Urteil
Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - Beschäftigungsanspruch

Gericht:

LAG Hamburg


Aktenzeichen:

8 Sa 35/07


Urteil vom:

13.09.2007


Leit- bzw. Orientierungssätze:

  • Verletzt der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers, so beinhaltet dies stets eine rechtswidrige Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, unabhängig davon, ob die Nichtbeschäftigung zu weiteren Folgen ( Gesundheitsbeeinträchtigung, Qualifikationsverlust) geführt hat.

  • § 253 BGB n. F. schließt einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht aus.

  • Eine besondere Schwere der Verletzung, welche Voraussetzung für einen Anspruch auf eine Geldentschädigung ist, liegt nur ausnahmsweise unter engen Voraussetzungen vor, z. B. dann, wenn der Arbeitgeber den Beschäftigungsanspruch ohne vertretbare Gründe und vorsätzlich verletzt.

  • Verlangt der Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer eine Untersuchung durch einen Vertrauensarzt, um die gesundheitliche Eignung des Arbeitnehmers zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung überprüfen zu lassen (§ 7 II BAT), so hat er sich bei den Mitteilungen an den Vertrauensarzt auf eine sachliche Darstellung der Umstände zu beschränken, die aus seiner Sicht Anlass zu Zweifeln an der Dienstfähigkeit des Arbeitnehmers darstellen. Negative Bewertungen des Verhaltens oder der Person des Arbeitnehmers, für die keine vertretbare Tatsachengrundlage mitgeteilt wird, oder die Mitteilung von Umständen, die erkennbar mit der Dienstfähigkeit nicht im Zusammenhang stehen, können eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers darstellen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal Hamburg

Tenor:

1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10.04.2007 (9 Ca 103/06) verurteilt, an die Klägerin EUR 6.500,00 als Schadensersatz zu zahlen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3 zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch über Schadensersatzansprüche der Klägerin wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die Beklagte.

Die am 195... geborene Klägerin ist Diplom-Ingenieurin und seit dem 15.04.1987 bei der Beklagten beschäftigt. Sie war zunächst auf der Grundlage eines befristeten Arbeitsvertrages im Hochbauamt der Baubehörde tätig. Seit dem 01.01.1990 ist sie als technische Angestellte/Bauprüferin im Bezirksamt K. beschäftigt. Grundlage des Beschäftigungsverhältnisses ist ein unbefristeter Arbeitsvertrag, der auf den BAT Bezug nimmt und seit der letzten Änderung am 04.09.1997 eine Vergütung nach BAT III vorsieht. Daraus ergab sich zuletzt ein Bruttomonatsgehalt von EUR 3.732,22. Seit dem 28.07.2004 ist die Klägerin als schwerbehinderter Mensch mit einem Grad von 50% anerkannt.

Die Klägerin war zunächst in der Bauprüfabteilung für das Kerngebiet (K./BA 3) eingesetzt und war für die Betreuung des Gebiets N. zuständig. Nach Auflösung der Ortsdienststelle N. und Übertragung der örtlichen Zuständigkeit für den Bereich N. auf das Ortsamt R. wurde die Klägerin zum 01.04.2004 in die Bauprüfabteilung des Ortsamtes R. umgesetzt. Dort kam es im Laufe des Jahres 2004 zu erheblichen Differenzen zwischen der Klägerin und der Abteilungsleitung.

Im Jahr 2003 war die Klägerin an 67 Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt, im Jahr 2004 an 64 Tagen, im Jahr 2005 an 151 Kalendertagen, davon 140 Tage im ersten Halbjahr. Wegen der Krankheitszeiten im Einzelnen wird auf die Anlagen B 6 bis B 6 ( Bl. 33 - 35 d. A.) Bezug genommen. Für den Zeitraum vom 15.03. bis zum 22.07.2005 diagnostizierte Frau Dr. S., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, eine depressive Reaktion bei Arbeitsplatzkonflikt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 13.06.2005 (Anl. K 11, Bl. 68 - 72 d. A.) bat die Klägerin um Umsetzung in die Abteilung Bauprüfung im Kernbereich K.. Mit Schreiben vom 15.07.2005 (Bl. 4 d. A.) ordnete die Beklagte die Klägerin für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 31.12.2005 zum Bezirksamt T. ab. Die Abordnung wurde um einen Monat verlängert und endete am 31.01.2006.

Am 11.01.2006 wurde der Klägerin ein von der zuständigen Abschnittsleiterin verfasster "Bericht vor Ablauf der Mobilitätsmaßnahme" zur Kenntnis gegeben (Bl. 11 d. A.). Darin heißt es: "Als Kollegin ist Frau T. freundlich und hilfsbereit." In fachlicher Hinsicht wird festgestellt, dass die aus der bisherigen Tätigkeit der Klägerin mitgebrachten Kenntnisse und Erfahrungen nicht für eine selbständige Übernahme der Bauprüfaufgabe ausreichten. Schriftstücke und Beratungsgespräche der Klägerin seien mehrfach inhaltlich falsch oder nicht vollständig gewesen. Auch nach einem halben Jahr Tätigkeit in dem Aufgabenbereich sei bei der Klägerin noch ein hoher Anleitungsbedarf vorhanden. Abschließend wird festgestellt, dass die Klägerin noch dazulernen und ihre Kenntnisse über die Vorschriften und Verfahrensweisen vertiefen sowie Hilfe der Kollegen annehmen und umsetzen müsse. Eine zeitliche Perspektive für das Erreichen der erforderlichen Fachkompetenz könne nicht eingeschätzt werden.

In der Zeit vom 01. bis 06.02.2006 führte die Klägerin eine Weiterbildungsmaßnahme durch.

Mit Schreiben vom 06.02.2006 (Anl. K 14, Bl. 76 ff. d. A.), auf dessen gesamten Inhalt Bezug genommen wird, beauftragte die Beklagte den Personalärztlichen Dienst (PÄD), die Klägerin zu untersuchen. Unter dem Betreff "Personalärztliche Untersuchung zur psychischen Eignung als Bauprüferin" werden auf 3 ½ Seiten der Lebenslauf der Klägerin und die Konfliktsituation mit der Beklagten im Einzelnen dargestellt. U. a. wird mitgeteilt, dass bereits in der Vergangenheit Zweifel an der fachlichen Eignung der Klägerin aufgekommen seien. Nunmehr seien verstärkt das Sozialverhalten und der psychische Zustand der Mitarbeiterin negativ aufgefallen. Die Klägerin sei "durch ihr Verhalten eine Belastung für die Mitarbeiter und die Kunden des Bezirksamtes K. geworden". Das Bezirksamt K. bitte den Personalärztlichen Dienst um eine Einschätzung, ob die Klägerin zukünftig psychisch in der Lage sein werde, ihren Aufgaben als Technische Angestellte gerecht zu werden. Zum Lebenslauf werden die einzelnen Schulnoten des Abschlusszeugnisses der Klägerin dargestellt und hervorgehoben, dass die Klägerin in den ersten 11 Jahren ihrer Berufstätigkeit viele wechselnde, zum Teil nur sehr kurzfristige Tätigkeiten ausgeübt habe und erst 11 Jahre nach Verlassen der Fachhochschule eine Anstellung bei der Beklagten gefunden habe. Ihre fachlichen Leistungen seien von Beginn an unterdurchschnittlich gewesen, ohne dass arbeitsrechtliche Konsequenzen daraus gezogen worden seien. Die Klägerin sei insbesondere durch fehlerhafte Sachbearbeitung, unangemessenes Verhalten gegenüber Bürgern und Schwatzhaftigkeit aufgefallen. Seit Jahren sei sie darüber hinaus überdurchschnittlich krank. Im Jahre 2005 sei die Situation im Bezirksamt R. derart eskaliert, dass die Klägerin ein halbes Jahr nicht gearbeitet habe und erst wieder zurückgekehrt sei, nachdem ihr die Zusage gemacht worden sei, sie könne ab dem 01.07.2005 im Bezirksamt T. arbeiten. Weiter heißt es wörtlich:

