Urteil
Weiterbeschäftigungsanspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auf freiem Arbeitsplatz - Ermittlungspflicht des Integrationsamtes

Gericht:

VG Sigmaringen 2. Kammer


Aktenzeichen:

2 K 1206/06


Urteil vom:

14.02.2007


Grundlage:

Leitsätze:

1. Das Integrationsamt ist verpflichtet zu ermitteln, ob eine Weiterbeschäftigung des schwerbehinderten Menschen auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers möglich und diesem zumutbar ist.

2. Ist das der Fall, entfällt nicht nur die Voraussetzung für eine Einschränkung des Ermessens auf eine Zustimmung zur Kündigung, sondern es darf im Gegenteil auch bei Ausübung des Ermessens regelmäßig keine Zustimmung zur Kündigung mehr erteilt werden.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

JURIS-GmbH

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2006 werden aufgehoben.

Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens jeweils zur Hälfte. Ihre außergerichtlichen Kosten trägt die Beigeladene selbst.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung seines Arbeitsverhältnisses.

Der ... Kläger ist aufgrund eines rezividierenden Lumbalsyndroms, einer Bandscheibenläsion und rachitischer Thoraxdeformierung behindert. Laut Bescheid des Versorgungsamts Rottweil vom 23.03.1999 beträgt der Grad der Behinderung 40. Mit Bescheid des Arbeitsamts Balingen vom 23.09.1999 wurde er einem Schwerbehinderten gleichgestellt.

Der Kläger ist seit 1976 in einem Supermarkt in ... beschäftigt, dessen Betreiber mehrmals gewechselt hat, seit 2000 als stellvertretender Marktleiter. Am 01.06.2002 wurde er von der ... GmbH, ..., als Marktleiter mit Dienstsitz in ... angestellt. Der Vertrag lässt die Übertragung eines anderen Aufgabengebietes und die dauerhafte Versetzung an einen anderen Ort zu (§ 2 Abs. 2 und 3). Der Kläger wurde als Marktleiter des ...-Marktes nach ... versetzt. Die ... GmbH wurde im Jahr 2004 auf die ebenfalls zum ...-Konzern gehörende Beigeladene verschmolzen. Die Beigeladene betreibt SB-Warenhäuser mit Vollsortiment einschließlich eines Non-Food-Bereichs unter dem Namen ... und Verbrauchermärkte mit kleinerer Verkaufsfläche und eingeschränktem Sortiment unter dem Namen ... als organisatorisch getrennte Vertriebsschienen. Ende 2005 betrieb sie nach eigenen Angaben (http://www.....de) 288 ... SB-Warenhäuser und 264 ... Verbrauchermärkte mit 43.090 Beschäftigten in Deutschland.

Die Beigeladene beschloss im November 2004, insgesamt 119 ... Verbrauchermärkte an die ... KGaA ... zu übertragen und weitere 22 zu schließen, wenn sich für sie kein Käufer findet, darunter auch den vom Kläger geleiteten Markt in .... Dieser Markt wurde zum 01.04.2005 ebenfalls an ... verkauft und übertragen und wird seither als ... Verbrauchermarkt weitergeführt. Der Kläger widersprach mit Schreiben an die Beigeladene vom 13.04.2005 dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf ....

Die Beigeladene beantragte am 26.04.2005 beim Beklagten die Zustimmung zur Kündigung des Klägers. Sein Arbeitsplatz sei nicht mehr vorhanden. Es werde allen verbliebenen Mitarbeitern aus dem ... Markt gekündigt, eine Sozialauswahl entfalle deshalb. Einen freien vergleichbaren leidensgerechten Arbeitsplatz in einem anderen ... Verbrauchermarkt oder den ... SB- Warenhäusern gebe es zur Zeit nicht. Alle weiteren ... Märkte in der Region würden ebenfalls geschlossen, wenn sie nicht bis Herbst 2005 verkauft seien. Bei den noch verbliebenen ... SB-Warenhäusern und ... Verbrauchermärkten handle es sich um eigenständige Betriebe sowohl im betriebsverfassungsrechtlichen als auch im kündigungsschutzrechtlichen Sinne, der Markt in ... habe einen eigenen Betriebsrat. Der Marktleiter habe nach dem Organisationshandbuch der Beigeladenen die Vollmacht und Befugnis, Einstellungen, Kündigungen, Abmahnungen, Versetzungen und Gehaltsvereinbarungen mit dem Verkaufspersonal, den Verräum- und Packdiensten und den Auszubildenden vorzunehmen. Lediglich Erste Kräfte, Abteilungs- und Gruppenleiter, der Marktleiter und sein Stellvertreter würden überregional von der Bezirksleitung eingestellt. Der Kläger habe als Marktleiter Dienstpläne erstellt und über Überstunden und Urlaub entschieden; der Markt in ... habe sogar eine eigene Personalsachbearbeiterin gehabt. Erst Anfang 2004 habe die Geschäftsleitung einen Einstellungsstopp verhängt, Ausnahmen seien nur noch nach Rücksprache mit der Leitung auf Bezirksebene möglich gewesen. Es sei rechtlich nicht möglich, eine Stelle für den Kläger freizumachen, indem man den Marktleiter eines anderen Marktes betriebsbedingt kündige, obwohl in seinem Betrieb gar kein Arbeitsplatz wegfalle. Im Übrigen sei es Sache des Klägers, konkrete freie Arbeitsplätze zu benennen. Auf die Vergabe von freien Arbeitsplätzen in anderen Unternehmen des ... Konzerns habe die Beigeladene keinen Einfluss.

