A. Die Berufung des Klägers ist zulässig, denn sie ist gemäß § 64
Abs. 2c)
ArbGG statthaft und wurde innerhalb der Fristen des § 66
Abs. 1
ArbGG ordnungsgemäß und fristgerecht eingelegt und begründet.
B. Die Berufung ist begründet. Die Kündigung vom 24.10.2011 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst. Es liegen keine hinreichenden im Rahmen der Prüfung der sozialen Rechtfertigung nach
§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG berücksichtigungsfähigen Gründe in der Person des Klägers vor, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegen stehen.
I. Die soziale Rechtfertigung einer Beendigungskündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen oder wegen langanhaltender Erkrankung ist in drei Stufen zu prüfen. Innerhalb der einzelnen Prüfungsschritte können sich mit Blick auf die Eigenart des Kündigungsgrundes gewisse Unterschiede ergeben. Danach ist zunächst auf der ersten Stufe eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands erforderlich. Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit müssen zudem (zweite Stufe) zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung ist auf der dritten Stufe zu prüfen, ob die erheblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betrieblichen Ursachen beruhen, ferner ist auf das Alter des Arbeitnehmers und darauf Bedacht zu nehmen, wie lange das Arbeitsverhältnis ungestört verlaufen ist (
vgl.:
BAG, Urt. v. 22.10.2015 - 2 AZR 550/14 - m. w. N.).
II. Selbst wenn man im Falle des Klägers von einer negativen Gesundheitsprognose ausgeht, so wurde seitens der Beklagten nach Auffassung der Berufungskammer eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen durch die Übertragung von Aufgaben des Klägers auf die Arbeitskollegen nicht hinreichend dargetan.
Es ist dem Vorbingen der Beklagten nicht klar zu entnehmen, welche konkreten Aufgaben dem Kläger zuletzt vor Kündigungsausspruch überhaupt noch oblagen. Nicht dargetan ist, welcher Rückstau an Arbeiten zu erledigen war. Unklar ist, welche Aufgaben aus dem Aufgabenkatalog des Klägers der Kollege R ab wann übernommen hat und inwieweit sich dies ursächlich auf sein Arbeitszeitkonto ausgewirkt hat. Es bleibt offen, ab wann welche Hilfeleistung des Arbeitskollegen N erfolgte. Es ist nicht nachvollziehbar, inwieweit diese Zusatzleistungen für der Anstieg des Überstundenkontos verantwortlich waren. Sowohl der Mitarbeiter R als auch der Mitarbeiter N hatten bereits seit dem Jahr 2008 kontinuierlich Überstunden angesammelt, wie der von der Beklagten eingereichten Aufstellung (Bl. 837 d. A.) zu entnehmen ist, ohne dass ein konkreter Sachzusammenhang mit dem Tätigkeitsbereich des Klägers erkennbar ist. Auch die Unterstützungsleistungen des Arbeitskollegen L ab September 2009 sind nicht näher konkretisiert, ihre Ursächlichkeit auf das Überstundenkonto nicht plausibel. Welche Planungen und Dispositionen durch die Fehlzeiten des Klägers erschwert wurden, welche Umorganisationen notwendig wurden, hat die Beklagte nicht im Einzelnen vorgetragen.
III. Hinsichtlich der sozialen Rechtfertigung der Kündigung kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg auf eine dauerhafte Leistungsunmöglichkeit des Klägers oder sonstige damit verbundene Begleitumstände berufen.
