Der Feststellungsantrag zu 1. sowie der Weiterbeschäftigungsantrag zu 3. sind zulässig und begründet.
1. Das Feststellungsinteresse für den Antrag zu 1. ist schon deswegen gegeben, weil die Klageerhebung notwendig ist, um das Wirksamwerden der Kündigung gern.
§ 7 KSchG zu verhindern. Umstände, aufgrund derer ausnahmsweise dieses Feststellungsinteresse entfallen könnte (
BAG, Urteil v. 01. August 1968 2 AZR 390/67, AP
Nr. 35 zu § 3
KSchG), sind nicht ersichtlich.
2. Die Kündigung gilt nicht gemäß
§§ 4, 7
KSchG als von Anfang an wirksam. Denn der Kläger hat innerhalb von 3 Wochen nach Zugang der Kündigung vom 30. August 2017, nämlich am 20. September 2017, Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Hamburg erhoben.
3. Die Kündigung im Schreiben vom 30. August 2017 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht mit dem 31. Dezember 2017 aufgelöst. Denn sie ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (
§ 1 Abs. 1 KSchG). Die Entscheidung der Kammer erfolgte auf der Basis folgender Grundsätze:
a) Die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung hat in drei Stufen zu erfolgen: Zunächst bedarf es einer negativen Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zu kündigenden Arbeitnehmers ("fehlende Fähigkeiten und Eignung"), 1. Stufe. Sodann ist zu prüfen, ob die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen (2. Stufe). In der 3. Stufe wird nach Maßgabe einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung geprüft, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinnehmbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen. Ist dies zu bejahen, ist eine Kündigung aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt (
BAG, Urteil vom 18. Januar 2007,
2 AZR 759/05 - juris;
vgl. auch Nachweise bei Ascheid/Preis/Schmidt (Vossen), Kündigungsrecht, 5. Auflage 2017, § 1
KSchG Rn 138).
Voraussetzung für die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung ist zunächst eine begründete negative Prognose. Denn eine Kündigung stellt keine Sanktion für vergangenheitsbezogenes Fehlverhalten dar. Sie ist vielmehr ein Instrument, um der betriebswirtschaftlich unvertretbaren Besetzung von Arbeitsplätzen für die Zukunft zu begegnen. Voraussetzung ist deshalb, dass der Arbeitnehmer zukünftig Fehlzeiten infolge Krankheit in voraussichtlich so großem Umfang aufweisen wird, dass diese zu erheblichen und deshalb dem Arbeitgeber letztlich nicht zumutbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Störungen führen würden. Beide Komponenten (Prognose betriebsbedingter Fehlzeiten und die Prognose erheblicher betrieblicher und/oder wirtschaftlicher Belastungen) bilden den Kündigungsgrund. Eine negative Prognose liegt dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung aufgrund objektiver Tatsachen damit zu rechnen ist, dass der Arbeitnehmer auch in Zukunft seinen Arbeitsplatz krankheitsbedingt in erheblichem Umfang (aufgrund häufiger Kurzerkrankungen oder aufgrund einer langanhaltenden Erkrankung) fernbleiben wird. Für diese Prognose spielen die bisherigen, objektiv feststellbaren Zeiten keine unmittelbare, allerdings eine mittelbare Rolle. Insoweit können auch vergangenheitsbezogene Fehlzeiten eine negative Prognose begründen, soweit die ihnen zu Grunde liegenden Krankheiten nicht ausgeheilt sind. Eine negative Prognose kann nicht angenommen werden, wenn im Zeitpunkt des Zugangs einer ordentlichen Kündigung wegen lang anhaltender Erkrankung bereits ein Kausalverlauf in Gang gesetzt war, der entgegen der Ansicht des den Arbeitnehmer behandelnden Arztes die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit in absehbarer Zeit als sicher oder zumindest. möglich erscheinen ließ (
BAG, Urteil vom 21. Februar 2001, NZA 2001 , 1071). Da es für die erforderliche negative Prognose allein auf den Zeitpunkt der Kündigung ankommt, können erst nach Zugang der Kündigung eintretende neue Umstände, die sich auf die Weiterentwicklung des Gesundheitszustandes auswirken können, keine Berücksichtigung mehr finden (Ascheid/Preis/Schmidt, a.a.O. Rn 140 ff).
