Urteil
Pflichten des Rechtsvertreters bei Abschluss eines Vergleichs im arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahren

Gericht:

OLG Düsseldorf 24. Zivilsenat


Aktenzeichen:

I-24 U 70/17 | 24 U 70/17


Urteil vom:

15.05.2018


Grundlage:

  • BGB § 280 |
  • BGB § 281 |
  • BGB §§ 611 ff. |
  • BGB § 675

Leitsätze:

1. Der Rechtssekretär einer Gewerkschaft genügt seinen Beratungspflichten in einem Gütetermin im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens nicht, wenn er dem Kläger zum Abschluss eines vom Gericht vorgeschlagenen Vergleichs rät, und dabei nur darauf hinweist, dass anderenfalls das Verfahren fortgeführt werde, ohne auf die konkreten Erfolgsaussichten der Kündigungsschutzklage einzugehen.

2. Gleichwohl ist eine Haftung wegen Verletzung der Beratungspflicht nicht gegeben, wenn sich der Rat, den Vergleichsvorschlag des Gerichts anzunehmen, im Ergebnis als vertretbar darstellte.

3. Ist dies der Fall, so ist es Sache des Klägers, im Schadensersatzprozess darzulegen und zu beweisen, ob der Kläger bei ordnungsgemäßer Beratung den Vergleichsschluss sinnvollerweise hätte ablehnen können (hier: verneint). Insoweit trägt er die volle Darlegungs- und Beweislast.

Rechtsweg:

LG Düsseldorf, Urteil vom 04.04.2017 - 15 O 188/13
BGH, Urteil vom 25.10.2018 - III ZR 121/18

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 4. April 2017 verkündete Urteil des Einzelrichters der 15. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger macht gegen die Beklagte Schadensersatz wegen behaupteter defizitärer Beratung und Vertretung im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Prozesses geltend.

Der im Jahr 1953 in Togo geborene Kläger war seit November 1999 als Maschinenarbeiter bei der Firma A. (im Folgenden: Arbeitgeberin) beschäftigt. Aufgrund rassistisch begründeter Schikanen und beleidigender Äußerungen musste er mehrfach seinen Einsatzort in unterschiedlichen Werken der Arbeitgeberin wechseln. 2002 erlitt er einen Bandscheibenvorfall. Hinzu kamen weitere gesundheitliche Beschwerden und eine zunehmend depressive Stimmung. Der Kläger war mehrfach arbeitsunfähig erkrankt und musste sich insgesamt drei Operationen unterziehen. Ende 2009 wurde er mit einem Grad von 30 einem Schwerbehinderten gleichgestellt.

Zuletzt war der Kläger als Bediener der Wasch- und Späneanlage tätig. Bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von wöchentlich 37 Stunden erzielte er einen Verdienst von EUR 1.457,51 netto bzw. EUR 2.027,46 brutto. Der Kläger wies seine Arbeitgeberin wiederholt darauf hin, dass die Bedienung der Anlage nicht leidensgerecht sei und gab an, dass andere Stellen im Werk vorhanden seien, die er trotz seines Leidens ausfüllen könne. Daraufhin veranlasste die Arbeitgeberin, dass der Kläger bei einer Verstopfung der Maschine nicht mehr selbst tätig werden müsse, sondern Kollegen zu deren Beseitigung hinzu rufen solle. Einen anderen Arbeitsplatz wies sie ihm nicht zu. Sie vertrat vielmehr die Auffassung, dass der in dieser Weise eingerichtete Arbeitsplatz des Klägers leidensgerecht sei. Am 30. Juli 2007 verfasste der Kläger ein 5-seitiges Schreiben, indem er sich zu den von ihm erlittenen rassistischen Diskriminierungen äußerte und seine daraus erwachsenden gesundheitlichen Beschwerden schilderte (Anl. K2, Anlagenband Kläger = AK 2-4). Im Dezember 2009 legte er ein ärztliches Attest vor, in dem ihm bestätigt wurde, dass die Arbeitsplatzsituation zu einer erheblichen körperlichen und psychischen Mehrbelastung und somit zu einer Komplizierung seines Krankheitsverlaufs führe (Anl. K9, AK 22). In der Folgezeit fanden diverse Gespräche und Verhandlungen zwischen dem Kläger, Vertreter der Arbeitgeberin und dem Integrationsfachdienst statt. Der Betriebsarzt besichtigte den Arbeitsplatz des Klägers. Ein sozialmedizinisches Gutachten vom 05. März 2010 (Anl. K8, AK 19-21) gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger jedenfalls leichte Arbeiten, jedoch ohne wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen, ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne häufiges Bücken und Steigen auf Leitern und Gerüsten ausführen könne. Die Arbeitgeberin vertrat auf der Grundlage ihrer Ermittlungen unter Einbeziehung des Betriebsarztes und des Integrationsfachdienstes die Auffassung, die Arbeitsstelle des Klägers sei leidensgerecht. Sie sah zudem keine andere Einsatzmöglichkeit bzw. eine mit zumutbarem Aufwand durchführbare Umgestaltung des klägerischen Arbeitsplatzes.

Mit Schreiben vom 12. Januar 2010 (Anl. K 12, AK 26-27) beantragte der Kläger eine Wiedereingliederung nach Arbeitsunfähigkeit an einen anderen Arbeitsplatz. Mit Schreiben vom 30. März 2010 (Anl. K 11, AK 25) ließ er durch seine damalige Bevollmächtigte mitteilen, dass er ab 01. April 2010 wieder arbeitsfähig sei, allerdings aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule die Tätigkeit an der Spänemaschine nicht würde ausüben können, denn die Beseitigung der Verstopfungen könne er aus bekannten Gründen nicht durchführen.

Nach Rückkehr zur Betriebsstätte am 1. April 2010 wies die Vorgesetzte den Kläger an, seine Arbeit am bisherigen Arbeitsplatz wieder auszuführen. Dies verweigerte der Kläger mit der Begründung, dieser Arbeitsplatz sei nach wie vor nicht leidensgerecht. Er wurde darauf hingewiesen, dass dieses Verhalten als unberechtigte Arbeitsverweigerung gewertet werden und eine Kündigung nach sich ziehen könne. Die genauen Abläufe sind zwischen den Parteien streitig.

