Die Parteien streiten in zweiter Instanz noch über Sozialplan- und Urlaubsabgeltungsansprüche.
Die am 0.0.1956 geborene, verwitwete Klägerin, die niemand zum Unterhalt verpflichtet ist, ist gemäß Bescheid des Versorgungsamts Ulm vom 09.08.2004 mit einem Grad der Behinderung von 50 vom Hundert als Schwerbehinderter Mensch anerkannt. Sie arbeitete seit 17.01.1977 bei der L.
AG (künftig L-
AG), einem Unternehmen der Metallindustrie, in der Fertigung als Bedienerin und erzielte zuletzt ein Bruttomonatseinkommen von 2.000,00
EUR. Die Klägerin ist nicht Mitglied der IG Metall. Im Arbeitsvertrag vom 17.01.1977 (Bl. 186 der zweitinstanzlichen Akte) ist auszugsweise Folgendes geregelt:
"2.) Die Entlohnung richtet sich nach den tariflichen Bestimmungen. Im Besonderen gilt für den vorliegenden Arbeitsvertrag folgendes: Lohngruppe III tariflicher Stundenlohn: DM 6,37....
5.) Im Übrigen gelten für das Arbeitsverhältnis alle sonstigen tariflichen, gesetzlichen sowie die Bestimmungen unserer Arbeitsordnung. ..."
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages war die L-
AG Mitglied im Verband der Metallindustrie von Südwürttemberg-Hohenzollern e. V.. Im Jahr 1993 trat die L-
AG aus dem Arbeitgeberverband aus. Der Arbeitgeberverband schloss mit der IG-Metall ein Urlaubsabkommen, das am 01.01.1979 in Kraft trat, mehrfache Änderungen erfuhr, zum 31.12.1996 gekündigt und durch ein neues Urlaubsabkommen abgelöst wurde. Das Urlaubsabkommen regelt die Urlaubsansprüche umfassend und abschließend. Die 1993 zum Zeitpunkt des Austritts der L-
AG aus dem Arbeitgeberverband gültige Fassung des Urlaubsabkommens enthält
u. a. folgende Bestimmungen:
"§ 2 Urlaubsanspruch
2.3 Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nicht zulässig.
Ausnahmen davon sind nur möglich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses und bei längerer Krankheit, wenn und soweit dadurch kein Urlaub mehr genommen werden kann.
2.5 Keinen vollen Urlaubsanspruch, sondern nur Anspruch auf 1/12 des Jahresurlaubs für jeden angefangenen Monat des Bestehens des Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitnehmer:
...
2.5.3.- wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Hälfte eines Kalenderjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet.
...
2.9 Der Urlaubsanspruch verringert sich jedoch für jeden weiteren vollen Monat um 1/12 des Jahresurlaubs,
... bei einer Krankheitsdauer von über neun Monaten im Urlaubsjahr
2.11 Der Urlaubsanspruch, der während eines Urlaubsjahres entsteht, erlischt drei Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde.
§ 3 Urlaubsdauer
3.1 Der jährliche Urlaub für Arbeitnehmer beträgt 30 Arbeitstage."
Der Manteltarifvertrag enthält folgende Regelung:
§ 18 Ausschlussfristen
18.1 Ansprüche der Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis sind dem Arbeitgeber gegenüber folgendermaßen geltend zu machen:
18.1.1 ...
18.1.2 alle übrigen Ansprüche innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit, spätestens jedoch innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Fristen geltend gemacht werden, sind verwirkt, es sei denn, dass der Beschäftigte durch unverschuldete Umstände nicht in der Lage war, diese Fristen einzuhalten. ..."
Der letzte Arbeitstag der Klägerin war der 29.01.2003. Die L-
AG leistete bis 21.03.2003 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Der Krankengeldbezug der Klägerin endete am 19.05.2004. Von 20.05.2004 bis 31.01.2006 bezog die Klägerin Leistungen von der Bundesagentur für Arbeit im Rahmen der sogenannten Gleichwohlgewährung. Seit 01.02.2006 erhält die Klägerin Erwerbsunfähigkeitsrente, die zunächst bis 31.05.2007 befristet war und seit 01.06.2007 unbefristet bis zum Bezug von Altersrente gewährt wird.
