Urteil
Leitsätze:
1. Prognostizierter Wegfall der Möglichkeit anderweitiger Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz
Entfällt die bislang vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit aus betrieblichen Gründen, so braucht der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz nicht anzubieten, wenn bereits im Kündigungszeitpunkt feststeht oder mit hinreichender Wahrscheinlichkeit absehbar ist, dass auch dieser Arbeitsplatz bei Ablauf der Kündigungsfrist oder alsbald danach wegfallen wird.
Allein die interne Unternehmerentscheidung zur Anschaffung arbeitsplatzsparender Maschinen sowie die Aufnahme der Planung in einen der Konzernobergesellschaft vorgelegten Investitionsplan genügen für sich genommen nicht als Beleg für den prognostizierten Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit, wenn im Kündigungszeitpunkt die geplante Investition weder genehmigt noch Konstruktion und Lieferung der Maschinen in Auftrag gegeben sind.
2. Einsatz von Leiharbeitnehmern als freier Arbeitsplatz
Der nicht nur vertretungsweise von einem Leiharbeitnehmer besetzte Arbeitsplatz steht einem freien Arbeitsplatz gleich (Abgrenzung zu BAG, Urteil vom 01.03.2007 - 2 AZR 605/05 - DB 2007, 1540).
Tenor:
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 15.04.2004 nicht beendet worden ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zur Begründung der angegriffenen Kündigung hat die Beklagte, welche mit 500 bis 600 Arbeitnehmern Teile für Anlagen der Textilindustrie herstellt, vorgetragen, unstreitig entfalle die zuletzt vom Kläger ausgeübte Reinigungstätigkeit; diese werde künftig - wie bereits seit längerer Zeit die übrigen Reinigungstätigkeiten - von einem Reinigungsunternehmen erledigt. Anderweitige Arbeitsplätze stünden für den Kläger nicht zur Verfügung, wobei die Tatsache zu berücksichtigen sei, dass dem Kläger die Reinigungstätigkeit zum 01.09.1999 - unter gleichzeitiger Eingruppierung in die niedrigere Vergütungsgruppe E 2 - einvernehmlich zugewiesen worden sei, weil er seine früher ausgeübten Tätigkeiten in der Produktion aus gesundheitlichen Gründen - wegen eines epileptischen Anfallsleidens - nicht mehr habe ausüben können. Inwiefern die Erkrankung des Klägers auch im Zeitpunkt der Kündigung weiterhin einem Einsatz in der Produktion entgegenstand, ist unter den Parteien streitig.
Vor Ausspruch der Kündigung hatte die Beklagte den Werksarzt Dr. B2 zu etwa bestehenden Einsatzbeschränkungen befragt, worauf dieser u.a. Arbeiten in Nachtschicht sowie das Fahren und Steuern von Maschinen ausschloss. Sodann hörte die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Schreiben vom 31.03.2004 (Bl. 64 d.A.) an, worauf der Betriebsrat unter dem 05.04.2004 (Bl. 66 d.A.) der Kündigung unter Hinweis auf andere Einsatzmöglichkeiten in der Produktion widersprach. Mit Bescheid vom 25.03.2004 (Bl. 53 d.A.) stimmte das Integrationsamt der Kündigung zu. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers ist durch Widerspruchsbescheid vom 28.01.2005 (Bl. 307 d.A.) zurückgewiesen worden.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug vorgetragen, er sei - abweichend von der unzureichenden Stellungnahme des Dr. B2 - gesundheitlich ohne weiteres in der Lage, Tätigkeiten in der Produktion durchzuführen und könne nach zwischenzeitlicher Stabilisierung seines Gesundheitszustandes bei Bedarf auch einen Gabelstapler fahren. Insbesondere könne er im Bereich der Achsenpresse eingesetzt werden, wo Aushilfen und auch ein Leiharbeitnehmer - Herr B4 - eingesetzt würden. Rechtlich stehe die Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers einem freien Arbeitsplatz gleich. Soweit an diesem Arbeitsplatz der Materialtransport mit einem Hubwagen erfolge, könne er auch diesen ohne weiteres bedienen. Zu Unrecht habe die Beklagte im Übrigen eine ordnungsmäßige Sozialauswahl versäumt. Aufgrund seiner früher ausgeübten Tätigkeiten in der Produktion sei er ohne weiteres mit einer Vielzahl von anderen Arbeitnehmern vergleichbar. Entgegen der Auffassung der Beklagten beschränke sich die Sozialauswahl nicht auf Helfertätigkeiten der Vergütungsgruppe E 2, da er unstreitig in der Vergangenheit auch höherwertige Tätigkeiten der Vergütungsgruppen E 3 und E 4 ausgeübt habe.
Demgegenüber hat die Beklagte vorgetragen, weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen könne der Kläger einen Einsatz auf einem angeblich freien Arbeitsplatz an der Achsenpresse verlangen. Zum einen könne die Beschäftigung des Leiharbeitnehmers B4 nicht einem vorhandenen freien Arbeitsplatz gleichgestellt werden. Zum anderen sei zu beachten, dass es sich insoweit um eine höherwertige Tätigkeit handele, welche der Vergütungsgruppe E 4 zuzuordnen sei. Auch aus gesundheitlichen Gründen scheide hier ein Einsatz des Klägers aus, da das Material mit einem Flurförderfahrzeug transportiert werde, welches der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht bedienen dürfe. Schließlich entfalle aber die vom Kläger genannte Einsatzmöglichkeit an der Achsenpresse zum 30.09.2004 bzw. spätestens zum 31.12.2004, da ab diesem Zeitpunkt der bestehende Handarbeitsplatz durch eine automatisierte Achsenpresse ersetzt werde. Soweit der Kläger die Sozialauswahl beanstande, beschränke sich diese auf Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 2, wobei auch fachliche und gesundheitliche Bedenken gegen einen entsprechenden Einsatz des Klägers bestünden.