Der Kläger wurde zur beantragten Zustimmung angehört und nahm mit Schreiben vom 02.05.2005 dahingehend Stellung, der Markt in ... sei zwar verkauft, die Beigeladene betreibe aber immer noch zahlreiche ... Märkte in Baden-Württemberg und hunderte . .. Märkte und ... SB-Warenhäuser bundesweit. Es handle sich nicht um eigenständige Betriebe, die maßgeblichen Entscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten würden auf Bezirksebene getroffen. Er habe als Marktleiter Einstellungen, Kündigungen, Abmahnungen, Versetzungen und Gehaltsvereinbarungen nicht allein, sondern nur in Abstimmung mit dem Personalleiter, in Einzelfall sogar mit der Bezirksleitung treffen dürfen. Deshalb sei eine Sozialauswahl unter Einbeziehung aller dieser Betriebe erforderlich. Diese sei offensichtlich fehlerhaft; z.B. sei der Marktleiter des ... SB- Marktes in ... deutlich jünger als er, nicht schwerbehindert und nur ca. drei Jahre bei der Beigeladenen beschäftigt.

Der Gesamtschwerbehindertenvertreter der Beigeladenen teilte am 17.05.2005 mit, entgegen der geltenden Integrationsvereinbarung und entgegen § 84 SGB IX sei er weder frühzeitig informiert noch beteiligt worden. Im konzerninternen Arbeitsamt des ... Konzerns seien Arbeitsplatzangebote in vielen Bereichen verfügbar.

Der Beklagte führte am 20.07.2005 eine mündliche Verhandlung durch. Dabei wurde der Kläger aufgefordert, konkrete freie Arbeitsplatz zu benennen, auf denen eine Weiterbeschäftigung möglich sei, konnte aber keinen benennen.

Der Beklagte erteilte mit Bescheid vom 26.07.2005 die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers. Die Beigeladene sprach am 29.05.2005 eine betriebsbedingte Kündigung des Klägers zum 28.02.2006 aus. Der Kläger erhob gegen die Kündigung Klage beim Arbeitsgericht R. (Az. ...), über die noch nicht entschieden ist.

Am 17.08.2005 legte der Kläger Widerspruch gegen die Zustimmung zur Kündigung ein und machte geltend, die Gesamtschwerbehindertenvertretung der Beigeladenen sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, bevor die Zustimmung beantragt worden sei. Außerdem seien zum Zeitpunkt des Antrags auf Zustimmung in zahlreichen Märkten der Beigeladenen und des ... Konzerns Stellen frei gewesen. Er sei gehindert, konkrete freie Stellen zu benennen, weil er von der Beigeladenen freigestellt sei und keinen Zugang zur konzerninternen Stellenbörse habe. Er habe nachträglich erfahren, dass damals u.a. folgende Stellen frei gewesen seien:

1. Teamleiter Sport, Spiel und Freizeit im ... SB-Warenhaus in ..., intern ausgeschrieben am 21.04.2005, Bewerbungsschluss 06.05.2005

2. Teamleiter Frische SB im ... SB-Warenhaus in ..., intern ausgeschrieben am 12.04.2005, Bewerbungsschluss 26.04.2005

3. Leiter Frischeservice im ... SB-Warenhaus in ..., intern ausgeschrieben am 27.04.2005, Bewerbungsschluss 11.05.2005

4. Teamleiter Verwaltung und Warenwirtschaft im ... SB-Warenhaus in ..., intern ausgeschrieben am 26.04.2005, Bewerbungsschluss 10.05.2005

5. Teamleier Food II im ... SB-Warenhaus in ..., intern ausgeschrieben am 27.04.2005, Bewerbungsschluss 09.05.2005

6. Teamleiter Verwaltung und Teamleiter Kasse im ... SB-Warenhaus in ..., in der Zeitung ausgeschrieben am 27.08.2005.

Er ist der Ansicht, die Beigeladene sei durch einen Sozialplan vom 25.08.2004 verpflichtet gewesen, ihn vor einer Kündigung freie zumutbare Stellen anzubieten, habe das aber nicht getan. Auch während seiner Kündigungsfrist seien noch zahlreiche Arbeitsplätze ausgeschrieben worden, auf denen er arbeiten könne.

Die Beigeladene nahm am 20.09.2005 dahingehend Stellung, die Gesamtschwerbehindertenbetreuung sei kurz nach der Antragstellung beim Integrationsamt informiert worden. Es habe keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestanden und bestehe auch jetzt nicht. Die von ihm angegeben Stellen seien allesamt in ... SB-Warenhäusern mit viel mehr Fläche (5.000-15.000 qm) und breiterer Angebotspalette als in ... Märkten. Dort seien wesentlich mehr Mitarbeiter beschäftigt und es seien Fachkenntnisse in den einzelnen Bereichen erforderlich. Führungskräfte in einem solchen Warenhaus müssten erheblich mehr Fähigkeiten im Bereich Unternehmensführung haben als in einem kleinen Verbrauchermarkt. Die Stelle zu 1. sei erst nach der Entscheidung ausgeschrieben worden, den Kläger betriebsbedingt zu kündigen. Es werde Berufserfahrung im Bereich Sport, Spiel und Freizeit verlangt, die der Kläger nicht habe. Die Stelle zu 2. komme nicht in Betracht, weil er keiner Ausbildung oder vergleichbare Qualifikation im Bereich Frischeüberwachung und Qualitätssicherung habe, die Stelle zu 3. weil er die erforderliche Berufsausbildung als Fleischermeister nicht habe, die Stelle zu 4. weil sie Erfahrung im Warenwirtschaftssystem und im EDV-Netzwerk der ... SB-Warenhäuser verlange, das sich von dem der ... Märkte unterscheide. Es werde nicht von einem Zentrallager beliefert, sondern mit Streckenbelieferung. Auch die Voraussetzungen der Stelle zu 5. erfülle er nicht. Im Übrigen werde bei allen Stellen ein abgeschlossenes einjähriges Schulungsprogramm vorausgesetzt, das der Kläger nicht durchlaufen habe.