Mit Beschluss vom 01.07.2009 hat das Amtsgericht Ravensburg - Az. 5 IN 213/09 - über das Vermögen der L-
AG das Insolvenzverfahren eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt. Insolvenzverwalter und Betriebsrat schlossen am 20.07.2009 einen Interessenausgleich wegen einer Betriebsänderung durch Personalabbau (Bl. 149 bis 157 der zweitinstanzlichen Akte). Mit dem Interessenausgleich ist eine Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer fest verbunden (Bl. 158 bis 166 der zweitinstanzlichen Akte). Die Klägerin ist auf dieser Namensliste ohne den Vermerk einer Schwerbehinderung aufgeführt. Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin in Umsetzung des Interessenausgleichs mit Schreiben vom 29.07.2009 betriebsbedingt ohne Zustimmung des Integrationsamts. Die Klägerin erhob gegen diese Kündigung rechtzeitig Klage (
ArbG Ulm Az. 2 Ca 367/09) und berief sich auf ihren Schwerbehindertensonderkündigungsschutz. Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten unterrichtete die Klägerin über ihren sich aus dem am 11.09.2009 mit dem Betriebsrat vereinbarten Sozialplan (Bl. 21 bis 25 der erstinstanzlichen Akte) ergebenden Abfindungsanspruch. Sie kündigte für den Fall der Aufrechterhaltung der Kündigungsschutzklage die Rücknahme der betriebsbedingten Kündigung, die Einleitung eines Zustimmungsverfahrens beim Integrationsamt und den Ausspruch einer personenbedingten Kündigung an. Sie wies ferner darauf hin, dass bei einer personenbedingten Kündigung der Sozialplananspruch entfalle. Der Sozialplan regelt seinen Geltungsbereich wie folgt:
"I. Geltungsbereich
Die Regelungen dieses Sozialplans gelten für alle Arbeitnehmer/-innen einschließlich der Auszubildenden gemäß § 5 I
BetrVG, die am 01.04.2009 in einem Arbeitsverhältnis mit der Firma L.
AG standen und deren Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Unternehmens oder durch Eigenkündigung oder Aufhebungsvertrag auf Grundlage des Interessenausgleichs vom 20.07.2009 endet.
Diese Vereinbarung gilt nicht für ...
- Arbeitnehmer/-innen, deren Arbeitsverhältnis aus personen- oder aus verhaltensbedingten Gründen gekündigt oder aus diesen Gründen einvernehmlich beendet wird....".
Die Klägerin nahm ihre Klage innerhalb der vom Gericht bis 19.10.2009 gesetzten Erklärungsfrist nicht zurück, sondern unterbreitete mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.10.2009 dem Beklagten ein Vergleichsangebot, wonach die Klägerin unter Einbeziehung von Urlaubsansprüchen bei einer Abfindung von 15.000,00
EUR das Arbeitsverhältnis wie gekündigt zu beenden bereit wäre. Der Beklagte lehnte das Vergleichsangebot mit Schreiben vom 27.10.2009 ab. Mit Verfügung vom 02.11.2009 setzte das Arbeitsgericht dem Beklagten bis 16.11.2009 Frist zur Darlegung der Kündigungsgründe. Mit Schreiben vom 03.11.2009 erklärte der Beklagte, aus der betriebsbedingten Kündigung vom 29.07.2009 keine Rechte mehr herzuleiten, worauf der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 10.11.2009 die Klage zurücknahm.
Mit Zustimmung des Integrationsamts kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin unter dem 01.04.2010 personenbedingt zum 31.07.2010. Auch gegen diese Kündigung erhob die Klägerin fristgerecht Klage. Erstinstanzlich machte sie hilfsweise für den Fall des Unterliegens im Wege der Feststellungsklage den Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan und im Wege der Leistungsklage die Abgeltung von 180 Tagen Urlaub aus den Jahren 2005 bis 2010 in Höhe von 16.704,00
EUR jeweils als Masseforderung geltend.
