminderung mit Ende des Monates in dem der Rentenbescheid zugestellt wird
...
3. Bei befristeter Rentengewährung wegen Erwerbsunfähigkeit oder vollständiger Erwerbsminderung hat die / der Beschäftigte, längstens für die Dauer von 5 Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses
gem. vorstehender Ziffer 2 a), einen Wiedereinstellungsanspruch auf einen dem bisherigen Arbeitsplatz gleichwertigen Arbeitsplatz soweit die Rente wegfällt und gleichzeitig die Erwerbsfähigkeit festgestellt ist.
..."
Der Kläger ist als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad der Behinderung von 60 anerkannt. Er ist seit November 2009 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Auf seinen Antrag vom 21.07.2010 bewilligte ihm die Deutsche Rentenversicherung mit Bescheid vom 16.03.2011 (
vgl. I/8) rückwirkend ab 01.07.2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, welche bis 28.02.2013 befristet ist. Dieser Bescheid wurde dem Kläger im März 2011 zugestellt. Darüber setzte der Kläger die Beklagte mit E-Mail vom 05.04.2011 (I/9) in Kenntnis, worauf die Beklagte dem Kläger mit E-Mail vom 07.04.2011 mitteilte, dass sein Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats März 2011 aufgrund der tarifvertraglichen Regelung beendet sei und ihm gegebenenfalls ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen könne. Eine Beteiligung des Integrationsamtes erfolgte in diesem Zusammenhang nicht.
Mit seiner am 21.04.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 29.04.2011 zugestellten Klage macht der Kläger geltend, dass sein Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 31.03.2011 geendet habe und wendet sich "hilfsweise" gegen eine Kündigung der Beklagten vom 07.04.2011.
Nachdem im arbeitsgerichtlichen Gütetermin die Regelung des
§ 92 SGB IX problematisiert worden war, beantragte die Beklagte beim Integrationsamt mit Schreiben vom 30.05.2011 (
vgl. I/71 f.) die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers, die ihr vom Integrationsamt mit Bescheid vom 13.07.2011 (
vgl. I/76
ff.) erteilt wurde. Darauf teilte die Beklagte dem Kläger mit am selben Tag zugegangenen Schreiben vom 14.07.2011 mit, dass sein Arbeitsverhältnis - unbeschadet der streitigen Beendigung zum 31.03.2011 - nunmehr spätestens mit Zugang dieses Schreibens
bzw. zwei Wochen nach Zugang dieses Schreibens ende. Dies hat den Kläger zu weiteren Hilfsanträgen mit am 20.07.2011 und 29.07.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsätzen veranlasst.
Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, bei der befristeten Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung stehe nicht fest, dass der Arbeitnehmer auf Dauer seine Tätigkeit nicht mehr ausüben könne. Die gleichwohl im MTV vorgesehene Beendigung des Arbeitsverhältnisses umgehe zwingende gesetzliche Vorschriften des Kündigungsschutzrechts sowie des
TzBfG und stelle den Kläger schutzlos. Dies werde auch nicht durch den Wiedereinstellungsanspruch kompensiert, da der Kläger nicht denselben Status erhalte, wie bei einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, zumal der Tarifvertrag keine Regelung über die Anerkennung der bisherigen Betriebszugehörigkeit enthalte und der Wiedereinstellungsanspruch befristet sei. Ferner fehle die nach § 92
SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes. Der Hilfsantrag betreffend die Kündigung werde nur für den Fall erhoben, dass die Beklagte ihre E-Mail vom 07.04.2011 als Kündigung verstanden wissen wolle. Auch soweit die Beklagte später die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt habe, liege keine wirksame Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf des 31.03.2011 geendet hat, sondern darüber hinaus unverändert fortbesteht.
Hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch eine am 07.04.2011 erklärte Kündigung der Beklagten geendet hat, sondern unverändert fortbesteht.
Weiter hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Zustellung des Bescheids des
KVJS, Dezernat Integration - Integrationsamt vom 13.07.2011 am 14.07.2011 geendet hat, sondern darüber hinaus unverändert fortbesteht.