"Hier ist der Eindruck entstanden, dass sich Frau T. in die Krankheit flüchtet, wenn sie sich Problemen gegenüber sieht oder Konflikte vorliegen. Ihr Sozialverhalten Kollegen, Vorgesetzen und Bürgern gegenüber ist problematisch, die Eigen- und Fremdwahrnehmung weichen voneinander ab. Das Bezirksamt K. bittet um Überprüfung, ob hier eine psychische Erkrankung vorliegt, die behandelt werden muss."

Am 07.02.2006 erschien die Klägerin persönlich beim Bezirksamt K. und bot ihre Arbeitsleistung an. Mit Schreiben vom gleichen Tag (Bl. 5 d. A.) wurde sie bis zum 16.02.2006 unter Fortzahlung der Vergütung von ihrer Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.

Im Zuge eines Gesprächs am 16.02.2006, an dem die Klägerin, ihr Prozessbevollmächtigter, eine Vertreterin des Bezirksamts K. und ein Mitglied des Personalrats teilnahmen, wurde die Klägerin davon in Kenntnis gesetzt, dass die Beklagte sie auch weiterhin nicht im Bezirksamtsbereich einsetzen werde. Die Klägerin wurde angewiesen, sich unverzüglich zur Begutachtung beim PÄD anzumelden, um zu klären, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen sie als Bauprüferin eingesetzt werden könne. Gleichzeitig bot die Beklagte der Klägerin einen Arbeitsplatz als Bauprüferin im Bezirksamt G. im Rahmen einer 6-monatigen Abordnung ab dem 01.03.2006 an. Diese Ergebnisse der Besprechung wurden der Klägerin unter dem 16.02.2006 auch schriftlich mitgeteilt (Bl. 6 d. A. = Anl. B 3, Bl. 29 d. A.).

Mit Schreiben vom 20.02.2006 wurde die Klägerin darüber informiert, dass für sie eine gutachterliche Untersuchung beim PÄD in dem Fachgebiet Neurologie / Psychiatrie anberaumt worden sei.

Mit Schreiben vom 26.02.2006 (Bl. 8 f. d. A.) lehnte die Klägerin die ihr angebotene 6-monatige Abordnung nach G. ab, erklärte sich jedoch mit einer dauerhaften Umsetzung dorthin einverstanden. Darüber hinaus teilte sie mit, dass die Rechtsgrundlage für die anberaumte personalärztliche Untersuchung für sie nicht nachvollziehbar sei.

Mit Schreiben der Beklagte vom 02.03.2006 (Bl. 10 d. A.) wurde die Klägerin rückwirkend ab dem 17.02.2006 bis auf weiteres unter Fortzahlung der Bezüge von der Arbeit freigestellt. Die Beklagte teilte mit, eine dauerhafte Umsetzung der Klägerin in das Bezirksamt G. käme zurzeit nicht in Betracht. Das Bezirksamt G. sei bereit, einer Abordnung für zunächst sechs Monate zuzustimmen. Da die Klägerin einer Abordnung widersprochen habe, nehme die Beklagte davon Abstand, sie gegen ihren Willen nach G. abzuordnen. Die Beklagte sei aber weiterhin der Auffassung, dass zunächst die gesundheitliche Dienstfähigkeit der Klägerin überprüft werden müsse. Die Freistellung würde enden, wenn nach Vorliegen des personalärztlichen Gutachtens über ihren weiteren Einsatz entschieden werden könne.

Am 07.03.2006 erhob die Klägerin Klage vor dem Arbeitsgericht Hamburg auf Beschäftigung als Bauprüferin beim Bezirksamt K., hilfsweise auf Umsetzung zum Bezirksamt G..

Am 29.03.2006 erfolgte eine Untersuchung der Klägerin durch den PÄD. Nach der zusammenfassenden Beurteilung vom gleichen Tag (Bl. 41 d. A.) ergab die orthopädische Untersuchung, dass aktuell keine Erkrankungen festgestellt werden konnten, welche die Dienstfähigkeit der Klägerin entsprechend § 7 (2) BAT auf orthopädischem Gebiet beeinträchtigten.

Am 04.05.2006 erfolgte eine weitere Untersuchung der Klägerin durch den PÄD im Fachbereich Neurologie / Psychiatrie. Auf den gesamten Inhalt der unter dem gleichen Datum verfassten zusammenfassenden Beurteilung (Bl. 42 f d. A.) wird Bezug genommen. U. a. heißt es darin:

"Es lässt sich aktuell keine (!) Depression erkennen, sondern das hiesige Untersuchungsergebnis ergibt die Verdachtsdiagnose, dass eine hirnorganisch bedingte Störung vorliegen dürfte, die nach einem Unfall mit frontaler Schädelhirnverletzung 197.. entstanden sein könnte. Da aber dazu keine weiteren Unterlagen erfasst bzw. beschafft werden konnten, kann die Verdachtsdiagnose nur vom explorativen Eindruck her, nicht aber durch spezielle und weitere medizinische Unterlagen untermauert werden. Die Angestellte hat nach hiesiger Auffassung aber eine dadurch bedingte Beeinträchtigung, die die dort bekannte Auffälligkeit und ihre Wesensart bedingen dürften.

Gemäß der dortigen Fragestellungen ist es unter der obigen Einschätzung wahrscheinlich, dass Überforderungen mit Überlastungsreaktionen
(auch zwischenzeitlich depressiv verstimmt) bei der Angestellten in der Diensttätigkeit in Abhängigkeit von den Aufgaben und vom Aufgabendruck immer wieder entstehen können und damit die Angestellte auf Dauer nicht in der Lage ist, ihren Aufgaben anforderungsgemäß nachzukommen.

[.]

Die oben beschriebenen Einschränkungen beeinträchtigen nach hiesiger nervenärztlicher Auffassung die Leistungsfähigkeit der Angestellten. Die tatsächliche Leistungsfähigkeit kann allerdings vom Ausmaß her und im Einzelnen mit einer alleinigen nervenärztlichen Untersuchung im Personalärztlichen Dienst mit der dazu notwendigen Differenziertheit nicht abschließend geklärt werden. Um die tatsächliche psychische Eignung als Bauprüferin auch justiziabel zu dokumentieren, wäre neben der dortigen konkreten fachlichen Beurteilung, der hiesigen nervenärztlichen Untersuchungsergebnisse zusätzlich mindestens eine psychologische Hirnleistungsdiagnostik und auch eine Kernspintomographie notwendig.

[.]