In einem Nachtrag zum Sozialplan vom 11.09.2009 (
ABl. 74 bis 76 der erstinstanzlichen Akte) haben der Insolvenzverwalter und der Betriebsrat vereinbart:
"...
3. Die gegenüber Frau G.B. ausgesprochene Kündigung vom 29.07.2009 musste, nachdem die Schwerbehinderung nachgewiesen wurde, zurückgenommen werden.
Nachfolgend wurde das Arbeitsverhältnis mit Frau B. nach Einholung der Zustimmung des Integrationsamtes aus personenbedingten Gründen - lang andauernde Krankheit - zum 31.07.2010 gekündigt."
Die Klägerin hat beantragt,
1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis trotz Kündigungserklärung, datierend vom 01.04.2010 nicht aufgelöst worden ist, sondern unverändert fortbesteht.
2. Es wird hilfsweise festgestellt, dass der Klägerin Masseansprüche in Höhe von
EUR 13.719,25 brutto nebst Zinsen p. a. in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zustehen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 16.704,00
EUR brutto nebst Zinsen p. a. in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat mit seinem am 20.08.2010 verkündeten Urteil der Klägerin einen Urlaubsabgeltungsanspruch in Höhe von 16.615,38
EUR brutto ohne Zinsen zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Urteil haben beide Parteien am 14.09.2010 zugestellt erhalten. Die Klägerin hat gegen die Abweisung des Sozialplananspruchs am 12.10.2010 Berufung eingelegt, der Beklagte am 06.10.2010 gegen die Verurteilung zur Zahlung der Urlaubsabgeltung. Im Übrigen hat das Urteil des Arbeitsgerichts Rechtskraft erlangt. Beide Parteien haben die Berufungen innerhalb der bis 14.12.2010 verlängerten Frist begründet. Die Klägerin hat die Berufungsbegründung am 17.12.2010 zugestellt erhalten, der Beklagte am 15.12.2010. Die Klägerin hat am 13.01.2011 und der Beklagte am 14.01.2011 erwidert.
Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte habe gegen das Maßregelungsverbot des § 612a
BGB verstoßen, indem er die Klägerin zur Rücknahme der ersten Kündigungsschutzklage mit der Drohung habe veranlassen wollen, dass er sonst eine zweite personenbedingte Kündigung ohne Abfindungsanspruch nach dem Sozialplan ausspreche. Dies komme dem Fall gleich, dass die Zahlung einer Abfindung in unzulässiger Weise vom Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werde.
Die Klägerin beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 20.08.2010 -
1 Ca 74/10 - dahingehend abzuändern, dass festgestellt wird, dass der Klägerin Masseansprüche in Höhe von 13.719,25
EUR brutto nebst Zinsen p. a. in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zustehen;
2. die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
1. das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm vom 25.08.2010 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen;
2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, die Urlaubsansprüche der Klägerin seien nach Ziffer 2.8 des Urlaubsabkommens zu kürzen und nach Ziffer 2.3
iVm den Ausschlussfristen des Manteltarifvertrages weitgehend verfallen. Die Ansprüche seien zum größten Teil verjährt. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei keine Masseforderung im Sinne des § 55
Abs. 1
Nr. 2 2. Alt. InsO. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der Einordnung von Urlaubsabgeltungsansprüchen als Masseansprüche und zur Abgrenzung von Neu- und Altmasseverbindlichkeiten sei widersprüchlich. Die Urlaubsansprüche seien nicht zur Tabelle angemeldet. Die Leistungsklage betreffend die Ansprüche bis zur Insolvenzeröffnung sei daher unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Anlagen Bezug genommen.
Die Berufungen der Klägerin und des Beklagten sind statthaft (§ 64
Abs. 1 und 2
ArbGG); sie sind form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66
Abs. 1, 64
Abs. 6 Satz 1
ArbGG, 519
Abs. 1 und 2, 520
Abs. 3
ZPO) und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung der Klägerin (unten A) ist unbegründet. Die Berufung des Beklagten (unten B) ist begründet.
