A.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 64
Abs. 1, 2
ArbGG an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66
Abs. 1
ArbGG.
B.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
I.
Die streitgegenständliche Kündigung der Beklagten vom 30.06.2011 ist wegen Fehlens eines Kündigungsgrundes sozialwidrig im Sinne des
§ 1 Abs. 1, 2 KSchG und führt daher nicht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien. Ob die Kündigung auch wegen Verstoßes gegen § 1
Abs. 3
KSchG, § 174 Satz 1
BGB und/oder
§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam ist, kann dahinstehen.
1. Die streitgegenständliche Kündigung bedarf einer sozialen Rechtfertigung. Das Kündigungsschutzgesetz findet in Anbetracht der langjährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien sowie der Größe des F. Betriebs der Beklagten gemäß §§ 1
Abs. 1,
23 Abs. 1 Satz 2 unzweifelhaft Anwendung. Der Kläger hat seinerseits die gemäß
§ 4 Satz 1 KSchG zu beachtende dreiwöchige Klagefrist durch Erhebung der vorliegenden Klage am 19.
bzw. 20. Tag nach Zugang der Kündigung gewahrt.
2. Die Kündigung der Beklagten vom 30.06.2011 ist nicht sozial gerechtfertigt. Dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1
Abs. 2
KSchG, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers über den 31.12.2011 hinaus entgegenstehen, liegen nicht vor.
a. Eine Kündigung ist durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Auf der Grundlage der betrieblichen Dispositionen des Arbeitgebers müssen im Tätigkeitsbereich des Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein, als zur Erledigung der anfallenden Arbeiten benötigt werden. Dieser Überhang muss auf Dauer zu erwarten sein. Regelmäßig entsteht ein Überhang an Arbeitskräften nicht allein und unmittelbar durch bestimmte wirtschaftliche Entwicklungen (etwa einem Produktions- oder Umsatzrückgang
etc.), sondern aufgrund einer - oftmals durch diese Entwicklungen veranlassten - Organisationsentscheidung des Arbeitgebers (
BAG, Urteil vom 23.02.2012 - 2 AZR 548/10, NZA 2012, 852). Betriebliche Erfordernisse, die eine Kündigung bedingen, können sich aus außer- wie innerbetrieblichen Umständen ergeben. Im letztgenannten Fall kann ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegen, wenn eine im Betrieb tatsächlich umgesetzte unternehmerische Organisationsentscheidung zu einem Rückgang des Arbeitskräftebedarfs führt, der sich auf die Anzahl der im Betrieb verbliebenen Arbeitsplätze auswirkt. Eine solche unternehmerische Organisationsentscheidung kann etwa in einer Stilllegung von Teilen des Betriebs, in einem Outsourcen von bisher intern erledigten Arbeitsaufgaben oder schlicht in der Bestimmung einer kleineren Zahl der Belegschaftsmitglieder liegen, mit denen die im Betrieb anfallende Arbeitsmenge erledigt werden soll (
BAG, Urteil vom 02.06.2005 - 2 AZR 480/04, NZA 2006, 207). Derartige unternehmerische Entscheidungen sind von den Gerichten nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich sind. Nachzuprüfen ist aber, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich getroffen und umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist (
BAG, Urteile vom 16.12.2010 - 2 AZR 770/09, NZA 2011, 505; vom 13.02.2008 - 2 AZR 1111/06, NZA 2009, 312).
