Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Beklagte aufgrund der Vorruhestandsvereinbarung vom 6. September 2004 verpflichtet ist, dem Kläger über den 31. Dezember 2010 hinaus bis zum 31. Dezember 2013 monatlich 4.800,00 Euro brutto zu zahlen.
I. Die Klage ist zulässig. Nach § 256
Abs. 1
ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.
1. Der Hauptantrag ist auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses gerichtet. Die Feststellungsklage muss sich nicht auf ein Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis, etwa auf bestimmte Ansprüche beschränken (
BAG 15. April 2014 - 3 AZR 288/12 - Rn. 32 mwN). Der Anspruch auf Zahlung eines Vorruhestandsgelds iHv. 4.800,00 Euro pro Monat im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Dezember 2013 ist mithin ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis (
vgl. auch
BAG 16. Dezember 2008 -
9 AZR 985/07 - Rn. 19, BAGE 129, 72).
2. Das von Amts wegen auch noch in der Revisionsinstanz zu berücksichtigende Feststellungsinteresse ist gegeben.
a) Der mit dem Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit begründete Vorrang der Leistungsklage steht nicht entgegen. Die Möglichkeit der Leistungsklage schließt das Feststellungsinteresse nicht schlechthin aus. Die Prozesswirtschaftlichkeit gestattet Ausnahmen. Die Rechtsprechung ist vom Vorrang der Leistungsklage abgegangen, soweit erst im Laufe des Rechtsstreits die Bezifferung einer Forderung möglich geworden ist (
BAG 18. März 1997 - 9 AZR 84/96 - zu I 1 der Gründe, BAGE 85, 306). Befindet sich der anspruchsbegründende Sachverhalt zu dem Zeitpunkt der Klageerhebung noch in der Fortentwicklung, ist die Feststellungsklage insgesamt zulässig, auch wenn der Anspruch bereits teilweise beziffert werden könnte. Ein Kläger ist nicht gezwungen, zu einer bezifferten Leistungsklage überzugehen, wenn diese erst nachträglich im Laufe des Verfahrens möglich wird (Zöller/Greger
ZPO 30. Aufl. § 256 Rn. 7a). Eine Feststellungsklage ist allgemein dann zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (
BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 19, BAGE 129, 72).
b) Danach ist die Feststellungsklage zulässig. Zum Zeitpunkt des Eingangs der Klage beim Arbeitsgericht am 30. Dezember 2010 war das Vorruhestandsgeld für den Klagezeitraum noch nicht fällig. Dass zum Zeitpunkt der Revisionsentscheidung der streitige Zahlungszeitraum 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2013 vollständig abgelaufen war, ist für das Feststellungsinteresse unerheblich. Maßgebend ist allein, dass das der Vollstreckung nicht zugängliche Feststellungsurteil geeignet ist, den Konflikt endgültig zu lösen und weitere Prozesse zu vermeiden. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit über das "Ob" der Pflicht zur Zahlung von Vorruhestandsgeld in der Zeit zwischen der Vollendung des 60. und des 63. Lebensjahres des Klägers, nicht über die Ausgestaltung der Leistungspflicht selbst (
vgl. BAG 16. Dezember 2008 - 9 AZR 985/07 - Rn. 20, BAGE 129, 72).
II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat gemäß Ziff. 2.1 der Vorruhestandsvereinbarung für die Monate Januar 2011 bis einschließlich Dezember 2013 einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Vorruhestandsgeld iHv. jeweils 4.800,00 Euro brutto.
1. Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld war nicht auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2010 befristet. Dies ergibt die Auslegung von Ziff. 4.1 der Vorruhestandsvereinbarung.
a) Die streitgegenständliche Klausel enthält eine sog. nichttypische Erklärung. § 310
Abs. 3
Nr. 2
BGB ist nicht einschlägig, weil der Kläger auf den Klauselinhalt Einfluss nehmen konnte. Dieser hat selbst vorgetragen, auf seinen Wunsch hin sei Ziff. 4.1 um die Formulierung "das ist nach Rechtslage zur Zeit des Abschlusses dieses Vertrages am 01.01.2011" ergänzt worden.