Durch Urteil vom 04.11.2004 (Bl. 160 ff. d.A.), auf welches wegen des weiteren erstinstanzlichen Parteivorbringens und der gestellten Anträge verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt worden, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis sei durch die angegriffene Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist beendet worden. Unstreitig habe die Beklagte die Rechte des Betriebsrats gewahrt und die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt. In der Sache rechtfertige sich die ausgesprochene Kündigung durch ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Aufgrund der unstreitigen unternehmerischen Entscheidung, die bisher vom Kläger durchgeführten Arbeiten auf ein Reinigungsunternehmen zu übertragen, entfalle der bisherige Arbeitsplatz des Klägers. Auch ein freier geeigneter Arbeitsplatz stehe für den Kläger nicht zur Verfügung, wobei offen bleiben könne, ob mit Leiharbeitnehmern besetzte Arbeitsplätze als freie Arbeitsplätze zu behandeln seien. Die Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer vor Ausspruch einer Kündigung die Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz anzubieten, beschränke sich nämlich auf gleichwertige oder geringerwertige Arbeitsplätze, nicht hingegen sei der Arbeitgeber verpflichtet, eine höherwertige Tätigkeit anzubieten. Im Zuge ihrer Vernehmung vor dem Arbeitsgericht habe die als Zeugin vernommene Personalleiterin W3 überzeugend ausgesagt, dass die an der Achsenpresse eingesetzten Kräfte, wenn sie eigene Mitarbeiter der Beklagten wären, in Vergütungsgruppe E 4 einzugruppieren wären. Unter diesen Umständen habe aber dem Kläger der Arbeitsplatz an der Achsenpresse keinesfalls angeboten werden müssen. Auch unter dem Gesichtspunkt der Sozialauswahl könne die angegriffene Kündigung nicht beanstandet werden. Unabhängig davon, ob der Gesundheitszustand des Klägers überhaupt die Ausübung der vom Kläger genannten Tätigkeiten erlaube, fehle es bereits an der rechtlichen Vergleichbarkeit der vom Kläger benannten Arbeitsplätze. In Betracht zu ziehen seien nämlich allein solche Arbeitsplätze, welche der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auf der Grundlage seines Direktionsrechts zuweisen könne. Unstreitig seien die im Bereich Dornlager und Compounder eingesetzten Arbeitskräfte in eine höhere Vergütungsgruppe als der Kläger eingruppiert. Allein der Umstand, dass der Kläger früher entsprechende Tätigkeiten ausgeübt habe, sei ohne Belang, nachdem die Parteien die arbeitsvertragliche Aufgabenstellung und Vergütung im Zusammenhang mit der Zuweisung der Reinigungstätigkeit neu geregelt hätten. An der Vergleichbarkeit fehle es auch hinsichtlich der an der Achsenpresse eingesetzten Aushilfskräfte. Hierbei handele es sich nämlich nicht um eine reguläre Teilzeitbeschäftigung, sondern um ein gänzlich anders gestaltetes Arbeitsverhältnis in Form einer geringfügigen Beschäftigung. Schließlich sei der Kläger auch nicht mit den Arbeitnehmern vergleichbar, welche mit dem Stempeln von Schläuchen beschäftigt seien. Nach Aussage der Zeugin W3 handele es sich nämlich auch insoweit um eine höherwertige Tätigkeit, welche nach Vergütungsgruppe E 3 vergütet werde.
Mit seiner rechtzeitig eingelegten und begründeten Berufung wendet sich der Kläger gegen die Abweisung seines Kündigungsfeststellungsantrages. Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens hält der Kläger an seiner Auffassung fest, zur Vermeidung der Kündigung sei eine Weiterbeschäftigung im Bereich der Achsenpresse und Achsenschleifmaschine möglich gewesen. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht angenommen, die Tätigkeit der hier eingesetzten Aushilfskräfte und des Leiharbeitnehmers B4 entspreche der tariflichen Wertigkeit der Entgeltgruppe 4. Tatsächlich handele es sich bei den am dortigen "Handarbeitsplatz" anfallenden Tätigkeiten um eine einfache Aufgabenstellung, welche dem Kläger ohne Vertragsänderung übertragen werden könne. Entgegen den Angaben der Beklagten treffe es auch nicht zu, bereits bei Ausspruch der Kündigung sei absehbar gewesen, die vom Kläger reklamierte Beschäftigungsmöglichkeit werde bei Ablauf der Kündigungsfrist oder spätestens am 31.12.2004 wegen Anschaffung neuer Maschinen entfallen. Auch wenn der Arbeitgeber mit dem Ausspruch einer Kündigung nicht bis zum endgültigen Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeiten warten müsse, vielmehr zur Kündigung bereits aufgrund der Prognose berechtigt sei, zum Ablauf der Kündigungsfrist werde der Bedarf für die Beschäftigung des Arbeitnehmers entfallen sein, sei unter den hier vorliegenden Umständen die Grundlage für eine derartige Prognose nicht erkennbar. Ein gegenteiliges Indiz ergebe sich vielmehr daraus, dass noch im Zeitpunkt der Berufungsbegründung (16.02.2005) die Achsenschleifmaschinen und Achsenpressen in bisheriger Form im Einsatz gewesen seien. Soweit