Urteil
Auflösende Bedingung - Bedingungskontrollklage - Erwerbsminderungsrente

Gericht:

LAG Rheinland-Pfalz 5. Kammer


Aktenzeichen:

5 Sa 14/19


Urteil vom:

06.06.2019


Grundlage:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11. Dezember 2018, Az. 11 Ca 1767/18, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis nach § 33 Abs. 2 TV-L aufgrund Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung geendet hat.

Die im Dezember 1954 geborene Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Sie ist seit vielen Jahren bei dem beklagten Land im Geschäftsbereich des Landesamtes für Vermessung und Geobasisinformation zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 2.459,26 angestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen des Tarifvertrages des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) Anwendung. Die Klägerin, die ab 01.09.2020 die Regelaltersrente (mit 65 Jahren und 8 Monaten) beanspruchen kann, bezieht seit dem 01.08.2006 von der Deutschen Rentenversicherung Bund ununterbrochen eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Bescheid vom 08.03.2007 wurde ihr diese Rente rückwirkend ab 01.08.2006 zeitlich befristet bis zum 31.07.2009 zuerkannt. Der Rentenbezug wurde in der Folgezeit mehrfach bis zum 31.07.2012, 31.07.2015 und 31.07.2018 - jeweils auf Zeit - verlängert. Zuletzt wurde der Klägerin mit bestandskräftigem Rentenbescheid vom 07.03.2018 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum 31.08.2020 bewilligt. Der Rentenbescheid lautet auszugsweise:

"Ihre Rente wegen voller Erwerbsminderung wird weiterhin auf Zeit bis zum 31.08.2020 geleistet.
...
Ende Ihrer Rente:
Die Regelaltersgrenze wird am 08.08.2020 erreicht.
Dieser Rentenanspruch besteht längstens bis zum 31.08.2020. Das ist das Ende des Monats, in dem die Regelaltersgrenze erreicht wird. Im Anschluss besteht ein Anspruch auf Regelaltersrente. ..."

Das beklagte Land ist der Ansicht, das Arbeitsverhältnis habe mit Ablauf des 31.03.2018 geendet. Da der Klägerin die Rente wegen voller Erwerbsminderung laut bestandskräftigem Rentenbescheid vom 07.03.2018 bis zum Anspruch auf Regelaltersrente bewilligt worden sei, werde ihr eine Dauerrente gewährt. Mit Schreiben vom 22.05.2018, der Klägerin am 25.05.2018 zugegangen, teilte das beklagte Land der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis gem. § 33 Abs. 2 TV-L rückwirkend mit Ablauf des 31.03.2018 geendet habe.

Mit ihrer am 20.06.2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen und dem beklagten Land am 29.06.2018 zugestellten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Arbeitsverhältnis habe nicht nach § 33 Abs. 2 TV-L geendet. Mit Rentenbescheid vom 07.03.2018 sei ihr lediglich eine bis zum 31.08.2020 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden. Deshalb sei die auflösende Bedingung des § 33 Abs. 2 TV-L nicht eingetreten, vielmehr ruhe ihr Arbeitsverhältnis. Abgesehen davon habe das beklagte Land keine Zustimmung des Integrationsamts eingeholt. Schließlich bestreite sie rein vorsorglich, dass sie bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze erwerbsgemindert bleibe. Tatsächlich sei sogar wahrscheinlich, dass durch laufende Therapien eine relevante Steigerung ihres Leistungsvermögens eintreten werde.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht gemäß § 33 Abs. 2 TVöD mit Ablauf des 31.03.2018 endete.

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.12.2018 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe gem. § 33 Abs. 2 TV-L mit Bewilligung der vollen Erwerbsminderungsrente mit Ablauf des 31.03.2018 sein Ende gefunden. Denn die Erwerbsminderungsrente sei der Klägerin solange zugesprochen worden, bis sie das gesetzlich festgelegte Alter für den Bezug einer Regelaltersrente vollendet habe. Bei Verwendung dieser in den Rentenbescheiden der Deutschen Rentenversicherung üblichen Formulierung werde im Ergebnis eine unbefristete Erwerbsminderungsrente bewilligt, die gem. § 33 Abs. 2 TV-L zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führe (vgl. Breier/Dassau/Kiefer u.a. TV-L § 33 Rn. 187 - 4.1.6 Rentengewährung "auf Dauer"). Diese Praxis fuße nicht zuletzt darauf, dass ein Anspruch auf Bewilligung einer - auch auf unbestimmte Zeit bewilligten - Erwerbsminderungsrente gem. § 43 Abs. 2 SGB VI ohnehin nur bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bestehe. Die Beteiligung des Integrationsamts sei nicht erforderlich gewesen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 11.12.2018 Bezug genommen.