Mit Bescheid vom 19. April 2010 (Anl. B1, Anlagenband Beklagter = AB 1-8) stimmte das Integrationsamt auf Antrag der Arbeitgeberin der außerordentlichen sowie hilfsweise der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu. Mit Schreiben vom 20. April 2010 (Akte Arbeitsgericht Würzburg, Az. 9 Ca 553/10 = BA 5) erklärte die Arbeitgeberin gegenüber dem Kläger die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger beauftragte die Beklagte mit der Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Gegen den Bescheid des Integrationsamts legte er am 19. April 2010 Widerspruch ein. Am 30. Juni 2010 fand vor dem Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Schweinfurt - ein Gütetermin statt, den für die Beklagte deren Rechtssekretär B. wahrnahm. Das Arbeitsgericht unterbreitete einen Vergleichsvorschlag, der u.a. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche, betrieblich veranlasste Arbeitgeberkündigung zum 31. August 2010, allerdings keine Abfindung vorsah. Den Vergleichsvorschlag lehnte der Kläger ab. Die Arbeitgeberin und der Kläger trugen nachfolgend zur Arbeitsplatzsituation des Klägers vor, wobei die Beklagte sich für den Kläger auf dessen ärztlich dokumentierte gesundheitlichen Probleme berief und den Vorwurf einer unberechtigten Arbeitsverweigerung zurückwies. In der Folgezeit übernahm die Sachbearbeitung bei der Beklagten die Zeugin C. als Rechtssekretärin. Diese sprach auf Wunsch des Klägers kurz vor dem Kammertermin Anfang 2011 mit ihm, wobei Einzelheiten der Gesprächsinhalte zwischen den Parteien streitig sind.

Der Kläger, der 1993 sein Heimatland verlassen hatte und seitdem in Deutschland als anerkannter Asylbewerber lebt, ist - in einem zwischen den Parteien streitigen Umfang - der deutschen Sprache mächtig. Zudem spricht er fließend Französisch. Er wünschte für den Kammertermin die Hinzuziehung eines Dolmetschers. Im Kammertermin gab das Arbeitsgericht unter Hinzuziehung der Zeugin D., die Dolmetscherin für die französische Sprache ist, zu erkennen, dass es den konkreten Arbeitsplatz des Klägers für leidensgerecht halte, zumal der Arbeitgeber die Anweisung erteilt hätte, dass der Kläger Verstopfungen der Maschine nicht selbst beseitigen müsse. Die Zuweisung dieses Arbeitsplatzes sei deshalb eine unternehmerische Entscheidung im Rahmen des der Arbeitgeberin zustehenden Direktionsrechts. Infolgedessen wertete das Arbeitsgericht das Verhalten des Klägers am 01. April 2010 als Arbeitsverweigerung und somit als Pflichtverletzung. Nachdem die Zeugin C. auf die rassistisch motivierten Diskriminierungen zu Lasten des Klägers verwiesen hatte, ergänzte das Gericht den ursprünglichen Vergleichsvorschlag um eine Abfindungszahlung iHv EUR 8.500,--.

Die Sitzung wurde sodann zur Erörterung des Vergleichsvorschlags unterbrochen. Einzelheiten hierzu, insbesondere der Umfang der Hinzuziehung der Zeugin D. und die von der Zeugin C. erteilten Erläuterungen, sind zwischen den Parteien streitig. Nach Fortsetzung der Sitzung wurde der Vergleich zu Protokoll diktiert, vorgelesen und in die französische Sprache übersetzt (BA 88f.). Dieses wurde von den Parteien und somit auch vom Kläger genehmigt. Zudem unterzeichnete der Kläger den Terminsbericht der Beklagten, in welchem der Vergleich wiedergegeben wird (Anl. B2, AB 9).

Der Kläger betrieb zunächst das ruhend gestellte Widerspruchsverfahren gegen die Zustimmung des Integrationsamts zu den Kündigungen weiter, bis dieses mit Widerspruchsbescheid vom 01. Juni 2011 eingestellt wurde.

In der Folgezeit machte der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 07. Mai 2012 Schadensersatzansprüche wegen falscher Beratung geltend (Anl. K7, AK 17).

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte habe ihn über die Folgen des Vergleichsschlusses nicht aufgeklärt. Ihm sei nicht klar gewesen, dass er damit seinen Arbeitsplatz verliere. Er habe um diesen kämpfen wollen. Auch seien seine Belange sowie die tatsächlich rassistisch motivierten Gründe für die Kündigung nicht berücksichtigt worden. Wäre der Vergleich nicht geschlossen worden, hätte das Kündigungsschutzverfahren Aussicht auf Erfolg gehabt. Zum einen sei der ihm zugewiesene Arbeitsplatz nicht leidensgerecht, zum anderen die Kündigungen sozial nicht gerechtfertigt gewesen. In dem vor dem Kammertermin erfolgten persönlichen Treffen mit der Zeugin C. sei diese nicht vorbereitet gewesen und habe dem Umstand der fehlenden Leidensgemäßheit des Arbeitsplatzes kein Interesse gewidmet. Im Kammertermin sei er während der Unterbrechung nicht hinreichend aufgeklärt worden. Die Dolmetscherin sei nicht involviert gewesen, zudem habe die Zeugin C. ihm leise ins Ohr geflüstert, was eine Übersetzung ausgeschlossen habe. Ihm sei nicht klar gewesen, dass er mit diesem Vergleich endgültig seinen Arbeitsplatz verliere. Vielmehr habe die Zeugin C. ihn zum Vergleich gedrängt.


Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn den durch den Verlust des Arbeitsplatzes entstandenen Schaden, insbesondere Verdienstausfall, zu bezahlen, soweit er über den Antrag zu 2. hinausgeht;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn entgangenen Verdienst für den Zeitraum vom 01. September 2010 bis zum 30. April 2013 in Höhe von EUR 46.640,32 sowie Nebenkosten von EUR 1.999,32 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (03. Juni 2013) zu zahlen.


Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Zeugin C. habe den Kläger eingehend belehrt und zutreffend beraten. Seine Interessen seien optimal vertreten worden. Sie habe den Kläger auf die Risiken bei einer Fortführung des Prozesses und eines sich anschließendem Berufungsverfahren hingewiesen, denn es habe zu befürchten gestanden, dass der Kläger ansonsten mit hoher Wahrscheinlichkeit unterliegen würde. Der Arbeitsplatz des Klägers sei leidensgerecht gewesen, weshalb seine Arbeitsverweigerung unberechtigt und die Kündigungen berechtigt gewesen wären. Hiervon sei auch der Kläger selbst ausgegangen, denn die fehlende Leidensgemäßheit des Arbeitsplatzes habe er allein auf das Besteigen der Leitern und das Beseitigen von Verstopfungen zurückgeführt. Dazu sei er nach der Anweisung der Arbeitgeberin, in solchen Fällen Kollegen hinzuziehen, jedoch nicht mehr verpflichtet gewesen. Die vom Kläger mehrfach angesprochenen Vorwürfe des Rassismus habe die Zeugin C. thematisiert, ihm aber zugleich erklärt, dass diese in dem Arbeitsgerichtsprozess nicht entscheidungserheblich seien. Die Belehrungen der Zeugin C. habe der Kläger auch verstanden, zudem sei trotz seiner an sich ausreichenden Deutschkenntnisse zusätzlich übersetzt worden. Der Kläger sei mit dem Vergleich einverstanden gewesen. Ihm sei es nicht um den Erhalt des Arbeitsplatzes gegangen, denn er habe zu der Arbeitgeberin ohnehin nicht zurückkehren wollen. Vielmehr habe er eine Entschuldigung und deren etwaige Bestrafung durchsetzen wollen.

