Urteil
Pflicht des Arbeitgebers, einem flugdienstuntauglichen Mitglied des fliegenden Personals einen Bodenarbeitsplatz anzubieten

Gericht:

LAG Köln 2. Kammer


Aktenzeichen:

2 Sa 704/17


Urteil vom:

28.05.2018


Grundlage:

  • TzBfG § 21

Leitsätze:

Die Suche nach einem nicht vom Direktionsrecht gedeckten Bodenarbeitsplatz setzt die Zustimmung des Arbeitnehmers zu den dann geltenden geänderten tarifvertraglichen Regeln und die Bereitschaft zur tarifgerechten Vergütung nach BodenTV zu arbeiten voraus.

Rechtsweg:

Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 10.08.2017 - 14 Ca 1863/17
BAG, Urteil vom 11.12.2019 - 7 AZR 350/18

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.08.2017 - Az. 14 Ca 1863/17 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 105,- Euro netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.09.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung und Anschlussberufung zurückgewiesen.

Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage im Übrigen vollständig abgewiesen.

Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird für die Klägerin zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten zum einen um die richtige Berechnung eines Krankengeldzuschusses zum anderen um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund bei der Klägerin eingetretener Flugdienstuntauglichkeit.

Die Klägerin war vom 02.05.1998 bis zum 31.05.2011 bei der Firma E L AG als Flugbegleiterin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag zum 31.05.2011. Vom 08.06.2011 bis zum 22.08.2011 wurde die Klägerin aufgrund eines Schulungsvertrages mit der Beklagten für die Tätigkeit einer Flugbegleiterin bei der Beklagten geschult. Mit dem 23.08.2011 begann die Klägerin aufgrund gesondert abgeschlossenen Arbeitsvertrages eine Tätigkeit als Flugbegleiterin bei der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis ist der MTV Nr. 2 Kabinenpersonal vom 01.01.2013 (MTV) kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbar.

Die E L AG ist seit dem 13.08.2011 eine hundertprozentige Tochter der Beklagten. Ab Januar 2001 war die Beklagte zunächst mit 24,9 % an der Firma E beteiligt. Zum April 2004 wurde die Beteiligung auf 49 % erhöht. Ab dem 22.12.2005 bestand zwischen der Beklagten und dem Treuhänder des Mehrheitsaktionärs der E eine Stimmbindungsvereinbarung, durch die der Beklagten weitere 1,0001 % der E Stimmrechte zugerechnet wurden.

Nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag leistet die Beklagte einen Zuschuss zum Krankengeld. Die Dauer des Krankengeldzuschusses ist von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig. Betriebszugehörigkeiten bei einer Tochtergesellschaft werden angerechnet.

Zwischen den Parteien ist die Dauer der Zuschusszahlung streitig.

Weiterhin ist zwischen den Parteien streitig, wie der Nettozuschuss korrekt berechnet wird. Der letzte Tag der Entgeltfortzahlung für die Klägerin fiel auf den 03.12.2015. Dementsprechend war im Abrechnungsmonat Dezember 2015 für die Klägerin keine Lohnsteuer zu entrichten. Die Klägerin vertritt die Ansicht, dies müsse bei der Berechnung des Nettozuschusses berücksichtigt werden. Ferner vertritt die Klägerin die Ansicht, von dem so errechneten Nettoentgelt sei der Nettobetrag des Krankengeldes, welches ihr von der Krankenkasse geleistet wurde, abzuziehen nicht aber der Bruttobetrag.

Bei der Klägerin wurde ab 21.07.2016 dauernde Flugdienstuntauglichkeit festgestellt. Die Klägerin erhielt hierüber ein Schreiben vom 21.07.2016 als ärztliche Mitteilung, die Kopie eines Schreibens der Beklagten vom 29.07.2016, welches an die Krankenkasse der Klägerin gerichtet war und von dieser der Klägerin zugeleitet wurde sowie ein Schreiben der Beklagten vom 28.07.2016, welches der Klägerin am 05.08.2016 zugegangen ist und mit dem die Beklagte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30.09.2016 mitteilt.