Führen die außer- oder innerbetrieblichen Umstände nicht zu einer dauerhaften Reduzierung des Arbeitskräftebedarfs im Betrieb, so besteht kein dringendes betriebliches Erfordernis zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Erschöpft sich die unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, so ist sie vom Kündigungsentschluss selbst kaum zu unterscheiden. Da die Kündigung nach dem Gesetz an das Vorliegen von Gründen gebunden ist, die außerhalb ihrer selbst liegen, muss der Arbeitgeber in solchen Fällen seine Entscheidung hinsichtlich ihrer organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit verdeutlichen (
BAG, Urteil vom 16.12.2010 - 2 AZR 770/09, aaO). Nur so kann das Gericht prüfen, ob sie missbräuchlich ausgesprochen worden ist. Das wäre der Fall, wenn die Kündigung zu einer rechtswidrigen Überforderung oder Benachteiligung des im Betrieb verbleibenden Personals führte oder die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung lediglich Vorwand dafür wäre, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen, obwohl Beschäftigungsbedarf und Beschäftigungsmöglichkeiten objektiv fortbestehen und etwa nur der Inhalt des Arbeitsvertrags als zu belastend angesehen wird (
BAG, Urteil vom 22.05.2003 - 2 AZR 326/02, EzA § 1
KSchG Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 126). Der Arbeitgeber muss deshalb konkret erläutern, in welchem Umfang und aufgrund welcher Maßnahmen die bisher vom gekündigten Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten für diesen zukünftig entfallen. Er muss die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose konkret darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen, d.h. im Rahmen ihrer vertraglich geschuldeten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, erledigt werden können. Wird die Kündigung auf eine zu erwartende künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse gestützt, braucht diese bei Kündigungsausspruch noch nicht tatsächlich eingetreten zu sein. Es genügt, dass sie sich konkret und greifbar abzeichnet. Das ist der Fall, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung die auf Tatsachen gestützte, vernünftige betriebswirtschaftliche Prognose gerechtfertigt ist, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit ein die Entlassung erforderlich machender betrieblicher Grund vorliegen. Dabei muss eine der entsprechenden Prognose zugrunde liegende eigene unternehmerische Entscheidung des Arbeitgebers aber bereits im Kündigungszeitpunkt endgültig getroffen worden sein. Andernfalls kann eine zum Wegfall des Arbeitsplatzes führende Entscheidung nicht sicher prognostiziert werden (
BAG, Urteile vom 23.02.2012 - 2 AZR 548/10, aaO; vom 09.09.2010 -
2 AZR 493/09, EzA § 1
KSchG Betriebsbedingte Kündigung
Nr. 164).
b. Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte auch unter Berücksichtigung ihres ergänzenden Vortrags in der Berufungsinstanz nicht hinreichend dargelegt, dass im Moment des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung absehbar war, dass sich das Arbeitsvolumen des Klägers aufgrund einer nachvollziehbaren unternehmerischen Entscheidung der Beklagten bis zum 31.12.2011 dergestalt verringern würde, dass die Arbeitskraft des Klägers zur Gänze entbehrlich sein würde.
(1) Die Kammer ist schon nicht davon überzeugt, dass die Beklagte in Person des zuständigen Head of Business Unit B. am 22.11.2010 den endgültigen und "unumstößlichen" Entschluss gefasst hat, den Bereich "Werkzeugmaschinen" innerhalb der Abteilung MEM einschließlich der bisherigen Auslandsaktivitäten spätestens zum 31.12.2011 vollständig aufzugeben. In den von der Beklagten in diesem Zusammenhang vorgelegten Präsentation zur Aufsichtsratssitzung an selbigem Tage ist vom 31.12.2011 nicht die Rede, sondern vielmehr von "ME management priorities for next 3-6 months" und "until 30.06.2011". Eine Umsetzung in diesem Zeitraum ist nicht erfolgt. Hinzu kommt, dass es im Schriftsatz der Beklagten vom 15.08.2012 nunmehr heißt, man habe die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Geschäftsbereich "Werkzeugmaschinen" "nicht mehr in dem Umfang der Vergangenheit" vorzuhalten. Das ist etwas anderes als eine vollständige Stilllegung des Bereichs und erklärte zumindest, warum die Beklagte auch im Jahre 2012 noch weiterhin Aktivitäten im Bereich des (Vermittlungs-) Geschäfts Werkzeugmaschinen entwickeln würde, "wenn sich die Gelegenheit bieten" würde (
vgl. Blatt 3 des Schriftsatzes vom 15.08.2012). Insgesamt erscheint daher fraglich, ob die Grundentscheidung vom 22.11.2010 über die Maßgabe hinaus, im Arbeitsbereich des Klägers so viele Kosten als möglich einzusparen, bereits das definitive Aus für alle dort vorhandenen Arbeitsplätze bedeutete.
(2) Nicht hinreichend nachvollziehbar ist weiterhin, inwieweit der Beschäftigungsbedarf des Klägers kausal durch die von der Beklagten behauptete unternehmerische Entscheidung zum 31.12.2011 in Wegfall geraten sein soll.