I.
A Berufung der Klägerin
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Feststellung der begehrten Abfindung im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
1. Ein entsprechender Anspruch folgt nicht aus dem Sozialplan vom 11.09.2009. Die Klägerin fällt nicht unter den Geltungsbereich des Sozialplans. Der Sozialplan erfasst nur Arbeitnehmer/-innen, deren Arbeitsverhältnis auf der Grundlage des Interessenausgleichs vom 20.07.2009 endet. Er erfasst nach der Negativliste im zweiten Absatz der Geltungsbereichsklausel ausdrücklich nicht Arbeitnehmer/-innen, deren Arbeitsverhältnis aus personenbedingten Gründen gekündigt wird. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin endete durch die in erster Instanz noch streitig gewesene wegen langdauernder Krankheit personenbedingte Kündigung der Beklagten vom 01.04.2010 mit Ablauf des 31.07.2010. Dies steht rechtskräftig fest. Betriebsrat und Insolvenzverwalter haben dies im Nachtrag vom 15./18.06.2010 zum Sozialplan unter Ziffer 3 auch kollektiv-rechtlich ausdrücklich klargestellt.
2. Der Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem Sozialplan
iVm dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des
§ 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
a) Leistungen in Sozialplänen im Sinne von
§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, die dem Ausgleich oder der Abmilderung der mit einer Betriebsänderung für die Arbeitnehmer verbundenen wirtschaftlichen Nachteile dienen, dürfen nicht vom Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden (
BAG 31.05.2005 1 AZR 254/04 Rn. 17 der Gründe, NZA 2005, 997 ff). Eine solche Regelung verstößt gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75
Abs. 1 Satz 1
BetrVG, dem der allgemeine Gleichheitssatz des
Art. 3
Abs. 1
GG zugrunde liegt (
BAG aaO Rn. 20 der Gründe).
b) Der Sozialplan enthält keine Regelung, die Arbeitnehmer/-innen von seinen Leistungen ausschließt, die Kündigungsschutzklage erheben. Er stellt nur im 4. Absatz der sonstigen Regelungen die Abfindung erst bei rechtskräftig feststehender Beendigung des Arbeitsverhältnisses zur Zahlung fällig. Es ist sinnvoll und sachlich gerechtfertigt, abzuwarten, ob das Arbeitsverhältnis durch eine Kündigung überhaupt beendet wird und damit der Abfindungsanspruch entsteht (
BAG 31.05.2005 1 AZR 254/04 Rn. 21 der Gründe, NZA 2005,997
ff.;
BAG 20.06.1985 2 AZR 427/84 Rn. der Gründe, NZA 1986, 258
ff.).
3. Schließlich hat der Beklagte auch nicht das Maßregelungsverbot des § 612a
BGB verletzt, indem er der Klägerin angeboten hat, ihr bei Rücknahme der Kündigungsschutzklage gegen die erste betriebsbedingte auf der Grundlage des Interessenausgleichs mit Namensliste vom 20.07.2009 ausgesprochene Kündigung die in diesem Fall aus dem Sozialplan resultierende Abfindung zu belassen.
a) § 612a
BGB verbietet dem Arbeitgeber die Benachteiligung eines Arbeitnehmers, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Dabei kann das Maßregelungsverbot auch verletzt sein, wenn dem Arbeitnehmer Vorteile vorenthalten werden, die der Arbeitgeber anderen Arbeitnehmern gewährt, die ihre entsprechenden Rechte nicht ausgeübt haben (
BAG 06.12.2006 4 AZR 798/05 Rn. 32 der Gründe mwN, NZA 2007 821 ff).
