1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Klägerin, eine ausgebildete Zahntechnikerin, hat einen Grad der Behinderung von 40 und ist mit Bescheid der Agentur für Arbeit vom 12.08.2009 den schwerbehinderten Menschen gleichgestellt worden. Seit dem 01.10.1999 war sie bei dem Unternehmen der Beigeladenen als Operation Specialist (Tarifgruppe 6) in dem Teilbereich Service Delivery in H-Stadt beschäftigt. Die Beigeladene ist ein Finanzdienstleistungsunternehmen und bildet mit der L.
GmbH & Co
KG einen Gemeinschaftsbetrieb.
Die Beigeladene beantragte am 07.02.2012 bei der Beklagten die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin nach
§ 85 SGB IX aus betriebsbedingten Gründen. Im Rahmen umfangreicher Restrukturierungsmaßnahmen werde der Teilbereich Service Delivery in H-Stadt geschlossen und die Aktivitäten an die Firma M. in O-Stadt transferiert und von dortigen Mitarbeitern übernommen. Die Stellen im Bereich Service Delivery fielen daher ab 30.09.2012 ersatzlos weg. Vor diesem Hintergrund sei die Kündigung der Klägerin zum 30.09.2012 beabsichtigt. In dem Antrag ist weiter ausgeführt, rein vorsorglich seien auch Sozialauswahlgrundsätze berücksichtigt worden. Dadurch lasse sich die Kündigung jedoch nicht vermeiden, da alle Mitarbeiter des Teilbereichs Service Delivery gekündigt werde bis auf einen, der nach § 35 HBG unkündbar sei. Eine Sozialauswahl sei auch deshalb nicht möglich, weil die Klägerin mit den verbleibenden Mitarbeitern im Gemeinschaftsbetrieb der Klägerin und der L.
GmbH& Co
KG nicht vergleichbar sei.
Im Rahmen der Ermittlungen legte der Betriebsrat der Beigeladenen dem Beklagten eine Stellungnahme vor, wonach in anderen Abteilungen auf drei Arbeitsplätzen derselben Gehaltsgruppe, die nicht gekündigt worden seien, drei jüngere und gesunde Mitarbeiter säßen, deren Stellen die Klägerin einnehmen könne. Auch die Schwerbehindertenvertretung gab eine entsprechende Stellungnahme ab. Im Rahmen der Anhörung der Beigeladenen und der Klägerin am 14.03.2012 gab erstere zu Protokoll, dass auch im Rahmen eines Ringtauschs kein Arbeitsplatz für die Klägerin frei gemacht werden könne, da auch in anderen Bereichen Stellen abgebaut würden. Eine ausgeschriebene Stelle als
HR Specialist komme für die Klägerin nicht in Betracht, weil sie eine kaufmännische Ausbildung voraussetze und 2 Jahre Berufserfahrung in der Personalsachbearbeitung. Über beides verfüge die Klägerin nicht. Im Nachgang wurde noch geklärt, ob die Stelle einer Frau N. vergleichbar sei, was seitens der Beigeladenen verneint wurde, weil es sich um eine höherwertige Tätigkeit handele.
