I.
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das hiernach insgesamt zulässige Rechtsmittel hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage vielmehr sowohl im Ergebnis zu Recht als auch mit zutreffender Begründung stattgegeben.
II.
Die Kündigungsschutzklage ist begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die streitbefangene ordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden. Die Kündigung erweist sich als sozial ungerechtfertigt und daher als rechtsunwirksam (
§ 1 Abs. 1 KSchG).
Das Berufungsgericht folgt den ausführlichen und sorgfältig dargestellten Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69
Abs. 2
ArbGG fest. Von der Darstellung eigener vollständiger Entscheidungsgründe wird daher abgesehen. Das Berufungsvorbringen der Beklagten bietet lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Klarstellungen:
1. Die soziale Rechtfertigung einer wegen häufiger Kurzerkrankungen ausgesprochene Kündigung des Arbeitgebers ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (
vgl. BAG v. 29.07.1993 -
2 AZR 155/93 - AP
Nr. 27 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit, m. w. N.) in mehreren Stufen zu überprüfen.
Zunächst ist eine negative Zukunftsprognose erforderlich. Es müssen im Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dann darf der Arbeitgeber sich zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten in der Vergangenheit darzulegen. Daraufhin muss der Arbeitnehmer gemäß § 138
Abs. 2
ZPO dartun, weshalb mit einer baldigen Genesung
bzw. mit geringeren Fehlzeiten in der Zukunft zu rechnen sei.
Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie zu erheblichen Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen führen. Neben Betriebsablaufstörungen können auch wirtschaftliche Belastungen, wie etwa Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen pro Jahr eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen.
Eine Kündigung ist aber entsprechend dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch andere Mittel vermieden werden kann,
d. h. wenn die Kündigung nicht zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen
bzw. der eingetretenen Vertragsstörung geeignet oder nicht erforderlich ist. Der Arbeitgeber muss von mehreren gleich geeigneten, zumutbaren Mitteln dasjenige wählen, welches das Arbeitsverhältnis und den betroffenen Arbeitnehmer am wenigsten belastet. Eine Kündigung ist als letztes Mittel nur zulässig, wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung ausgeschöpft hat. Dabei kommt bei einer krankheitsbedingten Kündigung nicht nur eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen, freien Arbeitsplatz in Betracht. Der Arbeitgeber hat vielmehr alle gleichwertigen, leidensgerechten Arbeitsplätze, auf denen der betroffene Arbeitnehmer unter Wahrung des Direktionsrechts einsetzbar wäre, in Betracht zu ziehen und
ggf. "freizumachen" (
BAG v. 29.01.1997 -
2 AZR 9/96 - AP
Nr. 32 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit).
Schließlich ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der zu prüfen ist, ob die erheblichen betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen.
2. Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die streitbefangene Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1
Abs. 2
KSchG.
a) Es erscheint bereits fraglich, ob im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs objektive Tatsachen vorlagen, welche die Besorgnis weiterer zukünftiger Erkrankungen in erheblichem Umfang rechtfertigen. Der Kläger war in den Kalenderjahren 2011, 2012 und 2013 (bis einschließlich 06.12.2013) an durchschnittlich 26 Arbeitstagen pro Kalenderjahr arbeitsunfähig erkrankt. Dieser Durchschnitt liegt unterhalb des gesetzlich normierten Entgeltfortzahlungszeitraums von sechs Wochen. Aber auch dann, wenn man lediglich auf die letzten beiden Jahre (2012 und 2013) abstellt, überschreiten die sich hieraus ergebenden durchschnittlichen Fehlzeiten des Klägers von jährlich 31,5 Arbeitstagen den gesetzlichen Entgeltfortzahlungszeitraum nur ganz geringfügig. Auf die nach Kündigungsausspruch im Verlauf des Prozessarbeitsverhältnisses der Parteien eingetretenen Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers kann sich die Beklagte in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg berufen. Die spätere Entwicklung einer Krankheit nach Kündigungsausspruch kann weder zur Bestätigung noch zur Korrektur der Zukunftsprognose verwertet werden. Auch für die Beurteilung einer krankheitsbedingten Kündigung ist nämlich allein auf den Kündigungszeitpunkt abzustellen (
BAG v. 29.04.1999 -
2 AZR 431/98 - AP
Nr. 36 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit).
b) Jedenfalls führen die im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs zu prognostizierenden Fehlzeiten vorliegend nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen.
Die Beklagte hat nicht ausreichend dargetan, dass die Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit zu Betriebsablaufstörungen geführt haben. Insoweit ist den Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil (dort unter A. I. 2 d) cc) nichts hinzuzufügen.