Höchst hilfsweise:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht mit Ablauf von zwei Wochen nach Zugang des Schreibens der Beklagten an den Kläger vom 14.07.2011, zugegangen am selben Tage, geendet hat, sondern darüber hinaus unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe aufgrund der Regelung im MTV wegen der dem Kläger bewilligten vollen Erwerbsminderungsrente mit Ablauf des Monats März 2011 geendet. Die tarifvertragliche Regelung sei auch wirksam, soweit sie eine nur befristete Erwerbsminderungsrente umfasse, da sie einen Wiedereinstellungsanspruch für die Dauer von 5 Jahren vorsehe. Der Kläger werde dadurch nicht schutzlos gestellt und seinen Interessen ausreichend genügt. Die Höchstzusagedauer der Wiedereinstellung von 5 Jahren stehe dem nicht entgegen. Eine längere Frist sei der Beklagten nicht zumutbar, zumal der Wiedereinstellungsanspruch nicht davon abhänge, ob tatsächlich ein vergleichbarer Arbeitsplatz frei sei.
Das Arbeitsgericht hat mit einem am 11.10.2011 verkündeten Urteil nach dem Hauptantrag des Klägers erkannt. Durch die Zustellung des Rentenbescheides im März 2011 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht geendet, da es an der nach § 92
SGB IX erforderlichen Zustimmung des Integrationsamtes fehle. Mangels Zustimmung des Integrationsamtes habe das Arbeitsverhältnis auch nicht durch eine am 07.04.2011 erklärte Kündigung der Beklagten geendet. Das Arbeitsverhältnis habe auch nicht durch Zustellung des Zustimmungsbescheides des Integrationsamtes am 14.07.20111 geendet, da § 5
Nr. 2 a), 3 MTV keine wirksame auflösende Bedingung für das Arbeitsverhältnis enthalte. Die Tarifnorm sei unwirksam, da sie eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch bei Bezug einer nur befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung vorsehe, was den Wertungen aus
Art. 12
GG widerspreche. Die Wiedereinstellungsverpflichtung sei kein ausreichender Ausgleich, da sie dem Arbeitnehmer nicht zu einer dauerhaften wirtschaftlichen Absicherung verhelfe.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Beklagten am 19.10.2011 zugestellt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, die am 27.10.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist und innerhalb verlängerter Frist mit einem am 19.01.2012 eingegangenen Schriftsatz begründet wurde.
Die Beklagte trägt vor, § 5
Abs. 2 a MTV regele wirksam eine auflösende Bedingung für das Arbeitsverhältnis der Parteien. Es könne der Beklagten nicht zugemutet werden, den Arbeitsplatz des Klägers für unbestimmte Zeit oder einen übermäßig langen Zeitraum freizuhalten, zumal dieser mit hochqualifizierten und hochvergüteten Tätigkeiten betraut worden sei. Der Wiedereinstellungsanspruch bestehe unabhängig vom Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes und vom Willen der Beklagten und sichere dem Arbeitnehmer eine Beschäftigung zu gleichwertigen Bedingungen zu, wodurch die Interessen des Klägers ausreichend gewahrt seien. Dies gelte auch mit Blick auf die Dauer von 5 Jahren, wodurch der Kläger im Ergebnis besser stehe, als bei einer mehrjährigen Dauererkrankung gekündigte Arbeitnehmer. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei eine Zustimmung des Integrationsamtes in Fällen wie dem vorliegenden nicht erforderlich.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 11.10.2011 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das mit der Berufung angegriffene Urteil des Arbeitsgerichts. Es sei der Beklagten möglich und zumutbar, während der nur befristet festgestellten Dauer der Erwerbsminderung des Klägers einen Ersatz einzustellen. Auf finanzielle Belastungen der Beklagten während der Erwerbsminderung des Klägers komme es im vorliegenden Verfahren nicht an. Der tarifvertragliche Wiedereinstellungsanspruch stelle keine hinreichende wirtschaftliche Absicherung des Klägers dar.
Im Übrigen wird hinsichtlich des Vortrags der Parteien auf die zwischen ihnen in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze und Anlagen Bezug genommen.
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, da sie das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses betrifft, § 64
Abs. 2 Buchstabe c
ArbGG. Die Berufung ist auch frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66
Abs. 1 Satz 1, 64
Abs. 6 Satz 1
ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520
ZPO.
II. Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Die Klage des Klägers ist unbegründet, da das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des Monats März 2011, in welchem dem Kläger der Bescheid über die Bewilligung einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung zugestellt worden ist, geendet hat. Daher war das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
1. Die Regelung in § 5
Abs. 2. a MTV stellt eine auflösende Bedingung im Sinne von § 21
TzBfG dar (
vgl. auch
BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - NZA 2001, 792 ff, unter B.I. der Entscheidungsgründe). Die Parteien haben die tarifvertragliche Regelung wirksam durch
Nr. III. 1. des Arbeitsvertrages einbezogen (
vgl. dazu
BAG 1. Dezember 2004 - 7 AZR 135/04 - NZA 2006, 211 ff, unter I.3. der Entscheidungsgründe). Nach § 5
Abs. 2 a MTV endet das Arbeitsverhältnis ohne Ausspruch einer Kündigung mit Ende des Monats in dem ein Rentenbescheid wegen vollständiger Erwerbsminderung zugestellt wird.
2. Der Hauptantrag des Klägers wendet sich frist- und formgerecht im Sinne der §§ 21, 17
TzBfG gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund dieser auflösenden Bedingung. Zwar wird die auflösende Bedingung selbst als Gegenstand arbeitsgerichtlicher Überprüfung in diesem Antrag nicht benannt. Aufgrund der Benennung des 31.03.2011 als angefochtenem Beendigungszeitpunkt und den Ausführungen in der Klagebegründung ist die auflösende Bedingung als Streitgegenstand hinreichend klargestellt.
3. Dem Kläger ist im Monat März 2011 ein Bescheid der Deutschen Rentenversicherung zugestellt worden, wonach er (befristet) Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht. Damit ist die auflösende Bedingung des § 5
Abs. 2. a MTV eingetreten. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet mit Ablauf des Monats März 2011.
4. Die Bestimmung des § 5
Abs. 2.a. MTV ist wirksam. Sie ist mit höherrangigem Recht vereinbar und hält der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle Stand (
vgl. hierzu
BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - NZA 2001, 792
ff.).
a) Tarifliche Regelungen über auflösende Bedingungen sind grundsätzlich möglich. Sie dürfen aber nicht zu einer objektiven Umgehung zwingender kündigungsschutzrechtlicher Normen führen. Sofern zwingender Kündigungsschutz objektiv umgangen wird, bedürfen auflösende Bedingungen eines sie rechtfertigenden Sachgrunds (st. Rechtsprechung des
BAG,
vgl. etwa
BAG 28. Juni 1995 -
7 AZR 555/94 - AP
BAT § 59
Nr. 6 = EzA
BGB § 620
Nr. 134, zu I 2 der Gründe;
BAG 25. August 1998 - 7 AZR 75/98 - AP
BGB § 620 Bedingung
Nr. 24 = EzA
BGB § 620 Bedingung
Nr. 13, zu I 1 der Gründe;
BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 891/98 - AP MTL II § 62
Nr. 1 = EzA
TVG § 4 Wiedereinstellungsanspruch
Nr. 1, zu B II 1 b bb der Gründe). Wenn Tarifbestimmungen über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses den Anforderungen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle genügen, sind sie nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch mit der grundrechtlichen Gewährleistung des
Art. 12
Abs. 1
GG vereinbar (
BAG 25. August 1998 - 7 AZR 75/98 - AP
BGB § 620 Bedingung
Nr. 24 = EzA
BGB § 620 Bedingung
Nr. 13, zu II 5 der Gründe mwN). Dabei ist die aus
Art. 12
Abs. 1
GG folgende, den Gerichten obliegende Pflicht, den Arbeitnehmer vor einem grundlosen, den staatlichen Kündigungsschutz umgehenden Verlust des Arbeitsplatzes zu schützen, auch bei der Auslegung tariflicher Beendigungsnormen zu beachten (
vgl. BAG 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP
BAT § 59
Nr. 8 = EzA
BAT § 59
Nr. 5, zu 2 c der Gründe;
BAG 9. August 2000 -
7 AZR 214/99 - BAGE 95, 264
ff. = NZA 2001, 737
ff., zu II 3 der Gründe;
BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 906/98 - AP BeschFG 1985 § 1
Nr. 25 = EzA BeschFG 1985 § 1 Klagefrist
Nr. 3, zu 2 b der Gründe).