Mit Bescheid vom 26.03.2012 erteilte die Beklagte die Zustimmung. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.05.2013 zurück. Am 21.06.2013 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin hält die Zustimmung zur Kündigung für rechtswidrig,weil die Beigeladene keine Sozialauswahl getroffen habe und dies zur Verweigerung der Zustimmung hätte führen müssen. Die Beigeladene habe nämlich nicht schlüssig dargetan, warum eine Sozialauswahl entbehrlich sei,
bzw. warum nicht andere Mitarbeiter aus dem Bereich des Vertriebs bei der
Fa. L. mit der Klägerin im Rahmen der Sozialauswahl verglichen werden könnten. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf das Urteil des
VG Frankfurt vom 27.04.2004 (7 E 4056/98). Die Beigeladene (die Klägerin spricht irrtümlich von der Beklagten) sei massiv daran interessiert, sich von Schwerbehinderten zu trennen und habe deshalb in den letzten Jahren reihenweise Aufhebungsverträge mit Schwerbehinderten geschlossen. Sie macht weiterhin geltend, sie hätte schon bei der im Jahre 2011 zu besetzenden Stelle berücksichtigt werden müssen, die jetzt von Frau N. besetzt ist. Sie macht schließlich geltend, dass der Widerspruchsbescheid schon deshalb rechtswidrig sei, weil der Widerspruchsausschuss nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Das Gesetz verlange nämlich 7 Mitglieder, während der Ausschuss im vorliegenden Fall nur mit 6 Mitgliedern entschieden habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 26.03.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.05.2013 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist darauf, dass ihr Ermessen im Falle einer wesentlichen Betriebseinschränkung eingeschränkt sei. Die Zustimmung zur Kündigung könne in diesen Fällen nur dann verweigert werden, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder derselben Dienststelle oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienstwelle desselben Arbeitgebers möglich und für den Arbeitgeber zumutbar sei. Im vorliegenden Fall stünden solche alternativen Arbeitsplätze jedoch nicht zur Verfügung. Die Klägerin sei ausgebildete Zahntechnikerin und bisher als so genannte Operation Specialist vor allem für Zahlungsreklamationen zuständig gewesen und nach Tarifgruppe 6 bezahlt worden. Der freie Arbeitsplatz, den die Beigeladene ausgeschrieben habe, betreffe aber die Stelle eines Senior
HR Specialist mit zwei Jahren Berufserfahrung in der Personaladministration und einer kaufmännischen Ausbildung. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin nicht. Die Klägerin könne auch nicht geltend machen, dass ihr jener Arbeitsplatz hätte zugewiesen werden können, der nun von einer Frau N. besetzt worden sei. Dabei handele es sich nämlich um die Stelle eines Operation Senior Specialist der Tarifgruppe 7, die mit der von der Klägerin innegehabten Stelle weder hinsichtlich der Tätigkeit noch hinsichtlich der Eingruppierung vergleichbar sei. Die Klägerin könne auch nicht verlangen, in O-Stadt weiterbeschäftigt zu werden, weil die dort operierende Firma M. ein eigenständiges Unternehmen sei und nicht ein Betrieb desselben Arbeitgebers. Mangels zur Verfügung stehender vergleichbarer Arbeitsplätze führe die Unterlassung einer Sozialauswahl jedenfalls nicht zu einer offensichtlichen Unwirksamkeit der Kündigung, die im Rahmen der Entscheidung über die Zustimmung der Kündigung zu berücksichtigen gewesen wäre. Hinsichtlich der Besetzung des Widerspruchsausschusses verweist sie darauf, dass dieser nach der Geschäftsordnung, die er sich gegeben habe, nur mit vier Personen besetzt sein müsse. im Übrigen sei eine fehlerhafte Besetzung im Rahmen von Entscheidungen der gebundenen Verwaltung unerheblich.
Die Beigeladene schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an und macht ergänzend geltend, dass die Besetzung der Stelle N. bereits im Jahre 2011 erfolgt sei. Im Bereich der Firma L. stünden Arbeitsplätze, die mit dem der Klägerin vergleichbar seien, schon deshalb nicht zur Verfügung, weil diese Firma nur Kartenlesegeräte vertreibe und warte, aber keine Finanzdienstleistungen erbringe.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 18.11.2013 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Das Gericht hat einen Hefter Behördenakten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beigeladenen im Verwaltungsverfahren ist die beabsichtigte Kündigung der Klägerin darin begründet, dass der Betriebsteil "Service Delivery H-Stadt", in dem die Klägerin bisher beschäftigt war, zum 30.09.2012 eingestellt und aufgelöst worden ist. Diese wesentliche Einschränkung des Betriebs der Beigeladenen hat zur Folge, dass für die Zustimmung zur Kündigung
§ 89 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB IX maßgeblich ist. Danach soll in diesen Fällen die Zustimmung erteilt werden, wenn die Gesamtzahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach
§ 71 SGB IX ausreicht. Auch diese Voraussetzung ist unstreitig gegeben. Die Zustimmung hat deshalb von Gesetzes wegen zu erfolgen, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen können, ausnahmsweise davon abzusehen. Solche Ausnahmegründe sind von der Klägerin weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Die Beklagte blieb deshalb im Rahmen des eingeschränkten Ermessens, das § 89
Abs. 1 Satz 2 und 3
SGB IX noch eröffnet, nichts anderes übrig, als die Zustimmung zu erteilen.