Daraufhin hat der Arbeitnehmer - zur Entkräftung einer danach begründeten negativen Prognose - gemäß § 138
Abs. 2
ZPO darzulegen, weshalb mit seiner alsbaldigen Genesung
bzw. warum in Zukunft mit weniger häufigen Erkrankungen zu rechnen ist (
BAG, Urteil vom 10. November 2005, NZA 2006, 655; Ascheid/Preis/Schmidt, a.a.O. Rn 146, 210). Insofern ist im Einzelnen zu erläutern, dass und wann zum Beispiel aufgrund einer durchgeführten oder bevorstehenden Operation, eines fortgeschrittenen Heilungsprozesses
bzw. einer medikamentösen Behandlung die Erkrankung beendet ist
bzw. sein wird (
BAG, Urteil vom 16. August 1990). Beruhen die Fehlzeiten im Wesentlichen auf einem chronischen Grundleiden, so kann dessen lndizwirkung dadurch entfallen, dass es nunmehr ausgeheilt ist oder infolge konkret manifestierter Maßnahmen in Kürze ausgeheilt werden wird (Ascheid/Preis/Schmidt, a.a.O. Rn 210).
Kann der Arbeitnehmer aus eigener Kenntnis keine konkreten Umstände vortragen, die die lndizwirkung der bisherigen Fehlzeiten erschüttern, dann genügt er seiner Mitwirkungspflicht aus § 138
Abs. 2
ZPO bereits dann, wenn er die Behauptung des Arbeitgebers bestreitet und die Ärzte von der Schweigepflicht entbindet, die ihn behandelt haben. Zusätzlich muss er aber zumindest noch im Einzelnen konkret darlegen, diese Ärzte hätten seine künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber als günstig beurteilt (
BAG, Urteil vom 7. November 2002).
Nach der Rechtsprechung des
BAG ist die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung.
§ 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das BEM ist dabei selbst kein milderes Mittel zu einer Kündigung, mit seiner Hilfe können jedoch mildere Mittel als die Kündigung,
z.B. eine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen gegebenenfalls durch Umsetzung freizumachenden - Arbeitsplatz erarbeitet werden. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber nach § 1
Abs. 2
S. 4 die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten, die einen zukünftigen störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses möglich erscheinen lassen. Insofern kann der Arbeitgeber zunächst pauschal behaupten, es bestünden keine anderen Beschäftigungsmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Auf die darin liegende Behauptung, es bestehe keine Möglichkeit · einer leidensgerechten Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen, hat. der Arbeitnehmer konkret darzulegen, wie er sich seine weitere Beschäftigung gegebenenfalls zu geänderten Arbeitsbedingungen unter Berücksichtigung seiner gesundheitlichen Einschränkungen vorstellt.
Hat der Arbeitgeber jedoch entgegen seiner gesetzlichen Pflicht kein ordnungsgemäßes BEM durchgeführt, soll er sich dadurch keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen können. Er kann sich in diesem Fall nicht darauf beschränken vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung einnehmen könne (
BAG NZA 2010, 398). Er hat vielmehr beim Fehlen eines ordnungsgemäßen BEM von sich aus die objektive Nutzlosigkeit eines BEM dazulegen und zu beweisen, mithin dass dem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Arbeitnehmers weder durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen noch durch eine Maßnahme der Rehabilitation hätte entgegengewirkt werden können (
BAG, NZA 2008, 1431;
vgl. insgesamt Darstellung bei Rupp, NZA 2017, 361).
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Kündigung jedenfalls als unverhältnismäßig.
