Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit mehrerer arbeitgeberseitiger Kündigungen. Die Klägerin begehrt zudem Weiterbeschäftigung, die Beklagte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Die Beklagte betreibt ein Pharmaunternehmen mit
ca. 600 Mitarbeitern.
Die am 00.00.1959 geborene, ledige, kinderlose Klägerin trat im April 1996 in die Dienste der Beklagten. Ihrer Tätigkeit liegt der Anstellungsvertrag vom 06.02.1996 zugrunde. Als Pharma- und Klinikreferentin im Außendienst fährt die Klägerin mit ihrem Dienstwagen zu Ärzten und stellt ihnen die Produkte der Beklagten vor. Sie verdiente zuletzt 4.732,00
EUR brutto im Monat. Die Klägerin ist seit Anfang des Jahres 2011 als schwerbehinderter Mensch mit einem
GdB von 50.
Vom 11.11.2012 bis zum 05.12.2014 war die Klägerin arbeitsunfähig krank. Ab Oktober 2014 wurde sie wieder eingegliedert. In der Folgezeit erhielt die Klägerin verschiedene schriftliche Ermahnungen und Abmahnungen. Im Einzelnen:
Mit Ermahnung vom 25.11.2014 rügte die Beklagte, die Klägerin habe Angaben zu einem Arztbesuch fehlerhaft in das CRM System eingepflegt (Bl. 44 d. A.). Mit zwei Schreiben vom 30.04.2015 mahnte die Beklagte die Klägerin ab, weil sie zum einen Daten nicht ordnungsgemäß in das CRM-System eingepflegt und zum anderen Besuchsvorgaben nicht eingehalten habe (Bl. 45 ff d. A.).
In der Abmahnung vom 29.06.2015 erhob die Beklagte den Vorwurf, die Klägerin habe die vereinbarte Anzahl von Kundenveranstaltungen nicht erreicht (Bl. 48 d. A.).
In den Jahren 2015 und 2016 stritten die Parteien vor dem Arbeitsgericht Elmshorn (...) und dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (...) über die Wirksamkeit einer Kündigung vom 30.07.2015. In diesem Verfahren wurde die Unwirksamkeit der Kündigung rechtskräftig festgestellt (Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 18.10.2016).
Am 04.04.2016 ermahnte die Beklagte die Klägerin wegen eines Verstoßes gegen die Dokumentationspflicht im
EDV-System (Bl. 55 d. A.).
Am 03.05.2016 ermahnte die Beklagte die Klägerin zur ordnungsgemäßen Erstellung von Tagesberichten im Rahmen der Dokumentationspflicht (Bl. 57 d. A.).
Am 17.05.2016 ermahnte die Beklagte die Klägerin wegen eigenmächtiger Einkäufe auf Kosten der Beklagten ohne Abstimmung mit dem Vorgesetzten (Bl. 59 d. A.).
Am 20.06.2016 mahnte die Beklagte die Klägerin ab wegen Überschreitung der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von zehn Stunden am 19.05.2016 (Bl. 51 d. A.).
Am 22.09.2016 mahnte die Beklagte die Klägerin wegen der Nutzung ihres Diensttelefons zu privaten Zwecken ab (Bl. 63 d. A.).
Ebenfalls am 22.09.2016 mahnte die Beklagte die Klägerin ab, weil sie ein Muster an Ärzte abgegeben hatte, ohne dieses entsprechend den Vorschriften des Arzneimittelgesetzes zu dokumentieren (Bl. 61 d. A.).
Am 28.09.2016 mahnte die Beklagte die Klägerin zum einen wegen nicht nachvollziehbarer Angaben in den Tagesberichten zu den Arbeitszeiten ab (Bl. 65 d. A.) und zum anderen wegen nicht ordnungsgemäßer Zeiterfassung und Erstellung von Tagesberichten (Bl. 67 d. A.).
Am 12.12.2016 mahnte die Beklagte die Klägerin wegen nicht ordnungsgemäßer Dokumentation ihrer Arbeitsergebnisse ab (Bl. 69 d. A.).
Am 08.02.2017 mahnte die Beklagte die Klägerin ab wegen unvollständiger
bzw. widersprüchlicher Dokumentation der Tätigkeit und der Arbeitszeiten, insbesondere von Pausenzeiten (Bl. 73 d. A.). Mit Ermahnung vom selben Tag rügte die Beklagte
die Klägerin wegen nicht ordnungsgemäßer Dokumentation (Bl. 71 d. A.).
Wegen des Inhalts der Ermahnungen und Abmahnungen wird auf die Anlage B 1 (= Bl. 44 bis 74 d. A.) verwiesen.
Auf Wunsch der Klägerin begann im Frühjahr 2016 ein betriebliches Eingliederungsmanagement. Der die Klägerin behandelnde Arzt stellte ein Attest mit Datum 29.09.2016 aus, in dem er einen Zusammenhang zwischen der psychiatrischen Erkrankung der Klägerin und der Belastungssituation herstellte. Im Attest wies der Arzt auf die Möglichkeit eines Lohnkostenzuschusses hin und regte an, die Zahl der Pflichtbesuche bei Ärzten auf 5 - 6 zu reduzieren. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 7 (Bl. 75 d.A.) verwiesen und wegen eines weiteren Attests vom 18.12.2017 auf die Anlage K 4 (= Bl. 182 f. d. A.).
In Zusammenarbeit mit dem Fachdienst Eingliederungshilfe des Kreises D. wurde die Klägerin am 13.02.2017 vom Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienst (BAD) arbeitsmedizinisch untersucht (
vgl. Anlagen B 15 und 18). Die Untersuchung führte Frau
Dr. G. durch. Das Untersuchungsergebnis teilten - trotz mehrfacher Bitte (
vgl. Anlagen B 13, 16, 20 und K 4) - weder die Klägerin noch der BAD der Beklagten mit, insbesondere nicht das Ergebnis einer sog. G 25-Untersuchung, die
die Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten in den Blick nimmt. Zunächst schrieb die Klägerin der Beklagten am 15. und 26.03.2017, ihr lägen keine Untersuchungsergebnisse vor (Anlagen B 14 und 17). Nachdem die Klägerin keine Schweigepflichtsentbindung erklärt hatte, dies mit Schreiben ihrer Anwälte vom 13.07.2017 vielmehr ausdrücklich abgelehnt hatte, sah die Beklagte das betriebliche Eingliederungsmanagement als gescheitert an und teilte dies dem Integrationsamt mit Schreiben vom 25.07.2017 mit.