b) Die Klägerin behauptet nicht, es habe andere schwerbehinderte Mitarbeiter gegeben, die wie die Klägerin ohne Zustimmung des Integrationsamts gekündigt worden seien und gleichwohl die Sozialplanabfindung erhalten hätten. Dass der Beklagte die Klägerin zunächst ohne Zustimmung des Integrationsamts gekündigt hatte, lag daran, dass der letzte Arbeitstag der Klägerin der 29.01.2003 war und die Schuldnerin und erst recht nicht der Beklagte seither nichts mehr von ihr gehört hatten. Insbesondere war die Schwerbehinderteneigenschaft im Betrieb unbekannt. So ist auch zu erklären, dass in der Namensliste zum Interessenausgleich bei den Sozialdaten der Klägerin eine Schwerbehinderung nicht vermerkt ist. Die ohne Zustimmung des Integrationsamts erklärte erste betriebsbedingte Kündigung war unzweifelhaft gemäß § 134
BGB iVm § 85 SGB IX unhaltbar nichtig. Deshalb war es vollkommen konsequent und prozessökonomisch geboten, dass der Beklagte aus der Kündigung keine Rechte mehr hergeleitet hat, nachdem der Versuch einer gütlichen Einigung durch Zahlung der Sozialplanabfindung bei Hinnahme der Kündigung durch die Klägerin an der Klägerin gescheitert war, wobei das von der Klägerin geäußerte Motiv, sozialversicherungsrechtliche Nachteile gemäß
§ 143a SGB III zu vermeiden, in keinster Weise nachvollziehbar ist. Die Klägerin erhielt derzeit schon unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Wiedererlangung ihrer Arbeitsfähigkeit war nicht ansatzweise abzusehen. Eine Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld stand in keiner Weise im Raum. Sozialversicherungsrechtliche Probleme aus der Hinnahme der wegen fehlender Zustimmung des Integrationsamts an sich nichtigen Kündigung sind daher nicht erkennbar.
c) Es stellt auch keine Maßregel dar, wenn der Beklagte dann das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Zustimmung des Integrationsamts - wie rechtskräftig feststeht - rechtswirksam ordentlich personenbedingt gekündigt hat mit der Folge, dass die Klägerin aus dem Sozialplan herausfällt. Der Insolvenzverwalter hat die Ziele des Insolvenzverfahrens im Sinne des § 1 InsO bestmöglich zu verwirklichen (
vgl. § 2 Anhang II Berufsgrundsätze der Insolvenzverwalter zu § 56 InsO). Dazu gehört nach § 1 InsO eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung. Diese setzt einen wirtschaftlichen Umgang mit der Insolvenzmasse voraus. Deshalb war es vollkommen sachgerecht, dass der Beklagte, als er erkennen konnte, dass die Klägerin rechtmäßig personenbedingt zu kündigen war, diese Kündigung erklärt hat. Insoweit liegt eine zulässige Rechtsausübung vor, die keine Maßregel im Sinne des § 612a
BGB darstellen kann. Die Ankündigung dieser rechtmäßigen Maßnahme für den Fall, dass die Klägerin das Vergleichsangebot nicht annimmt, war deshalb auch keine Drohung, die Rechtsfolgen auslösen könnte, sondern der schlichte Hinweis auf die Rechtslage, die zu ignorieren die Klägerin beliebte. Eine Verletzung des § 612a
BGB liegt daher nicht vor.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Abfindungsanspruch aus dem Sozialplan. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
B Berufung des Beklagten
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
Die Frage, ob ein solcher Anspruch in vollem Umfang als Masseanspruch im Wege der Leistungsklage gegen den Insolvenzverwalter verfolgt werden kann (so
BAG 25.03.2003 9 AZR 174/02 Rn. 62 ff der Gründe, NZA 2004, 43 ff, 18.11.2003 9 AZR 95/03 Rn. 57 der Gründe, NZA 2004, 651 ff, 15.02.2005 9 AZR 78/04 Rn. 29 der Gründe, NZA 2005 1124 ff) oder in dem Umfang als Insolvenzforderung zur Tabelle festgestellt werden muss, wie er in der verbleibenden Kündigungsfrist nach Insolvenzeröffnung nicht mehr in Natura gewährt werden konnte, kann schon deshalb dahin stehen, weil im vorliegenden Fall Insolvenzeröffnung am 01.07.2009 war, das Arbeitsverhältnis aber erst 13 Monate später am 31.07.2010 beendet worden ist. In diesen 13 Monaten nach Insolvenzeröffnung hätte der Urlaubsanspruch der Klägerin von 180 Tagen - so er bestanden hätte - zeitlich ohne weiteres erfüllt werden können. Deshalb wäre der Abgeltungsanspruch auch nach der Rechtsauffassung des Beklagten eine Masseforderung.