Diesem Schreiben lag ein Informationsblatt bei, welches über die Bedingungen eines Boden-Arbeitsverhältnisses informierte und insbesondere darauf hinwies, dass ein solches Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen des Manteltarifvertrages für die Bodenbediensteten zustande kommen könne, wenn ein freier Arbeitsplatz gegeben sei, die Klägerin unter den Bewerberinnen für einen solchen Arbeitsplatz nach der Bestenauslese ausgewählt werde und eine arbeitsmedizinische Untersuchung die uneingeschränkte Einsetzbarkeit auf diesem Arbeitsplatz ergebe. Die Klägerin wurde gleichzeitig im Schreiben vom 28.07.2016 aufgefordert bis zum 25.08.2016 mitzuteilen, ob sie Interesse daran habe, dass für sie ein Boden-Arbeitsplatz gesucht werde. Die Klägerin behauptet hierzu, sie habe das Formblatt mit ihrer Zustimmung der Beklagten per Einschreiben zugeleitet. Die Beklagte bestreitet den Zugang dieses Schreibens.

Mit Schriftsatz vom 11.08.2016, beim Arbeitsgericht F am selben Tag eingegangen, hat die Klägerin Bedingungskontroll-Klage erhoben und sich dabei zunächst ausschließlich darauf berufen, eine Flugdienstuntauglichkeit liege nicht vor. Sie hat einen Weiterbeschäftigungsantrag für eine Flugdiensttätigkeit angekündigt. Weiter hat sie gerügt, dass die Beklagte kein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchgeführt habe.

Mit Schreiben vom 31.10.2016 hat die Beklagte die Klägerin zu einem bEM eingeladen. Sie bat um Rückmeldung bis 14.11.2016. Die Klägerin hat sich am 22. November gemeldet. Am 30.11.2016 fand ein solches bEM-Boden Gespräch mit der Klägerin statt. Der Klägerin wurde eine Tätigkeit am Check-In in München angeboten. Sie wurde am 01.12.2016 aufgefordert, mit ihrer möglichen Vorgesetzten Frau S Kontakt aufzunehmen. Hieran wurde die Klägerin mehrfach erinnert. Mit Mail vom 17.03.2017 erklärte die Klägerin, dass sie weiterhin Interesse an einer Tätigkeit am Check-In in M habe. Am 28.03.2017 machte die Klägerin Terminvorschläge für ein Gespräch mit Frau S für den 01.05, 10.06. oder 04.08.2017. Der 1. Mai war ein Feiertag, der 10. Juni ein Samstag. Frau S meldete sich zurück und bat um eine baldige Durchführung des Termins. Die Klägerin traf sich mit Frau S. am 14.06.2017. Am 05.09.2017 wurde eine Eignungsuntersuchung durchgeführt, die für die Klägerin positiv endete. Die Klägerin hat am weiteren Zu-Stande-Kommen eines Arbeitsvertrages jedoch nicht mehr mitgewirkt. Sie nahm in der Zwischenzeit an einer Umschulung, die von der Bundesanstalt für Arbeit finanziert wurde teil. Ihren Weiterbeschäftigungsantrag hat die Klägerin zurückgenommen.

Die Klägerin hat zwischenzeitlich unstreitig gestellt, dass bei ihr eine dauerhafte Flugdienstuntauglichkeit gegeben ist. Sie hält gleichwohl die Bedingung für die Beendigung des Arbeitsvertrages nicht für eingetreten, da die Beklagte verpflichtet gewesen sei, ein bEM vor Mitteilung des Bedingungseintritts durchzuführen. Die Beklagte vertritt die Ansicht, sie habe die Suche nach einem geeigneten Boden-Arbeitsplatz innerhalb der Auslauffrist des Arbeitsverhältnisses vornehmen dürfen. Da die Klägerin jedoch bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zu keinem Zeitpunkt ihr Einverständnis mit der Suche nach einem Boden-Arbeitsplatz erklärt habe, sei das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2016 beendet worden.