Am nächsten Tag beantragte die Beklagte beim Integrationsamt, die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin. Das Integrationsamt erteilte die Zustimmung mit Bescheid vom 22.11.2017. Am 07.12.2017 beteiligte die Beklagte die seit dem
10.10.2017 bei ihr gebildete Schwerbehindertenvertretung (
SBV). Am folgenden Tag hörte die Beklagte auch ihren Betriebsrat an. Weder die
SBV noch der Betriebsrat nahmen zu der von der Beklagten beabsichtigten Kündigung der Klägerin Stellung. Mit Schreiben vom 18.12.2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.07.2018.
Am 12.03.2018 beantragte die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin zu erteilen. Am selben Tag hörte die Beklagte sowohl den Betriebsrat als auch die
SBV an. Das Integrationsamt erteilte die Zustimmung am 23.03.2018. Mit Schreiben vom selben Tag, das der Klägerin am 26.03.2018 zuging, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich fristlos.
Aufgrund des Antrags vom 12.03.2018 hatte das Integrationsamt mit Bescheid vom 06.04.2018 auch die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin erteilt. Die Beklagte sprach mit Schreiben vom 17.04.2018 zum 30.11.2018 die ordentliche Kündigung aus.
Am 22.03.2018 beantragte die Beklagte beim Integrationsamt abermals die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung der Klägerin. Am selben Tag hörte die Beklagte sowohl den Betriebsrat als auch die
SBV an. Das Integrationsamt erteilte die
Zustimmung am 04.04.2018. Mit Schreiben vom 05.04.2018 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich fristlos.
Aufgrund des Antrags vom 22.03.2018 hatte das Integrationsamt mit Bescheid vom 09.04.2018 auch die Zustimmung zur weiteren ordentlichen Kündigung der Klägerin erteilt. Die Beklagte sprach mit Schreiben vom 17.04.2018 zum 30.11.2018 die ordentliche Kündigung aus.
Die Klägerin hat alle Kündigungen mit ihrer mehrfach erweiterten Kündigungsschutzklage angegriffen. Sie hat gemeint, die Kündigungen seien unwirksam. Es sei bereits nicht erkennbar, worauf die Beklagte die zeitlich erste Kündigung vom 18.12.2017
stütze. Der Vortrag zu etwaigen Kündigungsgründen sei nicht einlassungsfähig. Gleiches gelte für die Ermahnungen und Abmahnungen, zumal die zugrundeliegenden Vorwürfe zur Begründung der Kündigung nicht mehr herangezogen werden könnten.
Eine bestimmte Anzahl von täglichen Kundenbesuchen sei weder arbeitsvertraglich vereinbart, noch geschuldet. Auch andere Außendienstmitarbeiter schafften keine acht Besuche pro Tag, so dass in einer Unterschreitung dieser Zahl keine Pflichtverletzung liegen könne. Dass ihre Dokumentation mangelhaft gewesen sein soll, hat die Klägerin bestritten. Sie hat behauptet, sie sei ihren Aufgaben an ihrem Arbeitsplatz gewachsen und insbesondere fahrtüchtig. Die Beklagte habe sowohl den Betriebsrat als auch die
SBV unzutreffend und irreführend unterrichtet.
Alle Kündigungen seien bereits deshalb unwirksam, weil die
SBV nicht unverzüglich nach dem Kündigungsentschluss und daher nicht ordnungsgemäß beteiligt worden sei. Außerdem habe sie, die Klägerin, keine falschen Angaben zu ihren Arztbesuchen gemacht. Sie habe ihre Besuchszeiten sowie Zeiten der Vor- und Nachbereitung korrekt erfasst und dokumentiert.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 18.12.2017 zum 31.07.2018 aufgelöst worden ist,
2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst worden ist und wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,
3. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens als Pharma- und Klinikreferentin im Außendienst der Beklagten zu ansonsten unveränderten Bedingungen gemäß dem Arbeitsvertrag vom 06.02.1996 weiterzubeschäftigen,
4. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 23.03.2018 aufgelöst worden ist,
5. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 05.04.2018 aufgelöst worden ist,
6. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 17.04.2018 zum 30.11.2018 beendet wird,
7. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung vom 17.04.2018 zum 30.11.2018 beendet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kündigung vom 18.12.2017 sei sozial gerechtfertigt, denn die Klägerin sei häufig und über längere Zeiträume ihrer Pflicht zur Arbeitsleistung nicht oder nur sehr eingeschränkt nachgekommen. Die Vorgabe von durchschnittlich acht Kundenbesuchen pro Tag habe die Klägerin seit 2014 nicht mehr erreicht. In 2014 sei sie auf durchschnittlich 0,3, in 2015 auf 4,6, im Jahr 2016 auf 5,8 und in 2017 auf 5,4 Besuche am Tag gekommen. Auch habe sie trotz entsprechender Schulungen und Hilfestellungen seit Oktober 2014 ihre Tätigkeit mangelhaft dokumentiert. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin nicht ohne weiteres in der Lage sei, ihren Arbeitsalltag allein zu bewältigen. Damit sei sie als Pharma- und Klinikreferentin im Außendienst ungeeignet, wie auch das Attest vom 29.09.2016 bestätige, nach dem es notwendig sei, die Zahl der Arztbesuche abzusenken und die Dokumentationspflichten zu verändern.