Der Kläger hat in seinem Schriftsatz vom 14. März 2018 unter Hinweis auf eine Übersicht seiner Krankenkasse sowie Atteste seiner behandelnden Ärzte dargelegt, in welchem Umfang in der Vergangenheit Krankheiten bestanden und zur Arbeitsunfähigkeit geführt haben. Hinsichtlich seiner Rückenleiden hat er vorgetragen, dass diese bereits seit September 2017 ausgeheilt seien. Soweit ihn Beschwerden an der rechten Hand an der Ausübung von Klempnerarbeiten hindern, hat er dargelegt, welche Maßnahmen seine Ärzte zur Verbesserung der Beschwerden empfohlen haben. Der Beklagten ist es nicht gelungen. darzulegen und zu beweisen, dass das von ihr gänzlich unterlassene BEM objektiv nutzlos gewesen wäre. Gerade die von den behandelnden Ärzten aufgezeigten Möglichkeiten einer Verbesserung durch Verwendung ergonomischer Zangen und maßangefertigter Handschuhe hätte im Rahmen den SEM erörtert werden können um abzuklären, inwieweit eine leidensgerechte Beschäftigung des Klägers in seiner bisherigen Tätigkeit möglich wäre. Auch sind Maßnahmen der Rehabilitation nicht erörtert worden:
Wie dargelegt, soll sich der Arbeitgeber bei Nichtdurchführung des SEM keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen und sich nicht darauf beschränken können, er kenne keine alternativer Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung einnehmen könne (
BAG, NZA 2010, 398). Der Kläger hat hierzu in der mündlichen Verhandlung geschildert, inwieweit er trotz der gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage sei, weiterhin Tätigkeiten im Bereich der Akquise oder der Leckageortung auszuüben und dass diese Aufgaben in der Vergangenheit einen Umfang von 30 % seiner Tätigkeit ausgemacht habe. Die Beklagte ist diesem Vortrag weder substantiiert entgegen getreten noch hat sie ihrerseits substantiiert vorgetragen, aus welchen Tätigkeiten sich die Aufgaben des Klägers zusammensetzen. Ein pauschaler Verweis, der Kläger habe eine Ausbildung als Gas- und Wasserinstallateur absolviert und werde als Klempnergeselle beschäftigt, genügt nicht. Eine detaillierte Darlegung wäre jedoch Aufgabe der Beklagten gewesen,da sich diese darauf berufen will, dass es keine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestehe.
Zudem war zu berücksichtigen, dass die Beklagte weder Betriebsablaufstörungen noch eine übermäßige finanzielle Belastung mit Entgeltfortzahlungskosten vorgetragen hat. Solche sind aufgrund der durchgehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers auch nicht ersichtlich. Allein das Bestehen von Urlaubsansprüchen, die der Höhe nach begrenzt sind, begründen keine unangemessene Belastung der Beklagten im Rahmen des arbeitsrechtlichen Austauschverhältnisses. Zudem war zu berücksichtigen, dass der Kläger seit 42 Jahren bei der Beklagten beschäftigt ist und neben der durchgehenden Erkrankungen seit November 2015 keine weiteren Belastungen des Arbeitsverhältnisses vorgetragen sind.
4. Der Weiterbeschäftigungsantrag zu 3). ist zulässig und begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat der Arbeitgeber mit Vorliegen eines die Unwirksamkeit der Kündigung feststellenden erstinstanzlichen Urteils grundsätzlich kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse mehr an der Nichtbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers. Vielmehr müssen nun zusätzliche Umstände hinzutreten, aus denen sich. im Einzelfall ein überwiegendes Interesse des Arbeitgebers ergibt, den Arbeitnehmer nicht zu beschäftigen (
BAG, Beschluss des Großen Senats vom 27. Februar 1985 - GS 1/84).
Derartige Interessen der Beklagten sind im Streitfall weder ausdrücklich dargetan noch erkennbar.
II.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus§ 91
ZPO, § 46
ArbGG.
2. Der gemäß § 61
ArbGG festzusetzende Wert des Streitgegenstands beträgt
EUR 11.200,-. Hiervon entfallen auf den Kündigungsschutzantrag zu 1. drei Bruttomonatsgehälter von je
EUR 2.800,00 (§ 42
Abs. 2 GKG) sowie ein weiteres Bruttomonatsgehalt für den Weiterbeschäftigungsantrag zu 3. (§ 3
ZPO).
3. Die Berufungsfähigkeit der Entscheidung folgt aus §. 64
Abs. 2 lit. c)
ArbGG. Die Voraussetzungen des § 64
Abs. 3
ArbGG für eine gesonderte Zulassung der Berufung lagen nicht vor.