Die Klägerin macht zusätzlich geltend, die Beklagte habe die Bordvertretung bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beteiligen müssen. Zudem sei die Auslauffrist zu kurz berechnet worden da das Arbeitsverhältnis bereits seit dem 08.06.2011 und nicht erst dem 23.08.2011 bestanden habe.

Zusätzlich zu dem Krankengeldzuschuss beantragt die Klägerin die Zahlung einer Entschädigung nach § 288 Abs. 5 BGB.

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Erklärung der Beklagten vom 28.07.2016 nicht zum 30.09.2016 beendet worden ist. Es hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin ein qualifiziertes Zwischenzeugnis zu erteilen und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.


Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 10.08.2017 - Az. 15 Ca 1862/17 -, die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.149,54 EUR netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2016 zu zahlen,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 40 EUR netto gemäß § 288 Abs. 5 BGB nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,


Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.


Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 10.08.2014 - Az. 15 Ca 1863/17 - abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.


Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie im Wege der Anschlussberufung festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Erklärung der Beklagten mit Schreiben vom 21.07.2016 nicht beendet wird,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Erklärung der Beklagten mit Schreiben vom 29.07.2016 nicht zum 30.09.2016 beendet wird,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der dauernden Flugdienstuntauglichkeit im Sinne von § 20 Nr. 2 MTV beendet worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes insbesondere hinsichtlich des anwendbaren Tarifvertrages wird auf das erstinstanzliche Urteil und die gewechselten Schriftsätze sowie den vollständigen Wortlaut des Tarifvertrages Bezug genommen

Entscheidungsgründe:

Die Berufungen und die Anschlussberufung waren sämtlich zulässig und fristgerecht. Die Berufung der Klägerin ist nur hinsichtlich der Differenz zwischen dem Bruttoabzugsbetrag des Krankengeldes und dem Nettokrankengeld nebst Zinsen begründet. Im Übrigen war die Klage auf die Berufung der Beklagten abzuweisen und die Anschlussberufung zurückzuweisen.

1. Dauer des Krankengeldzuschusses

Der Klägerin steht ein Krankengeldzuschuss nach § 13 Abs. 4a i.V.m. § 13 Abs. 4b MTV nur für die Zeit vom 04.12.2015 bis 14.01.2016 zu. Die Tätigkeiten bei der Firma E L AG sind zu der Beschäftigungszeit bei der Beklagten nicht zu addieren. Dies ergibt sich durch Auslegung des Tarifvertrages.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm sind mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben Zweifel, können weitere Kriterien, wie Tarifgeschichte, praktische Tarifübung und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags ohne Bindung an eine bestimmte Reihenfolge berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt (BAG 21. März 2001 - 10 AZR 41/00 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 75 = EzA TVG § 4 Einzelhandel Nr. 43).

Vorliegend haben die Tarifvertragsparteien den Begriff der Tochtergesellschaft verwendet, ohne diesen selbst zu definieren. Da es in § 290 HGB jedoch eine gesetzliche Definition des Tochterunternehmens gibt, ist anzunehmen, dass Tarifvertragsparteien diese gesetzliche Definition zur Anwendung bringen wollen, wenn sie eine eigenständige Definition nicht vornehmen.

Danach war die Firma E L AG während der Beschäftigungszeit der Klägerin keine Tochtergesellschaft der Beklagten. Denn nach § 290 Abs. 2 i.V.m. Abs. 4 HGB. kommt es für die Feststellung der Mehrheit der Stimmrechte nur auf diejenigen Stimmrechte an, die aus Anteilen resultieren, die im Eigentum der Muttergesellschaft stehen. Die Stimmrechte, die aus dem Stimmbindungsvertrag mit dem Treuhänder des Mehrheitsgesellschafters der E L AG herrühren, fallen deshalb nicht unter die Stimmrechte, die nach § 290 Abs. 2 HGB den beherrschenden Einfluss eines Mutterunternehmens begründen. Damit entfällt für die Zeit der Tätigkeit der Klägerin bei der E L AG die Eigenschaft als Tochterunternehmen der Beklagten.

