Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 02.12.2010 - 2 Ca 1580/10 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:
Das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts vom 31.08.2010 wird aufrechterhalten, soweit darin festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 21.07.2010 mit Ablauf des 31.12.2010 aufgelöst worden ist.
Weitergehend wird die Beklagte verurteilt, den Kläger ab sofort bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits als Analyst im Bereich HdO/IdO weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung; der Kläger begehrt seine Weiterbeschäftigung.
Die Beklagte ist im Bereich der Audiologie und Hörsystemtechnik tätig. In der Vergangenheit entwickelte und vertrieb sie Hörsysteme im HdO- und IdO-Bereich ("Hinter dem Ohr" bzw. "In dem Ohr").
Im Betrieb besteht ein Betriebsrat, der am 19.05.2010 neu gewählt worden ist. Dabei trat der Kläger als Wahlbewerber auf. Er ist am 22.10.1963 geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder; mit einem Grad der Behinderung von 40 erfolgte die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.
Als ausgebildeter Feinmechanikermeister trat er mit Wirkung ab 01.08.1996 zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von zuletzt 3.160,59 EUR in die Dienste der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin, und zwar ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrages (Bl. 9 ff. d.A.) als Hörgerätetechniker. Nach einem von der Beklagten erteilten Zwischenzeugnis vom 22.02.2010 gehörte die Fertigung und Reparatur von IdO-Hörgeräten zu seinen Hauptaufgaben. Zwischenzeitlich war er auch in der audiologischen Kundenbetreuung tätig. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die mit Klägerschriftsatz vom 15.11.2010 eingereichte Kopie (Bl. 220 d.A.).
Die Beklagte hatte sich entschlossen, die Produktion von Hörgeräten in M2 sukzessive bis zum 31.08.2010 einzustellen. Es kam zur Schließung der bisherigen Abteilungen Produktion, Kundenservice und Lager mit insgesamt 56 Mitarbeitern. Parallel wurde ein neu strukturiertes Customer Care Center (CCC) geschaffen, in dem Restaufgaben der Logistik und Audiologie zusammengezogen sowie künftige neue Aufgabenbereiche definiert wurden. Im CCC arbeiten (noch) insgesamt 20 Arbeitnehmer, darunter sieben im Bereich "Technical Support", die alle auf dem Feld der Elektrotechnik einschlägig ausgebildet sind. Nach der maßgeblichen Stellenausschreibung fordert die Beklagte eine "Ausbildung zum Hörgeräteakustiker/-Meister oder elektrotechnische oder audiologische Ausbildung". Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten der Stellenbeschreibungen für einen technischen Mitarbeiter Customer Care und für einen Analysten HdO/IdO wird verwiesen auf die mit klägerischem Schriftsatz vom 15.11.2010 und Beklagtenschriftsatz vom 15.04.2011 eingereichten Kopien (Bl. 223 und 327, 221 f. d.A.).
Zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat kam es am 20.04.2010 zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans einschließlich einer Auswahlrichtlinie. Hinsichtlich der Einzelheiten wird verwiesen auf die mit Beklagtenschriftsatz vom 14.10.2010 zur Gerichtsakte gereichten Kopien (Bl. 159 ff. d.A.).
Auf dieser Basis beantragte die Beklagte am 17.05.2010 beim zuständigen Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers, die am 25.06.2010 erteilt wurde.
Am 13.07.2010 wandte sich dann die Beklagte an den Betriebsrat mit der Absicht, dem Kläger betriebsbedingt zum 31.12.2010 zu kündigen. Der Betriebsrat erhob Widerspruch, nachdem er bereits in einer schriftlichen Stellungnahme vom 08.06.2010 sich u.a. wie folgt eingelassen hatte:
"Unserer Meinung nach wäre eine Kündigung von Herrn W1 nicht sinnvoll.
Herr W1 hat umfangreiche Qualifikationen im Bereich der technischen Kundenberatung und erfüllt durchaus die zukünftigen Anforderungen des neu zu schaffenden Customer Care Centers in der G1 H1 GmbH. Vor allem in der technischen-audiologischen Beratung.
Sollte dies nach Meinung der Geschäftsführung nicht zutreffen, so ist Herr W1 doch aufgrund seiner bisherigen Berufserfahrung durchaus in einem zumutbaren Rahmen auf diese Qualifikation zu schulen."