Die weiteren Kündigungen seien gleichfalls wirksam. Die Klägerin habe versucht, die Beklagte durch falsche Angaben zu den Kundenbesuchen zu täuschen. Die Klägerin habe einer Vorgesetzten am 02.03.2018 telefonisch mitgeteilt, dass sie zwischen
50% und 75 % Prozent ihrer Tagesaktivitäten für den Monat gezielt falsch in das System einpflegen würde, um nachzuweisen, dass die Beklagte ihre Besuchsschnitte unzutreffend auswerte. Daraufhin habe die Vorgesetzte für die Beklagte die Tagesberichte ausgewertet, stichprobenartig überprüft und dabei Falschangaben der Klägerin festgestellt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 08.11.2018, soweit noch von Interesse, stattgegeben. Die Kündigungen seien unwirksam. Die Kündigung vom 18.12.2017 sei weder aus personen- noch aus verhaltensbedingten Gründen gerechtfertigt und damit sozialwidrig. Die Beklagte habe keine Umstände vorgetragen, die eine mangelnde Eignung der Klägerin zur Ausübung der geschuldeten Tätigkeit als Pharma- und Klinikreferentin erkennen ließen. Bei den gegenüber der Klägerin in der Vergangenheit erhobenen Vorwürfen habe es sich um solche im Zusammenhang mit der Dokumentation der Arbeit und der Überschreitung von Höchstarbeitszeiten gehandelt. Das seien einzelne qualitative Mängel, insbesondere aus dem Bereich der Nebenpflichten. Sie stellten die Eignung der Klägerin als Pharma- und Klinikreferentin nicht in Zweifel, zumal die Klägerin diese Tätigkeit bereits seit 21 Jahren ausübe. Es sei nicht erkennbar oder konkret dargelegt, inwieweit die Klägerin bei der Verrichtung ihrer Haupttätigkeit hinter den Leistungen vergleichbarer Mitarbeiter zurückbleibe, welche Hauptaufgaben
bzw. wesentliche Leistungspflichten ihr oblägen
und woraus die Beklagte ableite, dass die Klägerin diese nicht erfüllen könne. Es reiche nicht aus, wenn die Beklagte auf einen erwarteten Besuchsschnitt abstelle. Zum einen schulde die Klägerin keine bestimmte Anzahl von Besuchen. Zum anderen sei sie nicht schon deshalb ungeeignet, weil sie hinter einer Vorgabe der Beklagten zurückbleibe. Dieser Umstand begründe auch nicht ohne weiteres den Vorwurf einer Vertragspflichtverletzung. Die Beklagte habe nicht zu einer Unterschreitung der Durchschnittsleistung vergleichbarer Arbeitnehmer vorgetragen. Hinsichtlich des Besuchsdurchschnitts ergebe sich dazu auch nichts aus der Behauptung der Beklagten, im Normalfall würden die Außendienstmitarbeiter die Vorgaben erreichen, im Jahr 2017 hätten
ca. 85% Prozent der Mitarbeiter die Vorgaben erreicht oder sogar überschritten. Zudem handele es sich nur um einen Teilbereich der Leistungspflicht der Klägerin. Auch zusammen mit den Vorwürfen aus dem Jahr 2016, die Gegenstände der Abmahnungen gewesen seien, habe die Beklagte nicht dargelegt, dass die Klägerin bezogen auf die Gesamttätigkeit einer Pharma- und Klinikreferentin um mehr als ein Drittel hinter der Durchschnittsleistung zurückbleibe. Es könne sein, dass auch andere Mitarbeiter den Besuchsschnitt nicht erreichen. Zu den Umständen, die die Besuche bedingen, fehlten Angaben, um die Vergleichbarkeit zu beurteilen. Das betreffe die durchschnittlich zu bewältigenden Entfernungen, die Frage, ob die aufzusuchenden Kunden frei gewählt werden, ob es hinsichtlich der Frequenz Vorgaben gebe, die Kundendichte im jeweiligen Bezirk
usw. Damit seien die tatsächlichen Grundlagen nicht dargelegt, anhand derer die fehlende Eignung der Klägerin zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung festgestellt werden könnte.
Zu bedenken sei auch, dass die Beklagte dem Vorschlag aus dem ärztlichen Attest nicht gefolgt sei, wegen der Schwerbehinderung der Klägerin die Zahl der Besuche zu reduzieren. Unter dem Gesichtspunkt der behinderungsgerechten Beschäftigung bestünden daher erhebliche Bedenken gegen das Vorgehen der Beklagten. Warum eine Absenkung des Besuchsschnitts unverhältnismäßig und unzumutbar gewesen sein soll, mache der Vortrag der Beklagten nicht deutlich. Auch für den Fall einer erheblichen Leistungseinschränkung stelle sich daher die Frage der Kündigung als ultima ratio, zumal bereits der behandelnde Arzt auf die Möglichkeit eines Lohnkostenzuschusses und damit auf ein milderes Mittel Bezug genommen habe.
Die Kündigung sei auch nicht als verhaltensbedingte sozial gerechtfertigt. Nach den durch Ermahnung oder Abmahnung sanktionierten Sachverhalten habe es vor Ausspruch der Kündigung vom 18.12.2017 keine weiteren konkreten Pflichtverletzungen
der Klägerin gegeben.
Die vier weiteren Kündigungen seien schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte die
SBV nicht ordnungsgemäß beteiligt habe. Bei allen Kündigungen habe sie die
SBV erst an dem Tag, an dem sie auch den Antrag bei dem Integrationsamt gestellt hat, beteiligt. Das sei zu spät gewesen. Denn damit habe die Beklagte verhindert, dass die
SBV noch auf den Willensbildungsprozess habe Einfluss nehmen können.
Gegen das am 06.11.2018 verkündete und ihr am 28.12.2018 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 22.01.2019 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.03.2019 am 27.03.2019 begründet.
Die Beklagte hat anerkannt, dass ein wichtiger Grund im Sinne von § 626
Abs. 1
BGB für die außerordentlichen Kündigungen vom 23.03.2018 und 05.04.2018 nicht vorliege. Sie hat auch die fehlende soziale Rechtfertigung der beiden ordentlichen
Kündigungen vom 17.04.2018 eingeräumt. Schließlich hat sie die fehlende soziale Rechtfertigung ihrer ordentlichen Kündigung vom 18.12.2017 zum 31.07.2018 akzeptiert, wie sie das Arbeitsgericht festgestellt hat.
Allerdings meint sie, das Arbeitsverhältnis sei im Anschluss an die Kündigung vom 18.12.2017 zum 31.07.2018 aufzulösen. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit sei nicht zu erwarten. Die Klägerin sei seit November 2014 in 16 Fällen ermahnt oder abgemahnt worden, ohne dass sie ihr Verhalten, insbesondere betreffend die Dokumentation, geändert habe. Ungeachtet dessen habe sie nach Erhalt der ersten Kündigung (vom 18.12.2017) telefonisch gegenüber Frau M. angekündigt, 50 - 75 % ihrer Tagesaktivitäten falsch aufzuschreiben und ins
EDV-System einzugeben. Darin liege ein Auflösungsgrund. Die Beklagte könne es nicht hinnehmen, wenn sich die Klägerin den Dokumentationsanforderungen verweigere.