Zusammenfassung: Das Verhalten der Angestellten zeigte sich zu den dortigen Schilderungen [von Frau Dr. S.] im Wesentlichen übereinstimmend, so dass aus der Untersuchung heraus auch hier ernsthafte Zweifel an der Dienstfähigkeit gemäß § 7 (2) BAT hinterlassen wurden. Personalärztlicherseits wird mit den hiesigen diagnostischen Mitteln die Verdachtsdiagnose einer hirnorganischen Störung (vermutlich nach einem Unfall von 197..) gestellt. Ein ausreichender, durch konkrete Befunde justiziabel belegbarer medizinischer Nachweis der Dienstunfähigkeit ist bei der brisanten Fragestellung mit den hier zur Verfügung stehenden Mitteln aber nicht möglich."

Mit Schreiben der Beklagten vom 23.05.2006 (Anl. K 18, Bl. 83 d. A.) an den Prozessbevollmächtigten der Klägerin wurde diese gebeten, ihr Einverständnis in eine psychologische Hirnleistungsdiagnostik zu geben. Dies lehnte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 28.06.2006 (Anl. K 19, Bl. 84 f d. A.) ab, in dem sie gleichzeitig um Aufhebung der Freistellung bat.

Am 01.06.2006 unterzog sich die Klägerin in eigener Verantwortung einer Kernspintomographie im Zentrum für diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin in W.. Nach der ärztlichen Beurteilung (Anl. K 16, Bl. 81 d. A.) zeigte sich ein unauffälliger inkranieller Befund. Eine EEG-Untersuchung, welche die Klägerin am 20.06.2006 durch Fachärzte für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie durchführen ließ (Anl. K 15, Bl. 80 d. A.), führte ebenfalls zu keinem Befund. In einem Attest vom 09.11.2006 (Anl. K 17, Bl. 82 d. A.) bestätigte der behandelte Arzt, dass bei der Klägerin keine psychische Erkrankung aus dem psychotischen Formenkreis vorliege.

Mit Schriftsatz vom 05.12.2006, welcher der Beklagten am 12.12.2006 zugestellt worden ist, erweiterte die Klägerin ihre Klage auf Schadensersatz wegen Nichtbeschäftigung. Erst durch die Klageerweiterung erfuhr die Beklagte von den Befunden der im Juni 2006 durchgeführten Untersuchungen.

Auf eine Anfrage der Beklagten vom 18.12.2006 wiederholte der PÄD in einem Schreiben an die Beklagte vom 20.12.2006 (Anl. B 9, Bl. 92 d. A.) seine Zweifel an der Dienstfähigkeit der Klägerin, erklärte jedoch, diese nach wie vor nicht ohne die Zusatzdiagnostik (psychologische Testuntersuchung zur Persönlichkeit und Hirnleistungsfähigkeit) belegen zu können. Grund dafür sei insbesondere, dass in dem von der Klägerin vorgelegten fachärztlichen Attest medizinische Befunde teilweise geschwärzt gewesen seien.

Am 13.02.2007 verhandelten die Parteien vor der Kammer des Arbeitsgerichts. Ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung wurde auf den 13.03.2007 festgesetzt. Mit Schreiben der Beklagten vom 23.02.2007 (Bl. 99a d. A.) bot die Beklagte eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits in Form einer Weiterbeschäftigung der Klägerin als Bauprüferin in D. gegen Rücknahme der Schadensersatzklage an. Die Klägerin lehnte dies ab. Mit Schreiben vom 12.03.2007 (Anl. Bf 1, Bl. 148 d. A.) teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie werde ab 01.03.2007 auf Dauer im M.G.-D. als Bauprüferin eingesetzt. Dort nahm die Klägerin nach dem Ende einer Arbeitsunfähigkeit im April 2007 ihre Tätigkeit wieder auf.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, sie von der Arbeit frei zu stellen. Die unberechtigte Freistellung und die "Psychiatrisierung" der Klägerin habe diese in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt.


Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Bauprüferin unter Aufhebung der Freistellung von der Arbeitsleistung zu beschäftigen.

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Geldentschädigung, mindestens jedoch EUR 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2006, zu zahlen.


Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Aufhebung der Freistellung ohne vorherige Begutachtung durch den PÄD. Die Untersuchung sei sowohl aus organisatorischem Interesse des Arbeitgebers als auch aus Gründen der Fürsorgepflicht eine sachgerechte Maßnahme. Gemäß § 7 II BAT sei die Beklagte berechtigt gewesen, bei gegebener Veranlassung feststellen zu lassen, ob die Angestellte dienstfähig sei. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12.10.2006 regele inzwischen in § 5 V, dass der Arbeitgeber bei begründeter Veranlassung berechtigt sei, Beschäftigte zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass sie zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage seien. Darüber hinaus stehe der Klägerin kein Anspruch auf Schadensersatz zu. Die Beklagte verletze den Beschäftigungsanspruch der Klägerin nicht schuldhaft, da die Dienstfähigkeit der Klägerin noch nicht geklärt sei. Bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren, stehe der Klägerin kein vollstreckbarer Beschäftigungsanspruch zu, den die Beklagte verletzten könnte. Der Klageantrag auf Schadensersatz sei des Weiteren auch rechtsmissbräuchlich, da die Klägerin durch die Zurückhaltung ärztlicher Atteste (Anl. K 15 und K 16) die Fortsetzung des Verfahrens absichtlich verzögert hat, um sich eine zeitliche Grundlage für den Antrag auf Schadensersatz zu verschaffen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, die Klägerin als Bauprüferin unter Aufhebung der Freistellung von der Arbeitsleistung zu beschäftigen. Die Voraussetzungen für eine Begutachtung nach § 7 II BAT lägen nicht vor. Der Klägerin stehe jedoch kein Anspruch auf die begehrte Entschädigung nach § 823 I BGB zu. Die Beklagte sei zwar verpflichtet gewesen, die Klägerin ab dem 07.02.2006 als Bauprüferin zu beschäftigen. Dem Vortrag der Klägerin sei aber nicht zu entnehmen, dass ihr ein immaterieller Schaden entstanden sei, insbesondere dass ihr psychische oder physische Probleme bereitet worden seien, welche die Beklagte durch eine Geldentschädigung ausgleichen müsste. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 7 - 13 = Bl. 111 ff d. A.) verwiesen.

Gegen das am 10.04.2007 verkündete und dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 17.04.2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 07.05.2007 Berufung eingelegt und diese am 10.05.2007 begründet.

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe ein Schmerzensgeld für die Nichtbeschäftigung zu. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass eine schwerwiegende und von der Beklagten schuldhaft verursachte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Klägerin vorliege, die nicht anders wieder gut gemacht werden könne. Insofern nimmt sie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug. Darüber hinaus behauptet sie, die einjährige Nichtbeschäftigung habe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Gesundheit der Klägerin und ihres psychischen Wohlbefindens geführt. So seien die privaten Kontakte der Klägerin aufgrund ihrer fortschreitenden Isolierung vom Arbeitsplatz "eingefroren". Die Kreativität der Klägerin sowie ihre zuvor vorhandenen Fähigkeiten Sprachen zu lernen oder kunstgeschichtliche Exkursionen durchzuführen, seien während der Zeit der Freistellung auf der Strecke geblieben. Die Klägerin sei in dieser Zeit nicht in der Lage gewesen, Fortbildungskurse zu belegen oder eine eigene Ordnung in ihr Lebensumfeld einzuführen. Der Zustand habe zu Unzuverlässigkeiten seitens der Klägerin geführt. Sie habe Termine nur sehr schwer einhalten können und das Ordnen von Akten, beispielsweise der Schriftsätze der Beklagten im vorliegenden Verfahren, sei ihr nur mit fremder Hilfe möglich gewesen. Einfachste Hausarbeiten seien der Klägerin schwer gefallen. Wenn falsche Schlüsselwörter gefallen seien, habe die Klägerin sofort unter Weinkrämpfen gelitten.


Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10.04.2007 (9 Ca 103/06) zu verurteilen, an die Klägerin eine angemessene Geldentschädigung, mindestens jedoch EUR 10.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2006 zu zahlen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene. Der Klägerin stehe das geltend gemachte Schmerzensgeld nicht zu, da die Voraussetzungen eines solchen Anspruches nicht vorlägen. Die Klägerin habe erstinstanzlich nicht dargelegt, dass bei ihr aufgrund der Nichtbeschäftigung unter Fortbezahlung der Bezüge, eine Beeinträchtigung, ein immaterieller Schaden, entstanden sein solle. Weder habe die Klägerin ausreichend dargelegt, dass ihr aufgrund der Suspendierung physische oder psychische Probleme entstanden seien. Noch habe die Klägerin dargetan, in welchem Ausmaß ihr sonstige Probleme entstanden seien, die eine Entschädigung rechtfertigen würden. Soweit die Klägerin nunmehr in ihrer Berufungsbegründung vermeintliche Schädigungen vortrage, sei dies verspätet und werde vorsorglich bestritten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist überwiegend begründet. Die Klägerin kann von der Beklagten Schadensersatz wegen der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts gemäß §§ 823 BGB i. V. m. Art 1 I und 2 I GG in Höhe von EUR 6.500,- verlangen. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt bereits in der rechtswidrigen Nichterfüllung ihres Beschäftigungsanspruchs über mehr als 13 Monate. Einer dadurch verursachen Gesundheitsbeeinträchtigung bedarf es darüber hinaus nicht (zu I). Die von der Beklagten verursachte Persönlichkeitsrechtsverletzung ist auch nach Art und Umfang von solcher Schwere, dass neben der ohne Gegenleistung erbrachten Entgeltzahlung ein weiterer Ausgleich durch eine Geldleistung zwingend erforderlich ist (II). Die Kammer hält eine Entschädigung in Höhe von EUR 6.500,- für angemessen (zu III). Im Einzelnen:


I.

Die Beklagte hat das Persönlichkeitsrecht der Klägerin widerrechtlich und schuldhaft verletzt.

1. Nach § 823 I BGB ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 1 I und Art. 2 I GG ein sonstiges Recht im Sinne von § 823 I BGB (vgl. BAG v. 26.08.1997 - 9 AZR 61/96 - BAGE 86, 240 = NZA 98, 712, Tz 17; grundlegend BGH v. 25.05.1954 - I ZR 211/53 - BGHZ 13, 334, 337f.). Anders als bei den anderen in § 823 I BGB genannten Rechtsgütern handelt es sich bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht um ein sog. Rahmenrecht (BGH v. 09.12.2003 - VI ZR 373/02 - NJW 04, 762, Tz 20; BGH v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03 - BGHZ 166, 84 = ZIP 06, 317, Tz 107). Das bedeutet, dass die Widerrechtlichkeit der Verletzung aufgrund einer Abwägung von Art und Intensität des Eingriffs mit den möglicherweise ebenfalls grundrechtlich garantierten Rechten der Gegenseite im Einzelfall positiv festzustellen ist.

Die Nichterfüllung des Beschäftigungsanspruchs eines Arbeitnehmers aus einem Arbeitsverhältnis beinhaltet gleichwohl stets eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung (so auch Luckey, NZA 1992, 873, 876). Das ergibt sich daraus, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Rechtsgrundlage des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers ist und bereits das Bestehen dieses Anspruchs vom Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung abhängt (vgl. BAG v. 27.02.1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122, 134f = NZA 85, 702; v. 10.11.1955 - 2 AZR 591/54 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Der Arbeitnehmer hat einen Achtungs- und Wertschätzungsanspruch, der vielmehr darauf beruht, wie er die ihm obliegenden Aufgaben erfüllt als auf dem wirtschaftlichen Wert der Tätigkeit in Form des Gehaltes. Gerade die Erfüllung der Aufgaben gibt dem Arbeitnehmer im Bereich des Arbeitslebens maßgeblich seine Würde als Mensch. Die Tätigkeit bietet eine wesentliche Möglichkeit zur Entfaltung der Persönlichkeit. Der Beschäftigungsanspruch muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende und schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen (BAG v. 19.08 1976 - 3 AZR 173/75 - AP Nr. 4 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht). Fehlt es an einem solchen berechtigten Interesse des Arbeitgebers, kann die Rechtswidrigkeit der Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht von einer weiteren Interessenabwägung abhängen. Es ist nur noch zu prüfen, ob der Arbeitgeber schuldhaft gehandelt hat, weil es für das Bestehen oder Nichtbestehen des Beschäftigungsanspruchs allein auf die objektive Rechtslage ankommt.

2. Im vorliegenden Fall steht somit eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung schon deshalb fest, weil die Beklagte die Klägerin über einen Zeitraum von mehr als 13 Monaten nicht beschäftigt hat, obwohl keine Umstände vorlagen, die dieses Verhalten rechtfertigten.

a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der BAT kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung. Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass kein Anlass i. S. v. § 7 II BAT gegeben war, die Dienstfähigkeit der Klägerin durch einen Vertrauensarzt überprüfen zu lassen. Es kann deshalb dahinstehen, ob jeder Umstand, der Anlass zu Zweifeln an der Dienstfähigkeit eines Angestellten bietet, genügt, um die Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers entfallen zu lassen, oder ob im Einzelfall Umstände hinzutreten müssen, die eine aktuelle Gefährdung des Arbeitnehmers oder Dritter durch die Beschäftigung befürchten lassen.

aa) Ein solcher Anlass ergab sich nicht aus der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin.

Eine länger andauernde oder wiederholt auftretende Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers kann allerdings Anlass sein, an dessen Dienstfähigkeit insgesamt zu zweifeln. Das ist jedoch nicht mehr der Fall, wenn über einen längeren Zeitraum keine Arbeitsunfähigkeit mehr aufgetreten ist. So liegt der Fall hier. Die Klägerin war in den Jahren 2003 bis 2005 in erheblichem Umfang arbeitsunfähig erkrankt. Bereits im zweiten Halbjahr 2005 und Anfang 2006 traten jedoch keine nennenswerten krankheitsbedingten Fehlzeiten mehr auf. Am 07.02.2006, dem Beginn der Freistellung der Klägerin, ergaben sich deshalb aus den früheren Zeiten der Arbeitsunfähigkeit keine Zweifel an der Dienstfähigkeit der Klägerin mehr.

bb) Auch die dienstliche Beurteilung, welche die Klägerin unter dem 11.01.2006 für die Zeit ihrer Abordnung zum Bezirksamt T. erhielt, zeigt keine Umstände auf, die Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Klägerin zur Ausübung ihres Dienstes begründen konnten. Negativ bewertet wird lediglich die fachliche und teilweise auch die persönliche Eignung der Klägerin. Dies rechtfertigt jedoch nicht das Verlangen nach einer ärztlichen Untersuchung.

