Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Klage war deshalb stattzugeben.
A. An der Zulässigkeit der Kündigungsfeststellungsklage bestehen keine Bedenken. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung darüber, ob sein Arbeitsverhältnis durch die ausgesprochene Kündigung beendet worden ist oder nicht.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand aufgrund der Beschäftigungsdauer einerseits und der Beschäftigtenzahl andererseits das Kündigungsschutzgesetz Anwendung.
Der Kläger hat die Kündigungsschutzklage rechtzeitig innerhalb der Klagefrist des
§ 4 KSchG erhoben.
B. Die Klage ist begründet. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt. Die ausgesprochene Kündigung verstößt gegen die Grundsätze der Sozialauswahl nach
§ 1 Abs. 3 KSchG.
Der Klage war deshalb stattzugeben.
I.
Der Kläger ist zwar anerkannter Schwerbehinderter. Die Beklagte hat jedoch unstreitig die Kündigung erst ausgesprochen, nachdem das Integrationsamt dem Antrag der Beklagten auf Zustimmung zur Kündigung durch einen entsprechenden Bescheid zugestimmt hat. Der Kläger hat zwar gegen diesen zustimmenden Bescheid Widerspruch eingelegt. Dieser Widerspruch wurde jedoch mittlerweile zurückgewiesen.
Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Widerspruch des Klägers für das vorliegende Kündigungsschutzverfahren keine aufschiebende Wirkung besitzt.
II.
Das Gericht geht davon aus, dass die Beklagte aufgrund des massiven Auftragseinbruches grundsätzlich berechtigt war, Kündigungen in dem von ihr projektierten Umfang aus betriebsbedingten Gründen wegen Wegfalls der Arbeitsplätze auszusprechen.
Nach der Aussage des Zeugen
S. waren zwar im Labor zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung noch zwei Leiharbeiter beschäftigt, nämlich die Leiharbeiterin G. und der Leiharbeiter A. Es kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Weiterbeschäftigung dieser Leiharbeitnehmer und deren Vertragsverlängerung schon dazu führt, dass der Arbeitsplatz des Klägers im Servicecenter Forschung und Entwicklung damit nicht weggefallen ist. Es kann vorliegend offen bleiben, ob die Beklagte die Verpflichtung hatte, vor der Kündigung der Stammbelegschaft zunächst die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern abzubauen. Im vorliegenden Fall steht nämlich fest, dass die Leiharbeitnehmer 'G. und A. mit dem Kläger nicht vergleichbar sind. Zum einen erhalten sie nur Vergütung nach der Entgeltgruppe 2. Dies impliziert nach dem Vortrag der Beklagten, dass sie auch eine entsprechende geringwertigere Tätigkeit ausführen.
Zum anderen aber hat auch der Betriebsratsvorsitzende E.
S. als Zeuge ausgesagt, dass diese beiden Mitarbeiter eine andere Tätigkeit verrichten, als der Kläger. Auch nach dieser Aussage muss das Gericht davon ausgehen, dass diese beiden Leiharbeitnehmer in ihrer Tätigkeit mit dem Kläger nicht vergleichbar sind.
Ihre Weiterbeschäftigung hindert deshalb nicht den Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers.
Aufgrund der vorgelegten Unterlagen muss das Gericht weiter davon ausgehen, dass die Beklagte Ende 2008, insbesondere aber auch im Jahr 2009 erhebliche Auftragseinbrüche zu verzeichnen hatte. Diese Auftragseinbrüche führten zu einem Wegfall von Arbeitsplätzen, der noch deutlich über die ausgesprochenen Kündigungen hinausging.
Das Gericht muss auch weiter davon ausgehen, dass die Beklagte die Massenentlassungsanzeige nach den
§§ 17,
18 KSchG ordnungsgemäß durchgeführt hat. Die von ihr vorgenommene Massenentlassung war von Seiten der Arbeitsagentur Marburg mit Bescheid vom 04.06.2009 ordnungsgemäß genehmigt worden.
III.
Nach den vorliegenden Unterlagen muss das Gericht davon ausgehen, dass jedoch schon die Betriebsratsanhörung
gem. § 102 BetrVG nicht ordnungsgemäß war. Nach § 102
BetrVG ist die Beklagte verpflichtet gewesen, ihren Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung ordnungsgemäß unter Darlegung aller wesentlichen Fakten anzuhören.