Die Beklagte behauptet, die Klägerin sie fahruntüchtig und könne die geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen. Das sei bei der am 13.02.2017 durchgeführten G 25 Untersuchung festgestellt worden. Nur dieses Ergebnis erkläre, warum die Klägerin
sich hartnäckig weigere, das Untersuchungsergebnis mitzuteilen. Über das Ergebnis der Untersuchung vom 13.02.2017 und ihre Kenntnis davon habe die Klägerin mehrfach schriftlich gelogen. Einen Nachweis über ihre Fahrtüchtigkeit wolle die Klägerin in den letzten zwei Jahren nicht führen. Die Klägerin habe - obwohl sie kein Fahrzeug hätte führen dürfen - in diesen Jahren am Straßenverkehr teilgenommen und die Beklagte als Halterin des Dienstwagens einem Risiko ausgesetzt. Jede einzelne Fahrt stelle eine Ordnungswidrigkeit dar. Über ihren Zustand und ihren Pflichtenverstoß lüge die Klägerin seit zwei Jahren und bis heute, wenn sie ihren Prozessbevollmächtigten in der Berufungserwiderung behaupten lasse, sie sei in vollem Umfang fahrtauglich. Die von der Klägerin vorgelegten Atteste belegten ihre Fahrtauglichkeit keineswegs. Die Behauptung der Klägerin in der Berufungsverhandlung vom 17.07.2019, sie sei fahrtüchtig, stelle vor diesem Hintergrund einen Prozessbetrug dar, zumindest sei sie eines solchen Betrugs verdächtig. Auch darin liege ein Auflösungsgrund.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 06.11.2018 - 3 Ca 21e/18 - teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen und
hilfsweise
das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2018 aufzulösen gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, die jedoch nicht über 84.600,00
EUR liegen sollte.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung und den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Die Berufung sei größtenteils bereits unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Auflösungsgründe habe die Beklagte nicht vorgetragen. Die Klägerin habe ihre Tagesaktivitäten nicht falsch protokolliert und das auch nicht gegenüber Mitarbeiterinnen der Beklagten geäußert. Die Klägerin behauptet, sie sei durchgängig fahrtüchtig gewesen. Seit Ende November 2018 habe sie im Rahmen eines - unstreitig begründeten - Prozessarbeitsverhältnisses wieder im Außendienst gearbeitet, ohne dass es zu Problemen gekommen sei. Erst nach dem Wechsel der Prozessbevollmächtigten auf Seiten der Beklagten hätten diese der Klägerin mit Schreiben vom 18.03.2019 die weitere Nutzung des Dienstwagens bis zum Nachweis der Fahrtüchtigkeit untersagt. Die Klägerin verweist auf verschieden Atteste, die ihre Fahrtauglichkeit belegten (Anlage K 5 - Sehtest, Attest).
Auch die Führerscheinstelle des Landkreises C. habe ihr Fahrtüchtigkeit bestätigt.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in der Berufung wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
I.
Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 64
Abs. 2 c)
ArbGG statthaft und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66
Abs. 1
ArbGG. Allerdings ist die Berufung der Beklagten nur teilweise zulässig.
1. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 18.12.2017 zum 31.07.2018 nicht aufgelöst worden ist (Ziffer 1 des Tenors). Bezogen hat diesen Streitgegenstand hat die Beklagte ihr Rechtsmittel
nicht ordnungsgemäß begründet.
a) Gemäß § 520
Abs. 3 Satz 2
Nr. 1
ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach § 520
Abs. 3 Satz 2
Nr. 2
ZPO müssen die Umstände bezeichnet werden, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Diese Vorschriften sind nach § 64
Abs. 6 Satz 1
ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren anzuwenden. Die Berufungsbegründung muss auf den konkreten Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art sowie aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (
BAG 10.02.2005 - 6 AZR 183/04 -). Bei mehreren Streitgegenständen muss im Berufungsverfahren für jeden einzelnen Streitgegenstand eine Begründung in der Berufungsbegründung gegeben werden (
BAG 02.04.1987 - 2 AZR 418/16 -). Geschieht dies nicht, ist die Berufung insoweit unzulässig (
BAG 08.05.2008 - 6 AZR 517/07 -).
b) Die Beklagte hat ihre Berufung lediglich bezüglich der Streitgegenstände "Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die fristlosen Kündigungen vom 23.03 und 05.04.2018" sowie bezüglich der beiden ordentlichen Kündigungen vom 17.04.2018 zum 30.11.2018 und damit zusammenhängend auch hinsichtlich der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung begründet. Zu dem Streitgegenstand "Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung vom 18.12.2017 zum 31.07.2018" hat sie ihre Berufung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist dagegen nicht begründet, mit der Folge, dass ihr Rechtsmittel insoweit unzulässig ist. Das Arbeitsgericht hat auf Seiten 9 bis 12 des angegriffenen Urteils im Einzelnen ausgeführt, warum die Kündigung vom 18.12.2017 weder aus verhaltensbedingten noch aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist. Darauf hat es seine Feststellung gestützt, dass die Kündigung der Beklagten vom 18.12.2017 das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgelöst hat. Die Beklagte hat sich damit argumentativ nicht auseinandergesetzt. Sie ist in ihrer Berufungsbegründung mit keinem Wort auf die ausführliche Begründung des
Arbeitsgerichts zur Sozialwidrigkeit der Kündigung vom 18.12.2017 eingegangen.
2. Bezüglich der weiteren Streitgegenstände hat die Beklagte ihre Berufung dagegen hinreichend begründet. Das Arbeitsgericht hat alle weiteren Kündigungen wegen nicht ordnungsgemäßer Beteiligung der
SBV als unwirksam angesehen. Mit dieser die arbeitsgerichtliche Entscheidung tragenden Erwägung hat sich die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung auseinandergesetzt. Sie hat geltend gemacht, sie habe die
SBV so beteiligt, wie vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 13.12.2018 (
2 AZR 378/18) gefordert. Das genügt den an eine Berufungsbegründung zu stellenden Anforderungen.
Der Umstand, dass die Beklagte im Laufe des Berufungsverfahrens die soziale Rechtfertigung der Kündigungen nicht mehr geltend gemacht hat, ändert nichts daran, dass die fristgerecht vorgelegte Berufungsbegründungsschrift den inhaltlichen Erfordernissen entsprach.
II.
Soweit die Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zulässig ist, ist sie ganz überwiegend unbegründet. Die Kündigungen vom 23.03. und 05.04.2018 sind unwirksam und haben das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst.
1. Das Arbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die außerordentliche Kündigung vom 23.03.2018 noch durch die außerordentliche Kündigung vom 05.04.2018 aufgelöst worden ist.
Die beiden fristlosen Kündigungen sind zwar nicht schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte die
SBV jeweils erst an dem Tag beteiligt hat, an dem sie beim Integrationsamt die Zustimmung zu den Kündigungen beantragt hat. Der 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat entschieden (Urteil vom 13.12.2018 - 2 AZR 378/18), dass die Anhörung der
SBV zur Abwendung der Unwirksamkeit der Kündigung nicht schon erfolgen muss, bevor der Arbeitgeber den Betriebsrat beteiligt oder das Integrationsamt
um Zustimmung zu einer beabsichtigten Kündigung ersucht.