cc) Das Schreiben der Beklagten vom 06.02.2006, mit dem der Personalärztliche Dienst um eine Begutachtung der Klägerin gebeten wurde, nennt ebenfalls keine Tatsachen, die bei unbefangener Bewertung Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Klägerin begründen konnten. Soweit Ausbildung und beruflicher Werdegang der Klägerin im Einzelnen dargestellt werden, ist für die Kammer ein Zusammengang mit der Dienstfähigkeit der Klägerin nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere für die Schulnoten und die Tatsache, dass die Klägerin nicht sogleich nach ihrem Examen in die Dienste der Beklagten getreten ist. Soweit das dienstliche Verhalten der Klägerin angesprochen wird, beschränkt sich das Schreiben auf Wertungen, ohne Tatsachen darzustellen, die eine Überprüfung der Richtigkeit dieser Wertungen ermöglichen. So wird mitgeteilt, die Klägerin sei "durch ihr Verhalten eine Belastung für die Mitarbeiter und die Kunden des Bezirksamts K. geworden". Konkrete Verhaltensweisen der Klägerin oder einzelne Beschwerden betroffener Bürger werden jedoch nicht dargestellt. Auch die Vorwürfe fehlerhafter Sachbearbeitung, des unangemessenen Verhaltens gegenüber Bürgern und der Schwatzhaftigkeit werden nicht durch nachvollziehbaren Tatsachenvortrag konkretisiert. Deutlich erkennbar an dem Schreiben ist der Versuch, die Klägerin fachlich und persönlich in einem möglichst negativen Licht erscheinen zu lassen. Dabei werden auch völlig neutrale Umstände wie z. B. der Zeitraum zwischen dem Examen der Klägerin und deren Anstellung bei der Beklagten negativ konnotiert.

dd) Auch die Untersuchungen des Personalärztlichen Dienstes haben weder eine Dienstunfähigkeit Klägerin festgestellt noch Tatsachen zu Tage gefördert, die Zweifel an der Dienstfähigkeit der Klägerin begründen.

aaa) Bei dem Personalärztlichen Dienst der Freien und Hansestadt Hamburg handelt es sich um einen Vertrauensarzt i. S. v. § 7 II BAT (BAG v. 07.11.2002 - 2 AZR 475/01 - BAGE103, 277 = NZA 03, 719, Tz 28). Aufgabe des Vertrauensarztes bei der Untersuchung nach § 7 II BAT ist es, Zweifel an der Dienstfähigkeit eines Arbeitnehmers entweder zu verifizieren oder zu widerlegen. Am Ende der Untersuchung kann also möglicherweise die Dienstunfähigkeit des untersuchten Arbeitnehmers positiv festgestellt werden. Ist das nicht möglich, steht gleichzeitig fest, dass die Zweifel an der Dienstfähigkeit, die Anlass der Untersuchung waren, objektiv nicht begründet waren. Es ist nicht Aufgabe des Vertrauensarztes, seinerseits Zweifel an der Dienstfähigkeit zu Arbeitnehmers zu formulieren, denn das Vorliegen solcher Zweifel ist bereits Voraussetzung dafür, dass die Untersuchung durch den Vertrauensarzt überhaupt angeordnet werden darf. Das Ergebnis der Untersuchung kann sich nicht auf die Feststellung beschränken, dass die Untersuchung zulässig war.

bbb) Bei der orthopädischen Untersuchung vom 29.03.2006 wurde in der zusammenfassenden Beurteilung ausdrücklich festgestellt, dass keine Erkrankung festgestellt werden konnte, welche die Dienstfähigkeit der Klägerin auf orthopädischem Gebiet beeinträchtigen. Die am 04.05.2006 im Fachbereich Neurologie/Psychiatrie angestellte Untersuchung kommt zum gleichen Ergebnis. Am Ende der Zusammenfassung heißt es ausdrücklich: "Ein ausreichender, durch konkrete Befunde justiziabel belegbarer medizinischer Nachweis der Dienstunfähigkeit ist bei der brisanten Fragestellung mit den hier zur Verfügung stehenden Mitteln aber nicht möglich."

ccc) Der Gutachter meinte allerdings, ernsthafte Zweifel an der Dienstfähigkeit gemäß § 7 II BAT feststellen zu können, die "mindestens eine psychologische Hirnleistungsdiagnostik und auch eine Kernspintomographie notwendig" erscheinen ließen. Die Beklagte nahm dies zum Anlass, mit Schreiben vom 23.05.2006 von der Klägerin das Einverständnis mit der Durchführung einer Hirnleistungsdiagnostik zu verlangen (Anl. K 18, Bl. 83 d. A.).

Nach Auffassung der Kammer stellt § 7 II BAT keine Rechtsgrundlage für dieses Verlangen der Beklagten dar, denn es richtete sich nicht auf das Einverständnis mit der Untersuchung durch einen Vertrauensarzt oder das Gesundheitsamt. Nur solche Untersuchungen muss der Arbeitnehmer nach § 7 II BAT hinnehmen. Da jede ärztliche Untersuchung einen Eingriff in die durch Art. 2 II 1 GG geschützte körperliche Unversehrtheit darstellt, ist § 7 II BAT eng auszulegen. Der Arbeitgeber kann danach nicht das Einverständnis des Arbeitnehmers mit der Untersuchung durch beliebige Ärzte verlangen. Dass es sich um eine ( weitere) Untersuchung durch einen (anderen) Vertrauensarzt handelt sollte, ist weder dem Schreiben vom 23.05.2006 zu entnehmen noch hat die Beklagte dazu im Laufe des Rechtsstreits etwas ausgeführt. Dafür hätte der Vertrauensarzt zumindest benannt werden müssen.

ddd) Selbst wenn man das Verlangen der Beklagten im Schreiben vom 23.05.2006 als solches nach weiteren ärztlichen Untersuchungen durch den Vertrauensarzt interpretieren würde, wäre es nicht von § 7 II BAT gedeckt, denn auch den Ausführungen des Personalärztlichen Dienstes vom 04.05.2006 waren keine Tatsachen zu entnehmen, die im Sinne der genannten Tarifnorm eine Veranlassung für eine (weitere) Untersuchung geben konnten. Es wurde eingeräumt, dass aktuell keine Depression festgestellt werden konnte. Die Begründung einer "Verdachtsdiagnose" aufgrund eines im Zeitpunkt der Untersuchung 3.. Jahre zurückliegenden Unfalls mit Schädelhirnverletzung lag offenbar fern. Das "Gutachten" stellte weder fest, welcher Art und Intensität diese Verletzung gewesen ist, noch dass die Verletzung in mehr als drei Jahrzehnten zu irgendwelchen Beeinträchtigungen geführt hat. Soweit das "Gutachten" zusätzlich auf den "explorativen Eindruck" abstellte, wurde auch dieser nicht näher dargestellt. Der Leser erfährt nicht, welche Exploration zu welchem Befund geführt hat und aufgrund welcher medizinischer Erkenntnisse daraus der Verdacht auf Spätschäden der Unfallverletzung abzuleiten gewesen sein soll. Soweit das "Gutachten" die "dadurch bedingte Beeinträchtigung" zur Ursache für "die dort bekannte Auffälligkeit und ihre Wesensart" erklärte, wurden die Wertungen der Beklagten unkritisch übernommen.

eee) Die Beurteilung durch den Personalärztlichen Dienst war im Übrigen nicht kausal für die Freistellung der Klägerin. Denn diese dauerte im Zeitpunkt der Untersuchung durch den Fachbereich Neurologie/Psychiatrie schon fast drei Monate an.