die Beklagte nunmehr - nach Einholung des gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Beurteilung der Arbeitsplatzanforderungen im Bereich der Achsenpresse - ausführe, auf der Grundlage der mit der Konzernmutter abgestimmten Investitionsplanungen sei bereits im ersten Quartal 2004 die Anschaffung neuer Maschinen mit der Perspektive einer Inbetriebnahme im letzten Quartal 2004 beschlossen worden, allein aufgrund von Lieferverzögerungen seien die Maschinen allerdings erst im Februar 2005 aufgestellt worden, rügt der Kläger diesen Vortrag als unsubstantiiert. Insbesondere sei nicht erkennbar, inwiefern die angebliche unternehmerische Entscheidung vor oder nach Ausspruch der Kündigungserklärung vom 15.04.2004 erfolgt sei. Im Gegenteil spreche gegen eine definitive Investitionsentscheidung zum behaupteten Zeitpunkt schon die eigene Stellungnahme der Beklagten im Zuge des Widerspruchsverfahrens, betreffend die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung. Hier habe die Beklagte unter dem 12.08.2004 ausgeführt, ein entsprechender Investitionsauftrag sei "jetzt von der Konzernleitung genehmigt ... worden". Auch das in diesem Zusammenhang vorgelegte Schreiben der Beklagten an die Konzernleitung mit Datum vom 09.08.2004 (Bl. 421 d.A.), in welchem es um die Genehmigung der betreffenden Investition gehe, spreche deutlich dafür, dass erst zu diesem Zeitpunkt - und damit erst nach Ausspruch der Kündigung - die Voraussetzungen für den Wegfall des vom Kläger reklamierten Arbeitsplatzes geschaffen worden seien. Gegebenenfalls möge die Beklagte anhand der Bestellunterlagen nachweisen, zu welchem Zeitpunkt der Auftrag zur Lieferung der automatisierten Achsenpresse erteilt worden sei. In Übereinstimmung mit dem vom Landesarbeitsgericht eingeholten technischen Sachverständigengutachten handele es sich jedenfalls bei der vom Kläger angesprochenen Tätigkeit am "Handarbeitsplatz" um eine einfache und keineswegs höherwertige Tätigkeit. Anstelle des Leiharbeitnehmers B4 habe danach der Kläger zur Vermeidung einer Kündigung auf diesen Arbeitsplatz versetzt werden müssen.
Entgegen dem Standpunkt des arbeitsgerichtlichen Urteils müsse auch die getroffene Sozialauswahl beanstandet werden. Dies betreffe aus den vorstehenden Gründen zum einen die an der Achsenpresse und Achsenschleifmaschine eingesetzten Aushilfskräfte, welche - nicht anders als Teilzeitkräfte - in die Sozialauswahl einzubeziehen seien. Zum anderen sei in die Sozialauswahl der Arbeitnehmer B3 einzubeziehen, welcher als "Helfer Riemchen" tätig und unstreitig nach Vergütungsgruppe E 2 vergütet werde. Soweit die Beklagte einwende, der Kläger dürfe nicht im Schichtdienst eingesetzt werden, sei dies im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr zutreffend gewesen, da sich der Gesundheitszustand des Klägers entsprechend stabilisiert habe. Zum anderen stehe dem Kläger als Schwerbehindertem ein Anspruch auf behindertengerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu, so dass gegebenenfalls auch eine Umorganisation der Arbeit in diesem Arbeitsbereich geboten gewesen sei.
Soweit es schließlich die Sozialauswahl im Hinblick auf weitere Arbeitsplätze der Vergütungsgruppe E 3 betreffe, habe das Arbeitsgericht nicht ausreichend den Umstand berücksichtigt, dass der Kläger seinerzeit allein aus gesundheitlichen Gründen eine Tätigkeit der Vergütungsgruppe E 2 übernommen habe. Nachdem sich nunmehr der Gesundheitszustand des Klägers verbessert habe, müsse auch die Sozialauswahl wieder auf sämtliche früher vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten ausgedehnt werden.
Der Kläger beantragt:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 04.11.2004 - 3 Ca 1184/04 - wird abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis durch die Kündigungserklärung der Beklagten, welche das offensichtlich falsche Datum 15.04.2003 und welches dem Kläger am 15.04.2004 zugegangen ist, nicht aufgelöst ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens als zutreffend.
Entgegen dem Standpunkt des Klägers habe sich die ausgesprochene Kündigung nicht durch eine Weiterbeschäftigung des Klägers im Bereich der Achsenpresse oder Achsenschleiferei vermeiden lassen. Zum einen handele es sich nämlich um eine höherwertige Tätigkeit, welche dem Kläger aus den zutreffenden Gründen der arbeitsgerichtlichen Entscheidung nicht habe übertragen werden müssen. Dies gelte im Übrigen unabhängig von der Frage der zutreffenden tariflichen Eingruppierung. Selbst bei Annahme einer übertariflichen Eingruppierung der an der Achsenpresse eingesetzten Kräfte ergebe sich jedenfalls aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung, dass für diese Tätigkeit ein höheres als das für den Kläger vertraglich maßgebliche Arbeitsentgelt gezahlt werde. Auf die Zuweisung eines höher vergüteten Arbeitsplatzes habe der Kläger aber keinesfalls einen Anspruch.