b) Die Auslegung nichttypischer Erklärungen ist regelmäßig den Tatsachengerichten vorbehalten. Revisionsrechtlich nachprüfbar ist lediglich, ob gesetzliche Auslegungsregeln iSd. §§ 133, 157
BGB, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt sind oder wesentlicher Tatsachenstoff, der für die Auslegung von Bedeutung sein kann, außer Betracht gelassen worden ist. Für die revisionsrechtliche Überprüfung kommt es daher nur darauf an, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung einer nichttypischen Erklärung rechtlich möglich ist, nicht aber, ob sie tatsächlich richtig ist (
BAG 20. März 2014 - 8 AZR 269/13, 8 AZR 560/13 - Rn. 34 mwN). Ist eine Tatsachenfeststellung revisionsrechtlich zu beanstanden, ist der Rechtsstreit zur erneuten Tatsachenermittlung und Auslegung grundsätzlich an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Revisionsgericht darf aber auch nichttypische Verträge selbst auslegen, wenn der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt ist und kein weiteres tatsächliches Vorbringen zu erwarten ist (
BAG 18. Oktober 2011 - 9 AZR 303/10 - Rn. 15 mwN). So verhält es sich hier. Bis auf den nicht entscheidungsrelevanten Umstand der Kenntnis der Rechtsvorgängerin der Beklagten von den Wegzugsplänen des Klägers bei Vertragsschluss sind keine Tatsachen klärungsbedürftig. Weiterer Vortrag der Parteien ist nicht zu erwarten.
c) Die Vorruhestandsvereinbarung enthält kein festes Enddatum. Nach ihrer Ziff. 4.1 erlöschen die Ansprüche aus der Vereinbarung "mit Beginn des Monats, für den Herr B eine gesetzliche Rente wegen Alters, Schwerbehinderung oder Erwerbsminderung beanspruchen kann; das ist nach Rechtslage zur Zeit des Abschlusses dieses Vertrages am 01.01.2011". Diese Regelung kann nicht dahin gehend verstanden werden, dass der Anspruch zwar grundsätzlich endet, wenn der Kläger eine Rente beziehen kann, spätestens aber am 31. Dezember 2010. Vielmehr sollte der Leistungsanspruch nach dem klaren Wortlaut der Klausel nur auflösend bedingt sein für den Fall, dass der Kläger eine gesetzliche Rente wegen Alters, Schwerbehinderung oder Erwerbsminderung beanspruchen kann. Der zweite Halbsatz enthält keine eigenständige auflösende Bedingung, sondern nur eine Wissenserklärung. Anderenfalls hätte die Regelung dahin lauten müssen, dass die Ansprüche aus der Vorruhestandsvereinbarung erlöschen mit Beginn des Monats, für den der Kläger eine gesetzliche Rente wegen Alters, Schwerbehinderung oder Erwerbsminderung beanspruchen kann, spätestens aber am 1. Januar 2011. Klauseln mit einem festen Enddatum hat die Beklagte ausweislich der von ihr selbst vorgelegten Vorruhestandsvereinbarungen mit ihrer Mitarbeiterin G und ihrem Mitarbeiter M in anderen Fällen verwandt. Demgegenüber fehlt in Ziff. 4.1 der Vorruhestandsvereinbarung der Parteien ein festes Enddatum. Dementsprechend sieht Ziff. 2.1 die Zahlung des Vorruhestandsgelds "bis zum gesetzlichen Rentenbeginn" vor.
2. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung des Vorruhestandsgelds ist nicht untergegangen, weil dieser seinen Wohnsitz nach Bolivien verlegt hatte und deshalb ab dem 1. Januar 2011 keine Altersrente wegen Schwerbehinderung beziehen konnte. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass der Kläger entgegen seinen Behauptungen aufgrund seines körperlichen Zustands über dem 31. Dezember 2010 hinaus die Voraussetzungen für die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch erfüllte.
a) Ein Erlöschen des Anspruchs des Klägers auf Zahlung von Vorruhestandsgeld gemäß Ziff. 4.1 der Vorruhestandsvereinbarung mit Ablauf des 31. Dezember 2010 setzt voraus, dass der Kläger ab dem 1. Januar 2011 eine "gesetzliche Rente wegen des Alters, Schwerbehinderung oder Erwerbsminderung" beanspruchen konnte. Dies war nicht der Fall. Insbesondere bestand kein Anspruch auf vorzeitige Altersrente für schwerbehinderte Menschen gemäß § 236a
Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2
SGB VI. Zwar vollendete der am 12. Dezember 1950 geborene Kläger im Dezember 2010 sein 60. Lebensjahr. Weitere Voraussetzung war nach § 236a
Abs. 1 Satz 1
Nr. 2
SGB VI aber die Anerkennung als schwerbehinderter Mensch iSv.
