Die Revision der Beklagten ist begründet. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen nicht den Schluss zu, die streitige Kündigung sei sozial ungerechtfertigt (§ 1
Abs. 1 und 2
KSchG).
I. Nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts war es der Beklagten zuzumuten, zur Vermeidung einer Kündigung den Personaleinsatz so zu organisieren, daß ein noch vertragsgerechter Einsatz des Klägers erfolgen konnte. Auch die gesundheitlichen Probleme des Klägers würden einen "dringenden Fall" im Sinne von § 1 des Arbeitsvertrages vom 23. Juli 1993 begründen und damit die Möglichkeit einer Um-
bzw. Versetzung eröffnen. Die streitige Kündigung sei deshalb rechtsunwirksam.
II. Dem folgt der Senat nicht uneingeschränkt. Es bedarf einer weiteren Sachverhaltsaufklärung, um beurteilen zu können, ob die streitige Kündigung "ultima ratio" war.
1. Bei der Frage, ob die Kündigung des Klägers aufgrund krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit aus Gründen in der Person bedingt und deshalb sozial gerechtfertigt ist (§ 1
Abs. 2 Satz 1
KSchG), handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur dahin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1
KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob die Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (
vgl. unter anderem Senatsurteil vom 11. August 1994 - 2 AZR 9/94 -A P
Nr. 31 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit, zu II 1 der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Auch diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil nicht stand.
a) Zutreffend geht allerdings das Landesarbeitsgericht davon aus, daß eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein kann, wenn der Arbeitnehmer die geschuldete Leistung auf Dauer krankheitsbedingt nicht mehr erbringen kann (
vgl. u.a. Senatsurteil vom 28. Februar 1990 - 2 AZR 401/89 - AP
Nr. 25 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit, zu II 1 b bb der Gründe, mit weiteren Nachweisen). Dem Landesarbeitsgericht kann auch noch darin gefolgt werden, § 1 des Arbeitsvertrages vom 23. Juli 1993 erfasse mit der Möglichkeit einer Zuweisung anderer Arbeiten
bzw. einer Versetzung in eine andere Abteilung "in dringenden Fällen" nicht nur solche Tatbestände, bei denen die Veränderungen auf betriebliche Notwendigkeiten zurückzuführen sind, sondern auch den Umstand, dass der Arbeitnehmer aus Gründen des Gesundheitsschutzes bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausüben dürfe. Insoweit geht es um die Auslegung eines Individualvertrags, die grundsätzlich dem Tatsachengericht obliegt und revisions-rechtlich nur darauf überprüft werden kann, ob sie mit Denkgesetzen oder mit dem Wortlaut vereinbar ist und ob wesentlicher Auslegungsstoff außer acht gelassen wurde (
vgl. zuletzt Senatsurteil vom 31. Januar 1996 - 2 AZR 68/95 - AP
Nr. 17 zu § 1
KSchG 1969 Personenbedingte Kündigung, zu II 1 b aa der Gründe, mit weiteren Nachweisen, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Derartige Auslegungsfehler sind nicht ersichtlich und von der Revision auch nicht geltend gemacht. Die Revision will insoweit lediglich die von ihr für zutreffend erachtete Auslegung an die Stelle der vom Landesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung setzen.
Diese wäre im übrigen selbst dann nicht zu beanstanden, wenn es sich vorliegend um einen sogenannten typischen Vertrag handeln und man von einer unbeschränkten Überprüfungsmöglichkeit durch das Revisionsgericht ausgehen würde. Dem Wortlaut nach, von dem auszugehen ist, ist die Umsetzungs-
bzw. Versetzungsmöglichkeit nicht auf vorübergehende betriebliche Erfordernisse beschränkt. Auch ansonsten bestehen keine Anhaltspunkte für die von der Revision befürwortete Auslegung. Die Orientierung der Auslegung an Treu und Glauben bedeutet, daß im Zweifel ein Auslegungsergebnis anzustreben ist, das die berechtigten Interessen beider Parteien angemessen berücksichtigt. Der Senat tritt deshalb der Auslegung des Landesarbeitsgerichts bei.
b) Nicht zutreffend ist dagegen schon die Annahme des Landesarbeitsgerichts wegen der Versetzungsklausel in § 1 des Arbeitsvertrages sei der Kläger nicht auf Dauer gehindert, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Zu dieser gehört eben auch und zuerst die Arbeitsleistung im Stahlbau. Eine generelle Beschränkung des Direktionsrechts der Beklagten dahin, dem Kläger keine Arbeiten im Stahlbau mehr zuzuweisen, würde den Inhalt des Arbeitsvertrages ändern. Auch die krankheitsbedingte Einschränkung der Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers kann einen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund zur sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung im Sinne von § 1
Abs. 2 Satz 1
KSchG abgeben, wenn sie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führt (
vgl. Senatsurteil vom 26. September 1991 2 AZR 132/91 - AP
Nr.28 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit, mit weiteren Nachweisen).
c) Das angegriffene Urteil überdehnt zudem den ultima ratio-Grundsatz, wenn es dem Arbeitgeber uneingeschränkt zumutet, durch Umorganisation im Bereich des Personaleinsatzes für den Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz frei zu machen.