b) § 5
Abs. 2.a. MTV dient ebenso wie § 59
Abs. 1
BAT (
vgl. dazu insbesondere
BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - AP
BAT § 59
Nr. 6 = EzA
BGB § 620
Nr. 134;
BAG 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP
BAT § 59
Nr. 8 = EzA
BAT § 59
Nr. 5;
BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 906/98 - AP BeschFG 1985 § 1
Nr. 25 = EzA BeschFG 1985 § 1 Klagefrist
Nr. 3;
BAG 9. August 2000 - 7 AZR 214/99 -) oder § 62 MTArb (
vgl. dazu
BAG 9. August 2000 - 7 AZR 749/98 - nv.) einerseits dem Schutz des Arbeitnehmers, der aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage ist, seine bisherige Tätigkeit zu verrichten und bei dem bei einer Fortsetzung der Tätigkeit die Gefahr einer weiteren Verschlimmerung seines Gesundheitszustandes besteht. Andererseits will die Tarifvorschrift dem berechtigten Interesse des Arbeitgebers Rechnung tragen, sich von einem Arbeitnehmer zu trennen, der gesundheitsbedingt nicht mehr in der Lage ist, seine nach dem Arbeitsvertrag geschuldete Leistung zu erbringen (
vgl. hierzu
BAG 28. Juni 1995 - 7 AZR 555/94 - AP
BAT § 59
Nr. 6 = EzA
BGB § 620
Nr. 134, zu I 3 b der Gründe;
BAG 9. August 2000 - 7 AZR 214/99 - zVv., zu II 2 der Gründe). Dieses berechtigte Interesse beider Arbeitsvertragsparteien ist grundsätzlich geeignet, einen sachlichen Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung abzugeben.
c) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist außerdem grundsätzlich erst die mit dem Bezug dauerhafter Rentenleistungen verbundene wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers geeignet, die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund auflösender Bedingung zu rechtfertigen (
BAG 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP
BAT § 59
Nr. 8 = EzA
BAT § 59
Nr. 5, zu 2 c der Gründe;
BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 906/98 - AP BeschFG 1985 § 1
Nr. 25 = EzA BeschFG 1985 § 1 Klagefrist
Nr. 3, zu 2 b der Gründe). Daher ist eine Rentenbewilligung, die zu keiner rentenrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers führt, als Auflösungstatbestand ungeeignet. Eine rentenrechtliche Absicherung ist jedenfalls dann ausreichend, wenn die Rente der Höhe nach eine wirtschaftliche Absicherung darstellt, der Arbeitnehmer die einmal bezahlte Rente auch im Falle des späteren Wegfalls der Anspruchsvoraussetzungen behalten darf und auch im Übrigen seine Interessen im Falle des Erlöschens des Rentenanspruchs hinreichend berücksichtigt sind (
BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - NZA 2001, 792
ff.).
aa) Der in § 5
Abs. 2.a. MTV vorgesehene Auflösungstatbestand der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ist mit einer ausreichenden rentenrechtlichen Absicherung des Arbeitnehmers verbunden. Insbesondere führt nicht bereits die volle Erwerbsminderung als solche, sondern erst die durch Bescheid bewilligte Gewährung einer entsprechenden Rente zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
bb) Die wirtschaftliche Absicherung des Klägers aufgrund dieser Rente ist ausreichend. Sie wird insbesondere vom gesetzlichen Rententräger erbracht, ohne dass sich der Kläger etwaigen Rückzahlungsforderungen ausgesetzt sehen müsste.
cc) Die Tarifvertragsparteien haben die Interessen des Arbeitnehmers auch für den Fall des späteren Erlöschens des Anspruchs auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung hinreichend berücksichtigt (
vgl. zu diesem Erfordernis
BAG 24. Januar 1996 - 7 AZR 602/95 - AP
BAT § 59
Nr. 7 = EzA
BAT § 59
Nr. 4, zu B II 3 a der Gründe;
BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 126/99 - AP
TVG § 1 Tarifverträge: Musiker
Nr. 13 = EzA
BGB § 620 Bedingung
Nr. 15, zu 2 c bb der Gründe;
BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 891/98 - AP MTL II § 62
Nr. 1 = EzA
TVG § 4 Wiedereinstellungsanspruch
Nr. 1, zu B II 1 b bb der Gründe). Der in § 5
Abs. 3 MTV normierte Wiedereinstellungsanspruch wird dem Bestandsschutzinteresse der Arbeitnehmer gerecht. Er ist unbedingt ausgestaltet, setzt nicht einmal das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes voraus und richtet sich auf einen dem bisherigen Arbeitsplatz gleichwertigen Arbeitsplatz (
vgl. hierzu auch
BAG 6. Dezember 2000 - 7 AZR 302/99 - NZA 2001, 792
ff.).