§ 2 Abs. 2 SGB IX zum Zeitpunkt des möglichen Rentenbeginns. Schwerbehindert sind jedoch ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Norm nur solche Personen, die ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz iSd.
§ 73 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich des
SGB IX haben. Hieran fehlt es, weil der Kläger seit Ende 2004 in Bolivien lebt.
b) Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, wonach der Anspruch auf Vorruhestandsgeld grundsätzlich nur bei tatsächlichem Bestehen eines Rentenanspruchs erlischt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch dann, wenn zugunsten der Beklagten davon ausgegangen wird, dass ihre Rechtsvorgängerin
bzw. deren Vertreter bei Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung keine Kenntnis von dem Umzug des Klägers nach Bolivien hatten.
aa) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut der Klausel. Erforderlich ist danach, dass der Kläger eine Rente "beanspruchen kann" und nicht, dass er nach einer Rückkehr nach Deutschland eine derartige Rente "beanspruchen könnte".
bb) Sinn und Zweck der Vereinbarung stützen dieses Verständnis. Der Bezug von Vorruhestandsgeld dient typischerweise dazu, Versorgungslücken zu überbrücken, die dadurch entstehen, dass der Anspruchsberechtigte seine Erwerbstätigkeit bei seinem Arbeitgeber vorzeitig beendet. Der Arbeitnehmer soll regelmäßig wirtschaftlich so lange abgesichert werden, bis er das Alter erreicht, in dem Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gewährt werden (
vgl. BAG 15. Februar 2011 - 9 AZR 750/09 - Rn. 34, BAGE 137, 136). Eine Abweichung von diesem typischen Regelungszweck ist vorliegend nicht erkennbar. Der Kläger sollte danach als wirtschaftliche Absicherung "bis zum gesetzlichen Rentenbeginn" (Ziff. 2.1 Satz 1 der Vorruhestandsvereinbarung) zumindest die vereinbarten 4.800,00 Euro brutto zum Bestreiten des Lebensunterhalts beziehen, wobei anderweitig erhaltene Arbeitsvergütung sowie Sozialleistungen angerechnet werden sollten (Ziff. 5.1 Satz 3). Eine wirtschaftliche Absicherung besteht jedoch nur bei einer tatsächlichen und nicht schon bei einer theoretischen Rentenbezugsberechtigung.
cc) In systematischer Hinsicht verstärkt sich dieser Befund durch die unter Ziff. 5 der Vorruhestandsvereinbarung geregelten "Mitwirkungspflichten" des Klägers. Nach Ziff. 5.3 obliegt es dem Kläger ua., "zum frühestmöglichen Zeitpunkt (auch bei Abschlägen), auch während der Laufzeit dieser Vereinbarung, [einen Antrag auf Altersrente] zu stellen". Auch in Ziff. 4.1 Satz 2 der Vereinbarung wird die Obliegenheit zur Antragstellung genannt. Eine Pflicht
bzw. Obliegenheit zum Wohnsitzwechsel, um die Voraussetzungen eines Rentenbezugs erst herbeizuführen, ist nicht vereinbart.
dd) Eine ergänzende Vertragsauslegung dahin gehend, dass den Kläger eine derartige, nicht ausdrücklich genannte Mitwirkungspflicht treffen sollte, kommt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht in Betracht.
(1) Eine solche Auslegung setzt eine planwidrige Unvollständigkeit der vertraglichen Regelung voraus. Liegt sie vor, tritt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung an die Stelle der lückenhaften Vertragsbestimmung diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Lückenhaftigkeit des Vertrags bekannt gewesen wäre. Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen. Die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags "zu Ende gedacht" werden (
BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 2/13 - Rn. 43 mwN).
(2) Wusste die Personalleiterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts beim Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung, dass der Kläger dauerhaft nach Bolivien auswandern wollte, liegt mangels eines nicht bedachten, unvorhergesehenen Umstands keine planwidrige Lücke vor. Unerheblich ist, ob der Personalleiterin unbekannt war, dass die Auswanderung des Klägers zeitlich zu einer Verschiebung des Renteneintrittsalters führt. Denn insoweit handelte es sich um einen unbeachtlichen Irrtum über die rechtlichen Folgen eines zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannten Umstands (
vgl. zur Unbeachtlichkeit eines Rechtsfolgenirrtums im Rahmen der Anfechtung auch:
BAG 14. Februar 1996 - 2 AZR 234/95 - zu II 1 der Gründe).