1. Der Arbeitgeber muss im Rahmen der Anhörung nach
§ 102 Abs. 1 BetrVG dem Betriebsrat die Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungsentschluss hat er regelmäßig unter Angabe von Tatsachen so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe prüfen kann. Teilt der Arbeitgeber dem Betriebsrat kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen nicht mit, weil er auf sie die Kündigung nicht stützen will, wird die Anhörung dadurch nicht fehlerhaft. In diesem Fall ist es dem Arbeitgeber aber verwehrt, die fraglichen Gründe im Kündigungsschutzprozess nachzuschieben (
BAG, Urt. v. 22.02.2012 - 2 AZR 773/10 - m. w. N.). Dies gilt für jene Gründe, die über eine bloße Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen (
BAG, Urt. v. 24.03.2011 - 2 AZR 790/09 - m. w. N.). Das gilt zwar nicht für Tatsachen, die der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei der Anhörung nicht mitgeteilt hat, die diesem aber bekannt sind. Jedoch muss der Betriebsrat auch bei Kenntnis der weiteren Tatsachen zumindest erfahren, auf welchen kündigungsrechtlich relevanten Tatsachenkomplex die Kündigung gestützt wird (
BAG, Urt. v. 11.12.2003- 2 AZR 536/02 - m. w. N.). Ergibt sich
z. B. im Zuge eines Kündigungsschutzprozesses, dass Tatsachen vorliegen, die einen anderen Kündigungsgrund rechtfertigen, die dem Arbeitgeber zwar bei Ausspruch der Kündigung nicht bekannt waren, die aber objektiv schon bei Ausspruch der Kündigung schon gegeben waren, so kann der Arbeitgeber die Gründe nachschieben, wenn er sie vor ihrer Einführung in den laufenden Prozess dem Betriebsrat zur Kenntnis gebracht hat. Der Betriebsrat kann zwar den Ausspruch der bereits erfolgten Kündigung nicht mehr verhindern. Es wird aber sicher gestellt, dass der Betriebsrat
z.B. entlastende Umstände zugunsten des Arbeitnehmers zu Gehör bringen kann (
BAG, Urt. v. 23.05.2013 - 2 AZR 102/12 -).
2. Die andauernde Leistungsunfähigkeit des Klägers unter Bezugnahme auf den Inhalt des erstinstanzlichen Sachverständigengutachten zur Begründung der ordentlichen, personenbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses hat die Beklagte dem Betriebsrat erstmals mit Anhörungsschreiben vom 18.08.2015 unterbreitet. Bereits zuvor hat die Beklagte diesen Kündigungsgrund mehrfach zur Rechtfertigung der streitigen Kündigung in das Verfahren eingeführt. Mit Schriftsatz vom 17.04.2012 hat sie ausgeführt, der Kläger könne wegen seiner Erkrankung auf keine Arbeitsstelle mehr beschäftigt werden. Mit Schriftsatz vom 12.02.2013 hat sie sich auf das Sachverständigengutachten als Beleg dauerhafter Arbeitsunfähigkeit berufen. Im Schriftsatz vom 30.01.2014 hat sie sich auf eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit berufen und mit der Berufungserwiderung vom 07.04.2015 das arbeitsgerichtliche Urteil auf der Grundlage ihres erstinstanzlichen Vortrags dauerhafter Arbeitsunfähigkeit verteidigt. Es handelt sich mithin um Gründe, die mangels vorheriger Kenntnisnahme des Betriebsrates nicht nachgeschoben und daher im Rahmen der Überprüfung der sozialen Rechtfertigung der Kündigung vom 24.10.2011 nicht berücksichtigt werden konnten.
C. Der Auflösungsantrag der Beklagten ist begründet. Das Arbeitsverhältnis war zum 30.06.2012 gegen Zahlung einer Abfindung von 30.000,00