Der Kläger nahm am 17.07.2006 dahingehend Stellung, in dem Markt in .... seien zuletzt 85 Personen beschäftigt gewesen. Zwischen 1986 und 2000 seien es 110 Mitarbeiter gewesen, er sei damals schon stellvertretender Marktleiter gewesen. Seit 1976 habe der Markt ein Vollsortiment angeboten und sei nicht wesentlich kleiner als die ... Märkte in .... Er sei aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit und Berufserfahrung als Marktleiter qualifiziert für die von ihm benannten ausgeschriebenen Stellen (ausgenommen die Stelle zu 3.). Er habe jahrelange Erfahrung im Bereich Sport, Spiel & Freizeit, früher habe sein Markt eine Abteilung Camping & Freizeit gehabt, für die er verantwortlich gewesen sei. Er erfülle auch die Anforderungen für die Stelle zu 2., er sei früher als stellvertretender Marktleiter auch Food-Abteilungsleiter und für Qualitätssicherung und Frische verantwortlich gewesen. Er habe Berufserfahrung in Verwaltung und Warenwirtschaft und in der EDV aller bisherigen Betreiber des Marktes sowie in der Streckenbelieferung und sei für die Stellen zu 4., 5. und 6. qualifiziert. Die Beigeladene habe auch jetzt wieder eine Reihe weiterer freier Stellen als Abteilungsleiter Verwaltung und Warenwirtschaft an verschiedenen Standorten ausgeschrieben, auf denen er beschäftigt werden könne.

Der Widerspruchsausschuss des Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2006 zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Kläger könne keine Weiterbeschäftigung im bisherigen Markt in ... angeboten werden, der veräußert worden sei. Er könne auch nicht verlangen, in einem anderen Markt der Beigeladenen weiterbeschäftigt zu werden, weil es sich um eigenständige Betriebe handle. Das folge daraus, das er selbst als Marktleiter Arbeitsverträge abgeschlossen und verlängert sowie Beurteilungen geschrieben habe. Die Beigeladene sei nicht verpflichtet, konzernweit freie Arbeitsplätze anzubieten, sondern nur freie Stellen des jeweiligen Betriebes. Da eine Weiterbeschäftigung auf einem freien geeigneten Arbeitsplatz nicht möglich sei und eine Sozialauswahl entfalle, rechtfertige dies eine Zustimmung zur betriebsbedingten Kündigung. Der Widerspruchsbescheid wurde am 19.07.2006 zur Post gegeben.

Der Kläger hat am 17.08.2006 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen Klage erhoben. Er bleibt bei seinem bisherigen Vorbringen und ist der Ansicht, er habe nach dem Interessenausgleich und dem Sozialplan mit der Beigeladenen einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz in einem der zahlreichen ... Märkte oder ... SB-Warenhäuser oder einem andern Arbeitsplatz im ... Konzern. Über die bereits genannten Stellen hinaus komme auch eine ganze Reihe von Stellen als Abteilungsleiter Verwaltung und Warenwirtschaft in ... SB-Warenhäusern in ... in Betracht, die während seiner Kündigungsfrist frei geworden seien. Die Beigeladene habe außerdem sechs Stellen für Marktleiter von ... Verbrauchermärkten in ... ab 01.01.2006 ausgeschrieben, dort könne er ebenfalls arbeiten. Innerhalb des ... Konzerns gebe es noch erheblich mehr Beschäftigungsmöglichkeiten. Die ... SB-Warenhäuser seien mit dem ... Markt in ... nach Größe und Zuschnitt vergleichbar. Ein ... Marktleiter oder Stellvertreter sei einem Teamleiter in ... SB-Warenhäusern gleichzusetzen, zahlreiche frühere Mitarbeiter von ... seien in dieser Position beschäftigt, ohne dass sie vorher ein einjähriges Schulungsprogramm hätten durchlaufen müssen. Es gebe sogar ... Marktleiter, die ohne derartige Schulung jetzt Marktleiter in einem ... SB-Warenhaus seien. Er ist weiter der Ansicht, alle ... und ... Märkte bundesweit, oder wenigstens alle Märkte im Vertriebsgebiet Süd und West stellten einen einzigen Betrieb dar und müssten bei einer Sozialauswahl alle mit einbezogen werden. Die maßgeblichen unternehmerischen Entscheidungen würden in der Firmenzentrale der Beigeladenen in ... getroffen. Sowohl in den ... Verbrauchermärkten als auch in ... SB-Warenhäusern gebe es Marktleiter mit geringerem Alter und kürzerer Betriebszugehörigkeit, die nicht schwerbehindert seien. Ferner sei der zuständige Gesamtbetriebsrat der Beigeladenen vor der Kündigung nicht angehört und die Gesamtschwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.


Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten von 26. Juli 2005 und dessen Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2006 aufzuheben.


Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, es komme maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ausgangsbescheides an, der Grundlage für die ausgesprochene Kündigung gewesen sei, später eingetretene oder bekannt gewordene Umstände könnten die Rechtmäßigkeit der erteilten Zustimmung nicht mehr berühren. Der Widerspruchsausschuss sei zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei dem ... Markt in ... um einen eigenständigen Betrieb gehandelt habe und keine Verpflichtung der Beigeladenen bestehe, konzernweit nach einem freien Arbeitsplatz zu suchen. Selbst wenn die Beigeladene dazu verpflichtet wäre, habe dies keinen Einfluss auf den besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte, sondern betreffe alle Arbeitnehmer gleichermaßen. Dies abschließend zu klären, sei aber Sache des Arbeitsgerichts. Ein Verstoß gegen § 84 SGB IX sei nicht ersichtlich.


Die Beigeladene beantragt

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht, sie habe nicht gegen die Integrationsvereinbarung verstoßen, der Gesamtschwerbehindertenvertreter sei rechtzeitig einbezogen worden. Die soziale Rechtfertigung der Kündigung habe das Integrationsamt grundsätzlich nicht zu prüfen, sondern nur, ob sie offensichtlich sozial ungerechtfertigt sei. Der Arbeitsplatz des Klägers sei entfallen, weil er dem Betriebsübergang auf ... widersprochen habe. Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten im Unternehmen seien im Verfahren beim Beklagten geprüft worden, es habe aber keine gegeben. Die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten seien unternehmens- aber nicht konzernweit zu überprüfen. Im Hinblick auf die Darlegungslast im arbeitsgerichtlichen Verfahren habe sie selbst keine konkreten freien Stellen benannt. Die Stellen in ... SB-Warenhäusern, die der Kläger benannt habe, seien aufgrund seiner Qualifikation und Erfahrung in der Sparte ... nicht geeignet für ihn, eine Weiterbeschäftigung auf einer dieser Stelle sei der Beigeladenen nicht zumutbar. Auf Stellen, die jetzt neu besetzt würden, komme es nicht mehr an.