Das Landgericht hat den Kläger informatorisch am 27. März 2017 (GA 73ff.) angehört und Beweis erhoben durch die Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens des Sachverständigen E. sowie durch die Vernehmung der Zeuginnen D. und C. Wegen des Ergebnisses dieser Beweisaufnahmen wird auf das Gutachten vom 24. März 2015 sowie die Protokolle vom 27. Oktober 2016 (GA 245ff.) und vom 19. Januar 2017 (GA 295ff.) verwiesen.

Das Landgericht hat der Klage mit seinem am 04. April 2017 verkündeten Urteil bis auf einen Teil der Nebenforderungen stattgegeben (GA 352-369). Wegen der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen. Dieses wurde der Beklagten am 05. April 2017 zugestellt (GA 388). Hiergegen richtet sich ihre am 05. Mai 2017 beim Oberlandesgericht eingegangene Berufung (GA 391). Nach Verlängerungen der Berufungsbegründungsfrist bis zum 06. Juli 2017 (GA 399) und zum 06. September 2017 (GA 403) hat sie diese mit einem am Tag des letzten Fristablaufs eingegangenen Schriftsatz begründet (GA 409).

Sie wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen die angefochtene Entscheidung. Der Rat der Beklagten an den Kläger, den Vergleich abzuschließen, sei sachgerecht gewesen. Denn aus der ex-ante-Sicht hätten die Risiken, den Prozess zu verlieren, die Chancen zu gewinnen bei weitem überwogen. Das Arbeitsgericht hätte keinen Beweis über die Frage der Leidensgerechtigkeit des Arbeitsplatzes des Klägers erhoben. Denn es sei seinerzeit unstreitig gewesen, dass der Kläger selbst diesen als leidensgerecht erachtete, sofern er nicht auf Leitern steigen musste. Dies habe die Arbeitgeberin jedoch nicht mehr verlangt, weshalb der Integrationsfachdienst zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der dem Kläger zugewiesene Arbeitsplatz nicht zu beanstanden sei. Abweichendes habe der Kläger auch gegenüber der Zeugin C. nicht geltend gemacht. Er habe lediglich die Sinnhaftigkeit einer solchen Arbeitsorganisation kritisiert, was jedoch allein Sache der Arbeitgeberin gewesen wäre. Erstmals mit Schriftsatz vom 26. November 2014 und damit mehrere Monate nach Erlass des landgerichtlichen Beweisbeschlusses zur Einholung eines arbeitsmedizinischen Gutachtens habe der Kläger den Aspekt der Schiebelasten thematisiert. Die Ausführungen des Gutachters hierzu seien nicht schlüssig und nicht durch eine ausreichende Tatsachengrundlage gestützt. Es sei für die Zeugin C. nicht erkennbar gewesen, dass der Arbeitsgerichtsprozess wegen der nunmehr geltend gemachten Schiebelasten hätte gewonnen werden können. Anhaltspunkte für eine solche gesundheitliche Problematik in Bezug auf den Arbeitsplatz hätten damals nicht vorgelegen. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, keine Beweisaufnahme durchzuführen, sei mit guten Gründen vertretbar gewesen. Die Einlassung des Klägers und seine Angaben zu den Gesprächsverläufen seien unrichtig und durch die Aussagen der Zeuginnen C. und D. widerlegt. Die Zeugin C. habe den Kläger nicht zum Vergleichsschluss gedrängt. Im Übrigen habe der Kläger angegeben, aus gesundheitlichen Gründen nicht wieder zur Arbeitgeberin zurückkehren zu wollen. Mit dem Vergleichsinhalt, den der Kläger auch verstanden habe, sei er einverstanden gewesen. Der Kläger sei vom Arbeitsrichter befragt worden, ob dies der Fall sei und er habe dies bejaht. Zudem habe er den Vordruck der Zeugin C. unterzeichnet. Die Deutschkenntnisse des Klägers seien auf jeden Fall ausreichend gewesen, zudem habe die Zeugin D. für ihn übersetzt. Die Entscheidung des Klägers, das Verfahren beim Integrationsamt fortzuführen, habe allein darauf beruht, dass ihn der Vergleichsschluss nachträglich gereut habe.

Zur der Schadenshöhe habe der Kläger in ersten Instanz wahrheitswidrig angegeben, er habe keinen neuen Arbeitsplatz finden können. Im Rahmen der inzwischen stattgefunden außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen habe er jedoch eingeräumt, bereits im Oktober 2010 einen neuen Arbeitsplatz gefunden zu haben. Im Übrigen sei die Schadensberechnung des Klägers unschlüssig und nicht nachvollziehbar.


Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.


Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Die Berufung der Beklagten erachtet er als unzulässig. Im Übrigen sei sie auch unbegründet. Die Beratung der Zeugin C. sei nicht ausreichend gewesen, ihn, den Kläger, von den etwaigen Erfolgsaussichten bei Fortführung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in Kenntnis zu setzen. Sie hätte dafür Sorge tragen müssen, dass das Arbeitsgericht Beweis erhebt über die Arbeitsplatzsituation des Klägers. Das einzuholende Gutachten hätte aller Voraussicht nach das gleiche Ergebnis gehabt wie das nunmehr vom Landgericht eingeholte arbeitsmedizinische Gutachten. Bei diesem Ergebnis hätte die Arbeitsverweigerung des Klägers nicht als pflichtwidrig erachtet werden können. Ergänzend trägt der Kläger zur Schadenshöhe vor.


Er beantragt im Wege der Anschlussberufung,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz für im Zeitraum vom 01. September 2010 bis 30. November 2017 entgangenen Verdienst in Höhe von EUR 186.818,48 zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus EUR 46.460,32 seit dem 04.06.2013 und aus weiteren EUR 140.358,16 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der von September 2010 bis April 2013 berechnete Verdienstausfall sei auf Grundlage der Nettolohnmethode ermittelt worden. Ergänzend trägt er zu Tätigkeiten vor, die er in dem insoweit maßgeblichen Zeitraum ausgeführt hat.


Die Beklagte ist der Anschlussberufung entgegengetreten und beantragt,

auch den modifizierten Klageantrag zurückzuweisen.