Auch auf die Frage der Kürzung der Urlaubsansprüche nach dem Urlaubsabkommen, der Übertragung und Abgeltung der Urlaubsansprüche, dem Verfall der Urlaubs- und Urlaubsabgeltungsansprüche nach den tariflichen Ausschlussfristen und der Verjährung der Urlaubsansprüche kommt es nicht entscheidungserheblich an, weil die Klägerin von 2005 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.07.2010 keine Urlaubsansprüche mehr erworben hat.
1. Streitgegenstand sind die Abgeltung tariflicher Urlaubsansprüche im jährlichen Umfang von 30 Arbeitstagen ohne den gesetzlichen Schwerbehindertenzusatzurlaub des
§ 125 SGB IX für die Jahre 2005 bis 2010.
a) Ziffer 5 des zwischen der Klägerin und der Schuldnerin am 17.01.1977 geschlossenen Arbeitsvertrages enthält eine Bezugnahme auf die Tarifverträge für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Südwürttemberg-Hohenzollern. Dies ergibt die Auslegung des Vertrages gemäß §§ 133, 157
BGB. Sowohl in Ziffer 2 wie in Ziffer 5 des seinerzeit noch bemerkenswert knappen Arbeitsvertrages wird von "tariflichen Bestimmungen" gesprochen. Die Schuldnerin war seinerzeit Mitglied im Verband der Metallindustrie von Südwürttemberg-Hohenzollern. Sie unterfällt als Metallindustriebetrieb betrieblich und mit ihrem Sitz in L., Landkreis B., auch räumlich dem Manteltarifvertrag und dem Urlaubsabkommen, das die IG-Metall Bezirksleitung Stuttgart mit dem Verband der Metallindustrie von Südwürttemberg-Hohenzollern seinerzeit geschlossen hatte. Insofern ist die Bezugnahmeklausel in Ziffer 5 des Arbeitsvertrages eindeutig.
b) Da es sich bei dem vorgelegten Arbeitsvertrag um einen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Altvertrag vor dem 01.01.2002 handelt, gilt nach wie vor die Auslegungsregel, dass die Bezugnahmeklausel eine Gleichstellungsabrede mit dem Zweck der Gleichstellung tarifgebundener mit nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern darstellen soll (
BAG 14.12.2005 4 AZR 536/04 Rn. 13 der Gründe, NZA 2006, 607 ff).
Nach Austritt aus dem tarifschließenden Verband gelten die in Bezug genommenen Tarifverträge statisch gemäß §§ 3
Abs. 3., 4
Abs. 5
TVG weiter (
BAG aaO).
Die Schuldnerin trat 1993 aus dem Verband aus. Das Urlaubsabkommen, das 1993 galt, endete am 31.12.1996 und wurde durch ein neues ersetzt. Deshalb folgen etwaige Ansprüche aus dem statisch fortgeltenden Urlaubsabkommen in der Fassung 1993.
c) Die Klägerin hat im gesamten Rechtsstreit mit keinem Wort den ihr an sich zustehenden Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach
§ 125 SGB IX reklamiert, sondern sich auf den jährlichen Urlaubsumfang von 30 Tagen bezogen, den die Schuldnerin ständig gewährt hat. Streitgegenstand ist daher ausschließlich der tarifliche Urlaubsanspruch nach § 3.1 des Urlaubsabkommens und nicht der Schwerbehindertenzusatzurlaub.