(1) Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Tarifvertragsparteien in der tariflichen Regelung keine abschließende Regelung über die genauen Modalitäten der Wiedereinstellung, insbesondere zur Frage der Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten getroffen haben. Hierbei handelt es sich um die Frage einer konkreten Einzelfallregelung, die nicht generell im Tarifvertrag getroffen zu werden brauchte. Ferner ist es nicht zu beanstanden, dass die Tarifvertragsparteien den Wiedereinstellungsanspruch nicht allein an den Wegfall der Rente, sondern außerdem an die "festgestellte Erwerbsfähigkeit" geknüpft haben. Die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit kann ein Grund für den Wegfall der Rente wegen Erwerbsminderung sein (
vgl. § 100
Abs. 3
SGB VI). Insoweit ist der Begriff der "festgestellten Erwerbsfähigkeit" auch hinreichend bestimmt, da er erkennbar Bezug auf die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen nimmt. Sollte die Rente wegen Erwerbsminderung aus anderen Gründen als wieder eingetretener Erwerbsfähigkeit wegfallen, etwa wegen Erreichens der Regelaltersgrenze (
vgl. § 43
Abs. 2
SGB VI), gibt es keinen Anlass für die tarifvertragliche Regelung eines Wiedereinstellungsanspruchs.
(2) Die Klage hat auch nicht unter dem vom Kläger beanstandeten Aspekt eines auf 5 Jahre begrenzten Wiedereinstellungsanspruchs Erfolg. Zwar berührt die zeitliche Begrenzung des Wiedereinstellungsanspruchs die Interessen des nur zeitlich befristet berenteten Arbeitnehmers. Allerdings sind auch hier die Interessen des Arbeitgebers in angemessenem Maße zu berücksichtigen. Insoweit kommt den Tarifvertragsparteien ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Vorliegend haben sich die Tarifvertragsparteien zu einer Lösung entschieden, in welchem der Wiedereinstellungsanspruch des Arbeitnehmers zwar zeitlich begrenzt, im Rahmen dieser Begrenzung aber unbedingt gegeben ist, weder vom Willen oder Ermessen des Arbeitgebers abhängt und auch nicht an das Vorhandensein eines freien Arbeitsplatzes gebunden ist, wobei dem Arbeitnehmer gleichwohl die Wiedereinstellung auf einem mit dem bisherigen Arbeitsplatz vergleichbaren Arbeitsplatz zugesagt wird. Wenn die Tarifvertragsparteien diese deutliche Stärkung der Position des Arbeitnehmers bei der Wiedereinstellung damit verbunden haben, dass den Interessen des Arbeitgebers bei der Wiedereinstellung mit einer zeitlichen Befristung Rechnung getragen wird, kann dies im Rahmen des weiten Beurteilungsspielraums der Tarifvertragsparteien nicht beanstandet werden.
(3) Im übrigen sind Tarifverträge nach Möglichkeit gesetzes- und verfassungskonform und damit zugleich geltungserhaltend auszulegen (
BAG 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - BAGE 73, 364
ff. = AP
TVG § 1 Auslegung
Nr. 144, zu B II 1 a bb der Gründe;
BAG 11. März 1998 - 7 AZR 101/97 - AP
BAT § 59
Nr. 8 = EzA
BAT § 59
Nr. 5, zu 2 c der Gründe;
BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 891/98 - AP MTL II § 62
Nr. 1 = EzA
TVG § 4 Wiedereinstellungsanspruch
Nr. 1, zu B II 1 b bb der Gründe). Sollten entgegen der obigen Ausführungen dennoch Bedenken an der konkreten Dauer der Befristung des Wiedereinstellungsanspruchs auf 5 Jahre bestehen, würde sich gegebenenfalls die Frage stellen, ob sich damit allein die Frist von 5 Jahren (unter Aufrechterhaltung der tarifvertraglichen Regelung im Übrigen) als unwirksam erwiese, oder ob sich hier - gegebenenfalls im Rahmen verfassungskonformer Auslegung - die tarifvertragliche Regelung auch im Hinblick auf die Dauer des Wiedereinstellungsanspruchs so verstehen ließe, dass keine rechtlichen Bedenken gegen sie bestünden (zur Möglichkeit der Auslegung einer tarifvertraglichen "Soll-Vorschrift" zur Wiedereinstellung in eine "Ist-Vorschrift"
vgl. BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 126/99 - BAGE 94, 1
ff. = AP
TVG § 1 Tarifverträge: Musiker
Nr. 13 = NZA 2000, 776
ff.).
