Der sechste Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88 lautet:
"Hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung ist den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation Rechnung zu tragen; dies betrifft auch die für Nachtarbeit geltenden Grundsätze."
Art. 1 der Richtlinie 2003/88 bestimmt:
"Gegenstand und Anwendungsbereich
(1) Diese Richtlinie enthält Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung.
(2) Gegenstand dieser Richtlinie sind
a) ... der Mindestjahresurlaub ...
..."
Art. 7 dieser Richtlinie lautet:
"Jahresurlaub
(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.
(2) Der bezahlte Mindestjahresurlaub darf außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden."
Nach
Art. 17 der Richtlinie 2003/88 können die Mitgliedstaaten von bestimmten Vorschriften dieser Richtlinie abweichen. Hinsichtlich des
Art. 7 der Richtlinie ist keine Abweichung erlaubt.
Das Bundesurlaubsgesetz vom 8. Januar 1963 in der Fassung vom 7. Mai 2002 (im Folgenden:
BUrlG) sieht in § 1 ("Urlaubsanspruch") vor:
"Jeder Arbeitnehmer hat in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub."
§ 3 ("Dauer des Urlaubs")
BUrlG bestimmt in
Abs. 1:
"Der Urlaub beträgt jährlich mindestens 24 Werktage."
§ 7 ("Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs")
BUrlG sieht in den
Abs. 3 und 4 vor:
"(3) Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten."
§ 13
BUrlG bestimmt, dass in Tarifverträgen von bestimmten Vorschriften dieses Gesetzes, darunter § 7
Abs. 3
BUrlG, abgewichen werden kann, sofern dies nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers geschieht.
Der Einheitliche Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2003 (im Folgenden: EMTV) bestimmt in § 11 ("Grundsätze der Urlaubsgewährung"):
"1 Beschäftigte/Auszubildende haben nach Maßgabe der nachstehenden Bestimmungen in jedem Urlaubsjahr Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub. Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr.
Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder dass Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte.
Konnte der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden, erlischt der Urlaubsanspruch 12 Monate nach Ablauf des Zeitraums nach
Abs. 2.
...
Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses/Ausbildungsverhältnisses zulässig."
Herr
S. war seit April 1964 bei der K.
AG bzw. deren Rechtsvorgängerin als Schlosser beschäftigt. Auf seinen Arbeitsvertrag fand der EMTV Anwendung. Der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub betrug nach dem EMTV jährlich 30 Arbeitstage.
Im Januar 2002 erlitt Herr
S. einen Infarkt, infolge dessen er schwerbehindert ist und für arbeitsunfähig erklärt wurde. Ab Oktober 2003 bezog er eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. So verhielt es sich bis zum 31. August 2008, dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis von Herrn Schulte endete.
Im März 2009 erhob Herr
S. beim Arbeitsgericht Dortmund Klage auf Abgeltung des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs für die Urlaubsjahre 2006, 2007 und 2008.
Das Arbeitsgericht Dortmund gab der Klage für diese drei Zeiträume statt, soweit die von Herrn
S. beantragte Abgeltung den bezahlten Mindestjahresurlaub von 20 Arbeitstagen im Jahr nach dem Unionsrecht zuzüglich des nach deutschem Recht bestehenden Schwerstbehindertenanspruchs von 5 Arbeitstagen betraf.
In ihrer Berufung gegen das Urteil dieses Gerichts trägt die K.
AG vor, die Ansprüche von Herrn
S. auf bezahlten Jahresurlaub für die Jahre 2006 und 2007 seien erloschen, da der in § 11
Abs. 1 Unterabs. 3 EMTV vorgesehene Zeitraum für die Übertragung abgelaufen sei.
Das Landesarbeitsgericht Hamm weist darauf hin, dass nach der nationalen Regelung und dem EMTV die Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub für die Jahre 2007 und 2008 bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch bestanden hätten und dass nur der Anspruch auf den bezahlten Jahresurlaub für das Jahr 2006 aufgrund des Ablaufs des insgesamt 15 Monate dauernden Übertragungszeitraums erloschen sei.
Das vorlegende Gericht schließt jedoch nicht aus, dass dem auf der nationalen Regelung beruhenden Verlust des Anspruchs auf den bezahlten Jahresurlaub für das Jahr 2006
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 entgegensteht.
Unter diesen Umständen hat das Landesarbeitsgericht Hamm das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten, nach denen der Anspruch auf bezahlten Mindestjahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder Übertragungszeitraums erlischt, auch dann entgegensteht, wenn der Arbeitnehmer längerfristig arbeitsunfähig ist (wobei diese längerfristige Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, dass er Ansprüche auf Mindesturlaub für mehrere Jahre ansammeln könnte, wenn die Möglichkeit zur Übertragung solcher Ansprüche nicht zeitlich begrenzt würde)?
2. Falls diese Frage verneint wird, muss die Übertragungsmöglichkeit dann für einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten bestehen?