Der Kläger rügt zu Recht, dass im Rahmen der Betriebsratsanhörung seine Betriebszugehörigkeit mit einem Jahr zu niedrig angesetzt war. Dadurch war seine Sozialpunktezahl mit 65,5 Punkten zu niedrig. Richtigerweise hätten ihm 67 Punkte zugebilligt werden müssen.
Sowohl der Kläger wie auch der Betriebsrat haben gerügt, dass die Arbeitsaufgabenbeschreibung des Klägers gegenüber dem Betriebsrat falsch
bzw. massiv unvollständig war. Trotz dieser Rüge des Betriebsrats hat die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat im Rahmen der Anhörung keine Nachbesserung vorgenommen und die Tätigkeitsbeschreibung des Klägers nicht ergänzt. Vielmehr hat die Beklagte im Rahmen des Prozesses vorgetragen, dass der Betriebsrat die Anhörungsfrist habe verstreichen lassen, ohne Stellung zu beziehen. Dieser Beklagtenvortrag ist falsch.
Die Beklagte hat auch im Prozess nicht dargelegt, dass die Betriebsratsanhörung in Bezug auf die Tätigkeit des Klägers entgegen der Rüge des Betriebsrats und des Klägers richtig gewesen. Das Gericht muss deshalb davon ausgehen, dass schon insoweit die Betriebsratsanhörung fehlerhaft war. Die Betriebsratsanhörung ist jedoch auch deshalb unvollständig und damit falsch, weil die Beklagte gegenüber dem Betriebsrat nicht dargelegt hat, warum die Mitarbeiter
S.,
S., R. und B. als besondere Leistungsträger aus der Sozialauswahl herausgenommen worden sind.
Die Beklagte hat zwar in ihrem Anhörungsschreiben (Bl. 129 d. A.) mitgeteilt, dass sie die Mitarbeiter als Leistungsträger aus der Sozialauswahl herausgenommen hat. Sie hat weiter mitgeteilt, dass sie dies entsprechend begründen würde. Eine solche Begründung fehlt jedoch. Weder in der schriftlichen Anhörung noch in der mündlichen Anhörung ist der Betriebsrat über die Leistungsträger noch einmal gesondert informiert worden.
Der Betriebsrat hat in seinem Widerspruch vom 05. August 2009 auch ausdrücklich gerügt, dass der Kläger aus der Sicht des Betriebsrats mit den Mitarbeitern an den
CNC-Maschinen und den Mitarbeitern am Spektrometer verglichen werden müsse. Die Beklagte hat bezüglich der Mitarbeiter
S. und B. lediglich mitgeteilt: "Spektrometer". Nähere Ausführungen fehlen. Hinsichtlich der Mitarbeiter
S. und R. ist lediglich mitgeteilt worden: "
CNC".
Dies stellt jedoch keine ausreichende und verständliche Begründung dar. Spätestens nach der Rüge des Betriebsrats im Anhörungsschreiben vom 05. August 2009 hätte die Beklagte Anlass gehabt, insoweit die Betriebsratsanhörung noch einmal nachzubessern und ihre Gründe im Einzelnen darzulegen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Mitarbeiters B.. Der Mitarbeiter B. hatte mit 44,5 Sozialpunkten deutlich weniger Punkte als der Kläger. Er ist ebenfalls wie der Kläger am Spektrometer beschäftigt. In der Betriebsratsanhörung ist die Entgeltgruppe 3 für den Mitarbeiter B. angegeben.
Nach der Mitarbeiterliste in der Anlage 2 zur Betriebsratsanhörung ist nicht ersichtlich, weshalb der Mitarbeiter B. aus der Sozialauswahl herausgenommen worden ist.
Dies war auch für den Betriebsrat offenkundig nicht ersichtlich. Deshalb hat der Betriebsrat ausdrücklich gerügt, dass der Kläger mit allen Mitarbeitern am Spektrometer verglichen werden müsse. Eine solche Nachbesserung der Betriebsratsanhörung ist jedoch nicht erfolgt. Auch aus diesem Grunde ist die Betriebsratsanhörung fehlerhaft.