2. Höhe der zu berücksichtigenden Nettovergütung

Richtig berechnet hat die Beklagte auch die Nettovergütung, die dem Krankengeldzuschuss nach § 13 Abs. 3a MTV zu Grunde liegt. Bei der Auslegung ist zum einen zu berücksichtigen, dass nach dem Wortlaut maßgeblich die abgerechnete monatliche Vergütung ist. Hierzu schließt sich die erkennende Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts an.

Zudem ist davon auszugehen, dass Tarifvertragsparteien für alle von einer bestimmten Regelung betroffenen Mitarbeiter einen gleichmäßigen und gerechten Berechnungsmodus vereinbaren wollen. Hätte die Klägerin mit ihrer Ansicht recht, wären diejenigen Mitarbeiter, die zu Beginn eines Monats den letzten Tag der Lohnfortzahlung haben, erheblich begünstigt gegenüber den Mitarbeitern, die gegen Ende des Monats den letzten Tag der Lohnfortzahlung haben. Denn bei Letzteren ergibt sich eine Steuerbelastung auf die Zahlung für diesen letzten Tag, während bei Ersteren aufgrund der geringen gesamtmonatlichen Vergütung keine Steuern durch den Arbeitgeber abzuführen sind. Eine Erklärung, warum Tarifvertragsparteien eine solche Ungleichbehandlung nach dem zufälligen letzten Tag der Entgeltfortzahlung beabsichtigt haben könnten, vermag auch die Klägerin nicht zu liefern.

Zudem kann der Regelung entnommen werden, dass die Tarifvertragsparteien die Aufrechterhaltung eines sich aus konkret bezeichneten Lohnbestandteilen ergebenden Nettolebensstandards bezweckten. Das Krankengeld soll in dem Maße aufgestockt werden, dass die netto dem Arbeitnehmer zur Verfügung stehende Summe in den ersten Wochen des Krankengeldbezuges derjenigen des Lohnfortzahlungszeitraums entspricht. Dabei haben die Tarifvertragsparteien sogar ausdrücklich klargestellt, dass Höhergruppierungen innerhalb des Lohnfortzahlungszeitraumes zu Gunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden, auch wenn sie rückwirkend erfolgen und in der Lohnabrechnung noch nicht berücksichtigt wurden. Dies spricht auch dafür, dass die Tarifvertragsparteien nicht eine zufällig gegebene steuerliche Entlastung in die Berechnung des Krankengeldzuschusses einfließen lassen wollten, sondern die regelmäßige bei Hochrechnung auf eine volle Monatsvergütung sich ergebende Steuerlast für das zu berücksichtigende Nettoentgelt maßgeblich sein soll.

3. Höhe des Krankengeldabzugs

Aus dieser Überlegung ergibt sich aber auch, dass § 13 Abs. 3a MTV bei der Anrechnung des durch die Krankenkasse geleisteten Krankengeldes dahin auszulegen ist, dass nur das gewährte Krankengeld, also der Nettobetrag, der dem Arbeitnehmer durch die Krankenkasse zu leisten ist bzw. geleistet wurde Berücksichtigung findet. Denn nur dieser Nettobetrag steht dem Arbeitnehmer zur Deckung seines Lebensunterhalts zu Verfügung. Auch die Tatsache, dass der Tarifvertrag in § 13 Abs. 3a ausdrücklich eine Erhöhung des Krankengeldzuschusses um die darauf entfallenden Steuern vorsieht, soweit der Arbeitnehmer hierfür Steuern zahlen muss, spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien den tatsächlich in der Entgeltfortzahlungszeit erreichten Lebensstandard als Maßstab zur Bemessung der Höhe des Krankengeldzuschusses zugrunde legen wollten. Damit kann nur der unmittelbar der Klägerin zugeflossene Netto-Krankengeldbetrag zur Anrechnung kommen.

Danach ergibt sich, dass der Klägerin ein Zuschuss in Höhe 8,68 EUR netto für 42 Tage zusteht. Hierauf hat die Beklagte bereits 259,56 EUR gezahlt, so dass ein Differenzbetrag von 150 EUR netto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten ab dem 28.09.2016 zuzusprechen war. Der Zinsausspruch folgt aus § 291 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB.