Zur ersten Frage:
Mit der ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen entgegensteht, die die Möglichkeit eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf diesen Urlaub erlischt.
Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub als ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Union anzusehen ist, von dem nicht abgewichen werden darf und den die zuständigen nationalen Stellen nur in den Grenzen umsetzen dürfen, die in der Richtlinie 93/104/
EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (
ABl. L 307,
S. 18), die durch die Richtlinie 2003/88 kodifiziert wurde, selbst ausdrücklich gezogen sind (
vgl. Urteile vom 26. Juni 2001, BECTU, C-173/99, Slg. 2001, I-881, Randnr. 43, vom 18. März 2004, M. G., C-342/01, Slg. 2004, I-2605, Randnr. 29, vom 16. März 2006, R.-S.
u. a., C-131/04 und C-257/04, Slg. 2006, I-2531, Randnr. 48, sowie vom 20. Januar 2009,
S.-H.
u. a., C-350/06 und C-520/06, Slg. 2009, I-179, Randnr. 22).
Sodann hat der Gerichtshof die Umsetzung dieses Grundsatzes des bezahlten Jahresurlaubs und die Modalitäten seiner Anwendung durch die zuständigen nationalen Stellen bereits in Bezug auf Arbeitnehmer geprüft, die wegen Krankheitsurlaubszeiten, die die Dauer der nach dem betreffenden nationalen Recht anwendbaren Bezugszeiträume nicht überschreiten, nicht in den Genuss von bezahltem Jahresurlaub gekommen sind (Urteil
S.-H.
u. a., Randnr. 19).
Im Rahmen dieser Prüfung hat er darauf hingewiesen, dass mit einer nationalen Vorschrift, die einen Übertragungszeitraum für am Ende des Bezugszeitraums nicht genommenen Jahresurlaub vorsieht, grundsätzlich das Ziel verfolgt wird, dem Arbeitnehmer, der daran gehindert war, seinen Jahresurlaub zu nehmen, eine zusätzliche Möglichkeit zu eröffnen, in dessen Genuss zu kommen. Die Festlegung eines solchen Zeitraums gehört zu den Voraussetzungen für die Ausübung und die Umsetzung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub und fällt somit grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten (
vgl. Urteil
S.-H.
u. a., Randnr. 42).
Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die für die Ausübung des mit dieser Richtlinie ausdrücklich verliehenen Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub Modalitäten vorsieht, die sogar den Verlust dieses Anspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums umfassen. Allerdings hat er dieser grundsätzlichen Feststellung die Voraussetzung hinzugefügt, dass der Arbeitnehmer, dessen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erloschen ist, tatsächlich die Möglichkeit gehabt haben muss, den ihm mit der Richtlinie verliehenen Anspruch auszuüben (
vgl. Urteil
S.-H.
u. a., Randnr. 43).
Es ist festzustellen, dass es für einen Arbeitnehmer, der - wie der Kläger des Ausgangsverfahrens in Bezug auf das Jahr 2006 - während des gesamten Bezugszeitraums und über den im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraum hinaus krankgeschrieben ist, keinen Zeitraum gibt, in dem er in den Genuss seines bezahlten Jahresurlaubs kommen kann.
Aus der oben genannten Rechtsprechung ergibt sich nun zwar, dass eine nationale Bestimmung, mit der ein Übertragungszeitraum festgelegt wird, nicht das Erlöschen des Anspruchs des Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub vorsehen kann, wenn der Arbeitnehmer nicht tatsächlich die Möglichkeit hatte, diesen Anspruch auszuüben; diese Schlussfolgerung muss jedoch unter besonderen Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nuanciert werden.
Anderenfalls wäre nämlich ein Arbeitnehmer wie der Kläger des Ausgangsverfahrens, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig ist, berechtigt, unbegrenzt alle während des Zeitraums seiner Abwesenheit von der Arbeit erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln.
Ein Recht auf ein derartiges unbegrenztes Ansammeln von Ansprüchen auf bezahlten Jahresurlaub, die während eines solchen Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit erworben wurden, würde jedoch nicht mehr dem Zweck des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub entsprechen.
Mit diesem in
Art. 31
Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in
Art. 7 der Richtlinie 2003/88 verankerten Anspruch wird nämlich ein doppelter Zweck verfolgt, der darin besteht, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum für Entspannung und Freizeit zu verfügen (
vgl. Urteil
S.-H.
u. a., Randnr. 25).
Gewiss hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sich die positive Wirkung des bezahlten Jahresurlaubs für die Sicherheit und die Gesundheit des Arbeitnehmers zwar dann vollständig entfaltet, wenn der Urlaub in dem hierfür vorgesehenen, also dem laufenden Jahr genommen wird, die Ruhezeit ihre Bedeutung insoweit jedoch nicht verliert, wenn sie zu einer späteren Zeit genommen wird (Urteile vom 6. April 2006, F. N. V., C-124/05, Slg. 2006, I-3423, Randnr. 30, und
S.-H.
u. a., Randnr. 30).