Soweit es danach überhaupt auf das Ergebnis des vom Landesarbeitsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens ankomme, halte die Beklagte an ihrer Auffassung fest, auch der vom Kläger angesprochene "Handarbeitsplatz" stelle höhere Anforderungen, als vom Sachverständigen angenommen. Schon aus diesem Grunde habe dem Kläger diese Tätigkeit nicht angeboten werden müssen. Unabhängig hiervon sei es der Beklagten aber nicht zumutbar gewesen, den Kläger anstelle des Leiharbeitnehmers B4 einzusetzen. Zum einen besitze Herr B4 als gelernter Schlosser eine deutlich höhere Qualifikation als der Kläger. Zum anderen sei bereits im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung absehbar gewesen, dass der diesbezügliche Beschäftigungsbedarf mit der Anschaffung automatisierter Achsenpressen entfallen werde. Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.02.2006 (Bl. 405 d.A.) vorgetragen, die Anschaffung der Achsenpresse sei bereits in den ersten Monaten des Jahres 2004 beabsichtigt und vom Geschäftsführer K1 beschlossen worden (Beweis: P1), wobei die Inbetriebnahme im letzten Quartal 2004 habe stattfinden sollen. Wegen Lieferverzögerungen habe sich die Inbetriebnahme jedoch bis Anfang Februar 2005 verzögert. Mit Rücksicht auf den ohnehin bevorstehenden Wegfall der bislang von den Aushilfen und vom Leiharbeitnehmer B4 ausgeübten Helfertätigkeiten - auch Herr B4 habe nämlich ebenfalls nur Zuarbeiten im Bereich dieser Arbeitsplätze erledigt - habe eine dauerhafte oder auch nur sinnvolle vorübergehende Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger in diesem Bereich nicht bestanden.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 16.06.2005 hat die Beklagte hierzu weiter ausgeführt, bereits Ende 2003 sei ein entsprechender Investitionsplan erstellt und an die Konzernmutter übersandt worden, in welchem auch bereits die geplante Anschaffung automatisierter Achsenpressen berücksichtigt gewesen sei. Das vorgelegte Schreiben vom 09.08.2004 belege damit nicht etwa, dass die endgültige Entscheidung zur Anschaffung der Maschinen erst zu diesem Zeitpunkt getroffen worden sei, vielmehr handele es sich allein um den Abruf vorangehend genehmigter Mittel. Soweit der Kläger die Vorlage von Bestellunterlagen verlange, führe dies nicht weiter, maßgeblich für die erforderliche Prognose sei vielmehr der Grundsatzbeschluss zur Einführung automatisierter Verfahren. Dementsprechend könne es durchaus zutreffen, dass der Auftrag zur Konstruktion und Lieferung der Anlagen erst zu einem späteren Zeitpunkt erteilt worden sei. Dass der vom Kläger reklamierte Handarbeitsplatz auf Dauer keinen Bestand haben werde, werde hierdurch nicht in Frage gestellt.
In Übereinstimmung mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil könne auch die durchgeführte Sozialauswahl nicht beanstandet werden. Dies gelte sowohl in Bezug auf die geringfügig beschäftigten Aushilfskräfte, welche nur sporadisch nach Bedarf eingesetzt würden, als auch im Hinblick auf den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers B3. Neben anderen relevanten Gesichtspunkten scheide ein Einsatz des Klägers auf diesem Arbeitsplatz schon deshalb aus, weil hier im Schichtdienst gearbeitet werde. Ein solcher Einsatz komme jedoch auch auf der Grundlage des vom Landesarbeitsgericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens nicht in Betracht. Zu einer Umorganisation der Arbeit im Zuge der Sozialauswahl mit dem Ziel, eine leidensgerechte Beschäftigung des Klägers ohne Nachtarbeit zu ermöglichen, sei die Beklagte demgegenüber nicht verpflichtet.
Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben zu den Modalitäten der Beschäftigung der Aushilfskräfte H3 und K2 durch uneidliche Vernehmung der Personalreferentin W3 gemäß dem Sitzungsprotokoll vom 16.06.2005 (Bl. 303 ff. d.A.), ferner - gemäß dem Beweisbeschluss vom 16.06.2005 (Bl. 317 d.A.) - durch Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens durch den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen S4 (Bl. 331 ff. d.A.) sowie eines arbeitsmedizinischen Gutachtens durch den Arbeitsmediziner Dr. W4 (B. 407 ff. d.A.) nebst neurologisch-psychiatrischem Zusatzgutachten des Dr. R4 (Bl. 440 ff. d.A.).
Entscheidungsgründe:
I
Die ausgesprochene Kündigung ist nicht sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme muss nämlich davon ausgegangen werden, dass im Zeitpunkt der Kündigung für den Kläger ein geeigneter und gleichwertiger Arbeitsplatz an der Achsenpresse (Handarbeitsplatz) zur Verfügung stand (1). Die Beschäftigung des Leiharbeitnehmers B4 auf diesem Arbeitsplatz steht der rechtlichen Beurteilung als "freiem" Arbeitsplatz, welcher dem Kläger anzubieten war, ebenso wenig wie die tatsächlich gewährte übertarifliche Vergütung entgegen (2). Der Vortrag der Beklagten, bereits im Zeitpunkt der Kündigung sei der Wegfall dieses Arbeitsplatzes zum Ablauf der Kündigungsfrist bzw. alsbald danach absehbar gewesen, greift im Ergebnis nicht durch (3).
1. Entgegen dem Rechtsstandpunkt der Beklagten handelt es sich bei der vom Kläger zur Weiterbeschäftigung benannten Tätigkeit an der Achsenpresse ("Handarbeitsplatz") um einen gleichwertigen Arbeitsplatz, auf welchem er zur Vermeidung einer Kündigung - zumindest bis auf weiteres - hätte weiterbeschäftigt werden können.