Die prognostizierten Fehlzeiten führen auch nicht zu einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung der Beklagten. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte für die Zukunft mit immer neuen, außergewöhnlich hohen Entgeltfortzahlungskosten rechnen musste, die pro Jahr jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind. Soweit die Beklagte diesbezüglich vorgetragen hat, sie habe in der Vergangenheit an den Kläger
ca. 3.000,00
EUR jährlich Entgeltfortzahlung geleistet, so entspricht dies unter Zugrundelegung der vertraglichen Vereinbarungen (17,06
EUR brutto pro Stunde und einer 40 Stundenwoche) in etwa einem Monatslohn des Klägers und liegt daher deutlich unterhalb der für einen Zeitraum von sechs Wochen zu leistenden Entgeltfortzahlung. Auf die Höhe der nach Kündigungsausspruch im Rahmen des Prozessarbeitsverhältnisses der Parteien entstandenen Entgeltfortzahlungskosten kann sich die Beklagte - wie bereits ausgeführt - nicht berufen.
c) Die streitbefangene Kündigung erweist sich letztlich jedenfalls als unverhältnismäßig. Es kann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass die Kündigung nicht hätte durch mildere Mittel vermieden werden können, nämlich durch Umsetzung des Klägers auf einen anderen leidensgerechten Arbeitsplatz, wo die Krankheitsanfälligkeit des Klägers und damit seine Fehlzeiten nicht mehr in gleichem Maß
bzw. Umfang wie bei seiner bisherigen Tätigkeit gegeben sind.
Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit wirkt sich vorliegend aus, dass die Beklagte entgegen
§ 84 Abs. 2 SGB IX kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt hat. Ein solches wäre durchzuführen gewesen, nachdem der Kläger zwischen dem 01.02.2012 und dem 31.01.2013 binnen eines Jahres 37 Tage, demnach 7 Wochen und 2 Tage arbeitsunfähig erkrankt gewesen war.
Zwar führt die Nichtdurchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nicht per sé zur Unverhältnismäßigkeit
bzw. zur Unwirksamkeit der Kündigung. Durch das betriebliche Eingliederungsmanagement, welches bei Vorliegen der Voraussetzungen nicht nur bei behinderten Menschen, sondern auch bei allen anderen Arbeitnehmern durchzuführen ist, können jedoch die gegenüber einer Kündigung milderen Mittel -
z. B. die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einen anderen Arbeitsplatz - erkannt und entwickelt werden. Das Gesetz hat den Arbeitgeber grundsätzlich dazu verpflichtet, mit Hilfe der genannten Stellen frühzeitig zu prüfen, ob und wie eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der eingetretenen Erkrankungen und damit letztlich der Ausspruch einer Kündigung vermieden werden können.
Die Nichtdurchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements hat im Kündigungsschutzprozess Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber kann zwar im Regelfall zunächst pauschal behaupten, es bestehe keine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer. Diese pauschale Behauptung umfasst auch den Vortrag, es bestehe keine Möglichkeit einer leidensgerechten Anpassung des Arbeitsverhältnisses
bzw. des Arbeitsplatzes. Der Arbeitnehmer muss in diesem Fall dann konkret darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine andere Beschäftigungsmöglichkeit - an einem anderen Arbeitsplatz - vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben kann,
bzw. bei der seine Krankheitsanfälligkeit nicht mehr in gleichem Maße wie bisher gegeben ist (
BAG v. 26.05.1977 - 2 AZR 201/76 - AP
Nr. 14 zu § 102
BetrVG 1972). Hat der Arbeitgeber hingegen kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt, darf er sich durch seine dem Gesetz widersprechende Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen. In diesem Fall darf er sich nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer
bzw. es gebe keine geeigneten freien Arbeitsplätze. Es bedarf vielmehr eines umfassenderen konkreten Sachvortrages des Arbeitgebers, warum eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung ausgeschlossen ist oder der Arbeitnehmer nicht auf einem (alternativen) anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit eingesetzt werden kann (
BAG v. 12.07.2007 -
2 AZR 716/06 - AP
Nr. 28 zu § 1
KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die Beklagte die ihr obliegende Darlegungslast nicht erfüllt. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich geltend gemacht, die Beklagte sei keineswegs außer Stande, positiv auf seine Erkrankungen einzuwirken oder einen leidensgerechten Arbeitsplatz zu schaffen. Die Beklagte hat diesbezüglich lediglich pauschal vorgetragen, dem Kläger könne kein leidensgerechter Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden, weil ein solcher nicht vorhanden sei und die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sich als eine reine Förmelei dargestellt hätte. Damit hat die Beklagte indessen ihrer Darlegungslast in keiner Weise Genüge getan.
IIl.
Die Berufung der Beklagten war daher mit der sich aus § 97
Abs. 1
ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72
Abs. 2
ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a
ArbGG), wird hingewiesen.