Gleichwohl ist festzustellen, dass der Anspruch eines während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub beiden in Randnr. 31 des vorliegenden Urteils genannten Zwecksbestimmungen nur insoweit entsprechen kann, als der Übertrag eine gewisse zeitliche Grenze nicht überschreitet. Über eine solche Grenze hinaus fehlt dem Jahresurlaub nämlich seine positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit; erhalten bleibt ihm lediglich seine Eigenschaft als Zeitraum für Entspannung und Freizeit.
In Anbetracht des Zwecks des jedem Arbeitnehmer unmittelbar durch das Unionsrecht gewährten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub kann infolgedessen ein während mehrerer Jahre in Folge arbeitsunfähiger Arbeitnehmer, der seinen bezahlten Jahresurlaub nach dem nationalen Recht nicht während dieses Zeitraums nehmen kann, nicht berechtigt sein, in diesem Zeitraum erworbene Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub unbegrenzt anzusammeln.
In Bezug auf den Übertragungszeitraum, nach dessen Ende der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlöschen kann, wenn während eines Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub angesammelt werden, ist in Anbetracht von
Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen zu beurteilen, ob ein durch nationale Vorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträge auf 15 Monate festgelegter Zeitraum, in dem der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub übertragen werden kann, vernünftigerweise als Zeitraum eingestuft werden kann, bei dessen Überschreitung der bezahlte Jahresurlaub für den Arbeitnehmer keine positive Wirkung als Erholungszeit mehr hat.
Dabei ist Folgendes zu berücksichtigen.
Dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub kommt als Grundsatz des Sozialrechts der Union nicht nur, wie in Randnr. 23 des vorliegenden Urteils ausgeführt, besondere Bedeutung zu, sondern er ist auch in
Art. 31
Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausdrücklich verankert, der von
Art. 6
Abs. 1 EUV der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen zuerkannt wird.
Um diesem Anspruch, mit dem der Schutz des Arbeitnehmers bezweckt wird, gerecht zu werden, muss daher jeder Übertragungszeitraum den spezifischen Umständen Rechnung tragen, in denen sich ein Arbeitnehmer befindet, der während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähig ist. Dieser Zeitraum muss daher für den Arbeitnehmer insbesondere die Möglichkeit gewährleisten, bei Bedarf über Erholungszeiträume zu verfügen, die längerfristig gestaffelt und geplant werden sowie verfügbar sein können. Ein Übertragungszeitraum muss die Dauer des Bezugszeitraums, für den er gewährt wird, deutlich überschreiten.
Zudem muss der Übertragungszeitraum den Arbeitgeber vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen und den Schwierigkeiten schützen, die sich daraus für die Arbeitsorganisation ergeben können.
Im vorliegenden Fall beträgt der in § 11
Abs. 1 Unterabs. 3 EMTV festgelegte Übertragungszeitraum 15 Monate und ist somit länger als der Bezugszeitraum, an den er anknüpft, was die vorliegende Rechtssache von der Rechtssache unterscheidet, in der das Urteil Schultz-Hoff
u. a. ergangen ist, in der der Übertragungszeitraum sechs Monate betrug.
Nach
Art. 9
Abs. 1 des Übereinkommens
Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1970 über den bezahlten Jahresurlaub (Neufassung) ist der ununterbrochene Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens ein Jahr und der übrige Teil des bezahlten Jahresurlaubs spätestens 18 Monate nach Ablauf des Jahres, für das der Urlaubsanspruch erworben wurde, zu gewähren und zu nehmen. Diese Vorschrift kann dahin aufgefasst werden, dass sie auf der Erwägung beruht, dass der Zweck der Urlaubsansprüche bei Ablauf der dort vorgesehenen Fristen nicht mehr vollständig erreicht werden kann.
In Anbetracht des Umstands, dass die Richtlinie 2003/88 nach ihrem sechsten Erwägungsgrund den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung Rechnung getragen hat, muss daher bei der Berechnung des Übertragungszeitraums der Zweck des Anspruchs auf Jahresurlaub, wie er sich aus
Art. 9
Abs. 1 des Übereinkommens ergibt, berücksichtigt werden.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen kann vernünftigerweise davon ausgegangen werden, dass ein Zeitraum von 15 Monaten wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, in dem die Übertragung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub möglich ist, dem Zweck dieses Anspruchs nicht zuwiderläuft, da er dessen positive Wirkung für den Arbeitnehmer als Erholungszeit gewährleistet.
Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 dahin auszulegen ist, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten wie etwa Tarifverträgen nicht entgegensteht, die die Möglichkeit für einen während mehrerer Bezugszeiträume in Folge arbeitsunfähigen Arbeitnehmer, Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub anzusammeln, dadurch einschränken, dass sie einen Übertragungszeitraum von 15 Monaten vorsehen, nach dessen Ablauf der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erlischt.
Zur zweiten Frage:
Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.