EUR brutto aufzulösen (
§§ 9,
10 KSchG).
I. Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber
i.S.v. § 9
Abs. 1 Satz 2
KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm übertragenen Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage bei Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit gefährdet ist. Zu diesem Zeitpunkt können aufgrund der zeitlichen Entwicklung und damit veränderter tatsächlicher oder rechtlicher Umstände länger zurückliegende Umstände ihre Bedeutung für die erforderliche Zukunftsprognose verloren haben (
BAG, Urt. v. 19.11.2015 - 2 AZR 217/15 - m. w. N.). Auch bewusst wahrheitswidriger Prozessvortrag eines Arbeitnehmers in einem Kündigungsrechtsstreit, den dieser hält, weil er befürchtet, mit wahrheitsgemäßen Angaben den Prozess zu verlieren, sind geeignet, eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der wahrheitswidrige Vortrag letztlich entscheidungserheblich ist. Entscheidend ist, dass der "untaugliche Versuch" eines "Prozessbetrugs" das Vertrauen des Arbeitgebers in die Redlichkeit des Arbeitnehmers irreparabel zerstört (
BAG, Urt. v. 24.05.2018 - 2 AZR 73/18 -). Der Arbeitgeber kann eine Auflösung nach § 9
KSchG nur verlangen, wenn die Kündigung lediglich nach § 1
KSchG sozialwidrig ist (
BAG, Urt. v. 10.11.2005 -
2 AZR 623/04 - m. w. N.).
II. Zur Überzeugung der Berufungskammer steht zum einen fest, dass der Kläger wiederholt versucht hat, auf sein Arbeitsumfeld und in einem Fall auf Dritte zur Durchsetzung seiner persönlichen Interessen mit der Androhung eines Suizides einzuwirken. Zum anderen hat der Kläger bewusst hartnäckig und wahrheitswidrig sein Fehlverhalten prozessual verleugnet. Beide Gründe sind für sich genommen und erst Recht in ihrer Kombination geeignet, die Prognose zu rechtfertigen, dass künftig eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht zu erwarten ist.
1. Der damalige Leiter der Abteilung Arbeitssicherheit, der Zeuge G hat bekundet, dass er im Jahre 2007 einen Anruf des Klägers erhalten habe, in dem es um die persönliche Situation des Klägers bei der Beklagten und um seine private Lage ging. Der Kläger habe gesagt, dass er auf einer Brücke stehe und sich das Leben nehmen wolle. Am Anfang des Gesprächs sei ihm - dem Zeugen - nicht klar gewesen, ob die Androhung ernst gemeint gewesen sei. Er habe etwa eine halbe Stunde gebraucht, um den Kläger zu beruhigen und erst dann vom ihm erfahren, dass er nicht auf einer Brücke stehe und die Suizidankündigung nicht ernst gemeint gewesen sei.
2. Der damalige Teamleiter des Klägers, der Zeuge F hat ausgesagt, der Kläger habe wiederholt in Stresssituationen Äußerungen getätigt wie "dann kann ich mich je gleich erschießen" oder "ich habe schon gedacht sterben müssen wir alle, dann ist das auch egal". Er habe die Aussagen nicht ernst genommen. Aufgrund mehrfacher Anrufe des Klägers sei aufgrund der klägerischen Reaktionen bei ihm der Eindruck entstanden, dass der Kläger belastet sei und sich mit solchen Themen auch beschäftige. Als dann im August 2008 aufgrund eines Datenverlustes der Kläger ihn angerufen habe und aus Sicht des Zeugen die Verzweiflung des Klägers spürbar gewesen sei und dies mit der Äußerung eines Sprungs von De Brücke verbunden gewesen sei, habe er sich ernsthaft belastet gefühlt und nach seinem Bauchgefühl sei es anders als bei sonstigen Konfliktsituationen gewesen. Eine scherzhafte Bemerkung habe er nicht wahrgenommen, an einen Sprung von der Brücke zum Zwecke der Abkühlung könne er sich nicht erinnern.
3. Der Zeuge La hat bekundet, der Kläger habe sich an ihn telefonisch im Jahre 2011 in seiner Funktion als Aufsichtsratsmitglied gewandt. Der Kläger habe gewollt, dass der Zeuge auf den Gewerkschaftsvorsitzenden Bs einwirke, damit sich dieser wiederum im Aufsichtsrat für den Kläger im Hinblick auf dessen konkrete Arbeitssituation einsetze. Der Kläger habe sinngemäß gesagt, wenn jetzt nicht die Hilfe von ver.di komme, nehme er sich das Leben.
4. Der damalige Arbeitsdirektor, der Zeuge Wi , hat ausgesagt, dass der Zeuge La ihn angerufen habe und ihm mitgeteilt habe, dass der Kläger stark suizidgefährdet sei.