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 03.01.2019 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 14.01.2019 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen des § 33 Abs. 2 TV-L seien nicht erfüllt, weil ihre Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht zeitlich unbegrenzt bewilligt worden sei. Die Rente sei nach dem eindeutigen Wortlaut des Bescheids vom 07.03.2018 "weiterhin auf Zeit" bewilligt worden. Die dreiwöchige Klagefrist der §§ 21, 17 TzBfG habe nicht zu laufen begonnen, weil das beklagte Land keine Zustimmung des Integrationsamts eingeholt habe.

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich,

das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 11.12.2018, Az. 11 Ca 1767/18, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht gem. § 33 Abs. 2 TV-L mit Ablauf des 31.03.2018 endete.

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Es verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

Rechtsweg:

ArbG Koblenz, Urteil vom 11.12.2018 - 11 Ca 1767/18

Quelle:

Landesrecht Rheinland-Pfalz

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 33 Abs. 2 TV-L aufgrund der Zustellung des Rentenbescheids der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 07.03.2018 über die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung am 31.03.2018 geendet hat. Die in § 33 Abs. 2 TV-L bestimmte auflösende Bedingung ist wirksam und eingetreten.

1. Die auflösende Bedingung gilt bereits nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam und eingetreten, weil die Klägerin nicht rechtzeitig innerhalb von drei Wochen Klage erhoben hat.

a) Nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG gilt eine auflösende Bedingung als wirksam und als zu dem in der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber angegebenen Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung als eingetreten, wenn der Arbeitnehmer die Rechtsunwirksamkeit der auflösenden Bedingung und deren Nichteintritt zu dem in der schriftlichen Unterrichtung angegebenen Zeitpunkt nicht innerhalb der Dreiwochenfrist nach §§ 21, 17 Satz 1 und Satz 3, § 15 Abs. 2 TzBfG gerichtlich geltend gemacht hat (vgl. BAG 20.06.2018 - 7 AZR 689/16 - Rn. 38 mwN).

Die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG beginnt bei Bedingungskontrollklagen grundsätzlich mit dem Tag, an dem die auflösende Bedingung eingetreten ist. Da der auflösend bedingte Arbeitsvertrag nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der Bedingung endet, wird in den Fällen, in denen die Bedingung bereits vor Ablauf der Zweiwochenfrist eingetreten ist, die Klagefrist gemäß §§ 21, 17 Satz 1 und Satz 3, § 15 Abs. 2 TzBfG erst mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Eintritts der Bedingung beendet, in Lauf gesetzt (vgl. BAG 20.06.2018 - 7 AZR 689/16 - Rn. 39 mwN).

b) Danach hat die Klägerin die Klagefrist für die Bedingungskontrollklage nicht gewahrt. Die Klagefrist begann mit Zugang des Schreibens des Präsidenten des Landesamtes über den Eintritt der auflösenden Bedingung vom 22.05.2018 am 25.05.2018. In diesem Schreiben wurde der Klägerin mitgeteilt, ihr Arbeitsverhältnis habe infolge des Rentenbescheids vom 07.03.2018 mit dem 31.03.2018 geendet. Die dreiwöchige Klagefrist endete daher am 15.06.2018 (§ 187 Abs. 1 Satz 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Die Klage ist erst am 20.06.2018 beim Arbeitsgericht eingegangen. Die dreiwöchige Klagefrist ist damit nicht gewahrt.

c) Entgegen der Ansicht der Berufung ist die Fiktion der §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG eingetreten, obwohl das beklagte Land um die Schwerbehinderung der Klägerin wusste und dennoch keine Zustimmung des Integrationsamts vor der erstrebten Beendigung durch auflösende Bedingung einholte. § 175 SGB IX sieht vor, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen auch dann der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts bedarf, wenn sie ua. im Fall der Erwerbsminderung auf Zeit ohne Kündigung erfolgt. In diesem Fall ist § 4 Satz 4 KSchG analog anzuwenden (vgl. zur früheren Regelung in § 92 SGB IX: BAG 09.02.2011 - 7 AZR 221/10 - Rn. 18 ff mwN). Im Streitfall liegt - wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen - eine volle und dauernde Erwerbsminderung der Klägerin vor, bei der es folglich einer Zustimmung des Integrationsamts nicht bedarf.