Die Akten des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Schweinfurt - mit dem Az. 9 Ca 553/10 und des Integrationsamtes waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die landgerichtlichen Protokolle und Beweisergebnisse sowie den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage. Die auf eine Klageerweiterung gerichtete Anschlussberufung des Klägers bleibt somit erfolglos.

1. Berufung

Die Beklagte schuldet dem Kläger keinen Schadensersatz wegen der Verletzung von Pflichten aus dem mit ihr satzungsgemäß geschlossenen Rechtsberatungsvertrag, §§ 675, 611ff., 280, 281 BGB.

Das Landgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die für die Beklagte tätige Zeugin C. den Kläger während des Termins vor dem Arbeitsgericht Würzburg am 16. März 2011 defizitär beraten hat. Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass dieser Beratungsfehler für den Vergleichsschluss kausal geworden ist. Infolgedessen scheidet eine Haftung der Beklagten aus.

a. Pflichtwidrigkeit

Zutreffend hat das Landgericht herausgearbeitet, dass die Beratung und Vertretung durch die für die Beklagte tätige Zeugin C. während des Kammertermins vor dem Arbeitsgericht Würzburg - Kammer Schweinfurt - am 16. März 2011 unzureichend war.

aa.

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die nachfolgend dargestellten, für Rechtsanwälte geltenden Anforderungen in gleicher Weise für Vereinigungen wie die Beklagte gelten, die ihre Mitglieder gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 ArbGG in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vertreten (vgl. hierzu auch Senat, Beschluss vom 22. September 2005 - I-24 U 171/03, Rz. 2; vom 7. November 2011 - I-24 U 79/11, Rz. 4 mwN).

bb.

Die von einem Rechtsanwalt geschuldete Beratung soll eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung des Mandanten über Art, Inhalt und Umfang der Verfolgung seiner Rechte und Interessen in der Angelegenheit ermöglichen, in der er den anwaltlichen Vertreter mit der Wahrnehmung seiner Belange betraut hat. Der Mandant soll aufgrund der Beratung entscheiden können, ob er ein Recht geltend machen, ob und mit welchem Inhalt er rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben oder Verträge (wozu auch ein Vergleich gehört) eingehen will (BGH, Urteil vom 30. November 2000 - X ZR 129/96, Rz. 15 mwN; Senat, Beschluss vom 13. Juli 2010 - I-24 U 228/09, Rz. 3 mwN). Eine Beratung soll den Mandanten in die Lage versetzen, eigenverantwortlich darüber zu entscheiden, wie er seine Interessen in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht zur Geltung bringen kann (Zugehör/G. Fischer/Vill /D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 789 ff., im Folgenden zitiert: Zugehör/Bearbeiter). Denn ein Rechtsanwalt muss im Einzelnen darlegen, welche Gesichtspunkte für und gegen den Abschluss des Vergleichs sprechen. Er muss alle Bedenken, Unsicherheitsfaktoren und die für seinen Mandanten durch den vorgesehenen Vergleich entstehenden Folgen erörtern. Die Beratung muss hinreichend deutlich erfolgen, damit der Mandant sich entscheiden kann (vgl. Zugehör/Vill, aaO, Rn. 793). Der Anwalt muss seine Zweifel und Bedenken sowie den Risikoumfang darlegen. Allgemeine Hinweise, wonach der Ausgang des Rechtsstreits offen sei oder Erklärungen, der Mandant habe nur geringe Prozesschancen bzw. er trage ein hohes Prozessrisiko, sind nicht ausreichend, um den anwaltlichen Aufklärungspflichten zu genügen (Zugehör/Vill, aaO, Rn. 793 mwN). Deshalb muss der Anwalt vor Abschluss eines Vergleichs alle damit zusammenhängenden Vor- und Nachteile so gewissenhaft bedenken, wie es ihm aufgrund seiner Informationen Kenntnisse und Erfahrungen vorausschauend möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2010 - IX 104/08, Rz. 794; Zugehör/Vill, aaO, Rz. 794 mwN). Er muss den ihm vorgetragenen Sachverhalt daraufhin prüfen, ob er geeignet ist, den vom Auftraggeber erstrebten Erfolg herbeizuführen. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel führen können, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Es ist Aufgabe des Rechtsanwalts, der einen Anspruch seines Mandanten klageweise gerichtlich geltend machen soll, die zugunsten seiner Partei sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich darzustellen, damit das Gericht ihn bei seiner Entscheidung berücksichtigen kann (vgl. nur BGH, Urteile vom 13. Juni 2013 - IX ZR 155/11, Rz. 8; vom 11. April 2013 - IX ZR 94/10, Rz. 4; vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07, Rz. 8). Er hat, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, zu derjenigen zu raten, welche die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist (BGH, Urteile vom 13. Juni 2013, aaO; vom 29. Juni 2006 - IX ZR 76/04; vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03; Zugehör/Vill, aaO, Rn. 635). Dabei muss er seinen Auftraggeber nicht nur über das Vorhandensein, sondern auch über das ungefähre, in etwa abschätzbare Ausmaß des Risikos unterrichten, weil der Mandant in der Regel nur aufgrund einer Einschätzung auch des Risikoumfangs über sein weiteres Vorgehen entscheiden kann (BGH, Urteile vom 8. Dezember 1983 - I ZR 183/81, BGHZ 89, 178ff.; vom 1. März 2007 - IX ZR 261/03, Rz. 9 mwN; Senat, aaO). Die Erklärungen des rechtlichen Beraters müssen dem Mandanten, der verlässlich über bestimmte Rechtsfolgen unterrichtet werden will, um darauf seine Entscheidung gründen zu können, eine annähernd zutreffende Vorstellung von den Handlungsmöglichkeiten und deren Vor- und Nachteilen vermitteln (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2003 - IX ZR 77/02, zur Steuerberaterhaftung). Ist die Sach- oder Rechtslage unklar, muss der Rechtsanwalt dies gegenüber dem Mandanten offenlegen und diesen sorgfältig darüber unterrichten, welche Gesichtspunkte für die eine und welche für die andere Möglichkeit sprechen und welche Rechtsfolgen sich daraus jeweils ergeben. Der Rechtsanwalt muss den Mandanten insoweit umfassend informieren. Eine einseitige Unterrichtung kann zu einer Fehleinschätzung der Lage durch den Mandanten führen und birgt insoweit die Gefahr, dass dieser eine der objektiven Lage nicht entsprechende Entscheidung trifft. Der Sinn der Mandatierung eines rechtskundigen und erfahrenen Rechtsanwalts besteht gerade darin, Fehleinschätzungen und -entscheidungen des Mandanten zu vermeiden (BGH, Urteil vom 30. November 1999 - X ZR 129/96, Rz. 15 mwN; Senat, Beschluss vom 13. Juli 2010, aaO).

cc.