Dem Gericht haben die einschlägigen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten vorgelegen, auf die wegen der weiteren Einzelheiten und des weiteren Vorbringens ebenso verwiesen wird wie auf die vorliegende Gerichtsakte.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat Erfolg.

Der Bescheid des Beklagten vom 26. Juli 2005, mit dem die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers erteilt wird, ist auch in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 2006 gefunden hat, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des erteilten Zustimmungsbescheides ist der historische Sachverhalt, der der Kündigung zugrunde liegt. Das schließt es grundsätzlich aus, Tatsachen und Umstände zu berücksichtigen, die erst nach Ausspruch der Kündigung eingetreten sind (vgl. grundlegend BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995 - 5 C 24/93 -, BVerwGE 99, 336-341; Beschluss vom 07.03.1991 - 5 B 114/89 -, NZA 1991, 1121f).

Gemäß § 85 des Sozialgesetzbuches - 9. Buch - SGB IX - vom 19.06.2001 (BGBl. I, S. 1046) bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gilt auch für den Kläger, der durch Bescheid der Agentur für Arbeit einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist (§ 2 Abs. 3 SGB IX). Bei der Ausübung des besonderen Kündigungsschutzes nach dem SGB IX trifft das Integrationsamt, soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des § 89 SGB IX erfüllt sind, eine Ermessensentscheidung, bei der das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 04.03.2002 - 7 S 1651/01 -, NZA-RR 2002, 417-421 zur wortgleichen Vorgängerregelung des § 15 Schwerbehindertengesetz). Bei dieser Abwägung muss das Integrationsamt berücksichtigen, ob und inwieweit die Kündigung die besondere, durch sein körperliches Leiden bedingte Stellung des einzelnen Schwerbehinderten im Wirtschaftsleben berührt. Dagegen ist es grundsätzlich nicht Aufgabe des Integrationsamtes, bei der Entscheidung die allgemeinen sozialen Interessen des einzelnen Schwerbehinderten als Arbeitnehmer zu wahren. Weil der besondere Schutz des § 85 SGB IX dem Schwerbehinderten zusätzlich zum allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutz gegeben ist, hat das Integrationsamt nicht - gleichsam parallel zum Arbeitsgericht - in eine arbeitsrechtliche Vorprüfung einzutreten, ob der vom Arbeitgeber beabsichtigten Kündigung besondere arbeitsrechtliche oder tarifrechtliche Kündigungsschutzvorschriften entgegen stehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.10.1994 - 5 B 19/94 -, juris).
Allein maßgeblich bei der Entscheidung des Integrationsamtes, die Zustimmung zur Kündigung zu erteilen oder zu versagen, dürfen nur Erwägungen sein, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiten. Rechtfertigen solche Erwägungen eine Versagung der Zustimmung nicht, so hat die Zustimmung dem Kündigenden diejenige Rechtsstellung zurückzugeben, welche er hätte, wenn es keinen besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte gäbe (vgl. BVerwG, Urteil vom 02.07.1992 - 5 C 51/90 -, BVerwGE 90, 287 - 296). In der vom Integrationsamt vorzunehmenden Gesamtabwägung gewinnt der Schwerbehindertenschutz an Gewicht, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben. Nach ständiger Rechtsprechung sind in einem solchen Fall an die im Rahmen der Interessen abwägenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber besonders hohe Anforderungen zu stellen, um auch den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck kommenden Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.06.1990 - 5 B 127/89 -, juris). In jedem Falle trifft das Integrationsamt eine Aufklärungspflicht, die ihre Grundlage in § 20 SGB X findet, all das zu ermitteln und auch zu berücksichtigen, was erforderlich ist, um die gegensätzlichen Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Arbeitnehmers gegeneinander abwägen zu können. Umfang und Reichweite der Aufklärungspflicht ergeben sich dabei aus dem materiellen Recht (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.10. 1995 - 5 C 24/93 -, a.a.O.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16. 04.2003 - 9 S 2742/02 -, juris). Entscheidend ist der Bezug eines Umstandes zur Behinderung und seiner an der Zweckrichtung des behindertenrechtlichen Sonderkündigungsschutzes gemessenen Bedeutung. Diese Aufklärungspflicht wird verletzt, wenn das Integrationsamt sich damit begnügt, das Vorbringen des Arbeitgebers, soweit es bei der Interessenabwägung nach § 85 SGB IX zu berücksichtigen ist, nur auf seine Schlüssigkeit zu überprüfen (vgl. BVerwG, Urt. Urteil vom 19.10.1995, - 5 C 24/93 -, a.a.O.).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die vom Beklagten getroffene Ermessensentscheidung, die Zustimmung zur beantragten ordentlichen Kündigung des schwerbehinderten Arbeitnehmers zu erteilen, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte hat gegen seine aus § 20 SGB X resultierende Ermittlungspflicht verstoßen (dazu unten 1.). und eine ermessensfehlerhafte Abwägungsentscheidung getroffen (dazu unten 2.).

1. Der Beklagte hat seine Pflicht zur Ermittlung von Amts wegen (§ 20 SGB X) verletzt und nicht alle erforderlichen Aspekte ermittelt, um die gegensätzlichen Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Arbeitnehmers gegeneinander abwägen zu können. Insbesondere ist nicht ermittelt worden, ob es zum maßgeblichen Zeitpunkt freie Stellen in anderen Betrieben der Beigeladenen gab, auf denen eine Weiterbeschäftigung des Klägers mit dessen Einverständnis möglich und zumutbar war.

Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX erteilt das Integrationsamt die Zustimmung zur Kündigung, wenn ein Betrieb nicht nur vorübergehend eingestellt, aufgelöst oder wesentlich eingeschränkt wird. Wenn die weiteren Voraussetzungen des Satzes 1 und 2 vorliegen, ist das Ermessen des Integrationsamtes aus § 85 SGB IX dahingehend eingeschränkt, dass die Zustimmung erteilt werden muss bzw. im Fall des Satz 2 im Regelfall erteilt werden soll. Dies gilt aber nicht, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Menschen möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist (§ 89 Abs. 1 Satz 3 SGB IX). Wenn das Integrationsamt feststellt, dass ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, der schwerbehinderte Mensch bereit ist, auf diesem Arbeitsplatz zu arbeiten und die Umsetzung auf diesen Arbeitsplatz dem Arbeitgeber zumutbar ist, entfällt aber nicht nur die Voraussetzung für eine Einschränkung des Ermessens, sondern es darf im Gegenteil auch bei der Ausübung des freien Ermessens nach § 85 SGB IX regelmäßig keine Zustimmung mehr erteilt werden ( vgl. Düwell in LPK-SGB IX § 89 Rn. 89; Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, Kommentar SGB IX § 89 Rn. 25).

Der Beklagte hat zwar zu Recht angenommen, dass der Verbrauchermarkt in ..., den der Kläger geleitet hatte, sowohl betriebsverfassungsrechtlich als auch kündigungsschutzrechtlich als eigenständiger Betrieb angesehen werden muss und eine Sozialauswahl deswegen nur unter den Beschäftigten dieses Marktes vorgenommen werden musste bzw. komplett entfiel, nachdem die Beigeladene beabsichtigte, alle verbliebenen Beschäftigten zu kündigen, deren Arbeitsverhältnis nach der Veräußerung des Marktes an ... nicht übergegangen war, weil sie dem Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 6 BGB widersprochen hatten. Für die Behandlung als eigenständiger Betrieb spricht, dass der Markt in ... einen eigenen Betriebsrat besaß und der Kläger nach den maßgeblichen Organisationshandbüchern selbst zentrale Arbeitgeberbefugnisse ausüben, insbesondere Arbeitsverträge mit bestimmten Gruppen von Mitarbeitern abschließen und kündigen sowie befristete Arbeitsverhältnisse verlängern konnte. Selbst wenn seit 2004 aufgrund eines generellen Einstellungsstopps bei solchen Entscheidungen stets Rücksprache mit der übergeordneten Personalabteilung oder Bezirksleitung erforderlich war, lässt das den Markt nicht zu einem unselbständigen Teilbetrieb werden. Schließlich zeigt schon die Versetzungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrags des Klägers, dass die einzelnen Märkte als selbständige Betriebe anzusehen sind. Wollte man in diesem Punkt der Rechtsauffassung des Klägers folgen, könnte die Beigeladene ihn schon kraft ihres Direktionsrechts innerhalb des einheitlichen Betriebes bundesweit in jedem ihrer Märkte als Marktleiter einsetzen, ohne dass es einer solchen Klausel bedürfte.

Es hätte aber nicht nur ermittelt werden müssen, ob der Kläger in seinem bisherigen Betrieb in ... weiterbeschäftigt werden kann, sondern vor allem, ob es während des Verfahrens in anderen Betrieben desselben Arbeitgebers freie Arbeitsplätze gab, auf denen eine Weiterbeschäftigung möglich und dem Arbeitgeber zumutbar war, oder ob bereits absehbar war, dass solche Arbeitsplätze während der Kündigungsfrist des Klägers frei werden würden. Als andere Betriebe desselben Arbeitgebers hätten hier alle von der Beigeladenen im Geltungsbereich des SGB IX, also bundesweit, betriebenen ... SB-Warenhäuser und ... Verbrauchermärkte in den Blick genommen werden müssen.

Der Beklagte hat zwar mit Schreiben vom 17.05.2005 an die Beigeladene auf die Pflicht zur Amtsermittlung hingewiesen, sich dann aber offenbar ungeprüft mit deren Erklärung zufrieden gegeben, es gebe aktuell keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten und es sei auch nicht absehbar, dass Arbeitsplätze auf der gleichen Hierarchieebene frei würden. Eigenen Ermittlungen hat der Beklagte dazu nicht angestellt, sondern sich den Rechtsstandpunkt der Beigeladenen zu Eigen gemacht, der Kläger müsse - wie im arbeitsgerichtlichen Verfahren - konkret vortragen, welche freien Arbeitsplätze es gebe und wie er sich eine Weiterbeschäftigung vorstelle. Das zeigt das Protokoll über die mündlichen Verhandlung beim Integrationsamt am 20.07.2005. Dort ist lediglich festgehalten, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers von der Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen befragt wurde, ob er konkrete freie Arbeitsplätze benennen könne, was nicht der Fall war. Für eine dahingehende Befragung der Beigeladenen durch das Integrationsamt ist aber nichts ersichtlich. Mit Bescheid vom 26.07.2005 hat der Beklagte die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz dann ohne nähere Prüfung in einem Halbsatz verneint und die Zustimmung zur Kündigung erteilt. Im Widerspruchsverfahren hat der Kläger daraufhin insgesamt sieben Arbeitsplätze benannt, die von der Beigeladenen während des Verfahrens bzw. während seiner Kündigungsfrist ausgeschrieben worden waren und auf denen er sich eine Weiterbeschäftigung vorstellen könne. Die Beigeladene hat sich mit Schriftsatz vom 26.09.2005 zur Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Beschäftigung auf diesen Arbeitsplätzen geäußert. Der Beklagte ist aber auch im Widerspruchsbescheid vom 18.07.2006 auf die Frage, ob eine Weiterbeschäftigung auf einer dieser Stellen möglich und der Beigeladenen zumutbar gewesen wäre, überhaupt nicht eingegangen, sondern hat im Gegenteil ausgeführt, die Beigeladene sei nicht verpflichtet, konzernweit freie Arbeitsplätze anzubieten; diese Verpflichtung erstrecke sich lediglich auf freie Stellen des jeweiligen Betriebes. Mit dem Gesetzeswortlaut des § 89 Abs. 1 Satz 3 SGB IX ist das unvereinbar und entbindet den Beklagten nicht von der Pflicht, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln.