(4) Im Ergebnis kann diese Frage für den vorliegenden Rechtsstreit aber dahinstehen. Der Kläger macht keinen Wiedereinstellungsanspruch geltend, sondern einen Bestandsschutzantrag. Die tarifvertragliche Frist für den Wiedereinstellungsanspruch des Klägers von 5 Jahren seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist bei Weitem noch nicht abgelaufen. Ob sich eine solche Frist im Ergebnis als wirksam erweisen würde, bedarf angesichts dessen keiner abschließende Entscheidung. Es ist nicht Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, Rechtsgutachten zu erstellen.
dd) Schließlich ist durch § 5
Abs. 2.a. MTV auch die rentenrechtliche Dispositionsbefugnis des Arbeitnehmers gewahrt (
vgl. BAG 23. Februar 2000 - 7 AZR 906/98 - AP BeschFG 1985 § 1
Nr. 25 = EzA BeschFG 1985 § 1 Klagefrist
Nr. 3, zu 2 b der Gründe). Die auflösende Bedingung tritt nicht unabhängig vom Willen des Arbeitnehmers ein. Vielmehr kommt es zur Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nur, wenn der Versicherte gemäß § 99
SGB VI einen Antrag hierauf gestellt hat.
5. Zur wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers zum 31.03.2011 bedurfte es nicht der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. § 92 Satz 1
SGB IX ist auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden (
vgl. BAG 27. Juli 2011 -
7 AZR 402/10 - in juris).
Das (Kontroll-)Korrektiv der Zustimmung des Integrationsamts ist nicht nötig, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer durch einen Wiedereinstellungsanspruch geschützt ist. Er hat eine andere Sicherung. Ein Wiedereinstellungsanspruch macht zwar deutlich, dass der Zustand der vollen Erwerbsminderung gegebenenfalls nur zeitweilig ist. Der Zweck der Zustimmung des Integrationsamts besteht nach § 92 Satz 1
SGB IX darin, den schwerbehinderten Arbeitnehmer bei nur zeitweiligen Veränderungen vor dem endgültigen Verlust des Arbeitsplatzes besonders zu schützen. Nach § 5
Abs. 2.a. MTV endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Monats, in dem bei vollständiger Erwerbsminderung ein Rentenbescheid zugestellt wird. Das Arbeitsverhältnis ruht also nicht nur in den Hauptleistungspflichten, sondern es endet. Das Korrektiv der Wiedereinstellungsansprüche aus § 5
Abs. 3 MTV schließt dennoch eine den Fällen des § 92 Satz 1
SGB IX vergleichbare Interessenlage aus. Der schwerbehinderte Arbeitnehmer braucht den Sonderbeendigungsschutz der Zustimmung durch das Integrationsamt nicht, weil er durch einen Wiedereinstellungsanspruch besonders geschützt ist. Eine Interessenlage, die eine Anwendung des § 92 Satz 1
SGB IX verlangte, besteht auch nicht deshalb, weil der Wiedereinstellungsanspruch durchgesetzt werden muss und nicht nur schwerbehinderten Arbeitnehmern zusteht. Der schwerbehinderte Mensch hat es wie jeder Arbeitnehmer selbst in der Hand, mithilfe des Wiedereinstellungsanspruchs ein neues Arbeitsverhältnis zu begründen. Er ist daher auf den für Fälle der nur zeitweiligen Veränderung der Erwerbsfähigkeit vorgesehenen besonderen Beendigungsschutz des § 92 Satz 1
SGB IX durch Zustimmung des Integrationsamts nicht angewiesen.
6. Da das Arbeitsverhältnis der Parteien bereits mit Ablauf des 31.03.2011 geendet hat und sich daher der Hauptantrag des Klägers als unbegründet erweist, kam es auf die von ihm weiter geltend gemachten (uneigentlichen) Hilfsanträge, die spätere Beendigungszeitpunkte und andere Beendigungsakte betreffen, nicht weiter an.
III. Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen, § 91
Abs. 1
ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 72
Abs. 2
ArbGG nicht erfüllt sind.