Diesen Anforderungen genügte die Beratung der Zeugin C. nicht. Dies zeigt sich bereits daran, dass die Zeugin, wie auch das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, einem Fehlverständnis ihrer Beratungspflichten unterlag. Denn sie ist davon ausgegangen, es sei nicht ihre Aufgabe, die Hinweise des Gerichts zu bewerten (vgl. Schriftsatz vom 08. Juli 2013, S. 10, GA 28). Die Zeugin C. hat zudem ausdrücklich ausgesagt, dass sie eine rechtliche Einschätzung der Hinweise des Arbeitsrichters im Termin nicht abgegeben habe (vgl. Protokoll vom 19. Januar 2017, S. 6, GA 300). Ein solches Vorgehen ist jedoch als wesentlicher Teil einer pflichtgemäßen Beratungsleistung geschuldet. Nur die Einschätzung anhand der konkreten Prozesssituation und der vom Gericht erteilten Hinweise ermöglicht es dem Mandanten, sich hierzu selbst eine Meinung zu bilden und gegebenenfalls konkrete Rückfragen an den Rechtsberater zu richten. Die allgemeinen Einschätzungen, dass bei Nichtabschluss eines Vergleichs das Verfahren fortgesetzt wird, dessen Ausgang ungewiss ist und nach den vom Gericht erteilten Hinweisen vermutet werden kann, dass es möglicherweise negativ ausfällt, sowie der Hinweis darauf, dass die Möglichkeit der Durchführung eines Berufungsverfahrens besteht, genügen nicht.

b.

Der Schadensersatzanspruch des Klägers scheitert aber daran, dass sich zu seinen Gunsten nicht feststellen lässt, dass die defizitäre Beratung der Beklagten für den Vergleichsschluss kausal geworden ist. Es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Kläger den Vergleich bei pflichtgemäßer Beratung nicht auch geschlossen hätte, denn unter den gegebenen Umständen war ein Vergleichsschluss sachgerecht und stellte eine interessengerechte Handlungsalternative dar. Selbst wenn die Zeugin C. ihre Pflichten vollumfänglich erkannt und erfüllt hätte, wäre der Rat zum Vergleichsschluss vertretbar gewesen.

Soweit das Landgericht die Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden bejaht hat, hat es entscheidungserhebliche Gesichtspunkte unberücksichtigt gelassen. Denn es hat die damalige Ungewissheit des Ergebnisses eines etwaigen arbeitsmedizinischen Gutachtens und auch Geschehnisse im Vorfeld der Kündigung nicht oder nicht ausreichend gewürdigt. Im Ergebnis hat es eine unzulässige ex-post-Betrachtung angestellt, denn maßgebend ist die Situation zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs. Deren Würdigung ergibt, dass ein Vergleichsschluss für den Kläger durchaus sinnvoll war.

Wird dem Anwalt eine Unterlassung vorgeworfen, so muss untersucht werden, wie die Dinge gelaufen wären, wenn er die versäumte Handlung pflichtgemäß vorgenommen hätte. Es kommt also darauf an, wie jenes Verfahren bei pflichtgemäßem Verhalten des Anwalts ausgegangen wäre (vgl. nur BGH, Urteile vom 6. Dezember 2001 - IX ZR 124/00, Rz. 12; vom 29. März 1990 - IX ZR 24/88, Rz. 16 mwN; vom 16. Juni 1988 - IX ZR 69/87, Rz. 20; Zugehör/G. Fischer, aaO, Rn. 1189f. mwN). Die Feststellung, ob infolge der Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist, gehört zur haftungsausfüllenden Kausalität. Der Beweis, dass die Vertragsverletzung zum Schaden geführt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 13. Dezember 1951 - IV ZR 123/51, BGHZ 4, 192 (196); vom 9. Juni 1982 - IVa ZR 8/81, Rz. 43; vom 27. Januar 2000 - IX ZR 45/98, Rz. 31 mwN), der der Senat folgt (vgl. nur Urteil vom 5. März 2013 - I-24 U 61/12, Rz. 52 mwN; Beschluss vom 4. April 2011 - I-24 U 147/10, Rz. 7) unter Heranziehung des § 287 Abs. 1 ZPO zu beurteilen. Es ist somit zu ermitteln, ob eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Streitfalls mit für den Kläger günstigeren Feststellungen zu rechnen gewesen wäre (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Auflage, § 252 Rn. 4ff. m.w.N.). Daraus folgt im Gegenschluss, dass ein Schadensersatzanspruch entfällt, wenn die schadensbegründende Handlung überwiegend wahrscheinlich für den konkret geltend gemachten Schaden nicht ursächlich geworden ist (vgl. Senat, Urteil vom 16. April 2002 - 24 U 123/01, Rz. 22ff.; Beschluss vom 22. Februar 2007 - I-24 U 133/06, Rz. 12ff.).

Es ist deshalb zu ermitteln, ob der Kläger bei ordnungsgemäßer Beratung den Vergleichsschluss sinnvollerweise hätte ablehnen können. Das lässt sich jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen.

Der Beweis für den Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtwidrigkeit und dem Schaden obliegt nach den auch hier anzuwendenden allgemeinen Regeln demjenigen, der Schadensersatz verlangt, denn es handelt sich um eine anspruchsbegründende Voraussetzung (vgl. BGH, Urteile vom 30. September 1993 - IX ZR 73/93, BGHZ 123, 311ff.; vom 13. Januar 2005 - IX ZR 455/00, Rz. 13). Da Regressprozessen häufig sehr komplexe Sachverhalte zugrunde liegen und die Entscheidung dieses Punktes von Wertungsfragen vielfältiger Art beeinflusst sein kann, bedeutet dies für den Mandanten in der Praxis eine hohe Hürde, an der sein Ersatzanspruch nicht selten zu scheitern droht (vgl. Zugehör/G. Fischer, a.a.O., Rn. 1104 m.w.N.).

Die genannte Beweislastverteilung gilt auch für die Frage, wie sich der Auftraggeber bei richtiger Beratung verhalten hätte. Insoweit kommen ihm zwar, da es sich dabei um die haftungsausfüllende Kausalität handelt, Beweiserleichterungen zu Hilfe. Es gilt nicht § 286, sondern § 287 ZPO. Außerdem kann dem Mandanten die Beweisführung nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises erleichtert sein. Das gilt indessen nur, wenn ein bestimmter Rat geschuldet war und es in der gegebenen Situation unvernünftig gewesen wäre, diesen Rat nicht zu befolgen (BGH, Urteile vom 30. September 1993, aaO, Rz. 14 mwN). Die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens greift auch nur ein, wenn bei vertragsgemäßer Beratung aus damaliger Sicht des Mandanten vernünftigerweise nur eine Entscheidung nahegelegen hätte (BGH, Urteile vom 20. September 1993, aaO; vom 29. April 2003 - IX ZR 54/02, Rz. 22). Sie gilt dann nicht, wenn mehrere Verhaltensweisen ernsthaft in Betracht kommen und die Aufgabe des Beraters lediglich darin bestand, dem Mandanten durch die erforderlichen fachlichen Informationen eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen (BGH, Urteile vom 10. Dezember 1998 - IX ZR 358/97, Rz. 10; vom 13. Januar 2005 - IX ZR 455/00, Rz. 13). So liegt der Fall hier auch.

aa.