4. Anspruch aus § 288 Abs. 5 BGB

Ein Anspruch auf pauschalen Schadensersatz nach § 288 BGB ist nicht gegeben. Da es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt kommt § 34 BGBEG zur Anwendung. Danach müsste das Dauerschuldverhältnis entweder nach dem 28.07.2014 entstanden sein, oder die Gegenleistung nach dem 30.06.2016 erbracht worden sein.

Der Krankengeldzuschuss ist jedoch von keiner Gegenleistung abhängig. Er wird gerade wegen der Unmöglichkeit, die Arbeitsleistung zu erbringen gezahlt. Damit liegen die Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 288 Abs. 5 BGB nicht vor.

5. Bedingungskontrollklage, Antrag zu 3 der Klageschrift

Auf die Berufung der Beklagten war die Klage mit dem Antrag zu 3 aus der Klageschrift abzuweisen. Der Antrag ist als Bedingungskontrollantrag gemäß § 21 i.V.m. § 17 TzBfG auszulegen.

Die Klägerin hat zunächst Klage erhoben mit der Begründung, die Bedingung der Flugdienstuntauglichkeit sei nicht eingetreten. Später hat sie vor Ende der ersten Instanz ihrem Antrag einen geänderten Sachverhalt zu Grunde gelegt. Sie hat zwar ihre Flugdienstuntauglichkeit anerkannt, hält es jedoch für erforderlich, dass als weitere Bedingung zum Zeitpunkt der Mitteilung des Bedingungseintritts gleichzeitig kein freier Arbeitsplatz bei der Beklagten gegeben ist, der ihr zugewiesen werden könnte. Sie vertritt hierzu die Ansicht, die Beklagte habe ein bEM durchführen müssen, bevor sie die Mitteilung über den Bedingungseintritts der Klägerin zugesandt habe.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 16.10.2008 (7 AZR 185/07) entschieden, dass die in § 20 MTV normierte auflösende Bedingung der Flugdienstuntauglichkeit allein kein ausreichender Sachgrund für eine auflösende Bedingung darstelle. Die Flugdienstuntauglichkeit müsse auch zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit geführt haben. In gleicher Weise hat das BAG in den Entscheidungen 7 AZR 204/16 und 7 AZR 402/10 entschieden, dass tariflich vereinbarte auflösende Bedingungen einschränkend dahin ausgelegt werden müssen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich dann nicht eintritt, wenn noch eine zumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gegeben ist.

Dabei entnimmt das Landesarbeitsgericht der Entscheidung des BAG vom 16.10.2008 zur Flugdienstuntauglichkeit, dass es für die Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz im Bodendienst ausreichend ist, wenn diese Suche in der Zeit bis zum tatsächlichen Beendigungsdatum, hier dem 30.09.2016 durchgeführt wird (Rn. 24 des Urteils vom 16.10.2008). Würde die Suche nach einem geeigneten Boden-Arbeitsplatz bereits vor der Beendigungsmitteilung abschließend durchgeführt werden müssen, so ergäbe sich ein erhebliches Arbeitnehmerinteresse auf Verzögerung dieses Verfahrens. Denn nach dem Tarifvertrag erhalten die Arbeitnehmer während der Auslauffrist ab Feststellung der Flugdienstuntauglichkeit erneut Vergütung durch die Arbeitgeberin. Dies gilt selbst dann, wenn die Arbeitnehmer zuvor aus der Entgeltfortzahlung ausgeschieden sind und nicht einmal mehr Krankengeld erhalten.