Die beiden außerordentlichen, fristlosen Kündigungen sind aber wegen Fehlens eines wichtigen Grundes unwirksam. Denn die Beklagte hat sich in der Berufungsverhandlung am 04.03.2020 auf keine Kündigungsgründe im Sinne des § 626
Abs. 1
BGB mehr berufen. Sie hat ihre erstinstanzlichen Beweisanträge bereits mit Schriftsatz vom 23.07.2019 zurückgenommen.
2. Die beiden hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen vom 17.04.2018 zum 30.11.2018 sind in der Berufung nicht mehr zur Entscheidung angefallen, weil infolge der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2018 nach diesem Zeitpunkt zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis mehr bestand. Auf die nachfolgenden Ausführungen unter III. wird verwiesen.
III.
Auf den in der Berufungsinstanz gestellten Auflösungsantrag der Beklagten war das Arbeitsverhältnis gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG aufzulösen.
1. Die Beklagte konnte ihren Auflösungsantrag auf die ordentliche Kündigung vom 18.12.2017 beziehen, auch wenn ihre Berufung bezogen auf diesen Streitgegenstand unzulässig ist (s.o. I. 1.). Dem steht die von der Klägerin angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 03.04.2008 (2 AZR 720/06) nicht entgegen.
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass nach Eintritt der Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung (in der Berufung) kein Auflösungsantrag mehr gestellt werden kann. Anders als in dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war im Streitfall zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag über die (teilweise) Unzulässigkeit der Berufung noch nicht rechtkräftig entschieden. Entschieden wurde darüber erst am Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht durch Urteil. Obwohl die Berufungskammer die Revision nicht zugelassen hat, ist das Urteil - auch soweit es die teilweise Unzulässigkeit der Berufung ausgesprochen hat - wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht rechtkräftig. Das gilt selbst dann, wenn keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wird (
BAG 28.02.2008 - 3 AZB 56/07 -).
Der Entscheidung über den Auflösungsantrag steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte die fehlende soziale Rechtfertigung der Kündigung vom 18.12.2017 nunmehr akzeptiert und damit nicht mehr die Beendigung durch die Kündigung anstrebt. Die Arbeitgeberin kann in solch einem Fall auch allein die Auflösung nach § 9
KSchG verfolgen (
vgl. Arnold in Thüsing/Rachor/Lembke, § 9
KSchG Rn. 18).
2. Die Voraussetzungen für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses liegen vor.
a) Die Kündigung der Beklagten vom 18.12.2017 zum 31.07.2018 ist sozialwidrig und nicht auch aus anderen Gründen unwirksam. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses käme nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht in Betracht, wenn die Kündigung unabhängig von der Sozialwidrigkeit bereits aus anderen arbeitnehmerschützenden Normen unwirksam wäre (
BAG 28.08.2008 - 2 AZR 63/07 -;
BAG 24.05.2018 - 2 AZR 73/18 -).
aa) Das Arbeitsgericht hat im angegriffenen Urteil vom 06.11.2018 festgestellt, dass die Kündigung vom 18.12.2017 weder aus Gründen in der Person noch aus Gründen im Verhalten der Klägerin sozial gerechtfertigt ist. Dagegen hat sich die Beklagte in der Berufung nicht gewandt. Der Umstand, dass sich die Beklagte gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Antrag nach
§ 4 Satz 1 KSchG nicht mehr wendet, steht der (erneuten) Prüfung, ob die Kündigung auch aus anderen Gründen als dem der Sozialwidrigkeit unwirksam ist, jedoch nicht entgegen.
bb) Die Kündigung ist nicht gemäß
§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Die Beklagte hat den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung vom 18.12.2017 mit Schreiben vom 08.12.2017 (Anlage B 26) ordnungsgemäß angehört. Aus dem Anhörungsschreiben gehen die Personalien, die Kündigungsabsicht und die Kündigungsart hervor, außerdem Kündigungstermin und Kündigungsfrist. Hinsichtlich der Kündigungsgründe hat die Beklagte gemäß dem Grundsatz der subjektiven Determinierung deutlich gemacht, auf welche Gründe sie die Kündigung stützen will. Die ausführliche Darstellung der Gründe für die beabsichtigte Kündigung war auch nicht bewusst unrichtig oder irreführend. Insbesondere hat die Beklagte nicht falsch über den Ausgang des Verfahrens beim Integrationsamt informiert und den Eindruck erweckt, das Integrationsamt habe der Kündigung wegen einer vorliegenden Fahruntüchtigkeit der Klägerin zugestimmt. Denn sie hat sowohl dem an den Betriebsrat, als auch dem an die
SBV gerichteten Unterrichtungsschreiben den Bescheid des Integrationsamts vom 22.11.2017 beigefügt, so dass ein falscher Eindruck hinsichtlich des Ergebnisses des dort geführten Verfahrens gar nicht entstehen konnte. Hinzu kommt Folgendes: Wenn die Beklagte in ihrem Anhörungsschreiben ausführt, sie gehe nach Abschluss des Zustimmungsverfahrens davon aus, dass die Klägerin nach ärztlichen Erkenntnissen nicht mehr in der Lage sei, ein Fahrzeug sicher zu führen, zieht sie erkennbar Schlüsse aus einer Untersuchung, von der sie gehört hat, deren Ergebnis ihr aber unbekannt ist. Das macht ihre Formulierung deutlich, "dies begründete bei uns den Verdacht einer Fahruntüchtigkeit ...". Der Grundsatz der subjektiven Determinierung lässt diese Darstellung zu.
cc) Die Kündigung ist nicht wegen fehlerhafter Beteiligung der
SBV gem. § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX a.F. (nunmehr
§ 178 Abs. 2 Satz 3 SGB IX) unwirksam. Nach dieser Vorschrift ist die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen unwirksam, die der Arbeitgeber ohne vorherige Anhörung der
SBV ausspricht. Gemäß § 95
Abs. 2 Satz 1
SGB IX a.F. muss die Anhörung unverzüglich und umfassend erfolgen. Unverzüglich handelt der Arbeitgeber, wenn er die
SBV ohne schuldhaftes Zögern anhört, sobald er seinen Kündigungswillen gebildet hat. Da die Anhörung nachgeholt werden kann (§ 95
Abs. 2 Satz 2
SGB IX), ist eine Kündigung nicht allein deshalb unwirksam, weil der Arbeitgeber die
SBV erst nach Anhörung des Betriebsrats oder sogar erst nach Zustimmung des Integrationsamts beteiligt hat (
BAG 13.12.2018 - 2 AZR 378/18 -). Die Kündigung wird erst durch den "Kündigungsauspruch" vollzogen.