Die gesetzliche Bindung der Beklagten gilt nach § 89
Abs. 1 Satz 3
SGB IX nur dann nicht, "wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebs oder derselben Dienststelle oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Menschen möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist".
Der Betriebsrat und die Schwerbehindertenvertretung der Beigeladenen haben insoweit auf drei Arbeitsplätze im selben Betrieb der Beigeladenen verwiesen, die mit nicht behinderten und jüngeren Mitarbeitern derselben Tarifstufe besetzt sind, und für die die Klägerin die erforderliche Eignung aufweise. Dieser Hinweis ist nur dann entscheidungsrelevant, wenn man § 89
Abs. 1 Satz 3
SGB IX dem Wortlaut gemäß so liest, dass die Weiterbeschäftigung auch auf einem anderen Arbeitsplatz möglich ist, der anderweitig besetzt ist. Für diese Auslegung spricht der Umstand, dass in der zweiten Alternative des Satzes 3, also wenn es um die Beschäftigung nicht im selben, sondern in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers geht, ausdrücklich von der Möglichkeit der Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz die Rede ist, während im Rahmen der ersten Alternative, also hinsichtlich der Möglichkeit der Weiterbeschäftigung im selben Betrieb oder derselben Dienststelle nur von einem anderen Arbeitsplatz die Rede ist.
Obwohl in der Literatur wohl vorherrschend die Auffassung vertreten wird, dass die Auslegung des Gesetzes die Unterscheidung zwischen anderem Arbeitsplatz und freien Arbeitsplatz in § 89
Abs. 1 Satz 3
SGB IX nicht ignorieren dürfe und dabei auf den Wortlaut verweist (
vgl. Constanze Schulz: Die Berücksichtigung schwerbehinderter und ihnen gleichgestellter Arbeitnehmer im Rahmen der Sozialauswahl, Baden-Baden 2009,
S. 46m.w.N.), hält das Gericht die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts für überzeugender, wonach unter einem anderen Arbeitsplatz im Sinne der ersten Alternative des Satzes 3 ebenfalls nur ein anderer freier Arbeitsplatz zu verstehen ist (
BVerwG, B.v. 11.09.1990 -
5 B 63/90 -,Buchholz 436.61 § 15
SchwbG 1986
Nr. 4). Hierfür spricht insbesondere, dass andernfalls die Frage, ob die Ermessensbeschränkung des § 89
Abs. 1 Satz 1
SGB IX platzgreift oder nicht, von einer vom Integrationsamt durchzuführenden Sozialauswahl abhängig wäre. Das aber würde die Möglichkeiten des Integrationsamtes überschreiten, weil dieses dann genötigt wäre, selbständig sämtliche Sozialauswahlkriterien im Sinne des
§ 1 Abs.3 KSchG für alle in Betracht kommenden Arbeitnehmer des Betriebes zu prüfen und zu gewichten, wie dies nur einem Arbeitgeber in Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung sinnvoll möglich sein kann. Das Integrationsamt verfügt auch nicht über die Befugnis, die für eine Sozialauswahl erforderlichen personenbezogenen Daten der konkurrierenden Arbeitnehmer einzuholen. Müsste das Integrationsamt eine Sozialauswahl durchführen, wäre dies innerhalb der Monatsfrist des
§ 88 Abs. 1 SGB IX kaum durchführbar. Es wäre auch mit dem Risiko einer Kollision zwischen der vom Integrationsamt schwerbehindertenrechtlich vorzunehmenden und der vom Arbeitgeber arbeitsrechtlich vorzunehmenden Sozialauswahl zu rechnen.