Um beurteilen zu können, wie sich der Kläger nach pflichtgemäßer Beratung durch die Zeugin C. verhalten hätte, müssen zunächst die Handlungsalternativen geprüft werden, die sich ihm stellten, deren Rechtsfolgen müssen ermittelt sowie miteinander und mit den "Handlungszielen" des Klägers verglichen werden (BGH, Urteil vom 21. Juli 2005 - IX ZR 49/02, Rz. 11 mwN).

Die Zeugin C. hätte den Kläger zunächst darüber unterrichten müssen, dass ungewiss ist, ob ein einzuholendes arbeitsmedizinisches Gutachten tatsächlich ergibt, dass der zugewiesene Arbeitsplatz nicht leidensgerecht ist. Hierbei darf nicht rückblickend im Hinblick auf das Ergebnis des in erster Instanz eingeholten Gutachtens davon ausgegangen werden, dass die Zeugin C. von einem Erfolg ohne weiteres hätte ausgehen dürfen. Maßgebend ist die Beurteilung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs, zumal die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, dem Rechtsanwalt wegen der Schwierigkeiten und Ungewissheiten bei der Abwägung der Vor- und Nachteile eines Vergleichs einen Ermessensspielraum für seine Beurteilung einräumt. Ansonsten ginge der Anwalt ein für ihn nicht mehr tragbares Risiko ein. Besteht allerdings nach der Prozesslage die begründete Aussicht, dass im Falle einer Entscheidung ein wesentlich günstigeres Ergebnis zu erzielen ist, hat der Anwalt von einem Vergleich abzuraten (BGH, Urteile vom 14. Januar 1993 - IX ZR 76/92, Rz. 60; vom 7. Januar 1993 - IX ZR 199/91; vom 5. Januar 1968 - VI ZR 137/66).

Hiervon kann zugunsten des Klägers jedoch nicht ausgegangen werden. Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass das Arbeitsgericht keinen Anlass sah, ein arbeitsmedizinisches Gutachten einzuholen. Selbst wenn die Zeugin C. eine entsprechende Beweiserhebung erreicht hätte, wäre deren Erfolg jedenfalls offen und ungewiss gewesen. Denn die Zeugin hätte dem Kläger im Rahmen der Beratung auch in Erinnerung rufen müssen, dass sowohl der Betriebsarzt als auch das Integrationsamt davon ausgingen, dass der Arbeitsplatz leidensgerecht sei. Der Betriebsarzt F. hatte, ebenso wie Herr G. (Fachkraft für Arbeitssicherheit) und Frau H. (Integrationsamt) den Arbeitsplatz vor Ort überprüft und waren zu dem Ergebnis gekommen, dass er leidensgerecht sei (vgl. Antrag der Arbeitgeberin auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung vom 1. April 2010, Anlagenordner). Soweit das Attest des I. vom 4. Dezember 2009 (Anl. K9, AI 22) demgegenüber davon ausging, vom Kläger würden Überkopf- und Haltearbeit in Zwangshaltungen erwartet, beruhte dies auf den Schilderungen des Klägers und nicht auf eigenen Erkenntnissen des Arztes von der Arbeitsplatzsituation. Nach der Dokumentation (Anlagenordner) der Frau H. vom 7. April 2010 war ein Überkopfarbeiten nicht nötig (Gespräch mit F. vom 18. Januar 2010). Unstreitig zwischen den Parteien ist weiter, dass der Kläger etwaige Verstopfungen nicht selbst beseitigen sollte, sondern auf Anweisung der Arbeitgeberin in einem solchen Fall Kollegen hinzurufen sollte, die dies erledigen. Ob somit seinerzeit von einem sicheren Erfolg im Hinblick auf das Ergebnis einer arbeitsmedizinischen Begutachtung ausgegangen werden konnte, ist mehr als zweifelhaft.

Die Zeugin C. hatte während des arbeitsgerichtlichen Prozesses des weiteren keine Anhaltspunkte, die Leidensgemäßheit des Arbeitsplatzes unter dem Gesichtspunkt von Schiebelasten zu würdigen. Infolgedessen konnte sie hierzu auch nichts vortragen. Denn zum Zeitpunkt des Arbeitsgerichtsprozesses war diese Problematik nicht bekannt. Sie ergab sich nicht aus den seinerzeit vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und auch nicht aus dem Bescheid des Integrationsamts. Die damalige Situation wird auch dadurch verdeutlicht, dass der Kläger diese Problematik erst im Laufe dieses Prozesses (nach dem Erlass des Beweisbeschlusses vom 20. Juni 2014, GA 95), nämlich erstmals im Schriftsatz vom 26. November 2014 (S. 5, GA 159) erwähnte. Es kann somit nicht davon ausgegangen werden, dass die Zeugin C. hiervon bereits im Jahr 2011 hätte wissen bzw. eine dahingehende Sachaufklärung hätte durchführen können und die Schiebelasten somit in eine sachverständige Begutachtung überhaupt hätten eingeführt werden können.

Auch ist die damalige Situation des Klägers zu berücksichtigen. Er war emotional stark belastet durch die erlittenen rassistischen Anfeindungen, die sich nach Aussage der Zeugin C. auch im Gerichtssaal des Arbeitsgerichtes zeigten. Sie bekundete, dass die Arbeitskollegen des Klägers schallend gelacht hätten, als er unter Tränen die Situation an seinem Arbeitsplatz geschildert habe (Sitzungsprotokoll vom 27. Oktober 2016, S. 5, GA 249). Der Kläger hatte auch bereits vorgerichtlich mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass er bei der Arbeitgeberin nicht weiter tätig sein wolle (vgl. Aktenvermerk der Frau J. vom 22. Januar 2010, Anlagenordner; Vermerk der Frau H. vom 7. April 2010, Anlagenordner). In dem genannten Vermerk der Frau H. ist sogar vermerkt, dass der Kläger auf eine Kündigung "warte", seinen Arbeitgeber verklagen wolle und mit einer Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung sogar einverstanden sei (Gespräch vom 19. Januar 2010). Im Gespräch vom 21. Januar 2010 soll der Kläger erneut erklärt haben, er warte auf die Kündigung, zudem strebe er ein neues Arbeitsverhältnis (bei einem anderen Arbeitgeber) an.