5. Die Zeugin H , betriebliche Sozialberatung, hat nach Einsicht in ihre Unterlagen und aus ihrer Erinnerung bekundet, dass der Kläger den Zeugen La angerufen und Selbstmordabsichten geäußert haben soll. Der Zeuge La habe sich wiederum an den Zeugen Wi gewendet, der wiederum den Leiter der Arbeitsmedizin angerufen habe. Der Leiter der Arbeitsmedizin habe die Zeugin beauftragt, nachzuhören, was da los sei. Der aufgebrachte Kläger habe ihr klar gemacht, dass er sich durch die Nachfrage belästigt fühle. Sie könne sich nicht mehr daran erinnern, ob der Kläger bestätigt oder abgestritten habe, Selbstmordabsichten geäußert zu haben.
6. Für die Kammer sind die Aussagen der vorgenannten Zeugen glaubhaft, erhebliche Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit bestehen nicht.
a) Richtig ist, dass sämtliche Aussagen auch von zeitlichen Ungenauigkeiten oder auch durch mangelnder Erinnerung an Einzelheiten der Gesprächsinhalte gekennzeichnet waren. Dies erscheint angesichts des Zeitablaufs verständlich und zeigt eher das Bemühen der Zeugen, wahrheitsgemäß auszusagen. Es ist nachvollziehbar, wenn über einen längeren Zeitraum die Erinnerung an Einzelheiten schwindet, jedoch der Kern eines ungewöhnlichen Geschehens, wie die Ankündigung eines Suizides, erhalten bleibt.
b) Die Aussage des Zeugen G zum Vorfall des Jahres 2007 überzeugt. Der Zeuge hat den Kontext des Anrufes hinreichend dargestellt. Er konnte sich an das halbstündige Telefonat gut erinnern, weil ihm am Anfang nicht klar war, ob die Ankündigung ernst gemeint war. Er hat nachvollziehbar im Anschluss an den Vorfall sich beim Kläger vergewissert, ob die Androhung ernst gemeint war. Er ist davon ausgegangen, dass der Kläger einen Suizid nicht ernsthaft begehen wollte, weil der Kläger ihm dies klar gesagt hat. Der Zeuge hat zahlreiche Gespräche geschildert, in denen er immer wieder versucht hat, den Kläger zu beruhigen. Der Zeuge war um die Wahrheit bemüht. Er hat nicht nur seine Hilfestellungen geschildert und sein Mitleid aufgrund der schweren Kindheit des Klägers, von der er erfahren hatte, bekundet, sondern unumwunden klar gemacht, dass bei ihm auch Wut da war, wenn
z. B. der Kläger sich gegenüber dem Vorstandsvorsitzenden beklagt hatte, er - der Zeuge - sei keine gute Führungskraft.
c) Die Aussage des Zeugen F bestätigt ebenfalls hinreichend die Ankündigung eines Suizids im August 2008. Der Zeuge hat erläutert, dass er nicht nur den Kläger beruhigt hat, sondern versucht hat, die betriebliche Sozialberatung zu kontaktieren. Nachdem er dort telefonisch niemand erreicht hat, hat er in Abstimmung mit dem Kläger ein Gespräch mit der nebenberuflichen Sozialberaterin Bo vermittelt. Dieser Geschehensablauf spricht bereits gegen die Annahme einer scherzhaften oder nur missverständlichen Äußerung des Klägers. Die Kammer glaubt dem Zeugen F , dass er die Androhung aus seiner Sicht ernst genommen hat und unsicher war. Die Aussage des Zeugen war glaubwürdig, eine Belastungstendenz nicht erkennbar. So gab der Zeuge Erinnerungslücken in relevanten Teilbereichen, wie der angeblichen Bemerkung des Klägers, er springe von der De Brücke, um sich abzukühlen, oder den Inhalt des weiteren Gesprächs mit dem Zeugen G sofort zu erkennen. Die Aussage des Zeugen F zur Androhung eines Suizids wird klar und deutlich untermauert durch die Bekundung des Zeugen G . Dieser vermochte sich daran zu erinnern, dass der Zeuge F einen Tag nach dem Vorfall im August 2008 zu ihm in sein Büro gekommen war. Er hatte den Eindruck, dass der Zeuge F sehr aufgeregt war und unter einem psychologischen Schock stand. Der Zeuge F schilderte ihm, dass der Kläger von der Brücke springen und sich das Leben nehmen wolle. Von einem Sprung zur "Abkühlung" war keine Rede. Auch in dem anschließenden Gespräch zwischen dem Zeugen G und dem Kläger über diesen Vorfall, kam weder ein Sprung zur "Abkühlung" noch eine angeblich scherzhafte oder missverständliche Äußerung zur Sprache. Vielmehr hat der Kläger dem Zeugen G in dem eineinhalbstündigen Gespräch verdeutlicht, dass er nie die Absicht gehabt hat, Selbstmord zu begehen. Der Zeuge G hat glaubhaft bekundet, dass er erstmals in seiner gerichtlichen Zeugenvernehmung von einem Sprung in den Rhein zur "Abkühlung" gehört hat.