2. Die Klägerin bezog vom 20.05.2004 bis 31.01.2006 Arbeitslosengeld und danach bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Erwerbsunfähigkeitsrente. In dieser Zeit hat das Arbeitsverhältnis geruht mit der Folge, dass Urlaubsansprüche, die übertragen und bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten hätten werden können, nicht entstanden sind.
a) Der Bezug von Arbeitslosengeld nach
§ 125 Abs. 1 SGB III setzt Arbeitslosigkeit voraus. Arbeitslos ist nach
§ 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, wer nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht, also "beschäftigungslos" ist. Das setzt im rechtlich fortbestehenden Arbeitsverhältnis voraus, dass die Hauptleistungspflichten suspendiert sind. Da sich ein aktives Beschäftigungsverhältnis und der Bezug von Arbeitslosengeld nach § 125
Abs. 1
SGB III gegenseitig ausschließen, ist davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis mit Beginn des Arbeitslosengeldbezuges regelmäßig ruhend gestellt wird. Ob die Klägerin letztlich eine Bescheinigung nach
§ 312a SGB III vom Arbeitgeber verlangt hat, worin das Bundesarbeitsgericht das Angebot zur Ruhensvereinbarung sieht (
BAG 14.03.2006
9 AZR 312/05 Rn. 28 der Gründe, NZA 2006, 1232 ff) und die Schuldnerin diese Bescheinigung erteilt und damit das Angebot angenommen hat (
BAG aaO), kann dabei letztlich dahinstehen, wie wohl die Entscheidung über die Gewährung von Arbeitslosengeld ohne Vorlage der Bescheinigung gemäß § 312a
SGB III an sich undenkbar ist. Die Klägerin hat jedenfalls nach Ablauf der Entgeltfortzahlung spätestens nach Ablauf des Krankengeldes ihre Arbeitskraft nie angeboten, wozu sie im bestehenden Arbeitsverhältnis gemäß § 294
BGB verpflichtet gewesen wäre, und der Arbeitgeber hat sein Direktionsrecht in keiner Weise ausgeübt. Auch hierin kann gegebenenfalls der übereinstimmende Wille der Parteien zur Ruhendstellung des Arbeitsverhältnisses gesehen werden. Dieses ruhende Arbeitsverhältnis hat auch nach Ende des Bezugszeitraums für das Arbeitslosengeld nicht wieder aufgelebt, sondern bestand bis zur formalen Beendigung am 31.07.2010 als ruhendes Arbeitsverhältnis fort.
b) Ob im ruhenden Arbeitsverhältnis Urlaubsansprüche entstehen, hängt davon ab, ob man den Anspruch auf Jahresurlaub (als Freistellung von der Arbeitspflicht zum Zwecke der Erholung) und den Anspruch auf Zahlung des Urlaubsentgelts als zweiteiligen einheitlichen Anspruch und damit Urlaub und Urlaubsentgelt als Hauptleistungspflichten versteht (
vgl. Arnold in Arnold/Tillmanns
BUrlG 2. Aufl. 2010 Rn. 154 zu § 7). Dafür, dies so zu verstehen, spricht, dass die Urlaubsgewährung von der Hauptleistungspflicht, der Erbringung der Arbeitsleistung im Sinne des § 611
Abs. 1
BGB bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Gegenleistung, der Vergütungszahlung, befreit. Anspruch auf Urlaubsentgelt ist so gesehen eine Ausnahme vom Grundsatz "Ohne Arbeit kein Lohn". Damit ist die Urlaubsgewährung verbunden mit der Fortzahlung des Arbeitsentgelts für den Arbeitgeber Teil seiner Hauptleistungspflicht (ähnlich Zimmermann in Arnold/Tillmanns aaO Rn. 34 zu § 1,
LAG Düsseldorf 05.05.2010 7 Sa 1571/09, Revision beim
BAG eingelegt unter Az. 9 AZR 475/10) und keine Nebenpflicht (so aber
u. a. LAG Baden-Württemberg 29.04.2010
11 Sa 64/09 Rn. 27 der Gründe unter Verweis auf
BAG 24.11.1987
8 AZR 140/87, NZA 1988, 243 ff). Ruhen die Hauptleistungspflichten und wird die Pflicht zur Urlaubsgewährung bei Vergütungsfortzahlung als Hauptleistungsanspruch verstanden, entsteht im ruhenden Arbeitsverhältnis kein Urlaubsanspruch.