Im vorliegenden Fall durfte die Beklagte daher die Entscheidung des Integrationsamts abwarten, bevor sie die erst seit dem 10.10.2017 existierende
SBV angehört hat. Sie musste weder sofort nach deren Gründung noch umgehend nach erteilter Zustimmung durch das Integrationsamt am 22.11.2017 die
SBV anhören. Die Anhörung am 07.12.2017 erfolgte deutlich vor Ausspruch der Kündigung am 18.12.2017.
Die Beklagte hat die
SBV auch hinreichend informiert. Umfang und Inhalt der Unterrichtung der
SBV entsprechen im Wesentlichen den Anforderungen der Betriebsratsanhörung
gem. § 102
BetrVG (
BAG 13.12.2018 - 2 AZR 378/18 -). Im vorliegenden Fall stimmte die Anhörung der
SBV (Anlage B 26) mit der des Betriebsrats überein und war damit ordnungsgemäß (s.o. III. 2. a) bb)) zur Betriebsratsanhörung).
b) Der Beklagten steht ein Auflösungsgrund im Sinne des § 9
Abs. 1 Satz 2
KSchG zur Seite.
aa) Die Begründetheit des Auflösungsantrages des Arbeitgebers setzt nach § 9
Abs. 1 Satz 2
KSchG voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. An die Gründe sind strenge Voraussetzungen zu stellen (
BAG 29.08.2013 - 2 AZR 419/12 -;
BAG 02.06.2005 - 2 AZR 234/04 -). Die Anforderungen dürfen aber nicht in der Weise überspannt werden, dass eine Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderlich wäre. Denn wenn dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist, kann er das Arbeitsverhältnis - ohne eine Abfindung zahlen zu müssen - außerordentlich nach § 626
BGB kündigen (APS/Biebl, § 9
KSchG Rn. 49). Die Auflösung auf Antrag des Arbeitgebers setzt voraus, dass sich eine schwere Beeinträchtigung des Arbeitsverhältnisses prognostizieren lässt (
BAG 08.10.2009 - 2 AZR 682/08 -). Es geht um die Würdigung, ob die zum Zeitpunkt der abschließenden Entscheidung in der Tatsacheninstanz gegebenen Umstände eine künftige gedeihliche Zusammenarbeit noch erwarten lassen (
BAG 10.06.2008 - 2 AZR 1111/06 -).
Auflösungsgründe
i. S. v. § 9
Abs. 1 Satz 2
KSchG können Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, eine Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu
den übrigen Mitarbeitern betreffen (
BAG 11.07.2013 - 2 AZR 994/12 -;
BAG 10.06.2008 - 2 AZR 1111/06 -). Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen (
BAG 24.05.2018 - 2 AZR 73/18 -). Entscheidend ist, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (
BAG 29.08.2013 - 2 AZR 419/12 -). Als Auflösungsgründe können Gründe herangezogen werden, die zeitlich vor oder nach Zugang der Kündigung liegen. Der Arbeitgeber darf sich grundsätzlich auch auf solche Gründe berufen, mit denen er zuvor - erfolglos - die ausgesprochene Kündigung begründet hat. Er muss dann aber zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, aus denen sich ergibt, dass der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht rechtfertigt, gleichwohl so beschaffen ist, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt (
BAG 02.06.2005 - 2 AZR 234/04 -). Das kann auch bei dem Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung der Fall sein (ErfK/Kiel, § 9
KSchG Rn. 17; Arnold in Thüsing/Rachor/Lembcke, § 9
KSchG Rn. 51), aber nur
wenn die strengen Voraussetzungen erfüllt sind, die das Bundesarbeitsgericht für die Verdachtskündigung entwickelt hat (
vgl. dazu
BAG 23.06.2009 - 2 AZR 474/07 -).
Erklärungen des Arbeitnehmers oder von ihm veranlasste Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten, wenn er sie sich zu eigen gemacht hat, können relevant sein. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse gedeckt sein können. Parteien dürfen zur Verteidigung ihrer Rechte schon im Hinblick auf den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103
Abs. 1
GG) alles vortragen, was als rechts-,
einwendungs- oder einredebegründeter Umstand prozesserheblich sein kann. Bewusst wahrheitswidriger Prozessvortrag eines Arbeitnehmers in einem Kündigungsrechtsstreit, den dieser hält, weil er befürchtet, mit wahrheitswidrigen Angaben den
Prozess zu verlieren, kann geeignet sein, eine Auflösung zu rechtfertigen (
BAG 24.05.2018 - 2 AZR 73/18 -).
Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Tatsachen, die seinen Auflösungsantrag rechtfertigen sollen. Das Gericht darf in seine Entscheidung keine unsubstantiierten Behauptungen einbeziehen, selbst wenn es diese
nach dem Prozessverlauf für möglich hält (ErfK/Kiel, § 9
KSchG Rn. 23).
bb) Die Beklagte kann sich auf einen Auflösungsgrund im Sinne des § 9
KSchG berufen.
Die Klägerin hat gegen die ihr obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241
Abs. 2
BGB verstoßen, indem sie die Beklagte nicht über das Ergebnis der am 13.02.2017 durchgeführten G 25-Untersuchung informiert hat und zwar unabhängig davon, ob sie verpflichtet war, sich einer solchen Untersuchung zu stellen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Klägerin, obwohl bei der Gelegenheit Fahruntüchtigkeit festgestellt worden ist, von diesem Untersuchungsergebnis geht die Berufungskammer aus, weiter mit dem Dienstwagen den Außendienst verrichtet hat. Damit hat sie die Gefahr erheblicher Schäden durch Unfälle heraufbeschworen. Dieses Verhalten der Klägerin rechtfertigt die Besorgnis, dass eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit ihr nicht zu erwarten ist, zumal sie bis zuletzt den Standpunkt vertreten hat, sie müsse das Ergebnis der Fahrtauglichkeitsuntersuchung nicht mitteilen, egal, wie es ausgefallen sei.