Bislang hat das Bundesarbeitsgericht, soweit ersichtlich, nur entschieden, die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien leidensgerechten Arbeitsplatz schließe nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine krankheitsbedingte Kündigung aus (so auch Senatsurteil vom 7. Februar 1991 - 2 AZR 205/90 - BAGE 67, 198, 204 f. = AP
Nr. 1 zu § 1
KSchG 1969 Umschulung; außer der Formulierung in B II 2 b des genannten Urteils, dass "Bildungsmaßnahmen zum Zwecke einer späteren anderweitigen Beschäftigung ... stärker in die Rechtsstellung des Arbeitgebers" eingreifen, "als umgehend zu vollziehende Umsetzungen oder Versetzungen", kann, wie die Revision mit Recht geltend macht, nicht entnommen werden, letztere müssten gegebenenfalls zur Vermeidung einer Kündigung auch auf bislang von anderen Arbeitnehmern besetzte Arbeitsplätze vorgenommen werden).
Dies steht im Einklang mit der ganz herrschenden Meinung in der Literatur, die nur eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf freien Arbeitsplätzen als beachtlich und gegenüber einer krankheitsbedingten Kündigung vorrangig ansieht (
vgl. Ascheid, Kündigungsschutzrecht, Rz 428; Bezani, Die krankheitsbedingte Kündigung,
S. 110; derselbe,
Anm. zu AP
Nr. 7 zu § 626
BGB Krankheit; Bram in Bader/Bram/ Dörner/ Wenzel,
KSchG, § 1 Rz 110; HZA-Isenhardt, 5. Kündigung, Rz 438; Hueck/von Hoyningen- Huene,
KSchG, 11. Auflage, § 1 Rz 178; KR-Etzel, 4. Auflage, § 1
KSchG Rz 230, 273, 368; Kittner/Trittin, KSchR, 2. Aufl., § 1
KSchG Rz 368; Knorr/Bichelmeier/ Kremhelmer; Handbuch des Kündigungsrechts, 3. Auflage, 3. Kapitel
Nr.10, Rz 59; KPK- Schiefer; Teil H, Rz 96
ff.; Lepke, Kündigung bei Krankheit, 9. Aufl.,
S. 77 f., 101 f.; Stahlhacke/ Preis, Kündigung und Kündigungsschutz im Arbeitsverhältnis, 6. Auflage, Rz 616, 729). Etzel (a.a.0. Rz 290) verlangt allerdings bei Berufskrankheiten und Betriebsunfällen gegebenenfalls auch die Versetzung eines weniger schutzwürdigen Arbeitnehmers, Pflüger (DB 1995, 1761, 1764 f.) hält in solchen Fällen die Kündigung für betriebsbedingt und verlangt eine soziale Auswahl gemäß § 1
Abs. 3
KSchG. Auch Däubler (Das Arbeitsrecht 2, 10. Auflage,
S. 546) verlangt das Freimachen eines anderen Arbeitsplatzes, wenn der Erkrankte nach den Kriterien des § 1
Abs. 3
KSchG den Vorrang hätte.