c) Diese Lösung ist nach Auffassung der Kammer europarechtskonform.
aa) In der Schultz-Hoff-Entscheidung zu
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 vom 20.01.2009 (C-350/06 und C-520/06 NZA 2009, 135 ff) knüpft der Europäische Gerichtshof daran an, dass der Urlaub wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden konnte. Aus
Art. 5
Abs. 4 des Übereinkommens
Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24.06.1970 über den bezahlten Jahresurlaub zieht der EuGH den Schluss, dass bei unabhängig vom Willen des beteiligten Arbeitnehmers bestehenden Hinderungsgründen an der Erbringung der Arbeitsleistung, wie
z. B. Krankheit, der Urlaubsanspruch gewährleistet sein müsse (
vgl. auch Zimmermann aaO). Im vorliegenden Fall war der Hinderungsgrund Krankheit aber nicht der tragende Grund für die Nichterbringung der Arbeitsleistung, sondern Motiv für die Herbeiführung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses und zwar deshalb, weil die Klägerin sonst weder Vergütung noch Entgeltfortzahlung, noch Krankengeld, noch Erwerbsunfähigkeitsrente erhalten hätte. Damit steht bereits nach der Schultz-Hoff- Entscheidung des EuGH fest, dass bei eigeninitiativer Herbeiführung des Ruhens des Arbeitsverhältnisses der Schutz des
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie entfällt. Eine Vorlagepflicht sieht die Kammer daher nicht.
bb) Auch die Einordnung des Urlaubs- und Urlaubsentgeltanspruchs als einheitlicher Anspruch steht im Einklang mit
Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 und der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH. In der Schultz-Hoff-Entscheidung (Rn. 60 der Gründe) verweist der EuGH auf seine ständige Rechtsprechung, wonach "der Anspruch auf Jahresurlaub und der auf Zahlung des Urlaubsentgelts in der Richtlinie 2003/88 als zwei Aspekte eines einzigen Anspruchs behandelt" wird. "Durch das Erfordernis der Zahlung des Urlaubsentgelts soll der Arbeitnehmer während des Jahresurlaubs in eine Lage versetzt werden, die in Bezug auf das Entgelt mit den Zeiten geleisteter Arbeit vergleichbar ist." Damit stellt der EuGH eine so unmittelbare Sachnähe von Entgelt und Urlaubsentgelt her, dass es die Richtlinie 2003/88 und deren Auslegung durch den EuGH jedenfalls nicht verbietet, den Urlaubsanspruch als Hauptleistungs- und nicht als Nebenleistungsanspruch anzusehen, ohne dass eine erneute Vorlagepflicht bestünde.
Im Ergebnis sind Urlaubsansprüche der Klägerin seit Beginn des Arbeitslosengeldbezuges am 20.04.2004 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31.07.2010 nicht entstanden. Mit der Klage macht die Klägerin solche Ansprüche für einen innerhalb dieses Zeitraums liegenden Abschnitt, nämlich für die Zeit ab 2005 geltend.
Mangels entstandenem Urlaubsanspruch stellen sich die Probleme der tariflichen Kürzung, des tariflichen Ausschlusses, der Verjährung und der insolvenzrechtlichen Einordnung mithin nicht.
Die Klage ist unbegründet. Die Berufung des Beklagten ist begründet.
II.
Der unterlegenen Klägerin sind gemäß § 97
Abs. 1
ZPO die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Berufungen aufzuerlegen.
III.
Die Revision ist nur hinsichtlich der Urlaubsansprüche gemäß § 72
Abs. 2
Nr. 1
ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung und Divergenz zuzulassen. Im Übrigen ist ihre Zulassung nicht veranlasst.