(1) Die Klägerin ist im Februar 2017 bei der BAD auf ihre Fahrtüchtigkeit untersucht worden. Ob die Klägerin sich einer solchen Untersuchung unterziehen musste oder ob sie diese hätte verweigern können, worauf sie in der Berufungsverhandlung immer wieder abgehoben hat, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass eine G 25-Untersuchung durchgeführt worden ist und ein Ergebnis hervorgebracht hat. Denn maßgebend ist, dass die Klägerin von dem Untersuchungsergebnis Kenntnis hatte. Das hat Frau
Dr. G. in ihrer E-Mail vom 18.05.2017 gegenüber der Beklagten bestätigt. Sie hat erklärt, dass sie am 13.02.2017 bei der Klägerin eine sog. G 25-Untersuchung zur Fahr- und Steuertauglichkeit durchgeführt und die Ergebnisse mit ihr besprochen hat (Anlage B 18 = Bl. 91 d.A.).
(2) Das Untersuchungsergebnis hat bis zuletzt weder die BAD noch die Klägerin der Beklagten mitgeteilt. Die untersuchende Ärztin durfte sich nicht äußern, denn die Klägerin hat sie nicht von der Schweigepflicht entbunden.
(3) Unstreitig ist die Klägerin nach der Untersuchung weiter mit dem Dienstwagen der Beklagten gefahren.
(4) Die Berufungskammer ist davon überzeugt, dass Frau
Dr. G. der Klägerin im Februar 2017 Fahruntüchtigkeit attestiert hat. Über dieses Ergebnis musste die Klägerin die Beklagte informieren.
(a) Gemäß § 286
Abs. 1
ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob es eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr erachtet. Das Gericht hat dabei auch die prozessualen und vorprozessualen Handlungen, Erklärungen und Unterlassungen der Parteien und ihrer Vertreter zu würdigen. Weigert sich ein Prozessbeteiligter, seine Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden, und macht er der beweispflichtigen Gegenpartei die Beweisführung unmöglich, kann das als Beweisvereitelung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein. Dabei führt eine solche Beweisvereitelung - anders als mangelndes Bestreiten nach § 138
Abs. 3
ZPO - nicht ohne Weiteres dazu, dass der Vortrag der beweisbelasteten Partei als zugestanden gilt. Vielmehr kommen
Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast in Betracht, wenn dem Beweispflichtigen die volle Beweislast billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann (
BAG 08.05.2014 - 2 AZR 75/13 -). Welche beweisrechtlichen Konsequenzen angemessen sind, ist unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (
BGH 23.10.2008 - VII ZR 64/07 -).
(b) Auf Grundlage des Vortrags der Parteien und nach der Anhörung der Klägerin in der Berufungsverhandlung (§ 141
ZPO) zu dem Untersuchungsergebnis hält die Berufungskammer die Behauptung der Beklagten für wahr, Frau
Dr. G. habe am 13.02.2017 festgestellt, dass die Klägerin fahruntüchtig ist.
(aa) Es ist streitig, welches Ergebnis die G 25-Untersuchung am 13.02.2017 erbracht hat. Die Beklagte behauptet, Frau
Dr. G. habe bei dieser Gelegenheit die Fahruntüchtigkeit der Klägerin festgestellt. Die Klägerin behauptet dagegen, durchgängig fahrtüchtig gewesen zu sein und bestreitet damit zumindest konkludent das von der Beklagten behauptete Untersuchungsergebnis.
(bb) Das Ergebnis der G 25-Untersuchung vom 13.02.2017 liegt nicht vor. Es war weder von der Beklagten noch vom Gericht zu erlangen.
Zur Untersuchung hat die Klägerin zunächst gegenüber der Beklagten behauptet (Schreiben vom 26.03.2017 = Anlage B 17), ihr sei kein Untersuchungsergebnis zu der G-25 Untersuchung mitgeteilt worden. Später hat sie geltend gemacht, es bestünde kein Anlass, das Ergebnis der Beklagten zur Verfügung zu stellen (Schreiben ihrer Anwälte vom 13.07.2017 = Anlage B 21). Eine G 25-Untersuchung habe gar nicht durchgeführt werden dürfen.
Frau
Dr. G. hat auf ihre Schweigepflicht verwiesen (Anlage B 18 = Bl. 91 d. A.).
Die Klägerin hat auf die Frage nach der Schweigepflichtentbindung in der gerichtlichen Verfügung vom 16.09.2019 mitgeteilt, dass sie Frau
Dr. G. weiterhin nicht von der Schweigepflicht entbinden wird.
(cc) Die für das Vorliegen des Auflösungsgrundes darlegungs- und beweispflichtige Beklagte konnte den Beweis für ihre Behauptung, es sei festgestellt worden, dass die Klägerin fahruntüchtig ist, nicht führen. Die Beklagte hatte zum Beweis für die Richtigkeit ihrer Behauptung das Zeugnis der Ärztin Frau
Dr. G. angeboten. Die beantragte Vernehmung der Ärztin Frau
Dr. G. musste aber unterbleiben, weil die Klägerin Frau
Dr. G. nicht von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden hat. Bei der Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht handelt es sich um ein höchstpersönliches Recht. Die Klägerin hat die Beweisführung der Beklagten vereitelt.
(aaa) Der Beweisantritt - Zeugnis der Frau
Dr. G. - für die festgestellte Fahruntüchtigkeit war zulässig. Anders als die Klägerin meint, wäre die Vernehmung der Zeugin nicht auf die Erhebung eines unzulässigen Ausforschungsbeweises hinausgelaufen.
Die Beklagte hat - wie sie einräumt und beklagt - keine nähere Kenntnis von dem Ergebnis der G 25-Untersuchung vom 13.02.2017, denn sie hat weder von der BAD noch von der Klägerin Informationen erhalten. Sie vermutet und behauptet, dass dort die Fahruntüchtigkeit der Klägerin festgestellt worden ist. Grundsätzlich können auch vermutete Tatsachen unter Beweis gestellt werden. Zu einem unzulässigen Ausforschungsbeweis wird ein solcher Beweisantrag erst dann, wenn die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich und rechtmissbräuchlich Behauptungen "auf Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufstellt (
BGH 15.05.2003 - III ZR 7/02 -). Davon kann hier keine Rede sein. Aus der beharrlichen Weigerung der Klägerin, der Beklagten das Ergebnis der G 25- Untersuchung zugänglich zu machen, konnte die Beklagte nur den Schluss ziehen, dass das Ergebnis für die Klägerin ungünstig war. Warum sonst sollte sie das Ergebnis verschweigen? Es ist nicht nachzuvollziehen, warum die Klägerin das Ergebnis der Untersuchung zu verbergen sucht, wenn sie doch stets behauptet, fahrtüchtig gewesen zu sein. Wenn die Untersuchung für die Klägerin günstig ausgegangen wäre, hätte nichts nähergelegen, als das Ergebnis mitzuteilen oder von der BAD mitteilen zu lassen.