d) Entgegen der Behauptung des Klägers ist die Kammer auch davon überzeugt, dass der Zeuge La wahrheitsgemäß bekundet hat, dass der Kläger im Jahre 2011 versucht hat, mit einer Selbstmordandrohung Druck auf den Zeugen auszuüben, damit sich die Verantwortlichen der Gewerkschaft zu seinen Gunsten im Aufsichtsrat der Beklagten engagieren. Hierfür spricht nicht nur die Aussage des Zeugen, der in keiner konfliktbeladenen Beziehung mit dem Kläger stand, sondern auch die von den Zeugen Wi und H geschilderten Aktionen nach der Information durch den Zeugen La . Die Behauptung des Klägers, er habe den Zeugen La im Rahmen einer gewerkschaftlichen Rechtsvertretung kontaktiert, überzeugt weder aufgrund des Inhalts des bekundeten Gesprächs noch aufgrund der Funktion des Zeugen, der für eine solche Rechtsvertretung offenkundig nicht zuständig war.
e) Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass der Kläger wiederholt versucht hat, auf sein Arbeitsumfeld und in einem Fall auf Dritte zur Durchsetzung seiner persönlichen Interessen mit der Androhung eines Suizides einzuwirken. Die Basis für eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit ist entfallen. Dies wird verstärkt, durch das hartnäckige und wahrheitswidrige Leugnen des Klägers, welches jegliche Einsicht in das gravierende Fehlverhalten vermissen lässt.
7. Die Kündigung vom 24.10.2011 ist auch nicht unwirksam wegen einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrates nach § 102
Abs. 1
BetrVG.
a) Die Beklagte hat dem Betriebsrat die aus ihrer Sicht maßgeblichen Kündigungsgründe im Anhörungsschreiben vom 14.10.2011 mitgeteilt. Kündigungsgründe waren nach der subjektiven Sicht der Beklagten die überdurchschnittlich hohen Krankenausfallzeiten mit der Folge der Erschwernisse bei Planung und Disposition und Überschreiten der Belastungsgrenzen der Arbeitskollegen aufgrund übernommener Zusatzaufgaben des Klägers. Der Betriebsrat konnte sich ein hinreichendes Bild über die Kündigungsgründe machen. Die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers im Rahmen von § 102
Abs. 1 Satz 2
BetrVG reicht nicht so weit wie seine Darlegungslast im Prozess (
BAG, Urt. v. 26.03.2015 - 2 AZR 417/14 - m. w. N.). Eine Verpflichtung, dem Betriebsrat vorhandene schriftliche Unterlagen auszuhändigen, besteht im Allgemeinen nicht (