Entsprechendes bekundete die Zeugin C. als Angabe des Klägers ihr gegenüber, dass er nämlich zu diesem Arbeitgeber nicht zurückkehren wolle. Dem steht letztlich auch das Ergebnis der Anhörung des Klägers nicht entgegen. Er hat sich insoweit ambivalent geäußert, d.h. seine Angaben, er wollte nicht mehr zur Arbeitgeberin zurückkehren, mussten dem diktieren Wortlaut nach überwiegend so verstanden werden, dass er dort generell nicht mehr arbeiten wollte (Anhörung vom 27. März 2014, S. 3, GA 74 und S. 5, GA 76). Soweit er dann auch - dies einschränkend - meinte, er wolle lediglich nicht mehr an den alten, nicht leidensgerechten Arbeitsplatz zurückkehren (aaO, S. 5, GA 76), ist dies vor dem Hintergrund seiner im Vorfeld mehrfach bekundeten eigenen Absichten, aufgrund der rassistischen Diskriminierungen nicht zu dem Arbeitgeber zurückkehren zu wollen, nicht geeignet, hiervon im Rahmen der Kausalitätsbetrachtung i.S. § 287 ZPO auszugehen.

Entgegen der vom Landgericht geäußerten Auffassung spricht für einen Rückkehrwillen des Klägers nicht, dass er das Widerspruchsverfahren vor dem Integrationsamt fortgeführt hat. Denn es ist nicht ausgeschlossen, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, dass der Kläger dies aus nachträglicher Reue über den Prozessvergleich getan hat und hoffte, dort noch einen Erfolg erzielen zu können. Denkbar ist auch, dass er es im Hinblick auf ein Verfahren wegen der erlittenen rassistischen Diskriminierung gegen seine ehemalige Arbeitgeberin weiterführen wollte. Hierfür spricht auch der Aktenvermerk des Integrationsamtes vom 8. April 2011 (Anlagenordner), in dem mitgeteilt wird, dass der Kläger das Widerspruchsverfahren fortführen wollte, um eine Würdigung der rassistischen Diskriminierung zu erhalten.

Zudem ist bei den Kausalitätsüberlegungen zu berücksichtigen, dass fraglich ist, ob der Kläger zukünftig bei der Arbeitgeberin weiter hätte tätig sein können. Dies hätte sich zwar im Rahmen dieses Kündigungsschutzprozesses - sofern der Kläger obsiegt hätte - nicht ausgewirkt, denn hätte der Kläger diesen gewonnen, hätte er zunächst zur Arbeitgeberin zurückkehren können. Es hätte aber gleichwohl im Rahmen der Vergleichsüberlegungen bedacht werden müssen, wie es dann hätte weitergehen können. Selbst wenn man nämlich unterstellte, dass der dortige Arbeitsplatz nicht leidensgerecht ist, so ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger ein anderer Arbeitsplatz, der seinen Bedürfnissen entspricht, hätte zugewiesen werden können. Sowohl der Betriebsarzt als auch die Arbeitgeberin selbst gingen offensichtlich davon aus, dass der Kläger bereits den "leichtesten" Arbeitsplatz innehatte (vgl. Telefonnotiz des Integrationsamts vom 15. Januar 2010, Anlagenordner und Vermerk der Frau H. über ein Gespräch mit dem Betriebsarzt F. vom 7. April 2010, Anlagenordner). Hiervon ging auch das Integrationsamt in seinem Bescheid vom 19. April 2010 aus (S. 7, 1. Absatz, Anlagenordner), denn es legte seiner Entscheidung zugrunde, dass alternative leidensgerechte Tätigkeiten bei der Arbeitgeberin nicht vorhanden seien bzw. auch nicht realisiert werden könnten. Entsprechend hat die Arbeitgeberin im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 11. Februar 2011 vorgetragen, dass zumutbare organisatorische Umsetzungen nicht möglich sind (BA 63-64).

Die Zeugin C. hätte bei ihrer Beratung des Klägers zu einem Vergleichsschluss weiter berücksichtigen müssen, dass in dem Falle, dass der Arbeitgeber über keinen leidensgerechten Arbeitsplatz verfügt, er nicht zur Schaffung eines solchen verpflichtet ist. Zwar muss ein Arbeitgeber bei einer ermessensgerechten Ausübung seines Weisungsrechts nicht nur auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen (so § 106 S. 3 GewO), sondern im Rahmen des ihm zumutbaren auch auf krankheitsbedingte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Er ist aber nicht verpflichtet, einen "leidensgerechten Arbeitsplatz" erst zu schaffen. Denn es obliegt seiner unternehmerischen Entscheidung und Planungshoheit, wie er den Betrieb und die zu verrichtende Arbeit organisiert und welche Arbeitsplätze er hierfür einrichtet. Die Planung der Arbeitsplätze unterliegt nur der Mitwirkung des Betriebsrats (§ 90 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG), nicht aber der Arbeitsgerichte. Diese haben die planerischen Erwägungen des Arbeitgebers zu respektieren und nicht durch eigene Organisationsvorstellungen zu ersetzen (vgl. BAG, Urteil vom 28. Juni 2017 - 5 AZR 263/16, Rz. 35).

Diese Situation ließ es auch im Rahmen einer pflichtgemäßen Beratung als durchaus sinnvoll und angemessen erscheinen, den Vergleichsschluss zu empfehlen. Soweit der Kläger behauptet hat, die Zeugin C. habe ihn hierzu "gedrängt", vermochte er dies im Rahmen der Beweisaufnahme nicht zu beweisen. Soweit er bei seiner Anhörung angab, er habe in den Vergleich eingewilligt, es sei "aber wie ein Zwang" gewesen (GA 75), mag er sich aufgrund der komplexen Situation und der ungewissen Erfolgsaussichten hierzu veranlasst gesehen haben. Dass allerdings von der Zeugin C. in unzulässiger Weise auf ihn Druck ausgeübt wurde, ließ sich nicht feststellen. Denn weder die Zeugin D. noch die Zeugin C. haben dahingehendes bestätigt. Zudem ist der Vergleich im Gerichtssaal verlesen, für den Kläger zusätzlich in die französische Sprache übersetzt worden und der Vorsitzende hat ihn nach seinem Einverständnis gefragt (Aussage der Zeugin C. vom 27. Oktober 2016, S. 7, GA 251). Daraus muss gefolgert werden, dass der Kläger den Vergleichsinhalt nicht nur verstanden hat, sondern hiermit auch sein Einverständnis erklärt hat. Soweit er in der Klageschrift vorgetragen hat, ihm sei nicht klar gewesen, dass das Arbeitsverhältnis enden würde (S. 9, GA 9), ist dies nicht nachvollziehbar.