Nur der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte dann im Prozess gegenüber dem Gericht vorgetragen hat, dass der Mitarbeiter B. in die Entgeltgruppe 5 eingruppiert sei. Auf Nachfrage des Gerichts und Hinweis auf die Widersprüchlichkeit des Vortrags hat die Beklagtenseite dann mündlich korrigiert, dass der Mitarbeiter B. wohl doch noch in der Entgeltgruppe 3 eingruppiert sei, allerdings sei vorgesehen, ihn zukünftig in die Entgeltgruppe 5 einzugruppieren. Auch hier muss darauf hingewiesen werden, dass die Betriebsratsanhörung sich jedenfalls bezüglich des Mitarbeiters B. sich auf die Entgeltgruppe 3 bezieht. Hier fehlen aber jegliche Ausführungen gegenüber dem Betriebsrat, weshalb der deutlich weniger sozial schutzwürdige Mitarbeiter B. aus der Sozialauswahl herausgenommen worden ist.
Nach § 102
BetrVG ist die Kündigung unwirksam, da die Betriebsratsanhörung nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.
Der Klage ist schon aus diesem Grunde stattzugeben.
IV.
Das Gericht geht im Übrigen davon aus, dass die von der Beklagten vorgenommene Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 1
Abs. 3
KSchG ist. Auch die Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl führt zur Unwirksamkeit der Kündigung.
1. Die Beklagte hat entsprechend der Vorgabe des § 3
Abs. 2 Satz 2 des Interessenausgleichs vom 28.04.2009 die Sozialauswahl auf Funktionsgruppen
bzw. Funktionsbereiche beschränkt. Diese generelle Beschränkung der Sozialauswahl auf Funktionsgruppen
bzw. Funktionsbereiche widerspricht den Grundsätzen des § 1
Abs. 3
KSchG.
Nach dem Willen des Gesetzgebers und der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Sozialauswahl generell und grundsätzlich betriebsweit vorzunehmen. Eine Beschränkung der Sozialauswahl auf einzelne Abteilungen des Betriebes oder auf bestimmte Funktionsbereiche ist vom Gesetzgeber nicht gewollt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob in einzelnen Ausnahmefällen die Beschränkung der Sozialauswahl auf Funktionsbereiche oder Abteilungen bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt sein könnte. Vorliegend jedenfalls hat die Beklagte nicht dargelegt, dass besondere Umstände vorliegen, nach denen die Beschränkung der Sozialauswahl auf Funktionsbereiche innerhalb bestimmter Leistungscenter oder eines Servicecenters gerechtfertigt sei.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Beschränkung der Sozialauswahl auf das Servicecenter Forschung und Entwicklung und die geringe Zahl von Mitarbeitern in diesem Servicecenter nicht den gesetzlichen Vorgaben der Sozialauswahl nach § 1
Abs. 3
KSchG entsprach. Wie bereits der Betriebsrat in seiner Stellungnahme vom 05. August 2009 gerügt hat, war die Sozialauswahl des Klägers unter Berücksichtigung seiner Ausbildung auf Mitarbeiter auch außerhalb des Servicecenters Forschung und Entwicklung zu erstrecken. Die Beklagte hätte zumindest eine betriebsweite Sozialauswahl mit allen Mitarbeitern der Entgeltgruppe 3, die von ihrer Tätigkeit und Ausbildung her dann zudem mit dem Kläger vergleichbar sind, vornehmen müssen.
2. Bei einer solchen Sozialauswahl wäre die Ausbildung des Klägers zum Werkzeugmacher zu berücksichtigen gewesen. Weiter wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Kläger zumindest 1,5 Jahre als
CNC-Maschinenbediener gearbeitet hat. Die Beklagte hat zwar im Prozess vorgetragen, dass der Kläger keine Facharbeiterausbildung habe, im Gegensatz zu den Mitarbeitern
S. und R.. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass diese Behauptung falsch ist. Der Kläger hat sogar bei der Beklagten die Ausbildung zum Werkzeugmacher durchgeführt. Es wäre insoweit zu prüfen gewesen, inwieweit der Kläger dann nicht auch wieder an einer
CNC-Maschine einsetzbar gewesen wäre.
Im Ergebnis ist deshalb festzuhalten, dass der Klage auch wegen der aus mehreren Gründen fehlerhaften Sozialauswahl stattzugeben war.
C.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da sie unterlegen ist.
Die
gem. § 61
Abs. 1
ArbGG im Urteil vorzunehmende Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 42
Abs. 3 GKG und ist an der Höhe von 3 Monatslöhnen orientiert.