2. Daraus folgt, dass die vom Beklagten getroffene Abwägungsentscheidung, die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers zu erteilen, ermessensfehlerhaft ist (vgl. § 114 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat nicht ermittelt und bei seiner Entscheidung auch nicht berücksichtigt, ob in anderen Betrieben der Beigeladenen zum maßgeblichen Zeitpunkt freie Arbeitsplätze vorhanden waren, auf denen eine Beschäftigung des Klägers mit dessen Einverständnis möglich und der Beigeladenen zumutbar war. Das Gericht ist darüber hinaus aufgrund der mündlichen Verhandlung überzeugt, dass es während des Verfahrens beim Beklagten, also vor Ausspruch der Kündigung, solche freien Arbeitsplätze gegeben hat und absehbar war, dass während der Kündigungsfrist des Klägers weitere Arbeitsplätze frei werden (dazu unten a) und dass es der Beigeladenen zumutbar war, den Kläger auf einem dieser freien Arbeitsplätze zu beschäftigen (dazu unten b). Das erforderliche Einverständnis des Klägers wurde mehrfach schriftsätzlich erklärt und ergibt sich ferner daraus, dass er eine Reihe von ausgeschriebenen Stellen im ganzen Bundesgebiet ausdrücklich benannt hat und im arbeitsgerichtlichen Verfahren sogar einen entsprechenden Weiterbeschäftigungsanspruch geltend macht. Bei dieser Sachlage darf im Regelfall keine Zustimmung zur betriebsbedingten Kündigung erteilt werden.

a) Bei der Suche nach freien Stellen in anderen Betrieben desselben Arbeitgebers müssen hier alle 288 ... SB-Warenhäuser und 264 ... Verbrauchermärkte in den Blick genommen werden, die von der Beigeladenen im Bundesgebiet betrieben werden. Der Arbeitsvertrag des Klägers wurde im Jahr 2002 mit der ... GmbH abgeschlossen, die später auf die Beigeladene verschmolzen wurde. Arbeitgeber ist folglich die Beigeladene; für eine Beschränkung auf die Vertriebsschiene ... oder auf einzelne Regionen ist deshalb kein Raum, auch wenn diese bei der Beigeladenen organisatorisch getrennt geführt werden. Ein Arbeitsplatz ist als frei anzusehen, wenn er zum Zeitpunkt der Kündigung unbesetzt oder absehbar ist, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist des schwerbehinderten Menschen zur Verfügung steht (vgl. Düwell in LPK-SGB IX § 89 Rn. 41 m.w.N.). Der Kläger selbst hat fünf Stellen in ... SB-Warenhäusern benannt, die im April 2005, also während des Verfahrens beim Beklagten und noch vor Ausspruch der Kündigung, unternehmensintern zur Besetzung ausgeschrieben wurden, sowie zwei Stellen als Teamleiter Kasse und Teamleiter Verwaltung im ... SB-Warenhaus in ..., die im August 2005, also kurz nach Ausspruch der Kündigung und noch während seiner Kündigungsfrist in der Tageszeitung ausgeschrieben wurden. Die Beigeladene hat nichts konkretes dazu vorgetragen, weshalb bei Ausspruch der Kündigung im Juli 2005 noch nicht absehbar gewesen sein soll, dass diese Stellen ab August neu besetzt werden müssen. Bei allen diesen Stellen handelt es sich folglich um freie Arbeitsplätze, die mit andern Beschäftigten als bisher neu besetzt wurden. Dem Integrationsamt hat die Beigeladene aber keinen einzigen dieser freien Arbeitsplätze benannt. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass dies im Hinblick auf die Darlegungslast des Klägers für Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Verfahren beim Arbeitsgericht unterblieben sei, man habe die Stellen aber intern geprüft und sei zum Ergebnis gekommen, dass der Kläger die Einstellungsvoraussetzungen nicht erfülle. Die Beigeladene hat darüber hinaus während der Kündigungsfrist des Klägers mehrere Stellen für Abteilungsleiter Verwaltung und Warenwirtschaft bei ... SB-Warenhäusern in ... sowie insgesamt sechs Stellen für Marktleiter von ... Verbrauchermärkten in Berlin ausgeschrieben und neu besetzt. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen konnte in der mündlichen Verhandlung auch nicht definitiv erklären, dass jetzt alle vergleichbaren freien Arbeitsplätze benannt sind, die sie im Zeitraum vom Antrag auf Zustimmung zur Kündigung im April 2005 bis zum Ausspruch der Kündigung Ende Juli 2005 ausgeschrieben und neu besetzt hat, weil die Beklagte für die Sparten ... und ... jeweils eigene regionale Personalabteilungen unterhält. Das Gericht ist aber jedenfalls überzeugt, dass es in anderen Betrieben der Beigeladenen zum maßgeblichen Zeitpunkt durchaus vergleichbare freie Arbeitsplätze gegeben hat, auf denen der Kläger hätte beschäftigt werden können.

b) Aufgrund der mündlichen Verhandlung ist das Gericht außerdem überzeugt, dass eine Umsetzung des Klägers auf einen dieser freien Arbeitsplätze in anderen Betrieben aufgrund seiner Qualifikation möglich und der Beigeladenen auch zumutbar gewesen wäre. Dies gilt jedenfalls für die vom Kläger benannten Stellen als Teamleiter Frische SB im ... SB-Warenhaus in ..., als Teamleiter Food II im ... SB-Warenhaus in ... sowie als Teamleiter Verwaltung und Warenwirtschaft in den ... SB- Warenhäusern in ... oder in ....