a) Nachdem die Beklagte die zuletzt vom Kläger ausgeübte Reinigungstätigkeit auf ein Reinigungsunternehmen übertragen hat, ist zwar der bisherige Arbeitsplatz des Klägers ersatzlos entfallen. Ein dringendes betriebliches Erfordernis, welches die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt, scheidet indessen aus, wenn für den Arbeitnehmer ein freier - geeigneter und gleich- oder geringerwertiger - Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Von dieser Rechtslage geht auch die Beklagte aus, hat allerdings zutreffend darauf hingewiesen, dass auch bei Vorliegen eines freien Arbeitsplatzes eine Verpflichtung zur "Beförderung" des Arbeitnehmers nicht besteht (BAG, Urteil vom 23.11.2004 - 2 AZR 38/04 - AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 70; KR-Griebeling, 8. Aufl., § 1 KSchG, Rz. 225). Auch unter Berücksichtigung der Schwerbehinderung des Klägers ergibt sich nichts anderes. Zwar steht dem Schwerbehinderten ein gesetzlicher Anspruch auf "Förderung" zu, ohne dass indessen die vorstehenden Beschränkungen der Verpflichtung zur Beschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz in Frage gestellt sind.
b) Das Arbeitsgericht hat auf der Grundlage der Aussage der Zeugin W3 die Überzeugung gewonnen, die im Bereich der Achsenpresse anfallenden Tätigkeiten seien, auch soweit es die Beschäftigung des Leiharbeitnehmers B4 betreffe, in Vergütungsgruppe E 4 einzustufen. Dies entspricht nach den maßgeblichen tariflichen Vorschriften einer Tätigkeit mit abgeschlossener zweijähriger Berufsausbildung. Dass der Kläger die Zuweisung einer solchen höherwertigen Tätigkeit zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung nicht verlangen könnte, trifft ohne Zweifel zu. Der Kläger hat indessen die Richtigkeit dieser Einschätzung bestritten.
c) Das vom Landesarbeitsgericht eingeholte technische Sachverständigengutachten hat die Behauptung der Beklagten jedenfalls in Bezug auf den vom Kläger reklamierten "Handarbeitsplatz" nicht bestätigt. Diejenigen Tätigkeiten, welche von den an den neu angeschafften Maschinen eingesetzten Arbeitnehmern zu verrichten sind, hat der Sachverständige zwar im Hinblick auf die erforderliche größere Berufspraxis der Entgeltgruppe E 3 zugerechnet; dies setzt eine Berufspraxis von in der Regel sechs bis zwölf Monaten voraus. Demgegenüber ist die Tätigkeit am sog. Handarbeitsplatz vom Sachverständigen der Entgeltgruppe E 1 - also als einfache Tätigkeit - bewertet worden. Soweit die Beklagte der Beurteilung des Sachverständigen widerspricht, ist dies durch nachvollziehbare Gründe nicht belegt.
Unstreitig waren im Zeitpunkt der Kündigung die gegenwärtig eingesetzten automatisierten Achsenfertigungs- und Schleifmaschinen noch nicht angeschafft, vielmehr kamen seinerzeit noch die vom Sachverständigen als "Handarbeitsplatz (alt)" bezeichneten Achsenpressen zum Einsatz. Diejenigen Arbeitsplatzanforderungen, welche den Sachverständigen zu seiner Aussage veranlasst haben, es handele sich um eine anspruchsvolle Tätigkeit nach Vergütungsgruppe E 3, treffen danach erklärtermaßen auf die seinerzeit vom Leiharbeitnehmer B4 und den Aushilfskräften ausgeübten Tätigkeiten nicht zu. Vielmehr muss in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen von einer Wertigkeit nach Vergütungsgruppe E 1 ausgegangen werden.
d) Soweit demgegenüber die Beklagte - in Übereinstimmung mit der Aussage der Zeugin W3 - in Bezug auf die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers B4 ausgeführt hat, auch dessen Tätigkeit habe der tariflichen Eingruppierung nach Vergütungsgruppe E 4 entsprochen, kann dies unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen nicht nachvollzogen werden. Das gilt um so mehr, als die Beklagte mit Schriftsatz vom 22.02.2006 (Bl. 405/407 d.A.) selbst vorgetragen hat, Herr B4 sei nicht mit sämtlichen Tätigkeiten an der Achsenpresse - in der alten oder in der neuen Form - beschäftigt gewesen, sondern habe ebenfalls wie die Helfer H3 und K2 lediglich Zuarbeiten erledigt. Unter Beachtung der maßgeblichen fachlichen Aspekte kann die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers B4 danach nicht als "Beförderungsstelle" angesehen werden.
e) Die so begründete arbeitsplatzbezogene Gleichwertigkeit der Tätigkeiten kann auch nicht mit der Begründung in Frage gestellt werden, betriebsüblich sei an diesem Arbeitsplatz eine höhere Vergütung nach Vergütungsgruppe E 4 bezahlt worden, so dass es unter diesem Gesichtspunkt an der Vergleichbarkeit der Tätigkeiten fehle; nicht anders als die Sozialauswahl setze auch die Weiterbeschäftigungsverpflichtung auf einem freien Arbeitsplatz voraus, dass die Zuweisung der neuen Tätigkeit ohne Vertragsänderung erfolgen könne.
Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Zum einen kann allein der Umstand, dass ein Arbeitnehmer aufgrund individueller Vereinbarung oder betriebsüblicher Handhabung eine höhere Vergütung erhält, als dies bei korrekter tariflicher Eingruppierung zuträfe, die Vergleichbarkeit der Arbeitsplätze nicht in Frage stellen. Zum anderen ist zu beachten, dass es im vorliegenden Zusammenhang nicht darum geht, dass ein bislang auf einem geringerwertigen oder auch nur schlechter bezahlten Arbeitsplatz im Zuge der Sozialauswahl einen anders beschäftigten und besser bezahlten Arbeitnehmer verdrängt. Vielmehr betrifft die vorliegende Fragestellung die Reichweite der Weiterbeschäftigungsverpflichtung auf einem freien und fachlich gleichwertigen Arbeitsplatz, welcher allein betriebsüblich mit einer besseren Bezahlung verbunden ist. Allein die Tatsache, dass die Beklagte - unabhängig von der tariflichen Wertigkeit der Tätigkeit - ihren eigenen Arbeitnehmern im Bereich der Achsenpresse durchweg Arbeitsvergütung nach Entgeltgruppe E 4 zahlt und auch der Leiharbeitnehmer B4, sofern er bei der Beklagten beschäftigt wäre, ebenfalls eine entsprechende Vergütung erhielte, obgleich er nach den Angaben im Beklagtenschriftsatz vom 22.02.2006 nur mit Zuarbeiten befasst war, schließt nach alledem die Vermeidbarkeit der Kündigung durch Weiterbeschäftigung an dem genannten Arbeitsplatz nicht aus.