Am 21.07.2010 sprach dann die Beklagte dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.10.2010 aus (Bl. 16 d.A.).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsplatz sei nicht entfallen. Er könne im CCC fortbeschäftigt werden. Die Beklagte schiebe insoweit nur vermeintlich höherwertige Stellen vor. Aufgrund seiner 480-stündigen Zusatzausbildung im Bereich Elektrotechnik verfüge er über eine fundierte Ausbildung, die höher anzusiedeln sei als die Qualifikation der ausgebildeten Elektrotechniker. So könne er namentlich die Aufgabe eines Analysten im Bereich HdO/IdO vollumfänglich wahrnehmen.
Am 31.08.2010 erging erstinstanzlich ein Versäumnisurteil - u.a. mit folgendem Tenor:
"Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 21.07.2010, dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, zum 31.12.2010 endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht."
Das Urteil wurde der Beklagten am 03.09.2010 zugestellt, woraufhin sie am 06.09.2010 Einspruch einlegte.
Der Kläger hat beantragt,
das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts vom 31.08.2010 aufrechtzuerhalten und die Beklagte zu verurteilen, ihn als Hörgerätetechniker zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zur Rechtskraft der Entscheidung weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts vom 31.08.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie hat herausgestrichen, dass infolge der Produktionsverlagerung ins britische Oxford u.a. die Abteilung Kundenservice, in der der Kläger beschäftigt gewesen sei, zum 31.08.2010 geschlossen worden sei. Im neu gegründeten CCC müssten alle Mitarbeiter über einschlägige Fachausbildungen verfügen. Da der Kläger eine solche nicht aufweise, sei ihm zu Recht - wie allen anderen vergleichbaren Arbeitnehmern auch - betriebsbedingt gekündigt worden.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 02.12.2010 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei aufgrund zahlreicher Weiterbildungsmaßnahmen durchaus in der Lage, die Aufgaben im CCC sachgerecht zu erfüllen, auch wenn er nicht über eine einschlägige staatliche Fachausbildung namentlich im elektrotechnischen Bereich verfüge.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
Sie weist darauf hin, dass mit der vorgenommenen Umstrukturierung der Arbeitsplatz des Klägers ersatzlos entfallen sei. Aufgrund der bei ihm fehlenden, vom Interessenausgleich aber gewollten und geforderten spezifischen staatlich anerkannten Berufsausbildung habe man ihn im neu geschaffenen CCC nicht fortbeschäftigen können.
Grund für die Einführung des zwingenden Kriteriums einer abgeschlossenen staatlichen Berufsausbildung sei gewesen, dass die Mitarbeiter im CCC aufgrund der angehobenen Kenntnisse und Fähigkeiten nunmehr in der Lage seien, Kundenanliegen unmittelbar und kompetent zu bearbeiten, während es in der Vergangenheit zu erheblichen Reibungs- und Qualitätsverlusten im Kundenservice gekommen sei.
Auch gebe es erhebliche Unterschiede zwischen den anfallenden Arbeiten vor und nach den vorgenommenen Änderungen. So sei das CCC nicht mehr produktionstechnisch, sondern auf Verkauf, Beratung und Kundenservice ausgerichtet. Der Kläger könne zwar noch einen kleinen Teil der nunmehr anfallenden Tätigkeiten ausführen, aber nicht mehr das gesamte Spektrum namentlich eines Elektrotechnikers abdecken.
Im Übrigen habe es ihr, der Beklagten, auch freigestanden, für die neu geschaffenen Stellen im CCC eine abgeschlossene staatliche Berufsausbildung zu verlangen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Münster vom 02.12.2010 - 2 Ca 1580/10 - abzuändern, das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Münster vom 31.08.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er streicht heraus, seine Tätigkeiten, z.B. Fehleranalyse, technisch-audiologische Kundenberatung, Bearbeitung technischer Anfragen und Ferndiagnosen, seien gar nicht entfallen; abgesehen davon sei auch nicht erkennbar, warum es nunmehr erforderlich sei, dass Mitarbeiter namentlich im Technical Support zwingend eine einschlägige staatliche Berufsausbildung aufweisen müssten. Er, der Kläger, habe über insgesamt 480 Stunden an drei Weiterbildungsmaßnahmen der Handwerkskammer teilgenommen. Aufgrund dieser Fortbildung und der langjährigen Berufserfahrung könne er namentlich die Aufgaben eines Analysten im HdO/IdO-Bereich vollumfänglich ausführen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.