Die tarifvertragliche Auslauffrist, die sich nach der einzuhaltenden Kündigungsfrist richtet, müsste ungenutzt verstreichen oder würde allenfalls zu einem Wiedereinstellungsanspruch führen, wenn die Bedingung "kein Bodenarbeitsplatz" bereits bei Mitteilung der Flugdienstuntauglichkeit abschließend geprüft worden sein müsste. Vergleicht man den vorliegenden Tarifvertrag mit dem TV-L, der der Entscheidung vom 30.08.2017 zu Grunde lag, so haben dort die Tarifvertragsparteien, sogar ausdrücklich das vorherige Weiterbeschäftigungsverlangen durch den Arbeitnehmer zur Voraussetzung der Suche nach einem Arbeitsplatz gemacht. Eine verfassungskonforme Auslegung der tarifvertraglichen Beendigungsbedingung des MTV gebietet damit die Suche nach dem alternativen Arbeitsplatz nur dann, wenn dies vom Arbeitnehmer gewünscht wurde. Die Suche kann nach Zustimmung des Arbeitnehmers in der Auslauffrist durchgeführt werden.

Sollte bei einer nach Zugang der Beendigungsmitteilung liegenden Arbeitsplatzsuche ein solcher Platz identifiziert werden, wäre die Bedingungskontrollklage mangels Eintritt der Bedingung ohnehin zuzusprechen. Die Mitteilung des Bedingungseintritts wäre schlicht falsch. Dies setzt aber nicht voraus, dass die Arbeitsplatzsuche bereits vor Zugang der Bedingungsmitteilung tatsächlich durchgeführt wurde. Gerade die tarifvertraglich vorgesehene Auslauffrist erhöht die Möglichkeit, dass während dieser Zeit Arbeitsplätze frei werden, die für eine Weiterbeschäftigung geeignet sind.

In gleicher Weise ist die Durchführung eines bEM vor Mitteilung des Bedingungseintritts nicht Voraussetzung der Wirksamkeit des Bedingungseintritts.

Die Verpflichtung, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen verändert die Darlegungslast des Arbeitgebers. Im Prozess über den Bedingungseintritt kann der Arbeitgeber auf andere Weise das Fehlen eines alternativen Arbeitsplatzes darstellen. Besteht allerdings aus anderen Gründen keine Verpflichtung, nach einem solchen Arbeitsplatz zu suchen, hat das fehlende bEM keine Auswirkungen im Verfahren.

Vorliegend ist zunächst zu berücksichtigen, dass wesentliche Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements, nämlich den ursprünglichen Arbeitsplatz durch Änderung der Arbeitsbedingungen zu erhalten, im Falle einer Flugdienstuntauglichkeit nicht erreichbar sind. Die Beklagte konnte per Direktionsrecht keinen Arbeitsplatz, der von den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen abgedeckt war, mehr zuweisen. Denn nach dem Arbeitsvertrag war die Klägerin ausschließlich für Tätigkeiten im Flugbetrieb eingestellt worden. Nur für diese Tätigkeiten konnte sie vorübergehend an andere Konzernunternehmen entliehen werden. Durch Direktionsrecht abgeändert werden konnte nach dem Arbeitsvertrag lediglich der Einsatzflughafen. Tätigkeiten am Boden waren damit vom Direktionsrecht nicht gedeckt. Damit war auf jeden Fall eine Zustimmung der Klägerin zum Einsatz im Bodenbetrieb Voraussetzung, um das Arbeitsverhältnis dort fortzusetzen. Eine solche Zustimmung hat die Beklagte von der Klägerin verlangt, bevor die Arbeitsplatzsuche in Gang gesetzt wurde.

Eine solche Zustimmung hat die Klägerin aber nicht erteilt. Der Zugang ihrer Zustimmung zur Suche nach einem Boden-Arbeitsplatz ist streitig geblieben. Die insoweit beweisbelastete Klägerin hat keinen Beweis angetreten und insbesondere die Rücksendung des Zustimmungsschreibens per Einschreiben nicht nachgewiesen.

Zudem hat ihr Prozessbevollmächtigter bei Klageerhebung ausdrücklich geltend gemacht, die Klägerin sei nicht flugdienstuntauglich und müsse deshalb im Luftfahrtbetrieb weiterbeschäftigt werden. Wäre die Klägerin mit einem Bodeneinsatz einverstanden gewesen, hätte sie dies spätestens in der Klageschrift zum Ausdruck bringen können. Dies ist jedoch nicht erfolgt.

