1. Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben, denn der Bescheid der Regierung von Oberfranken - Integrationsamt - vom 13. Mai 2004 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheids vom 29. November 2004 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Der Bescheid des Beklagten ist zwar ohne Verfahrensfehler zustande gekommen, insbesondere ist die Durchführung eines Präventionsverfahrens nach
§ 84 SGB IX nicht Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zustimmung des Integrationsamtes (
vgl. BVerwG vom 29.8.2007 NJW 2008, 166 = Behindertenrecht 2007, 193). Die Zustimmung ist jedoch ermessensfehlerhaft (§ 114 Satz 1
VwGO), weil weder das Integrationsamt noch der Widerspruchsausschuss das erforderliche Abwägungsmaterial hinreichend ermittelt hat und die Abwägung infolgedessen defizitär ist.
1.1 Die Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung von schwerbehinderten Menschen ist eine Ermessensentscheidung (dazu ausführlich Kuhlmann, Behindertenrecht 2006, 93/97 f.,
m.w.N.), die am Zweck des Sonderkündigungsschutzes ausgerichtet ist. Das Integrationsamt hat insoweit das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen (
BVerwG vom 31.7.2007 Az.
5 B 81/06 und vom 2.7.1992 BVerwGE 90, 287/292 f.). Dabei ist dem Fürsorgegedanken des Gesetzes Rechnung zu tragen, das die Nachteile schwerbehinderter Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen will und dafür in Kauf nimmt, dass die Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers eingeengt wird. Besonders hohe Anforderungen an die Zumutbarkeit beim Arbeitgeber sind im Rahmen der Abwägung dann zu stellen, wenn die Kündigung - wie hier - auf Gründen beruht, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben. So kann der Arbeitgeber in Ausnahmefällen sogar verpflichtet sein, den schwerbehinderten Arbeitnehmer "durchzuschleppen", während andererseits die im Interesse der Schwerbehindertenfürsorge gebotene Sicherung des Arbeitsplatzes auf jeden Fall dort ihre Grenze findet, wo eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen, insbesondere dem Arbeitgeber einseitig die Lohnzahlungspflicht auferlegen würde (
vgl. BVerwG vom 19.10.1995 BVerwGE 99, 336/339).
Hinsichtlich der für die Abwägung bedeutsamen Umstände darf sich das Integrationsamt im Grundsatz nicht darauf beschränken, die Behauptungen der Verfahrensbeteiligten lediglich auf ihre Schlüssigkeit hin zu überprüfen. Die Behörde muss vielmehr dem Untersuchungsgrundsatz (§ 20
SGB X) folgend alle Tatsachen ermitteln, die unter Berücksichtigung des Antrags auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung erforderlich sind, um die gegensätzlichen Interessen gegeneinander abzuwägen und sich von der Richtigkeit der für ihre Entscheidung wesentlichen Behauptungen der Verfahrensbeteiligten eine eigene Überzeugung zu bilden (
vgl. dazu bereits ausführlich Beschluss des Senats vom 18.6.2008 Az.
BV 05.2467 unter Hinweis auf
BVerwG vom 19.10.1995 BVerwGE 99, 336/338 und vom 6.2.1995 Buchholz 436.61 § 15
SchwbG 1985
Nr. 9). Beruht die Entscheidung dem widersprechend auf einem unvollständigen Sachverhalt, ist sie selbst dann aufzuheben, wenn sie bei einem umfassend ermittelten Sachverhalt vertretbar wäre (
vgl. Rennert in Eyermann,
VwGO, 12. Aufl. 2006, RdNr. 25 zu § 114).