Die Weiterbeschäftigung eines schwerbehinderten Menschen auf einem freien Arbeitsplatz ist dem Arbeitgeber stets zuzumuten, wenn er die gleiche fachliche Qualifikation erfordert wie der bisherige Arbeitsplatz. Je nach den Fähigkeiten und Kenntnissen des schwerbehinderten Menschen kann dem Arbeitgeber aber auch die Zuweisung eines höherwertigen freien Arbeitsplatzes zugemutet werden; dabei ist dem schwerbehinderten Menschen grundsätzlich mehr Einarbeitungszeit einzuräumen als einem Nichtbehinderten. Das folgt aus § 81 Abs. 4 Nr 1 bis 3 SGB IX, der den Arbeitgeber verpflichtet, das berufliche Fortkommen der bei ihm beschäftigten schwerbehinderten Menschen zu fördern, insbesondere durch bevorzugte Berücksichtigung bei der Teilnahme an innerbetrieblichen Fortbildungsmaßnahmen (vgl. Düwell, LPK-SGB IX § 89 Rn. 44; Müller-Wenner/Schorn, Kommentar SGB IX Rn. 63 m.w.N.).

Bei Anwendung dieser Kriterien kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Teamleiter Frische SB im ... SB-Warenhaus in ..., als Teamleiter Food II im ... SB-Warenhaus in ... sowie als Teamleiter Verwaltung und Warenwirtschaft in den ... SB-Warenhäusern in ... oder in ... nach den Fähigkeiten und Kenntnissen des Klägers möglich und der Beigeladenen zumutbar gewesen wäre. Der Kläger besitzt eine abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung. Seit 2002 ist er als Marktleiter bei der Beigeladenen beschäftigt und hatte zuletzt Personalverantwortung für ca. 85 Mitarbeiter im ehemaligen ... Markt in .... Zuvor war er seit 2000 stellvertretender Marktleiter in diesem Markt und bis 30.05.2001 zugleich Abteilungsleiter Food. In dieser Funktion war er für Qualitätssicherung und Frische im gesamten Food-Bereich des Marktes (Konserven und Frischware) zuständig, was auch die Beigeladene einräumt.

Die abgeschlossene kaufmännische Berufsausbildung und Berufserfahrung im Einzelhandel, die für alle hier in Rede stehenden Stellen als zentrale Qualifikation gefordert wird, besitzt der Kläger. Die Stellen sind allesamt solche in SB-Warenhäusern der Sparte ... der Beigeladenen, die über ein breiteres Warenangebot auf mehr Verkaufsfläche verfügen als ... Verbrauchermärkte und zwischen 100 und 400 Mitarbeitern beschäftigen. Dass der Kläger bisher in einem Verbrauchermarkt der in der Sparte ... beschäftigt war, schließt eine Beschäftigung in einem ... SB-Warenhaus aber keineswegs aus. Dem Kläger müsste ohnehin eine angemessene Einarbeitungszeit zugebilligt werden, um Organisation und Abläufe am neuen Arbeitsplatz kennen zu lernen. Darüber hinaus handelt es sich nicht um Marktleiterstellen, sondern um Teamleiterstellen mit einem kleineren Zuständigkeitsbereich und Personalverantwortung nur für einen Teil der Beschäftigten. Nach Angaben des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen gibt es bei ihr zwar auch Teamleiter mit Personalverantwortung für 100 bis 200 Mitarbeiter. Dies betrifft allerdings nur den Kassenbereich, die übrigen Teams zählen zwischen 40 und 50 Mitarbeiter. Der Kläger hätte bei einer Weiterbeschäftigung als Teamleiterstelle also sogar weniger Personalverantwortung als er bisher als Marktleiter zu tragen hatte.

Das vom Kläger als Anlage K 4 vorgelegte Konzept Personalentwicklung der Beigeladenen für die Sparten ... und ... spricht ebenfalls dafür, dass es sich bei den Teamleiterstellen nach der Qualifikation um gleichwertige oder sogar geringerwertige Arbeitsplätze für den Kläger und nicht etwa um Beförderungsstellen handelt. Der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen hat dazu erklärt, bei der pyramidenförmigen Grafik handle sich nicht um eine vergleichende Darstellung der Hierarchien und der Führungsebenen der Sparten ... und ..., sondern um ein Personalentwicklungskonzept. Es zeige, welche Stufen beim Aufstieg in höherwertige Stellen jeweils zu durchlaufen seien und wie man die nächste Stufe erreiche. Der Aufstieg in die nächste Stufe setze voraus, dass man die erforderlichen Kompetenzen erwerbe, insbesondere in den spezifischen Förderprogrammen für die Sparte .... Für die Sparte ... ist der Einstieg in die drei unteren Stufen ebenfalls nach der Ausbildung und den Kompetenzen gegliedert, die der Arbeitnehmer mitbringt, nämlich in klassische Ausbildung (Lehre), Abiturientenausbildung und ein Traineeprogramm. Daraus folgt für das Gericht, dass die einzelnen Stellen in dieser Darstellung nach der fachlichen Kompetenz und der erworbenen Qualifikation der Mitarbeiter in die jeweiligen Ebenen eingruppiert sind. Dabei ist die bisherige Stelle des Klägers als Marktleiter in der Sparte ... in Ebene 4 eingruppiert, die in Rede stehenden Teamleiterstellen in der Sparte ... rangieren darunter in Ebene 5. Ein Teamleiter in der Sparte ... müsste ebenso wie ein stellvertretender Marktleiter in der Sparte ... erst noch ein Förderprogramm absolvieren und ein Mitarbeitergespräch oder eine Auswahlrunde bestehen, um in Ebene 4 aufzurücken und evtl. eine ... Marktleiterstelle zu erhalten, wie der Kläger sie bisher hatte.