Diesen Überlegungen steht das von der Klägerin angeführte Urteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 27.04.2004 (7 E4056/98) nicht entgegen. Dieses Urteil ist für die vorliegende Fragestellung schon deshalb nicht einschlägig, weil es damals um eine fristlose Kündigung wegen tiefgreifender Zerwürfnisse zwischen der dortigen schwerbehinderten Klägerin und ihrem Arbeitgeber ging und nicht, wie hier, um eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen. Das damalige Urteil verhält sich deshalb auch nicht zur Auslegung des § 89
Abs. 1
SGB IX.
Die vorstehenden Überlegungen sprechen dafür, dass eine von der Beigeladenen unterlassene Sozialauswahl nur im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor den Arbeitsgerichten geltend gemacht werden kann, nicht aber im Zusammenhang mit der Anfechtungsklage gegen die Zustimmung des Integrationsamtes nach
§ 85 SGB IX.
Selbst wenn man die Auffassung vertreten wollte, dass das Integrationsamt jedenfalls dann die Zustimmung zu versagen hat, wenn die Rechtswidrigkeit der Unterlassung oder der Durchführung der Sozialauswahl seitens des Arbeitgebers offensichtlich ist, kann dies im vorliegenden Fall zu keiner für die Klägerin günstigeren Entscheidung führen, weil eine derartige Offensichtlichkeit nicht gegeben ist. Das scheitert schon daran, dass die für die Beurteilung dieser Frage wesentlich sachkundigeren Arbeitsgerichte in zwei Instanzen die Kündigung der Klägerin nicht beanstandet haben.
Für die Frage, ob zum Zeitpunkt der Antragstellung eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit im Sinne des § 89
Abs. 1 Satz 3
SGB IX bestanden hat, ist somit nur auf damals bestehende freie Arbeitsplätze im Betrieb der Beigeladenen abzustellen. Unstreitig war damals nur ein freier Arbeitsplatz vorhanden, der anderweitig besetzt worden sind. Die Stellenbeschreibung für diesen Arbeitsplatz eines
HR Specialist verlangt aber Qualifikationen, die die Klägerin unstreitig nicht erfüllt hat. Was den Arbeitsplatz angeht, der mit Frau N. besetzt worden ist, so ist festzuhalten, dass dieser zum Zeitpunkt der Antragstellung bei der Beklagten bereits besetzt war und deshalb nicht mehr als freier Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Er wurde nämlich schon 2011 besetzt. Ob die Beigeladene im Rahmen ihrer Pflicht nach
§ 81 Abs. 3 und
§ 84 Abs.1 SGB IX schon bei der Stellenbesetzung im Jahre 2011 die beabsichtigte Schließung des Bereichs Service Delivery hätte berücksichtigen und die Stelle im Interesse der dauerhaften Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin mit dieser hätte besetzen müssen, mag ein Gesichtspunkt sein, den das Integrationsamt zu berücksichtigen hätte, wenn es im Ermessensrahmen des
§ 88 SGB IX zu entscheiden gehabt hätte. Im Rahmen des nach § 89
Abs. 1
SGB IX eingeschränkten Ermessensrahmens kann diese Frage keine Rolle spielen.
Der Frage der etwaigen fehlerhaften Besetzung des Widerspruchsausschusses vermag die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung der Beklagten nicht zu erschüttern. Denn diese Entscheidung war im Ergebnis zwingend durch das Gesetz vorgegeben. Auch eine andere Zusammensetzung des Widerspruchsausschusses hätte deshalb nicht zu einer anderen Entscheidung führen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154
Abs. 1, 162
Abs. 3
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167
VwGO i.V.m. § 708
Nr. 11, 711
ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Berufungszulassungsgründe des § 124
Abs. 2
Nr.3 und 4
VwGO nicht vorliegen (§ 124a
Abs. 1
S. 1
VwGO).