(a) Nach dem Vortrag des Beklagten beschränkte sich die Tätigkeit des Klägers in der Vergangenheit auf unterstützende Arbeiten im rein technischen Bereich, die wegen der künftigen Konzentration auf Vermittlungs- und Lizenzgeschäfte generell nicht mehr anfallen werden; deshalb sei der Kläger entbehrlich. Die dieser Argumentation zugrunde liegende trennscharfe Abgrenzung von kaufmännischen und technischen Tätigkeiten einerseits und der gänzliche Entfall aller technischen Aufgaben andererseits leuchtet indes nicht ein: Als Verkaufsingenieur ist und war der Kläger schon nach Maßgabe seiner vertraglichen Aufgabenstellung an einer Schnittstelle zwischen Technik und Vertrieb beschäftigt. Die Beklagte projektiert Großanlagen, bei denen es sich um Unikate handelt. Selbst wenn sie hierbei nur als zwischengeschalteter Makler agiert, das heißt den anfragenden Kunden an einen oder mehrere potentielle Lieferanten vermittelt, erschließt sich nicht, wie derartige Leistungen auf rein kaufmännischer Basis ohne jeden technischen Background erbracht werden können sollen. Es muss doch zumindest geklärt werden, wie die technischen Anforderungen des Kunden aussehen und was zu deren Umsetzung benötigt wird, um überhaupt einschätzen zu können, zu welchem Lieferanten das jeweilige Anforderungsprofil passt. Es überrascht daher nicht, dass der Kläger bei der Aufstellung des Katalogs seiner Aufgaben (Blatt 6 der Berufungserwiderung) zum Beispiel die "Ausdehnung des Produktportfolios durch Bildung neuer Partnerschaften auf der Beschaffungsseite" und die "... enge Abstimmung mit den Lieferanten in technischen Fragen" aufführt. Der Katalog enthält daneben als eher kaufmännisch zu bezeichnende Tätigkeiten, zu denen sich die Beklagte im Rahmen ihrer Duplik vom 15.08.2012 im Einzelnen nicht verhalten hat.
(b) Überhaupt vermittelt der Vortrag der Beklagte kein Bild davon, womit sich der Kläger zuletzt (im Jahre 2011) während seiner Arbeitszeit im Einzelnen positiv beschäftigt hat, welches der ja unstreitig noch laufenden Projekte er wann und in welchem zeitlichen Umfang bearbeitet hat. Lediglich pauschal weist die Beklagte darauf hin, der Kläger habe mit seinen Kenntnissen als "Ansprechpartner und Fachmann für technische Fragestellungen im Rahmen der Vertriebsgeschäfte" fungiert und dort "unterstützende Tätigkeit ... ohne kaufmännische Verantwortung" erbracht. Zugleich ist aber davon die Rede, dass die Arbeitskraft des Klägers faktisch seit Jahren obsolet ist, weil die Beklagte bei ihren Vermittlungsgeschäften schon seit Längerem keine technische Verantwortung mehr übernehme und deshalb die vom Kläger erbrachte Ingenieurstätigkeit nicht mehr erforderlich sei. Man habe ihn aber bei dem Versuch, sein Geschäftsfeld der technischen Überwachung von Vertriebsaktivitäten zu erhalten, gewähren lassen. - Was bedeutet das? Wie sieht der Arbeitsbereich aus, den sich der Kläger in stillschweigendem Einvernehmen mit der Beklagten geschaffen hat, zum Beispiel im Hinblick auf die Betreuung des Kunden W. in Vietnam? War er beschränkt auf den Bereich der "Werkzeugmaschinen", oder trifft der Einwand des Klägers zu, eine genaue Abgrenzung zwischen diesem Bereich und den weiteren Aktivitäten der Abteilung MEM lasse sich nicht ziehen?
(c) In zeitlicher Hinsicht ist schließlich zu berücksichtigen, dass der Kläger in die Abwicklung der im Kündigungszeitpunkt bereits laufenden Projekte der Abteilung MEM nach Maßgabe seiner Aufstellung K7 (Anlage zum Schriftsatz vom 19.09.2011) involviert ist oder war, deren Richtigkeit die Beklagte nicht bestritten hat. Fünf dieser Projekte - Handelsgeschäfte - liefen danach bis teilweise weit ins Jahr 2012 und waren daher absehbar bei Ablauf der Kündigungsfrist des Klägers noch nicht beendet. Ob und welche Aktivitäten insoweit 2012 noch anstanden, wer - gegebenenfalls anstelle des Klägers - die Arbeiten erledigt hat und ob und wie ihm dies ohne überobligatorischen Einsatz möglich war, bleibt offen.
c. Ergänzend sei erwähnt, dass die Kündigung des Klägers auch deshalb hätte vermieden werden können, weil der Kläger auf einer freien Stelle am Standort H. hätte weiterbeschäftigt werden können. Der Kläger hat bereits erstinstanzlich die Ausschreibung einer Stelle als "Project Purchasing Manager" (
Nr. 300416, Anlage K18 zum Schriftsatz vom 31.10.2011) vorgelegt, die nach seiner Einschätzung "haargenau" der eigenen Qualifikation entsprach; objektiv ist zumindest nicht erkennbar, warum der Kläger die einschlägigen Anforderungen der Stelle nicht erfüllte. Hierzu hat sich die Beklagte mit keinem Wort verhalten; insbesondere hat sie nicht behauptet, dass die Vakanz dieser Stelle im Zeitpunkt des Zugangs der streitgegenständlichen Kündigung noch nicht absehbar war.