Soweit die Teamleiterstellen Berufserfahrung im Bereich Obst & Gemüse, Mopro/TKK und Hausbäckerei (in ...) bzw. im Bereich Food (in ...) voraussetzen, ist das Gericht überzeugt, dass der Kläger diese aus seiner Tätigkeit in ... besitzt, wo er eineinhalb Jahre lang als Abteilungsleiter Food für Qualitätssicherung und Frische im gesamten Food-Bereich des Marktes ( Konserven und Frischware) zuständig war. Darüber hinaus hat er als Marktleiter auch später noch die letzte Verantwortung für Qualitätssicherung und Frische im Markt zu tragen gehabt und hatte das zuständige Personal schon deshalb zu überwachen. Dem steht nicht entgegen, dass es in ... SB-Warenhäusern ein größeres Sortiment an Frischwaren wie Obst und Gemüse gibt, wie die Beigeladene geltend macht, denn dem Kläger wäre auch hier eine angemessene Einarbeitungszeit zuzubilligen, in der er sich Kenntnisse über das neue Sortiment aneignen kann. Dies gilt auch für die Stellen, die praktische Berufserfahrung im Warenwirtschaftssystem erfordern (Teamleiter Verwaltung und Warenwirtschaft in ... und ...). Als Marktleiter bringt der Kläger nach der Überzeugung des Gerichts entsprechende Kenntnisse aus der Sparte ... mit. Sein Vorbringen, dass ihm nicht nur die bei ... übliche Warendisposition über ein Zentrallager, sondern auch das bei ... praktizierte das System der Streckenbelieferung von früheren Betreibern des Marktes in ... grundsätzlich vertraut sind, ist im Verfahren unwidersprochen geblieben. Auch hier müsste ihm eine angemessene Einarbeitungszeit zugestanden werden.

Die Vergütung für die Tätigkeit auf diesen Arbeitsplätzen ist nach dem Vorbringen der Beteiligten nicht höher als bisher, so dass eine Weiterbeschäftigung auch unter diesem Gesichtspunkt zumutbar ist. Die Stelle des Teamleiters Frische SB ist zwar in Tarifgruppe G IV (bisher: G III) eingruppiert, die Eingruppierungen sind nach dem Vorbringen der Beigeladenen aber nicht unmittelbar miteinander vergleichbar, weil es sich um den Tarifvertrag Einzelhandel in verschiedenen Tarifregionen handelt.

Die Beigeladene kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger das Teamleiterentwicklungsprogramm der Sparte ... nicht durchlaufen habe. Dabei handelt es sich nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen um Kurse zur Vorbereitung auf Führungspositionen, in denen Kenntnisse in Mitarbeiterführung, Warenkunde und Fragen der Organisation und Struktur des Unternehmens vermittelt werden. Die Kurse dauern nach seinen Angaben ca. 13 bis 14 Monate und werden teilweise als Blockunterricht, teilweise berufsbegleitend abgehalten; Kursbeginn ist jeweils Ende Juli. Das Teamleiterentwicklungsprogramm richtet sich an Mitarbeiter unterhalb der Stufe des Teamleiters, wie etwa sog. Erste Kräfte und Substitute. Der Kläger gehört nach der Überzeugung des Gerichts nicht zur Zielgruppe dieses Programms, denn er hatte offenbar bereits im Jahr 2002 ausreichende Kenntnisse in Mitarbeiterführung, Warenkunde und Organisationsfragen erworben, um vom stellvertretenden Marktleiter zum Marktleiter befördert zu werden. Darüber hinaus ist die Absolvierung dieses Programms schon nach den internen Ausschreibungen nicht unabdingbar, sondern wird nur "nach Möglichkeit" (Teamleiter Food II in ...) oder überhaupt nicht verlangt (Teamleiter in ...). Es wäre der Beigeladenen schließlich auch durchaus zumutbar gewesen, den Kläger während der Einarbeitungszeit an einem neuen Arbeitsplatz ab August 2005 an diesem Programm oder an Teilen davon teilnehmen zu lassen, anstatt ihn von April 2005 bis zum Ablauf seiner Kündigungsfrist im Februar 2006 bei vollen Bezügen freizustellen.

Nach alledem ist das Gericht überzeugt, dass es möglich und der Beigeladenen zumutbar gewesen wäre, den Kläger etwa als Teamleiter Frische SB im ... SB-Warenhaus in Passau oder als Teamleiter Food II im ... SB-Warenhaus in ... einzusetzen, nach einer entsprechenden Einarbeitung auch als Teamleiter Verwaltung und Warenwirtschaft in den ... SB-Warenhäusern in ... und in .... Alle diese Stellen wurden während des Verfahrens beim Beklagten bzw. unmittelbar nach der Kündigung des Klägers zur Neubesetzung ausgeschrieben und hätten deswegen vom Beklagten als freie Arbeitsplätze in anderen Betrieben berücksichtigt werden müssen. Das erforderliche Einverständnis des Klägers ergibt sich schon daraus, dass er diese Stellen selbst ausdrücklich benannt hat und im arbeitsgerichtlichen Verfahren sogar einen entsprechenden Weiterbeschäftigungsanspruch geltend macht. Bei dieser Sachlage ist die Zustimmung des Beklagten zur betriebsbedingten Kündigung ermessensfehlerhaft und deswegen aufzuheben.

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob auch eine Beschäftigung des Klägers als Abteilungsleiter in einem ... SB- Warenhaus in Betracht käme und ob zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits absehbar war, dass mehrere Stellen für Marktleiter von ... Verbrauchermärkten in ... noch während seiner Kündigungsfrist neu besetzt würden. Auf die von den Beteiligten problematisierten Fragen, ob die Beigeladene gegen die bestehende Integrationsvereinbarung oder gegen § 84 SGB IX verstoßen hat, kommt es ebenfalls nicht mehr an.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und Abs. 3 und § 159 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei, § 188 Satz 2 VwGO.

Referenznummer:

MWRE070002641


Informationsstand: 27.06.2007