Die Beklagte hat ihre Behauptung auch deshalb nicht "ins Blaue hinein" aufgestellt, weil die Klägerin zunächst behauptet hat, ihr sei kein Untersuchungsergebnis mitgeteilt worden. Nachdem Frau
Dr. G. ausgeführt hatte, dass sie das Untersuchungsergebnis mit der Klägerin besprochen hat, hat sich die Klägerin darauf zurückgezogen, sie müsse das Ergebnis nicht offenlegen oder die Ärztin von der Schweigepflicht entbinden. Diese an den jeweiligen Erkenntnisstand angepassten Erklärungen legen die Vermutung nahe, dass die Untersuchung ein für die Klägerin ungünstiges Ergebnis ergeben hat. Die Behauptung der Beklagten ist demnach nicht "aus der Luft gegriffen".
(bbb) Die Weigerung der Klägerin, Frau
Dr. G. von der Schweigepflicht zu entbinden, ist als Beweisvereitelung im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Eine Beweisvereitelung kommt in Betracht, wenn jemand - wie hier die Klägerin - seinem
beweispflichtigen Gegner die Beweisführung unmöglich macht. Welche beweisrechtlichen Konsequenzen angemessen sind, ist sodann unter Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (
BGH 23.10.2008 - VII ZR 64/07). Im vorliegenden Fall führt die unterbliebene Entbindung der Ärztin von der Schweigepflicht zur Umkehr der Beweislast. Dass Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast in Betracht kommen, wenn dem Beweispflichtigen die volle Beweislast billigerweise nicht mehr zugemutet werden kann, hat das Bundesarbeitsgericht bereits entschieden (
BAG 08.05.2014 - 2 AZR 75/13 -). Es ist auch gerechtfertigt, die Klägerin diesen Rechtsnachteil erleiden zu lassen, weil sie der Beklagten durch die Verweigerung der Schweigepflichtentbindung die einzige Möglichkeit genommen hat, den Beweis zu führen. Ohne entsprechende Erlaubnis der Klägerin dürfen weder die untersuchende Ärztin noch die BAD das Untersuchungsergebnis mitteilen. Andere Mittel stehen der Beklagten zum Beweis ihrer Behauptung nicht zur Verfügung. Alle weiteren Erkenntnisquellen hat die Beklagte ausgeschöpft.
Die Beklagte war auf das Beweismittel angewiesen. Amtliche Erklärungen oder ärztliche Bescheinigungen aus denen auf die Fahrtüchtigkeit oder Fahruntüchtigkeit der Klägerin im Februar 2017 geschlossen werden kann, fehlen. Die Führerscheinstelle
des Landkreises C. hat der Klägerin mit Schreiben vom 26.09.2019 unter dem Betreff "Überprüfung Ihrer Kraftfahreignung" zwar mitgeteilt, "dass die Bedenken gegen Ihre Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeräumt werden konnten". Die Beklagte hatte zuvor über ihre Prozessbevollmächtigten mit E-Mail vom 26.03.2019 um Prüfung gebeten, da sie befürchtete, dass die Klägerin "trotz einer am 13. Februar 2017 betriebsärztlich festgestellten Fahruntüchtigkeit beruflich und privat mit dem Firmenfahrzeug rechtwidrig am Straßenverkehr teilnimmt". Mit der Feststellung der Führerscheinstelle ist aber nicht gesagt, dass die Klägerin in der Vergangenheit, insbesondere im Februar 2017, fahrtüchtig war und erst recht nicht, was die streitgegenständliche Untersuchung ergeben hat. Die von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen besagen nichts zu ihrer Fahrtüchtigkeit im Februar 2017.
Auch unter Berücksichtigung ihres Persönlichkeitsrechts war es der Klägerin zuzumuten, die Zeugin
Dr. G. von der Schweigepflicht zu entbinden. Jedenfalls bezogen auf das Untersuchungsergebnis wäre dem Schutz ihres Persönlichkeitsrechts hinreichend Rechnung getragen, wenn sie die Ärztin nur hinsichtlich des Ergebnisses der Untersuchung - fahrtüchtig oder nicht - von der Schweigepflicht entbunden hätte.
Eine weitergehende Schweigepflichtentbindung - etwa bezüglich der Diagnose der gesundheitlichen Situation und der medizinischen Begründung der Entscheidung - war nicht verlangt.
(c) Die Klägerin trägt wegen dieser Beweisvereitelung die Beweislast dafür, dass Frau
Dr. G. ihr am 13.02.2017 nicht die Fähigkeit abgesprochen hat, ein Fahrzeug zu führen, sie vielmehr als fahrtüchtig beurteilt hat. Diesen Beweis hat die Klägerin nicht erbracht. Dass sie im Februar 2017 fahrtüchtig war, steht gerade nicht fest.
Die Klägerin ist in der Berufungsverhandlung am 04.03.2020 bei der Ansicht geblieben, sie müsse und wolle sich nicht dazu erklären, warum sie die Zeugin
Dr. G. nicht von der Schweigepflicht hinsichtlich des Untersuchungsergebnisses entbinden will, denn die Untersuchung hätte gar nicht stattfinden dürfen.
3. Das Arbeitsverhältnis ist zum 31.07.2018 aufzulösen. Als Auflösungszeitpunkt ist nach § 9
Abs. 2
KSchG zwingend der Zeitpunkt festzulegen, zu dem das Arbeitsverhältnis bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte. Das ist hier - unter Zugrundelegung der ordentlichen Kündigungsfrist - der 31.07.2018.
4. Im Streitfall hält die Berufungskammer eine Abfindung iHv.
EUR 85.176,00,00 für angemessen. Nach
§ 10 Abs. 2 Satz KSchG ist bei der gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses als Abfindung ein Betrag von bis zu 18 Monatsverdiensten festzusetzen, wenn der Arbeitnehmer das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet und das Arbeitsverhältnis mindestens zwanzig Jahre bestanden hat. Die Klägerin war zum Auflösungszeitpunkt (31.07.2018) 58 Jahre alt. Ihre Betriebszugehörigkeit belief sich auf 22 Jahre. Angesichts des Lebensalters der Klägerin, der damit verbundenen Schwierigkeiten, einen neuen Arbeitsplatz zu finden und aufgrund ihrer Schwerbehinderung besteht Anlass, den Abfindungsrahmen voll auszuschöpfen.
IV.
Mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31.07.2018 besteht auch kein Weiterbeschäftigungsanspruch mehr.
V.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92
ZPO