f) Ein Einsatz des Klägers am "Handarbeitsplatz" scheitert schließlich auch nicht an der Frage der gesundheitlichen Eignung des Klägers. Soweit die Beklagte dies mit der Begründung in Abrede gestellt hat, bei Einsatz an der Achsenpresse sei es erforderlich, ein Flurförderfahrzeug zu führen, wozu der Kläger wegen seines Anfallsleidens gesundheitlich nicht in der Lage sei, ist dieser Einwand durch das medizinische Sachverständigengutachten des Dr. W4 widerlegt. Dieser hat in seinem Gutachten ausgeführt, entgegen der seinerzeitigen Stellungnahme des Werksarztes Dr. B2 sei es bereits im Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr geboten gewesen, die dort aufgeführten Einsatzbeschränkungen aufrechtzuerhalten.
Die fachliche Richtigkeit dieser Feststellungen hat die Beklagte nicht in Abrede gestellt. Soweit von Seiten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht ausgeführt worden ist, man habe sich auf die Stellungnahme des Werksarztes zu den maßgeblichen Einsatzbeschränkungen verlassen müssen, ist zum einen zu beachten, dass sich der Kläger bereits im ersten Rechtszuge gegen die Richtigkeit der - seiner Auffassung nach unzureichenden - Beurteilung des Werksarztes gewandt hat. Zum anderen kommt es für die soziale Rechtfertigung der Kündigung allein auf die Feststellung des objektiven Sachverhalts an, wie er sich im Zeitpunkt der Kündigung darstellt. Vorliegend geht es nicht um eine nachträgliche Besserung des Gesundheitszustandes aufgrund einer erst durch die Kündigung veranlassten Änderung der Heilbehandlung, vielmehr war bereits im Zeitpunkt der Kündigung der Gesundheitszustand des Klägers stabilisiert. Damit erweisen sich die von der Beklagten erhobenen gesundheitlichen Bedenken gegen einen Einsatz des Klägers an der Achsenpresse - auf dem Arbeitsplatz des Leiharbeitnehmers B4 - als unbegründet.
2. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei dem vom Leiharbeitnehmer B4 besetzten Arbeitsplatz auch um eine "kündigungsvermeidende" Beschäftigungsmöglichkeit, welche einem "freien Arbeitsplatz" gleichsteht. Die Kammer hält in dieser Frage an dem bereits früher eingenommenen Standpunkt fest (Urteil vom 31.07.2003 - 8 Sa 1578/02 - LAGE § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 66 b; nachfolgend BAG, Urteil vom 17.03.2005 - 2 AZR 4/04 - AP § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl Nr. 71) und verweist ergänzend auf die ausführlichen Gründe der Entscheidung der 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts vom 05.03.2007 - 11 Sa 1338/06 - DB 2007,1701). Auch die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts ist dieser Auffassung gefolgt (Urteil vom 24.07.2007 - 12 Sa 320/07; aus dem Schrifttum vgl. etwa KR-Griebeling, 8. Aufl., § 1 KSchG Rz 219). Auch soweit das Bundesarbeitsgericht in seiner aktuellen Entscheidung vom 01.03.2007 (2 AZR 650/05 - DB 2007, 1540) die unternehmerische Freiheit betont, eigenständig darüber zu entscheiden, ob ein betrieblicher Vertretungsbedarf mit Stammkräften oder Aushilfen abgedeckt werden soll, und diese Grundsätze auch auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern überträgt (so Feudner, DB 2007, 2034), betrifft dies erklärtermaßen allein den Einsatz für einen vorübergehenden Vertretungsbedarf zwecks Überbrückung von Ausfallzeiten. Auf den Einsatz des Leiharbeitnehmers B4 trifft diese Einschränkung ersichtlich nicht zu. Die von der Beklagten reklamierte Freiheit, eigenständig darüber zu entscheiden, ob bestimmte Tätigkeiten mit eigenen oder entliehenen Arbeitnehmern erledigt werden sollen, findet in der genannten Rechtsprechung keine Stütze.
Bei der im vorliegenden Rechtsstreit kontrovers diskutierten Frage, ob der Abbau von Leiharbeit eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des "ultima-ratio-Grundsatzes" ist oder ob der Arbeitgeber sich insoweit auf eine die Arbeitsgerichte bindende unternehmerische Entscheidung zum Einsatz von Leiharbeitnehmern berufen kann, orientiert sich die vorstehend zitierte Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts an der Differenzierungslinie, die das Bundesarbeitsgericht durch seine beiden Urteile vom 09.05.1996 ("W5-W6" - 2 AZR 438/95 - AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 79) und vom 26.09.1996 ("C2" - 2 AZR 200/96 - AP KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 80) vorgezeichnet hat.