Gegen die Ansicht von Däubler und Pflüger ist einzuwenden, dass § 1
Abs. 3
KSchG nach dem eindeutigen Wortlaut voraussetzt, daß die Kündigung "aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des
Abs. 2" erfolgt ist. In den genannten Fällen hat zwar die Krankheit betriebliche Ursachen, die Kündigung soll aber wegen der krankheitsbedingten Leistungsunfähigkeit
bzw. eingeschränkten Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erfolgen. § 1
Abs. 2 Satz 1
KSchG differenziert insoweit nach der unmittelbaren "Störquelle", nicht nach den der "Störung" eventuell zugrunde liegenden ferneren Ursachen. Auch bei einer arbeitsbedingten Erkrankung liegt die unmittelbare "Störung" darin, dass der Arbeitnehmer - persönlich - nicht mehr in der Lage ist, die geschuldete Arbeitsleistung uneingeschränkt zu erbringen (50 mit Recht Kania,
Anm. zu EzA § 626
BGB n. F
Nr. 156;
vgl. auch Lepke, a.a.0.,
S. 48 f. und
S. 104
ff.). Eine entsprechende Anwendung von § 1
Abs. 3
KSchG auf derartige Kündigungen kommt nicht in Betracht. Das Erfordernis der Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen ist nämlich eine gesetzliche Ausnahme von dem Grundsatz, dass der allgemeine Kündigungsschutz arbeitsvertragsbezogen ausgestaltet ist, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses also nur aus Gründen in Betracht kommt, die das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und einzelnem Arbeitnehmer betreffen. Bei personen- oder verhaltensbedingten Kündigungen steht der zu kündigende Arbeitnehmer bereits aufgrund der kündigungsrelevanten fehlenden Eignung oder des zur Kündigung fahrenden Fehlverhaltens fest, weshalb eine Auswahlentscheidung zur personellen Konkretisierung des zu kündigenden Arbeitnehmers nicht erforderlich ist. Würde man auch in diesen Fällen den Arbeitgeber zu einer "Austauschkündigung" berechtigen oder verpflichten, würde in die vertraglich begründete Rechtsposition eines anderen Arbeitnehmers eingegriffen, ohne dass dieser hierfür persönlich einen Grund gesetzt hat. Das aber ist jedenfalls ohne eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung nicht möglich (
vgl. Kania, a.a.0., und Lepke, a. a.0., jeweils mit weiteren Nachweisen; gegen eine Vermischung der Prüfungskriterien auch KR-Hillebrecht, 4. Aufl., § 626
BGB Rz 121. Eine eventuelle betriebliche Ursache der Erkrankung ist allerdings bei der Interessenabwägung zugunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (
vgl. Senatsurteile vom 7. November 1985 - 2 AZR 65 7/84 - und vom 6. September 1989 - 2 AZR 11 8/89 - AP
Nr. 17 und 22 zu § 1
KSchG 1969 Krankheit; siehe ferner Kretzel, 4. Aufl. § 1
KSchG Rz 270, 272).
d) Scheidet somit das Freikündigen eines anderweitig besetzten leidensgerechten Arbeitsplatzes als gegenüber einer Kündigung wegen dauerhafter Leistungsunfähigkeit mildere Maßnahme aus, so ist dem Landesarbeitsgericht doch zuzugeben, daß sich der Arbeitgeber nicht stets damit begnügen kann, das Fehlen freier geeigneter Arbeitsplätze festzustellen, bevor er in Krankheitsfällen zum Mittel der Kündigung greift. Eine Umorganisation hinsichtlich des Personaleinsatzes ist als gegenüber der krankheitsbedingten Kündigung mildere Maßnahme dann geboten, wenn der Arbeitgeber einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Wahrnehmung seines Direktionsrechts freimachen kann, weil er sich damit gegenüber dem bisherigen Arbeitsplatzinhaber im Rahmen der vertraglichen Abmachungen hält und nicht in dessen Rechtsposition eingreift (ebenso Kania, a.a.O.; ferner Münch ArbR/Berkowsky, § 132 Rz 72; für den Fall einer außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung
vgl. auch Senatsurteil vom 12. Juli 1995 - 2 AZR 762/94 - AP
Nr. 7 zu § 626
BGB Krankheit = EzA § 626
BGB n. F -
Nr. 156). Soweit dies eine Versetzung im Sinne von § 95
Abs. 3, § 99
Abs. 1
BetrVG bedeutet, muss sich der Arbeitgeber auch um die Zustimmung des Betriebsrates bemühen.
Nicht zumutbar ist allerdings dem Arbeitgeber im Falle der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats die Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens gemäß § 99
Abs. 4
BetrVG, zumal ein mit der Versetzung verbundener Nachteil des bisherigen Arbeitsplatzinhabers weder aus Gründen in seiner Person gerechtfertigt ist, noch dafür unmittelbare betriebliche Gründe ins Feld geführt werden können (§ 99
Abs. 2
Nr. 4
BetrVG); das mit einem entsprechenden arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren verbundene erhebliche Prozessrisiko und das Risiko weiterer aus einer solchen Auseinandersetzung resultierender betrieblicher Konflikte braucht der Arbeitgeber in der Regel nicht auf sich zu nehmen.
2. Das Landesarbeitsgericht hat, aus seiner Sicht folgerichtig, keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Beklagte vorliegend schon durch Ausübung ihres Direktionsrechts einen Arbeitsplatz hätte freimachen können, für den der Kläger geeignet gewesen wäre und bei dem er keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch den Woeralit-Pulverlack W 808 zu befürchten gehabt hätte. Gemäß § 565
ZPO ist deshalb die Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht geboten.