Es war der Beklagten nicht zuzumuten für die Klägerin, der die freien und zu besetzenden Arbeitsplätze aufgrund der betriebsinternen Ausschreibungen ohnehin bekannt sein durften und auf die sie sich nicht beworben hat, ein umfangreiches und arbeitsintensives Verfahren zur Suche eines Arbeitsplatzes einzuleiten, wenn die Klägerin sich nicht zuvor mit den generell am Boden bestehenden Arbeitsbedingungen insbesondere dem für das Bodenpersonal gültigen Tarifvertrag, der Änderung der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung und dem Wegfall der zahlreichen mit dem Flugbetrieb verbundenen Zulagen einverstanden erklärt. Eine solche Einverständniserklärung ist bis heute nicht abgegeben worden. Vielmehr hat die Klägerin zu Ausdruck gebracht, dass sie die Absenkung der Vergütung auf Grund tarifgerechter Eingruppierung in den Bodentarifvertrag nicht für zumutbar hält. Da alle im Bodenbereich verfügbaren Arbeitsplätze außerhalb des Direktionsrechts der Beklagten lagen, lag es im berechtigten Interesse der Beklagten, von der Klägerin vorab eine Zustimmung zu den am Boden gültigen Arbeitsvertragsbedingungen zu erhalten, bevor die Arbeitsplatzsuche gestartet wurde.

Da es somit an einer erforderlichen Mitwirkungshandlung der Klägerin fehlt, war die Beklagte nicht in der Lage, der Klägerin innerhalb der Auslauffrist einen Boden-Arbeitsplatz anzubieten. Sie war auch nicht verpflichtet, die Suche nach dem Boden-Arbeitsplatz einzuleiten, bevor die allgemeine Zustimmung der Klägerin zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den im Bodenbetrieb allgemein geltenden Arbeitsbedingungen vorlag.

6.
Das Arbeitsverhältnis ist zum 30.09.2016 mit richtiger Frist aus § 22 Abs. 2 MTV beendet worden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat am 23.08.2011 begonnen. Zuvor unterlag die Klägerin nicht dem Direktionsrecht der Beklagten, sondern hatte einen Schulungsvertrag mit dieser abgeschlossen. Da es sich auch nicht um eine Ausbildung in einem Ausbildungsberuf handelte, ist die Zeit der Schulung nicht zum Arbeitsverhältnis zu addieren. Vielmehr war das Zu-Stande-Kommen eines Arbeitsvertrages bis zum Ablauf der Schulung offen. Es handelte sich letztlich um eine verlängerte und ausgedehnte Prüfung der Berufseignung durch die Beklagte ähnlich einem Assessment Center.

7. Anhörung der Bordvertretung

Die Anhörung der Bordvertretung vor Mitteilung des Bedingungseintritts war nicht erforderlich. Der Tarifvertrag über die Einrichtung der Bordvertretung sieht eine Mitwirkung/ Mitbestimmung bei Eintritt einer Befristung oder Bedingung nicht vor. Das Beendigungsschreiben stellt keine Kündigung sondern die Information über den Eintritt der Bedingung, die in § 15 Abs. 2 i.V.m. § 21 TzBfG geregelt ist, dar.

8. Anspruch auf Zwischenzeugnis

Da das Arbeitsverhältnis beendet wurde, war auch die Verurteilung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses abzuweisen. Das Schlusszeugnis ist nicht im Streit.

9. Anschlussberufung

Die mit der Anschlussberufung durch die Klägerin verfolgten weiteren Feststellungsanträge sind aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils als unzulässig abzuweisen. Das Schreiben vom 21.07.2016 rührt nicht von der Personalabteilung der Beklagten sondern vom medizinischen Dienst der Beklagten her. Das Schreiben vom 29.07.2016 war an die Krankenkasse der Klägerin gerichtet und wurde der Klägerin lediglich in Kopie durch die Krankenkasse zur Verfügung gestellt. Der Antrag zu vier aus der Klageschrift ist letztlich im Antrag zu 3 bei richtiger Auslegung enthalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Referenznummer:

R/R7929


Informationsstand: 19.11.2018