In der sog. "W5-W6"-Entscheidung hatte der Arbeitgeber die Entscheidung getroffen, seinen Vertrieb nicht länger durch Arbeitnehmer, sondern zukünftig durch freie Mitarbeiter erledigen zu lassen. Das Bundesarbeitsgericht hat die mit dieser Begründung ausgesprochenen Kündigungen als betriebsbedingt sozial gerechtfertigt angesehen und zur Begründung ausgeführt: Bei einer innerbetrieblichen Umstrukturierungsmaßnahme (hier: Einführung eines neuen Vertriebssystems) müsse es im Hinblick auf betriebsbedingte Kündigungen dem Arbeitgeber überlassen bleiben, wie er sein Unternehmensziel möglichst zweckmäßig und kostengünstig am Markt verfolge. Dazu gehöre auch die Umgestaltung der zugrunde liegenden Vertragsform für die Vertriebsmitarbeiter (freies Mitarbeiterverhältnis statt Arbeitsverhältnis). Es sei Sache des Arbeitnehmers, der die Unwirksamkeit der auf einer solchen Maßnahme beruhenden Kündigung geltend mache, Umstände darzulegen, die die getroffene innerbetriebliche Strukturmaßnahme als offenbar unsachlich, unvernünftig oder willkürlich erscheinen ließen. Zu prüfen bleibe allerdings, ob die Strukturmaßnahme tatsächlich wie behauptet durchgeführt worden sei (BAG, Urteil vom 09.05.1996, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 79).
In der "C2"-Entscheidung hatte der Arbeitgeber den Besatzungsmitgliedern eines Schiffes gekündigt und die Anheuerung der Schiffsbesatzung einer ausländischen C2-Firma übertragen, welche die Seeleute nicht zu den für die deutsche Seeschifffahrt geltenden Heuerbedingungen, sondern mit wesentlich geringeren Heuern im eigenen Namen unter Vertrag nahm. Die Bereederung der Schiffe erfolgte weiterhin durch den deutschen Arbeitgeber, der weiterhin den wirtschaftlichen Schiffsbetrieb leitete und im ständigen unmittelbaren Kontakt zu den jeweiligen Kapitänen der Schiffe stand und ihnen entsprechende Weisungen erteilte. Das Bundesarbeitsgericht hat die so begründete Kündigung für sozial ungerechtfertigt angesehen. Von Fallgestaltungen wie der des Urteils vom 09.05.1996 (s.o.) unterscheide sich der Sachverhalt grundlegend dadurch, dass die Beklagte die bislang von dem Arbeitnehmer verrichtete Tätigkeit nicht etwa einem Dritten (der ausländischen C2-Firma) zur selbständigen Erledigung übertragen habe, sondern unverändert selbst den wirtschaftlichen Schiffsbetrieb steuere und dem Kapitän die für die Umsetzung ihrer Entscheidung notwendigen Informationen und Weisungen erteile. Der Kapitän sei in den Betrieb der Beklagten eingegliedert. Die Beklagte habe dem Kapitän gegenüber die gleiche Stellung wie ein Unternehmer gegenüber einem ausgeliehenen, in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer. Die Ausübung des Direktionsrechts des Arbeitgebers kennzeichne die für ein Arbeitsverhältnis typische persönliche Abhängigkeit des Beschäftigten. Die Beschäftigungsmöglichkeit für die Kapitäne bestehe weiterhin in dem Bereich, den die Beklagte selbst betrieblich organisiere. Für den Kläger bestehe damit eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit auf den von der Beklagten bereederten Schiffen auf seinem bisherigen Arbeitsplatz. Folglich sei die streitige Beendigungskündigung nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, sondern sozial ungerechtfertigt. Es handele sich um eine gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 KSchG unwirksame Austauschkündigung. Dass der unternehmerischen Entscheidung der Beklagten die Absicht zugrunde liege, die Lohnkosten zu senken und sich der Bindungen des deutschen Arbeits- und Sozialrechts zu entledigen, könne keine abweichende Beurteilung rechtfertigen (BAG, Urteil vom 26.09.1996, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 80).
In Konsequenz dieser Sichtweise hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 17.03.2005 - allerdings ohne sich auf eigene Rechtsprechung zu beziehen - geprüft, ob die dort zu beurteilende betriebsbedingte Kündigung zum 30.11.2001 dadurch zu vermeiden gewesen wäre, dass die dortige Beklagte anstelle des Einsatzes von Leiharbeitnehmern für das Weihnachtsgeschäft den Kläger mit entsprechenden Tätigkeiten betraut hätte. Dies hat das Bundesarbeitsgericht wie zuvor die 8. Kammer des Landesarbeitsgerichts Hamm mit der Begründung verneint, dass im Zeitpunkt der Kündigung keine hinreichende Grundlage für die Einschätzung bestand, bei Ablauf der Kündigungsfrist werde ein zusätzlicher Beschäftigungsbedarf bestehen. Im Zeitpunkt der Kündigung habe lediglich die Möglichkeit eines Einsatzes von Leiharbeitnehmern bestanden, ohne dass eine konkrete Bedarfsermittlung vorgelegen habe, wie sie stets nur kurzfristig nach entsprechenden Vorgaben aus der Produktionsplanung erfolge (BAG 17.03.2005 - 2 AZR 4/04 - AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 71).
Für den hier zu entscheidenden Sachverhalt folgt aus den vorstehenden Grundsätzen, dass der vom Leiharbeitnehmer B4 eingenommene Arbeitsplatz rechtlich einem "freien Arbeitsplatz" gleichsteht, welcher nach dem ultima-ratio-Grundsatz vorrangig dem Kläger anzubieten war.