Auch ist nicht ersichtlich, dass die Zeugin C. während des Gesprächs den Eindruck haben musste, der Kläger könne aufgrund von Sprachschwierigkeiten ihren Erläuterungen bzw. auch dem Kammertermin nicht folgen und habe deshalb Verständnis- und Entscheidungsprobleme. Vielmehr bekundete die Zeugin D. der Kläger habe zu ihrem Erstaunen vielfach ihre Übersetzungen unter Hinweis darauf, er benötige sie nicht, unterbunden (Protokoll vom 27. Oktober 2016, S. 2, GA 246). Zudem hat die Beklagte nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass sich in der Akte eine Reihe vom Kläger in deutscher Sprache verfasster Briefe befinden und aus diesen hervorgehe, dass er durchaus der deutschen Sprache in gutem Umfang mächtig sei, jedenfalls in einem besseren, als er jetzt darstellen würde. Diesbezüglich ist auf seine Zusammenfassung vom 30. Juli 2009 (z.B. Anl. K2, AI 2-4), das Fax vom 10. Dezember 2009 (Schreiben an Frau K., Versorgungsamt) und das Schreiben an die Rechtsanwältin L. vom 25. Februar 2012 (Anl. K6, AI 15-16) zu verweisen. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten, denn er hat beispielsweise nicht geltend gemacht, dass er bei Abfassung von Schreiben Unterstützung hatte.

Hätte die Zeugin C. den Kläger umfassender unterrichtet, dann hätte sie ihn auch über die Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf den leidensgerechten Arbeitsplatz unterrichten müssen. Denn nur dann hätte der Kläger die Erfolgsaussichten besser abwägen können. Doch auch dies hätte zu dem Ergebnis geführt, dass diese ungewiss sind.

Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber (im Regressprozess dann der Anwalt) die dahingehende Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 S. 4 KSchG (vgl. BAG, Urteil vom 20. November 2014 -2 AZR 755/13, Rz. 24 mwN). Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. So ist eine Kündigung nicht durch Krankheit "bedingt", wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG, Urteil vom 20. November 2014, aaO; vom 19. April 2007 - 2 AZR 239/06, Rz.. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG, Urteil vom 20. November 2014, aaO, vom 20. März 2014 - 2 AZR 565/12, Rz. 29 mwN). Allerdings kann sich der Arbeitgeber zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (vgl. BAG, Urteil vom 20. November 2014, aaO, Rz. 25; vom 30. September 2010 - 2 AZR 88/09, Rz. 14; vom 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08, Rz. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (vgl. BAG, Urteile vom 20. November 2014, aaO, Rz. 25, vom 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO, mwN).

Die Zeugin C. hätte somit dem Kläger vermitteln müssen, dass er im Rahmen der Erwiderung einen im Betrieb der Arbeitgeberin vorhandenen leidensgerechten Arbeitsplatz würde aufzeigen müssen. Ob der Kläger hierzu Informationen hätte liefern können, ist fraglich. Denn im jetzigen Regressprozess behauptet er lediglich pauschal, dass solche Arbeitsplätze vorhanden gewesen und ihm diese aus rassistischen Gründen verweigert worden seien (Schriftsatz vom 26.11.2014, S. 3 unten, GA 157). Nähere Einzelheiten dazu lässt sein Vorbringen indes vermissen. Dagegen, dass ein für den Kläger angemessener Arbeitsplatz bei der Arbeitgeberin zur Verfügung stand, spricht der Vermerk der Frau H. vom 7. April 2010 (KLIFD Dokumentation, Anlagenordner). Sie hielt fest, dass ein Gespräch mit dem Betriebsarzt F. am 18. Januar 2010 ergeben habe, der Arbeitsplatz des Klägers sei einer der "leichtesten". Hiervon ging auch das Integrationsamt in seinem Bescheid vom 19. April 2010 aus (S. 7, 1. Absatz, Anlagenordner), denn es legte seiner Entscheidung zugrunde, dass alternative leidensgerechte Tätigkeiten bei der Arbeitgeberin nicht vorhanden sind bzw. auch nicht realisiert werden können. Entsprechend hat die Arbeitgeberin im arbeitsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsatz vom 11. Februar 2011 vorgetragen, dass zumutbare organisatorische Umsetzungen nicht möglich seien (BA 63-64).

bb.

Wie bereits oben ausgeführt, greift die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens nur dann, wenn bei vertragsgemäßer Beratung aus damaliger Sicht des Mandanten vernünftigerweise nur eine Entscheidung nahegelegen hätte. Sie gilt dann nicht, wenn mehrere Verhaltensweisen ernsthaft in Betracht kommen und die Aufgabe des Beraters lediglich darin bestand, dem Mandanten durch die erforderlichen fachlichen Informationen eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen. Selbst wenn man also im Sinne des Klägers unterstellt, die Zeugin C. hätte ihm zur Fortsetzung des Prozesses geraten, so kann zu seinen Gunsten nicht vermutet werden, dass er diesem Rat gefolgt wäre. Denn im Hinblick auf die obigen Ausführungen muss davon ausgegangen werden, dass der Abschluss des Vergleichs ebenfalls - wenn nicht sogar mehr - eine interessengerechte Handlungsalternative darstellte. Zudem hatte die Zeugin C. den Kläger zutreffend darauf hingewiesen, dass sein Anliegen, die rassistischen Diskriminierungen zur Sprache zu bringen, im Kündigungsschutzprozess nicht aufgearbeitet werden könnten, weshalb der Kläger davon ausgehen musste, dass eine Fortsetzung dieses Verfahrens hierzu nicht führen würde.

c.

Insgesamt lässt sich somit zwar eine Pflichtverletzung durch die konkret erteilte Beratung der für die Beklagte tätigen Zeugin C. im Rahmen der Vergleichsgespräche vor dem Arbeitsgericht feststellen, allerdings keine Kausalität für den eingetretenen Schaden. Denn im Ergebnis war ihre Empfehlung, den Vergleich zu schließen, in der damaligen Situation durchaus sachgerecht und eine interessengerechte Handlungsalternative zur Fortsetzung des Prozesses. Denn dass der Kläger damals im Kündigungsschutzprozess obsiegt hätte bzw. seinen Arbeitsplatz dauerhaft (er macht nunmehr Schäden bis zum November 2017 geltend, vgl. GA 477) behalten hätte, kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden. Dies geht zu seinen Lasten, denn er ist für die Kausalität darlegungs- und beweisverpflichtet.

2. Anschlussberufung

Da ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht besteht, bedarf es hierzu keiner Ausführungen.

3. Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Anlass, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, besteht nicht.

Der Streitwert im Berufungsverfahren beträgt EUR 186.818,48.

Referenznummer:

R/R8254


Informationsstand: 06.11.2019