(3) Hatte die Personalleiterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten beim Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung keine Kenntnis von der Absicht des Klägers, nach Bolivien auszuwandern, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der mit der Vorruhestandsvereinbarung verfolgte Zweck, den Kläger bis zum Bezug einer Rente wirtschaftlich abzusichern, als Ausgangspunkt einer Vertragsergänzung spricht für eine Belastung der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit dem Risiko einer Verlängerung ihrer Zahlungspflicht über den 31. Dezember 2010 hinaus.
ee) Der Anspruch auf Vorruhestandsgeld ist auch nicht aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage entfallen. § 313
Abs. 1
BGB kann - unabhängig vom Vorliegen einer entsprechenden rechtsgestaltenden Erklärung der Beklagten iSd. § 313
Abs. 3
BGB - bereits aufgrund der beschriebenen vertraglichen Risikozuweisung nicht zur Anwendung gelangen. Enthält ein Vertrag nach seinem Inhalt Regeln für Fehlen, Wegfall oder Änderung bestimmter Umstände, scheidet eine Anpassung gemäß § 313
Abs. 1
BGB aus (
vgl. BAG 28. September 2006 - 8 AZR 568/05 - Rn. 22 mwN). Dies ist hier der Fall.
c) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend ein treuwidriges Verhalten des Klägers verneint. Weder der Wegzug aus Deutschland im Jahr 2004 noch die unterbliebene Rückkehr Ende 2010 stellen ein treuwidriges Verhalten des Klägers iSv. § 162
Abs. 1 oder § 242
BGB dar.
aa) Die Regelung in § 162
Abs. 1
BGB ist Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, dass niemand aus einem von ihm treuwidrig herbeigeführten Ereignis Vorteile herleiten darf (
BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 97/07 - Rn. 40, BAGE 125, 147). Nach § 162
Abs. 1
BGB gilt eine Bedingung als eingetreten, wenn ihr Eintritt von der Partei, zu deren Nachteil sie gereichen würde, wider Treu und Glauben verhindert wird. Wann die Beeinflussung des Geschehensablaufs treuwidrig ist, lässt sich nicht abstrakt bestimmen, sondern nur im Einzelfall beurteilen. Maßgeblich ist, welches Verhalten von einem loyalen Vertragspartner erwartet werden konnte. Dies ist mittels einer umfassenden Würdigung des Verhaltens der den Bedingungseintritt beeinflussenden Vertragspartei nach Anlass, Zweck und Beweggrund unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Inhalts des Rechtsgeschäfts, festzustellen (
BGH 16. September 2005 - V ZR 244/04 - zu II 1 der Gründe). Ein Verschulden im technischen Sinn ist zwar keine Voraussetzung für eine Treuwidrigkeit, jedoch bei der Gesamtabwägung zu bewerten (Staudinger/Bork (2010) § 162 Rn. 10). Maßgebend zu berücksichtigen sind weiter die vertragliche Risikozuordnung sowie die Grundrechte als Ausdruck der objektiven Werteordnung (BeckOK
BGB/Sutschet Stand 1. August 2014 § 242 Rn. 19, 22
ff.).
bb) Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so hat das Landesarbeitsgericht eine Treuwidrigkeit des Klägers zu Recht nicht angenommen.
(1) Eine solche scheidet von vornherein aus, wenn die Personalleiterin der Rechtsvorgängerin der Beklagten beim Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung von der Absicht des Klägers, nach Bolivien auszuwandern, Kenntnis hatte. In diesem Fall hätte der Kläger in der Ausdrucksweise des Landesarbeitsgerichts "mit offenen Karten" gespielt.
(2) Wird zugunsten der Beklagten davon ausgegangen, dass die Absicht des Klägers, nach Bolivien auszuwandern, der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vorruhestandsvereinbarung nicht bekannt war, fehlen Anhaltspunkte, dass der Kläger Ende 2004 nach Bolivien zog, um den Erwerb von Rentenansprüchen und damit das Erlöschen des Anspruchs auf Vorruhestandsgeld mit Ablauf des 31. Dezember 2010 zu verhindern. Schon wegen der großen zeitlichen Differenz ist eine derartige Annahme fernliegend. Bei Anknüpfung an die unterbliebene Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland Ende 2010 gilt dasselbe. Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger eine bereits geplante Rückkehr nur deshalb unterließ, weil er sich seinen Anspruch auf Vorruhestandsgeld erhalten und die Zahlungspflicht der Beklagten verlängern wollte. Die Beweggründe des Klägers, die zu seiner Auswanderung
bzw. der unterbliebenen Rückkehr geführt haben, können nach alledem rechtlich nicht missbilligt werden.