3. Abweichend vom Standpunkt der Beklagten entfiel die Verpflichtung, den Kläger anstelle des Leiharbeitnehmers B4 einzusetzen, auch nicht im Hinblick darauf, dass bereits im Zeitpunkt der Kündigung der Wegfall dieser Beschäftigungsmöglichkeit abzusehen war.
a) Hierfür ist allerdings ohne Belang, ob die von der Beklagten vorgetragenen Planungen die Anschaffung der neuen Maschinen bereits zum 30.09. (dem Ablauf der Kündigungsfrist) oder erst zum 31.12.2004 vorsahen. Selbst auf der Grundlage einer bloß kurzen Einarbeitungszeit macht es keinen Sinn, den Kläger nur für einen kurzen - etwa drei Monate langen - Übergangszeitraum in eine geänderte Tätigkeit einzuweisen, um ihn dort anstelle des dort eingearbeiteten Leiharbeitnehmers B4 zu beschäftigen.
b) Auch der Umstand, dass die neuen Maschinen tatsächlich - womöglich wegen einer Lieferverzögerung - etwa im Februar 2005 in Betrieb genommen worden sind, ist für die Frage der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ohne Belang. Maßgeblich ist vielmehr die Frage, ob bereits im Zeitpunkt der Kündigung die bevorstehende Rationalisierungsmaßnahme greifbare Formen angenommen hatte, so dass bei regulärem Ablauf mit einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit zum Ablauf der Kündigungsfrist - bzw. hier auch zum 31.12.2004 - zu rechnen war.
Soweit die Beklagte hierzu vorgetragen hat, die Anschaffung der neuen Achsenpresse sei bereits in den ersten Monaten des Jahres 2004 vom Geschäftsführer K1 beschlossen worden und diesen Vortrag in das Wissen des Zeugen P1 stellt, muss dies in Anbetracht der vom Kläger konkret vorgetragenen gegenteiligen Anhaltspunkte als unsubstantiiert angesehen werden. Richtig ist zwar, dass es in rechtlicher Hinsicht einer förmlichen Dokumentation von Geschäftsführerbeschlüssen nicht bedarf. Andererseits ist bei einem nicht dokumentierten Geschäftsführerbeschluss nicht ohne weiteres ersichtlich, inwiefern ein solches Internum durch Zeugenbeweis zu belegen ist. Aber auch wenn man den Sachvortrag der Beklagten in dem Sinne versteht, der Zeuge P1 könne - etwa aufgrund eines diesbezüglichen Gesprächs mit dem Geschäftsführer - die intern getroffene unternehmerische Entscheidung bestätigen, lässt doch der Vortrag der Beklagten jeden Anhaltspunkt dafür vermissen, aufgrund welcher Umstände mit einer zeitgerechten Realisierung der beschlossenen Planungen zu rechnen war. Der schriftsätzliche Sachvortrag der Beklagten liefert insoweit keinerlei Anhaltspunkt, obgleich der Kläger seine Zweifel an der Endgültigkeit und Zeitgerechtigkeit der Maßnahme durch entsprechende Unterlagen gestützt hat. Auch der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht bietet insoweit keine Klarheit. Allein der Umstand, dass bereits Ende 2003 der Konzernmutter in Amerika Investitionspläne vorgelegt worden sind, besagt nicht einmal, dass konkret auch die Anschaffung der hier fraglichen Maschinen im Kündigungszeitpunkt von den innerhalb des Konzerns zuständigen Stellen bereits "genehmigt" war. Im Gegenteil weckt der Umstand, dass die Beklagte offenbar nicht autonom, sondern nur in Absprache mit der Konzernmutter Investitionen tätigen kann, Zweifel daran, inwiefern allein die vorgetragene Entscheidung des Geschäftsführers aus den ersten Monaten des Jahres 2004 zwangsläufig einen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit an der alten Achsenpresse zu einem konkret absehbaren Zeitpunkt nach sich ziehen würde.
Auch der Umstand, dass die Bestellung der neuen Achsenpresse erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt erfolgt ist, begründet weitere Zweifel an der Folgerichtigkeit des Beklagtenvortrages. Das gilt umso mehr, als die beabsichtigte Investition nicht etwa die Lieferung serienmäßig gefertigter Maschinen betraf, sondern - wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht erläutert hat - zunächst einmal vom Anbieter eine auf die Belange der Beklagten zugeschnittene Konstruktion erstellt werden sollte. Dann konnte aber die Umsetzung der bestehenden Planungen verbindlich erst nach Vorlage eines technisch und finanziell überzeugenden Angebots getroffen werden. Eben hierzu passt auch das vom Kläger vorgelegte Schreiben vom 09.08.2004, in welchem die Konzernmutter um Freigabe des erforderlichen Kapitalbetrages gebeten wurde.
c) Im Ergebnis kann danach der von der Beklagten vorgetragene Geschäftsführerbeschluss nicht als Grundlage für die Einschätzung genommen werden, bereits zu diesem Zeitpunkt bzw. im Zeitpunkt der Kündigung habe die in Aussicht genommene Rationalisierungsmaßnahme bereits greifbare Formen angenommen, weswegen mit einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit am "Handarbeitsplatz" zum Jahresende gerechnet werden könnte. In Anbetracht der Notwendigkeit, Investitionen mit der Konzernmutter abzustimmen, kann auf der Grundlage des Beklagtenvorbringens nicht einmal als feststehend angesehen werden, dass bereits im Kündigungszeitpunkt definitiv die Anschaffung der neuen Achsenpressen feststand. Erst recht kann die Kammer nicht die Überzeugung gewinnen, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt mit einer alsbaldigen Umsetzung der geplanten Investitionsentscheidung und damit mit einem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit zu rechnen war, so dass ein Einsatz des Klägers auf dem Arbeitsplatz des Leiharbeitnehmers B4 von vornherein als unwirtschaftlich ausscheiden musste.
II
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen, da sie unterlegen ist.
III
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 ArbGG liegen nicht vor.
Themen:
Schlagworte:
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- Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
Referenznummer:
R/R3649
Informationsstand: 19.10.2011