b) Dem Sachvortrag der Beklagten sind auch keine sonstigen Umstände zu entnehmen, welche die Nichtbeschäftigung der Klägerin rechtfertigen könnten.

aa) Die Kammer hat in diesem Zusammenhang die von der Beklagten behaupteten Minder- und Schlechtleistungen der Klägerin in Betracht gezogen und geht davon aus, dass grundsätzlich auch Leistungs- oder Verhaltensmängel eines Arbeitnehmers dazu führen können, dass dem Arbeitgeber die Beschäftigung nicht zumutbar ist. Das kann z. B. der Fall sein, wenn durch die Arbeitsleistung erhebliche Schäden in der Sphäre des Arbeitgebers oder Dritter entstehen würden. Schon dann, wenn die Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers so mangelhaft ist, dass dauerhaft in erheblichem Umfang andere Arbeitnehmer mit der Behebung von Fehlern und/oder mit der Beaufsichtigung des Betroffenen beschäftigt werden müssen, wenn also - pointiert ausgedrückt - ein Arbeitnehmer mehr Schaden als Nutzungen anrichtet, kann die Beschäftigung unzumutbar sein. Das gleiche gilt, wenn sich der Arbeitnehmer Dritten gegenüber in einer Weise verhält, die geeignet ist, den Ruf des Arbeitgebers empfindlich zu beeinträchtigen.

bb) Im vorliegenden Rechtsstreit hat die Beklagte keine Umstände vorgetragen, die unter den genannten Gesichtspunkten eine Beschäftigung der Klägerin für die Beklagte unzumutbar gemacht hätte. Soweit die Beklagte in ihrem Schreiben an den Personalärztlichen Dienst vom 06.02.2006 mitteilt, die Klägerin sei durch ihr Verhalten eine Belastung für Mitarbeiter und Kunden geworden und die Klägerin sei durch unangemessenes Verhalten gegenüber Bürgern auffällig geworden, handelt es sich um reine Wertungen, die nicht mit konkreten Tatsachen belegt werden. Auch die in dem genannten Schreiben und in der dienstlichen Beurteilung der Klägerin vom 11.01.2006 erwähnten Leistungsmängel werden nicht in nachvollziehbarer Weise konkretisiert. Es bleibt bei pauschalen Behauptungen wie z. B., die Beratungsgespräche und Schriftstücke der Klägerin seien "mehrfach inhaltlich falsch oder nicht vollständig" gewesen. Um eine Nichtbeschäftigung mit Leistungsmängeln begründen zu können, hätte die Beklagte zudem darlegen müssen, durch welche konkreten Maßnahmen sie ihren Verpflichtungen aus § 84 SGB IX im Hinblick auf die Klägerin nachgekommen ist.

3. Die Beklagte hat das Persönlichkeitsrecht der Klägerin unabhängig von der Nichtbeschäftigung zusätzlich dadurch verletzt, dass sie die Klägerin als psychisch krank darstellte, ohne dass dafür hinreichende Anhaltspunkte bestanden.

a) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sog. Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist. Es umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG v. 16.05.2007 - 8 AZR 709/06 - NZA 07, 1380, Tz 71; BGH v. 25.05.1954 - I ZR 211/53 - BGHZ 13, 334). Eine Herabwürdigung und Missachtung stellt es auch dar, einen Arbeitnehmer als psychisch krank zu bezeichnen, wenn keine Tatsachen vorliegen, die diese Einschätzung zumindest vertretbar erscheinen lassen.

b) Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Beklagte hat die Klägerin in ihrem Schreiben an den Personalärztlichen Dienst vom 06.02.2006 (Anl. K 14, Bl. 76 ff d. A.) in einer Weise beschrieben, die ein Mindestmaß an Respekt vor der Persönlichkeit der Klägerin vermissen lässt. Das Schreiben teilt dem Arzt keine konkreten Tatsachen mit, die dieser mit Hilfe seiner Fachkenntnisse auf Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung untersuchen könnte. Statt dessen wird die Klägerin durchgängig negativ bewertet: Das Sozialverhalten und der psychische Zustand der Klägerin seien negativ aufgefallen; die Klägerin sei "durch ihr Verhalten eine Belastung für die Mitarbeiter und die Kunden des Bezirksamts K. geworden", sie sei insbesondere durch unangemessenes Verhalten gegenüber Bürgern und Schwatzhaftigkeit aufgefallen. Es sei der Eindruck entstanden, die Klägerin flüchte sich in die Krankheit, ihr Sozialverhalten Kollegen, Vorgesetzten und Bürgern gegenüber sei problematisch, Eigen- und Fremdwahrnehmung wichen voneinander ab. Das Schreiben beschränkt sich nicht darauf, das Verhalten der Klägerin während ihrer Tätigkeit für die Beklagte, die zu Beginn der Konfliktsituation im Ortsamt R. immerhin schon 17 Jahre andauerte, als durchgängig negativ darzustellen. Ausführlich werden darüber hinaus einzelne Schulnoten der Klägerin referiert und hervorgehoben, dass die Klägerin erst 11 Jahre nach dem Ende ihrer Ausbildung in die Dienste der Beklagten getreten ist, nachdem sie zuvor viele wechselnde, zum Teil nur sehr kurzfristige Tätigkeiten ausgeübt habe. Ein Zusammenhang dieser Umstände mit einer möglichen psychischen Erkrankung der Klägerin bestand offensichtlich nicht. Die Kammer geht davon aus, dass die Darstellung ausschließlich erfolgte, um die Klägerin in einem negativen Licht erscheinen zu lassen.

Die Tatsache, dass sich die Ausführungen der Beklagten in einem Schreiben an den Personalärztlichen Dienst finden, ändert nichts an der dadurch bewirkten Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin. Das Verhältnis von Arbeitgeber und Vertrauensarzt bietet keine Veranlassung, den Arbeitgeber von der Wahrung des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers freizustellen. Da bereits die Beauftragung des Vertrauensarztes mit einer Untersuchung in die Privatsphäre des Arbeitnehmers eingreift, ist der Arbeitgeber aus der ihm obliegenden Fürsorgepflicht gegenüber dem Arbeitnehmer zu besonderer Sachlichkeit verpflichtet. Er darf Tatsachen mitteilen, die Anknüpfungspunkte für die Feststellung einer Erkrankung beinhalten können. An eigenen Wertungen des Arbeitgebers oder an der Mitteilung von Tatsachen, die erkennbar mit der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers in keinem Zusammenhang stehen, besteht kein schützwürdiges Interesse.

4) Die Beklagte hat das Persönlichkeitsrecht der Klägerin auch schuldhaft verletzt. Das gilt sowohl für die Nichtbeschäftigung als auch für die herabwürdigenden Äußerungen gegenüber dem Personalärztlichen Dienst.

Die Beklagte hat den Beschäftigungsanspruch der Klägerin vorsätzlich verletzt. Ihre Behauptung, sie habe Zweifel an der Dienstfähigkeit der Klägerin gehabt und sei deshalb unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht berechtigt, wenn nicht sogar verpflichtet gewesen, bis zur Klärung von einer Beschäftigung der Klägerin abzusehen, ist unzutreffend. Sie wird bereits dadurch widerlegt, dass keine Anhaltspunkte vorlagen, welche bei sachlicher Prüfung Zweifel an der Dienstfähigkeit der Klägerin begründen konnten. Insoweit kann auf die Ausführungen zu I 2 a d. Gr. verwiesen werden. Unabhängig davon ergibt sich daraus, dass die Beklagte der Klägerin 9 Tage nach Beginn der Freistellung eine Tätigkeit in G. angeboten hat, dass die Beklagte von einer Dienstfähigkeit der Klägerin ausging. Zum Einsatz der Klägerin in G. ist es nur deshalb nicht gekommen, weil die Klägerin nicht mit einer auf 6 Monate befristeten Abordnung einverstanden war, sondern auf einer Versetzung bestand.

Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Klägerin durch das Schreiben an den Personalärztlichen Dienst vom 06.02.2006 ist zumindest grob fahrlässig erfolgt. Da jede Vorstellung beim Vertrauensarzt mit der Gefahr einer Beeinträchtigung der Persönlichkeit des betroffenen Arbeitnehmers verbunden ist, gebietet es die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, dass sich der Arbeitgeber auf die sachliche Mitteilung von Tatsachen beschränkt, aus denen sich Anhaltspunkte für die von ihm vermutete Krankheit ergeben können. Diese Sorgfaltspflicht hat die Beklagte verletzt, indem sie die Klägerin unter zahlreichen Gesichtspunkten negativ bewertete und Umstände mitteilte, die auch bei Anlegung eines großzügigen Maßstabs nichts mit dem Gesundheitszustand der Klägerin zu tun hatten. Die Beklagte hätte auch erkennen können, dass die Mitteilung negativer Wertungen ohne konkrete Tatsachen als Grundlage für eine ärztliche Beurteilung nicht geeignet ist. Auch hätte sie erkennen können, dass Schulnoten und zeitlicher Ablauf des Berufseinstiegs der Klägerin mit deren gesundheitlichem Zustand nichts zu tun haben. Dass der zuständige Mediziner des Personalärztlichen Dienstes die negativen Wertungen der Beklagten in seinem "Gutachten" aufgegriffen und gemeint hat, damit zumindest eine "Verdachtsdiagnose" zu Lasten der Klägerin begründen zu können, entlastet die Beklagte nicht. Der weitere Ablauf belegt eher, welches Risikopotenzial einmal in Umlauf gebrachte negative Behauptungen über Mitarbeiter beinhalten, und spricht deshalb für die Anwendung eines strengen Sorgfaltsmaßstabs.


II.

Die der Klägerin zugefügte Persönlichkeitsrechtsverletzung ist nach Art und Umfang von solcher Schwere, dass neben der ohne Gegenleistung erbrachten Entgeltzahlung ein weiterer Ausgleich durch eine Geldleistung zwingend erforderlich ist.

1. Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen setzt ein Entschädigungsanspruch voraus, dass ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vorliegt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Ob eine schwerwiegende Verletzung vorliegt, hängt von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie dem Grad des Verschuldens ab, wobei zu berücksichtigen ist, in welche geschützten Bereiche eingegriffen wurde (BGH v. 05. Oktober 2004 - VI ZR 255/03 - NJW 2005, 215, 217; v. 01.12.1999 - I ZR 49/97 - NJW 2000, 2195, 2197; v. 05.12.1995 - VI ZR 332/94 - NJW 1996, 984, 985; v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94 - NJW 1995, 861, 864; v. 22 .01. 1985 - VI ZR 28/83 - NJW 1985, 1617, 1619)

Die Gewährung des Schadensersatzes bei einem schwerwiegenden Eingriff beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und der Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben, mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (BGH v. 15.11.1994 u. 05.12.1995 jew. a.a.O.).

Die Entschädigung für immaterielle Schäden ist zunächst auf § 847 a.F. BGB analog gestützt worden (BGH v. 14.02.1958 - I ZR 151/56 - BGHZ 26, 349, 356). Diese Rechtsprechung wurde jedoch aufgegeben. Das Bundesverfassungsgericht hat in der sog. Soraya-Entscheidung aus dem Jahre 1973 die rechtliche Grundlage für einen solchen Geldleistungsanspruch direkt in Art. 1 und 2 GG erblickt (BVerfG v. 14.02.1973 - 1 BvR 112/65 - BVerfGE 34, 269, 292). Der BGH schloss sich dieser Auffassung an. Der Anspruch auf Geldentschädigung wurde nicht mehr als Schmerzensgeld auf § 847 a.F. BGB gestützt, sondern vielmehr auf den Art. 1 und Art. 2 I GG innewohnenden Schutzauftrag (BGH v. 05.12.1995 u. v. 15.11.1994 jew. a.a.O.; Urt. v. 22.01.1985 a.a.O.).

Nach der Änderung des Schadensersatzrechts im Jahre 2002 kommt § 253 BGB n. F. als Anspruchsgrundlage für den Ersatz immaterieller Schäden aufgrund einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht in Betracht. Absatz 1 der Norm beschränkt die Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden ausdrücklich auf die in Absatz 2 genannten Fälle. Schäden aufgrund von Persönlichkeitsrechtsverletzungen sind in Absatz 2 der Norm nicht genannt. Eine Analogie zu dieser Regelung scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus. Der Gesetzgeber hat bei der Ersetzung des § 847 a. F. BGB durch § 253 II n. F. BGB trotz Kenntnis der Problematik auf eine Regelung zur Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen verzichtet (MüKo-BGB- Oetker , 5. Aufl. 2007, § 253 Rz 27; vgl. auch BT-Drucksache 14/ 7752, S. 24 f. , S. 49f.). Dennoch ist der Ersatz immaterieller Schäden aufgrund Persönlichkeitsrechtsverletzungen nicht ausgeschlossen. Die vom BGH entwickelten Grundsätze sollen auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers weiterhin Geltung haben (vgl. BT-Drs. 14/7752, S. 24f.).

Ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein Schadensersatzanspruch in Betracht kommt, wenn die Persönlichkeitsrechtsverletzung im Wesentlichen in der Nichtbeschäftigung eines Arbeitnehmers besteht und der Arbeitgeber den sich daraus nach § 615 I BGB ergebenen Verzugslohnanspruch zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt hat, ist bisher vom Bundesarbeitsgericht nicht entschieden worden.