(3) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, dass es dem Kläger frei stand, seinen Wohnsitz nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses nach Bolivien zu verlegen. Insoweit gehört die Ausreisefreiheit zwar nicht zu der durch
Art. 11
Abs. 1
GG geschützten innerdeutschen Freizügigkeit, sie ist aber doch als Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit durch
Art. 2
Abs. 1
GG gewährleistet und damit eine grundrechtlich geschützte Position, worauf das Bundesverfassungsgericht bereits in der Elfes-Entscheidung hingewiesen hat (
BVerfG 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - zu II 3 der Gründe, BVerfGE 6, 32). Da die Parteien eine entsprechende vertragliche Vereinbarung nicht getroffen haben, kann dahinstehen, ob vor diesem Hintergrund ein Verbot des Umzugs nach Bolivien überhaupt rechtswirksam hätte vereinbart werden können.
d) Die dem Kläger somit zustehenden Ansprüche auf Zahlung von Vorruhestandsgeld iHv. 4.800,00 Euro brutto pro Monat im Zeitraum von Januar 2011 bis Dezember 2013 sind entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu kürzen. Eine derartige Anspruchskürzung ist in der Vorruhestandsvereinbarung nicht vorgesehen. Diese regelt in Ziff. 5.3 lediglich, dass der Kläger zur Stellung eines Antrags auf Altersrente "zum frühestmöglichen Zeitpunkt" verpflichtet ist und insoweit nach Ziff. 4.3 auch Abschläge bei der Rente hinnehmen muss. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Kläger dann, wenn sein Antrag auf vorzeitigen Rentenbezug abschlägig beschieden wurde, die hieraus resultierenden Vorteile in Bezug auf die Höhe der späteren Rente anrechnen lassen muss. Solche Vorteile sind zwar angesichts der fortdauernd zu entrichtenden Rentenversicherungsbeiträge während des Bezugs von Vorruhestandsgeld (Ziff. 3.3 der Vorruhestandsvereinbarung) nicht von der Hand zu weisen. Damit hat sich aber lediglich das vertragliche Risiko der Beklagten
bzw. ihrer Rechtsvorgängerin realisiert, dass nicht eine vorzeitige Altersrente wegen Schwerbehinderung, sondern erst die vorzeitige Regelaltersrente zu einem Erlöschen des Anspruchs auf Vorruhestandsgeld führt. Für eine Anrechnung von Vorteilen bleibt danach kein Raum.
e) Die Ansprüche sind auch nicht gemäß § 389
BGB durch Aufrechnung (teilweise) erloschen oder analog § 254
BGB zu kürzen
bzw. gemäß § 241
Abs. 2
BGB iVm. § 280
Abs. 1
BGB einredebehaftet, wie die Beklagte meint.
aa) Eine Aufrechnung scheitert bereits an dem fehlenden Vortrag einer Aufrechnungserklärung. Der im Konjunktiv gehaltene Vortrag in der Revisionsbegründung, die Beklagte "könnte" jedenfalls aufrechnen, stellt eine solche Erklärung nicht dar.
bb) Eine analoge Anwendung von § 254
BGB kommt in Ermangelung einer planwidrigen Regelungslücke nicht in Betracht. Dies käme einer gesetzlichen Korrektur der vertraglich vereinbarten Risikozuweisung gleich. Diese soll aber nach dem Willen des Gesetzes grundsätzlich unangetastet bleiben (
vgl. § 313
Abs. 1
BGB).
cc) Schadensersatzansprüche nach § 280
Abs. 1
BGB (
ggf. iVm. § 241
Abs. 2, § 311
Abs. 2
Nr. 1
BGB) scheiden schon mangels Pflichtverletzung aus. Der Kläger war nicht verpflichtet, nach dem Abschluss der Vorruhestandsvereinbarung in Deutschland zu bleiben oder nach mehreren Jahren seinen Lebensmittelpunkt in Bolivien aufzugeben und Ende 2010 nach Deutschland zurückzukehren.
III. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen, § 97
Abs. 1
ZPO.