II.
Ohne Erfolg begehrt die Beklagte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Parteien gegen Zahlung einer Abfindung. Die hierin liegende Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist zwar schon gemäß
§ 9 Abs. 1 Satz 3 KSchG zweifelsfrei zulässig. Der Antrag der Beklagten ist jedoch unbegründet. Es liegen keine Gründe im Sinne des § 9
Abs. 1 Satz 2
KSchG vor, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Parteien nicht erwarten lassen.
1. Das Kündigungsschutzgesetz lässt die Auflösung des Arbeitsverhältnisses trotz Sozialwidrigkeit der Kündigung nur ausnahmsweise zu. Es ist nach seiner Konzeption ein Bestandsschutz- und kein Abfindungsgesetz. Deshalb sind an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen (
BAG, Urteil vom 23.02.2010 - 2 AZR 554/08, NZA 2010, 1123). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist derjenige der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Von diesem Standpunkt aus ist zu fragen, ob in der Zukunft eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist (
BAG, Urteile vom 24.03.2011 - 2 AZR 674/09, EzA § 9
KSchG nF Nr. 62; vom 10.07.2008 - 2 AZR 1111/06, NZA 2009, 312). Auflösungsgründe im Sinne von § 9
Abs. 1 Satz 2
KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Entscheidend ist, ob die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (
BAG, Urteil vom 08.10.2009 - 2 AZR 682/08, EzA § 9
KSchG nF Nr. 57). In diesem Sinne als Auflösungsgrund geeignet sind etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen (
BAG, Urteil vom 09.09.2010 - 2 AZR 482/09, EzA § 9
KSchG nF Nr. 60). Das gilt auch für Äußerungen eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzverfahren, wenn diese vom Arbeitnehmer veranlasst sind oder der Arbeitnehmer sie sich ohne Distanzierung zu eigen macht (
BAG, 10.06.2010 - 2 AZR 297/09, NJW 2010, 3796). Zu berücksichtigen ist aber auch, dass gerade Erklärungen in laufenden Gerichtsverfahren - etwa dem Kündigungsschutzprozess selbst - durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. Darüber hinaus ist mit Blick auf eine prozessuale Auseinandersetzung zu berücksichtigen, dass Parteien zur Verteidigung von Rechten schon im Hinblick auf das rechtliche Gehör (
Art. 103
GG) alles vortragen dürfen, was als rechts-, einwendungs- oder einredebegründender Umstand prozesserheblich sein kann. Anerkannt ist, dass ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen darf, um seine Rechtsposition zu unterstreichen, selbst wenn er seinen Standpunkt vorsichtiger hätte formulieren können. Das gilt allerdings nur in den Grenzen der Wahrheitspflicht. Auch dürfen die Parteien nicht leichtfertig Tatsachenbehauptungen aufstellen, deren Unhaltbarkeit ohne Weiteres auf der Hand liegt (
BAG, Urteile vom 24.03.2011 - 2 AZR 674/09, aaO; vom 09.09.2010 - 2 AZR 482/09, aaO).
2. Nach diesen Grundsätzen genügt das von der Beklagten gerügte Verhalten des Klägers und seiner Prozessbevollmächtigten nicht, um einen Auflösungsgrund anzunehmen.
(1) Der Beklagten ist zuzugestehen, dass der Vortragsstil und die Wortwahl des Klägers
bzw. seiner Prozessbevollmächtigten teilweise unangemessen erscheinen, er der Beklagten offen vorwirft, der Kündigungssachverhalt sei konstruiert, um sich von ihm zu trennen, und einige seiner (rechtlichen) Schlussfolgerungen kaum nachvollziehbar sind. Beispielhaft sei - neben den Angriffen des Klägers auf Herrn B. - der Hinweis auf die "Schonung etwaiger Straftäter aus den Führungsebenen" (Blatt 8 der Berufungserwiderung vom 08.08.2012) und die Ansicht des Klägers genannt, aus dem Interessenausgleich vom 14.02.2012 einen Anspruch darauf ableiten zu können, erst ab dem 01.03.2012 betriebsbedingt gekündigt zu werden (ebenda, Blatt 10).