2. In Anwendung der vom BGH entwickelten Grundsätze geht die Kammer davon aus, dass eine Geldentschädigung nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt, wenn eine besonders schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, die auch angesichts des vom Arbeitgeber zu zahlenden Verzugslohns eine zusätzliche Entschädigung zwingend erfordert. Dabei sind die Dauer der Nichtbeschäftigung und etwaige Folgen zu berücksichtigen, die dadurch beim Arbeitnehmer eingetreten sind. Diese Folgen können in einem Qualifikationsverlust bestehen, der den "Marktwert" des Arbeitnehmers in künftigen Arbeitsverhältnissen mindert, oder in gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die der Arbeitnehmer in Folge der Nichtbeschäftigung erlitten hat. Daneben spielen Anlass und Beweggrund des Arbeitgebers für die Nichtbeschäftigung sowie ein eventuelles Verschulden eine Rolle. Der Verzugslohnanspruch nach § 615 I BGB ist ebenfalls zu berücksichtigen. Es handelt sich zwar nicht um einen Schadensersatz- sondern einen Erfüllungsanspruch. Die Gewissheit, durch die Nichtbeschäftigung jedenfalls keine materiellen Nachteile zu erleiden, kann jedoch auch bei der Frage, ob schwere immaterielle Nachteile vorliegen, nicht außer Betracht bleiben. Ein zur Geldentschädigung verpflichtendes besonderes Gewicht der Persönlichkeitsrechtsverletzung wird regelmäßig auszuschließen sein, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer in vertretbarer Weise über den Bestand des Arbeitsverhältnisses streiten. Das dürfte nur bei offensichtlich unwirksamen Kündigungen (vgl. dazu BAG v. 27.02.1985 - GS 1/84 - BAGE 48, 122, Tz 83 ff) nicht der Fall sein. Im unstreitigen Arbeitsverhältnis kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber in vertretbarer Weise davon ausgehen konnte, die grundsätzlich bestehende Beschäftigungspflicht sei ausnahmsweise suspendiert. Dabei ist ein großzügiger Maßstab anzuwenden, um einer Kommerzialisierung des Beschäftigungsanspruchs entgegenzuwirken. Setzt sich der Arbeitgeber allerdings vorsätzlich über eine von ihm erkannte Beschäftigungspflicht nicht nur für kurze Zeit hinweg, so ist ein finanzieller Ausgleich in der Regel geboten, denn das Verzugslohnrisiko genügt in diesem Fall offenbar nicht, um den Arbeitgeber zu rechtmäßigem Verhalten zu veranlassen.

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass ein Ausgleich der Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin durch eine Geldentschädigung zwingend geboten ist.

Dies ergibt sich in erster Linie aus dem vorsätzlichen Verhalten der Beklagten. Aus ihrem bereits am 16.02.2006 unterbreiteten Angebot, die Klägerin in G. zu beschäftigen, ergibt sich, dass die Beklagte während des gesamten Zeitraums der Freistellung der Klägerin wusste, dass der Beschäftigung keine gesundheitlichen Gründe entgegenstanden. Andere Gründe, die eine vorübergehende Nichtbeschäftigung rechtfertigen könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen. Sie kannte daher ihre Beschäftigungspflicht und hat den Annahmeverzug bewusst in Kauf genommen. Das vertragswidrige Verhalten der Beklagten erstreckt sich über einen Zeitraum von mehr als 13 Monaten. Die Beklagte hielt daran sogar noch fest, nachdem sie vom Arbeitsgericht am 13.02.2007 auf die Unhaltbarkeit ihrer Position hingewiesen worden war. Noch mit Schreiben vom 23.02.2007 versuchte sie, die Beschäftigung der Klägerin von deren Verzicht auf Schadensersatzansprüche abhängig zu machen. Die Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin nicht nur nicht beschäftigt, sondern von der Beklagten zusätzlich herabgewürdigt wurde (s. dazu I. 3. d. Gr.)

Wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, hat die Klägerin gesundheitliche Beeinträchtigungen und Qualifikationsverlust durch die Nichtbeschäftigung in erster Instanz nicht hinreichend konkret vorgetragen. Daran hat sich auch im Berufungsrechtszug im Ergebnis nichts geändert. Allerdings hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung zunächst hinreichend substantiiert konkrete Folgen der Nichtbeschäftigung dargelegt. So hat sie behauptet, es sei zu einem Einfrieren privater Kontakte aufgrund des permanenten Zwangs gekommen, sich für ihre Untätigkeit zu rechtfertigen. Ihr Interesse am Erlernen von Sprachen und an kunstgeschichtlichen Exkursionen sei eingeschränkt gewesen. Die lange Nichtbeschäftigung habe zu Unzuverlässigkeit der Klägerin bei Terminen, zu Unordnung und zu Problemen bei der Verrichtung einfacher Tätigkeiten geführt. Auf bestimmte Schlüsselworte habe sie mit Weinkrämpfen reagiert. Angesichts des Bestreitens der Beklagten, welches in zulässiger Weise durch pauschales Leugnen geschehen konnte, hätte die Klägerin ihren Sachvortrag konkretisieren müssen. Für die aufgezählten Folgen hätten Beispiele benannt werden müssen, über deren Vorliegen oder Nichtvorliegen ggf. hätte Beweis erhoben werden können.

Auch ohne zusätzliche Auswirkungen der geschilderten Art ist die von der Beklagten begangene Persönlichkeitsrechtsverletzung von einem Gewicht, welches einen Ausgleich durch eine Geldzahlung erforderlich macht.


III.

Die Kammer hält eine Entschädigung in Höhe von EUR 6.500,- für angemessen.

1) Das BAG hat bisher keine Grundsätze zur Bemessung von Schadensersatzansprüchen bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen aufgestellt.Die Fälle der Verletzung von Arbeitgeberpflichten aus § 81 SGB IX (BAG v. 04.10.2005 - 9 AZR 632/ 04 - NZA 06, 442; LAG Rheinland-Pfalz v. 10.08.2006 - 6 Sa 218/06 - juris; LAG Schleswig-Holstein v. 08.06.2005 - 3 Sa 30/05 - NZA-RR 2005, 510) sind nicht einschlägig, weil dem behinderten Menschen durch das Handeln des Arbeitgebers ein materieller Schaden in Form Verdienstausfall entsteht. Soweit sich die Literatur mit der Frage beschäftigt (z. B. Rediger NZV 1996, 89, W ickler ArbuR 04, 87, 90f.) wird auf die vom BGH entwickelten Grundsätze Bezug genommen.

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 05.12.1995 - VI ZR 332/94 - NJW 1996, 984, 985) hat die Herleitung des Anspruches auf Ersatz immaterieller Schäden bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen aus § 823 I BGB in Verbindung mit Art. 1 und 2 I GG Auswirkungen auf die Höhe des Anspruches. Die Gewährung des Schadensersatzes bei einem schwerwiegenden Eingriff beruhe auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und der Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben, mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Daher diene der Entschädigungsanspruch anderen Zwecken als der Schmerzensgeldanspruch nach § 253 II BGB. Der Schmerzensgeldanspruch diene dem Ausgleich des Erlittenen, der Entschädigungsanspruch hingegen habe primär den Zweck der Genugtuung. Außerdem soll er der Prävention dienen (BGH v. 05.12.1995 a.a.O.; v. 15.11.1994 - VI ZR 56/94 - NJW 1995, 861, 864).

2. Bei der Bestimmung der Höhe der von der Beklagten zu leistenden Entschädigung war zunächst die Dauer der vertragswidrigen Nichtbeschäftigung zu berücksichtigen, indem pro Monat der Nichtbeschäftigung ein bestimmter Betrag in Ansatz gebracht worden ist. Bei der Festlegung der Höhe dieses Betrages hat die Kammer EUR 500,- pro Monat für angemessen gehalten. Sie hat dabei die Verzugslohnansprüche zu Gunsten der Beklagten berücksichtigt. Zwar dient das Entgelt nicht dem Ausgleich immaterieller Schäden. Letztere wurden jedoch dadurch gemildert, dass die Klägerin zu keinem Zeitpunkt finanzieller Unsicherheit ausgesetzt worden ist. Gleichwohl war ein Betrag in empfindlicher festzusetzen, weil die Beklagte ihre Beschäftigungspflicht vorsätzlich verletzt hat und sich dazu auf vorgeschobene Begründungen gestützt hat, welche die Klägerin zusätzlich in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt haben.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 VI ArbGG i. V. m. § 92 ZPO.

V.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 II Nr. 1 ArbGG.

Referenznummer:

R/R3091


Informationsstand: 20.11.2008