BAG. Urt. v. 10.11.2005 -
2 AZR 44/05 - m. w. N.).
b) Die Beklagte hat in der Anhörung weder ausdrücklich noch konkludent behauptet, sie habe sämtliche betrieblichen Regelungen zum bEM eingehalten. Sie hat sich vielmehr erkennbar darauf beschränkt, die zuletzt geführten bEM-Gespräche und die Reaktion des Klägers aufzulisten. Sie hat sich nicht zur Rechtfertigung ihrer Kündigung darauf berufen, dass die vom Kläger aufgezeigten betrieblichen Regelungen erfüllt worden seien oder ein Wechsel im Konzern geprüft worden sei. Auch die vom Kläger monierte Nichtvorlage des Gutachtens vom 30.09.2009 führt nicht zur unwirksamen Anhörung des Betriebsrats. Weder hat die Beklagte dem eine "entlastende" Wirkung zugunsten des Klägers als Grundlage bewusster Fehlinformation beigemessen noch ist durch das Vorenthalten ein falscher Eindruck beim Betriebsrat erzeugt worden. Auch dem Betriebsrat war die belastete Situation zwischen Kläger und Vorgesetzten/Arbeitskollegen bekannt, wie sich
z.B. aus seiner Stellungahme im Rahmen des Zustimmungsverfahrens beim
LVR-Integrationsamt entnehmen lässt. Laut Begründung der Entscheidung vom 12.10.2011 hat sich der Betriebsrat dahin gehend eingelassen, dass der Kläger den täglichen Belastungen seiner Arbeit nicht gewachsen sei. Auch nach therapeutischer Behandlung sei der Kläger nach wie vor ein sehr kranker Mensch und nicht arbeitsfähig. Ein Verbleib in der Abteilung sei unmöglich, aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Klägers sei weder dem Arbeitgeber noch Arbeitskollegen in einer anderen Abteilung die Zusammenarbeit zumutbar.
III. Hinsichtlich der Höhe der Abfindung war zugunsten des Klägers neben dem monatlichen Gehaltsbetrag dessen erhebliche Beschäftigungsdauer zu berücksichtigen. Ferner hat die Kammer in Rechnung gestellt, dass der Kläger aufgrund des Grades und der Art seiner Behinderung und seinem Lebensalter nur mit erheblichen Schwierigkeiten einen anderen seiner beruflichen Qualifikation entsprechenden Arbeitsplatz finden kann. Auf der anderen Seite fiel zugunsten der Beklagten ins Gewicht, dass sie trotz jahrelanger erheblicher krankheitsbedingter Fehlzeiten und der erheblichen Arbeitsplatzkonflikte das Arbeitsverhältnis fortgesetzt hat. Die Beklagte hat nicht rücksichtslos ihre eigenen Interessen verfolgt, sondern war auch um die Wahrung des sozialen Schutzes des Klägers bemüht. Sie hat nach dem ersten Antrag zur Zustimmung einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 27.10.2008 dem Kläger eine zweite Chance gewährt. Nach erfolgter teilstationärer Behandlung hat sie die stufenweise Wiedereingliederung durchgeführt, den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zurückgenommen und das Arbeitsverhältnis fortgesetzt. Schließlich war im Rahmen der Abwägung zu Lasten des Klägers sein eigenes Auflösungsverschulden von Bedeutung. Bei der Bemessung einer Abfindung nach § 10
KSchG ist ggfs. erhebliches Auflösungsverschulden abfindungsmindernd zu berücksichtigen (
BAG, Urt. v. 24.05.2018- 2 AZR 73/18 - m. w. N.). Der Kläger musste sich zurechnen lassen, dass er wiederholt versucht hat, auf sein Arbeitsumfeld und in einem Fall auf Dritte zur Durchsetzung seiner persönlichen Interessen mit der Androhung eines Suizides einzuwirken. Dabei handelt es sich um ein bewusstes, wiederkehrendes, Fehlverhalten von erheblichem Gewicht, welches durch sein hartnäckiges Leugnen im Prozess verstärkt wurde. Vor diesem Hintergrund war eine Minderung der Abfindung auf 30.000,--
EUR geboten.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92
Abs. 1
ZPO.
D. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72
Abs. 2
ArbGG nicht vorliegen.