(2) Gleichwohl stellen sich die Äußerungen des Klägers in ihrer Gesamtheit - so sie ihm denn überhaupt zuzurechnen sind - als Wahrnehmung berechtigter Interessen dar. Sie orientieren sich allein am Ziel des Obsiegens im Kündigungsschutzverfahren und sind jeweils bestimmten Punkten zuzuordnen, die hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Kündigung vom Gericht zu überprüfen sind. An keiner Stelle werden die Beklagte oder einzelne ihrer Mitarbeiter ausdrücklich der Lüge bezichtigt. Dass der Kläger insgesamt den Eindruck gewonnen hat, es ginge der Beklagten um die zielgerichtete Entfernung seiner Person aus dem Arbeitsverhältnis, ohne dass ein betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliege, entspricht seiner subjektiven Wahrnehmung von den betrieblichen Verhältnissen und wird - wie die Zitate der Beklagten im Schriftsatz vom 15.08.2012 zeigen - vom Kläger explizit oder zumindest konkludent als Wiedergabe eines Eindrucks gekennzeichnet. Dass damit gleichzeitig die Richtigkeit des Vortrags der Beklagten
bzw. die Glaubwürdigkeit von Zeugen wie Herrn B. in Frage gestellt wird, ist zwingende Folge der Unvereinbarkeit des beiderseitigen Prozessvortrags. Würde derartiges Prozessverhalten einen Auflösungsgrund darstellen, würde das Recht des Arbeitnehmers auf rechtliches Gehör (
Art. 103
GG) unzulässig verkürzt. In diesem Sinne hat das
BAG etwa die schriftsätzliche Äußerung eines gekündigten Arbeitnehmers, ihm sei "ganz erhebliches Unrecht geschehen durch eine als betriebsbedingt vorgeschobene Kündigung", als regelmäßig von berechtigten Interessen des Arbeitnehmers gedeckt angesehen (
BAG, Urteil vom 09.09.2010 - 2 AZR 482/09, aaO unter Hinweis auf
BAG, Urteil vom 23.02.2010 - 2 AZR 554/08, EzA § 9
KSchG nF Nr. 58).
(3) Abgesehen davon hat der Eindruck des Klägers nie in der Luft gehangen, sondern wurde von einer ganzen Reihe benannter Umständen untermauert, die immerhin das Arbeitsgericht bewogen haben, sich die Einschätzung des Klägers zu eigen zu machen (
vgl. Blatt 23 der Berufungsbegründung: "... offenbar vom Arbeitsgericht gewonnener Eindruck, dass sie (die Beklagte) mit dem Kläger unredlich umgehe."). Das mag den Kläger, soweit es seinen gerügten Vortrag in der Berufungsinstanz anbetrifft, darin bestärkt haben, dass er "richtig liegt". Jedenfalls im Hinblick auf die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung schließt sich das Gericht dem ebenfalls an, wie die Ausführungen zu oben I. zeigen.
(4) Soweit die Beklagte dem Kläger vorhält, er habe sie außergerichtlich im Schreiben vom 23.07.2012 der Diskriminierung seiner Person als schwerbehinderter und älterer Mitarbeiter bezichtigt, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Kläger hat insoweit lediglich zusammen gefasst, dass nach seinem Empfinden seine Arbeitskraft im Bereich "Werkzeugmaschinen" durch zwei objektiv jüngere und eben nicht schwerbehinderte Mitarbeiter, nämlich Herrn K. und Herrn N., ersetzt werden soll. Das ist in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um ein Schreiben an die Hauptfürsorgestelle wegen deren erforderlicher Zustimmung zur (erneuten) Kündigung des Klägers als schwerbehinderter Mensch gehandelt hat, nicht zu beanstanden.
(5) Schließlich ist festzustellen, dass nicht nur der Kläger die Beklagte, sondern auch die Beklagte den Kläger im Rahmen ihrer Schriftsätze hart attackiert hat, und der Rechtsstreit insgesamt nicht eben zimperlich geführt worden ist. So hat die Beklagte dem Kläger zum Beispiel kaufmännische Kompetenzen mit der Behauptung abgesprochen, seine immerhin siebenjährige Tätigkeit in Indonesien sei "nachhaltig erfolglos" und der Grund für die Schließung der dortigen Niederlassung gewesen (Blatt 25 der Berufungsbegründung), und weiterhin dem Kläger schon erstinstanzlich vorgehalten, er äußere Vermutungen ins Blaue und verkaufe dies gegenüber dem Gericht als Tatsache, weshalb er an seine prozessuale Wahrheitspflicht zu erinnern sei (Blatt 4 des Schriftsatzes vom 15.02.2012). Folgte man der Argumentation der Beklagten, läge darin ebenfalls der Vorwurf eines (versuchten) Prozessbetruges.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97
Abs. 1
ZPO. Die Revision zugunsten der Beklagten war mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 72
Abs. 2
ArbGG nicht zuzulassen.