2. Die auflösende Bedingung in § 33 Abs. 2 TV-L ist wirksam.

a) Die durch diese Tarifvorschrift (ebenso § 33 Abs. 2 TVöD) angeordnete Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf unbestimmte Dauer ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht durch einen Sachgrund iSv. §§ 21, 14 Abs. 1 TzBfG gerechtfertigt. Sie bewirkt keine nach § 7 Abs. 2 AGG unzulässige Benachteiligung wegen einer Behinderung (vgl. BAG 20.06.2018 - 7 AZR 737/16 - Rn. 34 mwN).

b) Im Streitfall ist die auflösende Bedingung eingetreten. Das Arbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin mit dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 07.03.2018 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt wurde. Der Klägerin wurde keine Rente auf Zeit iSv. § 33 Abs. 2 Satz 5 TV-L gewährt.

Entgegen der Ansicht der Klägerin handelt es sich nicht deshalb um eine Rente auf Zeit, weil die Rente nach dem Wortlaut des Rentenbescheids vom 07.03.2018 "weiterhin auf Zeit" bis zum 31.08.2020 (Monat des Erreichens der Regelaltersgrenze) bewilligt wurde. Nach § 43 Abs. 2 SGB VI wird die Erwerbsminderungsrente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze bewilligt. Ab diesem Zeitpunkt erhält der Arbeitnehmer Altersrente, so dass dauerhaft eine rentenrechtliche Absicherung gewährleistet ist. Die in § 43 Abs. 2 SGB VI vorgesehene Änderung der Rentenart macht die Erwerbsminderungsrente nicht zu einer Rente auf Zeit iSv. § 33 Abs. 2 Satz 5 TV-L (vgl. BAG 20.06.2018 - 7 AZR 737/16 - Rn. 36 mwN). Eine Erwerbsminderungsrente auf Zeit wird nach § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB VI für längstens drei Jahre bewilligt. Sie kann nach § 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI verlängert werden, wobei Verlängerungen für längstens drei Jahre nach Ablauf der vorherigen Frist erfolgen (§ 102 Abs. 2 Satz 4 SGB VI). Um eine derartige Rente auf Zeit, die nach § 33 Abs. 2 Satz 5 und Satz 6 TV-L nicht zur Beendigung, sondern nur zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses führt, handelt es sich bei der der Klägerin mit Bescheid vom 07.03.2018 bewilligten Erwerbsminderungsrente nicht. Der Klägerin wurde die Rente bis zum 31.08.2020, dem Zeitpunkt, zu dem sie mit 65 Jahren und 8 Monaten die Regelaltersgrenze erreicht, bewilligt. Ab diesem Zeitpunkt erhält die Klägerin Altersrente. Die Änderung der Rentenart führt nicht dazu, dass eine auf unbestimmte Dauer bewilligte Rente wegen Erwerbsminderung als befristet anzusehen ist (vgl. BAG 10.12.2014 - 7 AZR 1002/12 - Rn. 30).

c) Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bedurfte nicht der Zustimmung des Integrationsamts nach § 175 SGB IX. Diese Vorschrift kommt bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung wegen des Eintritts der vollen Erwerbsminderung auf Dauer weder unmittelbar noch entsprechend zur Anwendung (vgl. BAG 20.06.2018 - 7 AZR 737/16 - Rn. 38 mwN).

d) Darauf, dass die Klägerin, die bereits seit über 12 Jahren (ab 01.08.2006) ununterbrochen Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, lediglich pauschal und vage behauptet, dass durch laufende Therapien vor dem 31.08.2020 eine "relevante Steigerung ihres Leistungsvermögens" erreicht werden könne, kommt es nicht an. Der Rentenbescheid vom 07.03.2018 ist bestandskräftig. Eine Aufhebung des Rentenbescheids wird nur ausnahmsweise in Betracht kommen. Der Arbeitgeber darf nach Eintritt der formellen Rechtskraft auf die Bestandskraft des Rentenbescheids vertrauen (vgl. BAG 23.03.2016 - 7 AZR 827/13 - Rn. 28 mwN).


III.

Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, weil hierfür die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 72 Abs. 2 ArbGG) nicht vorliegen.

Referenznummer:

R/R8344


Informationsstand: 28.11.2019