1.2 Dem genügt die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamtes nicht.
Die Beigeladene hat zur Begründung ihres Antrags auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers gerichteten Antrags vom 22. März 2004 ausschließlich Gründe angeführt, die auf der Behinderung des Klägers beruhen und vorgetragen, ein Einsatz des Klägers, der nicht das Heben schwerer Gegenstände erfordere, sei im Betrieb nicht möglich. Der Kläger hat das Fehlen einer anderweitigen Einsatzmöglichkeit bestritten und insoweit auf das Lager des Betriebes sowie auf vorbereitende Tätigkeiten in der Lackiererei verwiesen. Das Integrationsamt war vor diesem Hintergrund gehalten, der Frage nachzugehen und das Ergebnis seiner Ermittlungen bei der Abwägung zu berücksichtigen, ob die Beigeladene den Kläger zu anderen Arbeitsbedingungen oder auf einem anderen (vorhandenen) Arbeitsplatz einsetzen hätte können. Dabei hatte die Behörde auch unter Beachtung der zulasten der Beigeladenen bestehenden hohen Zumutbarkeitsgrenze Maßnahmen im Sinn des
§ 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 SGB IX (z. B. behinderungsgerechte Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeit) und im Sinn des § 81
Abs. 4 Satz 1
Nr. 4
SGB IX (z. B. Hebehilfen) zu berücksichtigen. Das gilt umso mehr, als die Beigeladene mit ihrem Antrag einen Bescheid der Landesversicherungsanstalt Thüringen vom 14. Januar 2004 vorgelegt hat, nach dessen Inhalt sich das Amt grundsätzlich bereit erklärt hat, einen Eingliederungszuschuss an den Arbeitgeber zu leisten.
Weder das Integrationsamt noch der Widerspruchsausschuss sind dem nachgekommen. Ein Mitarbeiter des Integrationsamtes, OAR H., hat am 6. Mai 2004 im Betrieb des Beigeladenen eine "Kündigungsverhandlung" geleitet und darüber unter dem 13. Mai 2004 einen Aktenvermerk angefertigt. Dem Vermerk ist nichts dafür zu entnehmen, dass OAR H. die erforderlichen Ermittlungen sach- und fachgerecht durchgeführt hat. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass sich das Integrationsamt insoweit ausschließlich auf die Angaben der Beigeladenen verlassen hat. Das offenbart bereits der Bescheid vom 13. Mai 2004, in dessen (tatsächlichen) Gründen ausgeführt ist, die vom Kläger "vorgeschlagenen Tätigkeiten Lager und Lackiererei seien, so der Arbeitgeber, ebenso ... aus behinderungsbedingten Gründen nicht einnehmbar" (Unterstreichung durch den Senat). Ebenso wenig hat die Widerspruchsbehörde derartige Ermittlungen durchgeführt. Der Widerspruchsbescheid vom 29. November 2004 wiederholt insoweit wortgleich den Ausgangsbescheid. Soweit in diesem Zusammenhang beide Bescheide darauf verweisen, der Kläger habe die Ungeeignetheit der von ihm vorgeschlagenen Tätigkeiten (Lager und Lackiererei) "nicht zweifelsfrei" widerlegen können, verkennt das ersichtlich die Verpflichtung zur eigenen Sachverhaltsermittlung. Schließlich weist auch der Umstand, dass erst am 17. Februar 2005 und damit nach dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Zustimmung maßgebenden Zeitpunkt ein Technischer Angestellter des Integrationsamtes eine Betriebsbesichtigung durchgeführt hat, darauf hin, dass die Ermessensausübung auf einem unzureichend ermittelten Sachverhalt beruht. Gegenteiliges hat auch nicht die informatorische Anhörung des OAR H. im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ergeben, auf die sich die Beigeladene bezieht. OAR H. äußerte sich in diesem Zusammenhang, es habe für ihn festgestanden, dass der Kläger weder im Lager noch in der Lackiererei eingesetzt werden könne, weil er in jedem Fall Über-Kopf-Arbeiten verrichten und schwere Gegenstände hätte heben müssen. Den Äußerungen des OAR H. ist allerdings nicht zu entnehmen, dass diese Erkenntnis auf eigenen Ermittlungen beruht, die insbesondere auch den Einsatz von Hebehilfen berücksichtigen. Solches ergibt sich auch nicht aus den Behördenbescheiden oder der vorgelegten Behördenakte, ebenso wenig aus dem Vorbringen des Beklagten im Berufungsverfahren.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154
Abs. 2,
Abs. 3 Halbsatz 1
VwGO. Nach § 188 Satz 2
VwGO ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167
VwGO, § 708
ff. ZPO.
3. Gründe für die Zulassung der Revision gibt es nicht (§ 132
Abs. 2
VwGO).