Über die Berufung kann
gem. § 130a
VwGO durch Beschluss entschieden werden, weil der Senat die Berufung einstimmig für begründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a Satz 1
VwGO). Die Beteiligten sind hierzu nach § 130a Satz 2
VwGO i. V. m. § 125
Abs. 2 Satz 3
VwGO mit gerichtlicher Verfügung vom 28. April 2008 angehört worden. Eines Einverständnisses der Beteiligten mit dieser Entscheidungsform bedarf es nicht.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Bescheid des Integrationsamtes beim Beklagten vom 15. Februar 2006 über die Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 30. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsausschusses des Integrationsamtes beim Beklagten vom 19. Januar 2007 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Das bei der Erteilung der Zustimmung zur Kündigung nach
§ 85 SGB IX bestehende Ermessen ist fehlerhaft ausgeübt worden.
Das Ermessen des Integrationsamtes und des Widerspruchsausschusses bei der Entscheidung über die Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung ist nicht nach
§ 91 Abs. 4 SGB IX gebunden gewesen. Gemäß § 91
Abs. 4
SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung (zur außerordentlichen Kündigung) erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht; die Entscheidung, ob der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung steht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf der Grundlage des vom Arbeitgeber angegebenen, nur im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu überprüfenden Kündigungsgrundes zu treffen.
Vgl.
BVerwG, Beschluss vom 18. September 1996
- 5 B 109/96 -, Buchholz 436.61 § 21 SchwbG Nr. 8; Urteil vom 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 -, BVerwGE 90, 275 ff. jeweils zu der wortgleichen Vorgängerregelung des § 21 Abs. 4 SchwbG.
Besteht danach kein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung, ist das freie Ermessen nach
§ 85 SGB IX durch § 91
Abs. 4
SGB IX dahingehend eingeschränkt, dass das Integrationsamt im Regelfall die Zustimmung zu erteilen hat. Nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, darf das Integrationsamt nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden.
Vgl.
BVerwG, Beschluss vom 18. September 1996
- 5 B 109/96 -, a.a.O.; Urteil vom 2. Juli 1992
Im vorliegenden Fall hatte jedoch bereits das Integrationsamt des Beklagten ausweislich seiner Begründung vom 19. Juni 2006 zum Bescheid vom 15. Februar 2006 einen Zusammenhang zwischen dem der Kündigung zugrundeliegenden Verhalten des Klägers und seiner Behinderung als sachgerecht und vertretbar anerkannt:
"Über gesicherte Erkenntnisse zu der Frage, ob ein
evtl. tätlicher Angriff oder ein
evtl. Unfall im Zusammenhang mit den vom Versorgungsamt bei Herrn X. anerkannten Behinderung (Funktionseinschränkung beider Beine bei Nervenlähmung nach Hirnverletzung, hirnorganisches Anfallsleiden, Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenke mit Beinverkürzung rechts, Schultergelenksverschleiss mit einem
GdB von 90 - Einfügung durch den Senat -) stehen, verfügt das Integrationsamt nicht. Unter Berücksichtigung der Art der bei Herrn X. anerkannten Behinderungen und der "Vorläufigen Stellungnahme" des Kreisgesundheitsamtes, Bezirksstelle D. -S. , vom 28.05.2003 hält es das Integrationsamt allerdings für sachgerecht und vertretbar, für seine Entscheidungen einen solchen Zusammenhang zugrundezulegen.
Der Zusammenhang kann erstens darin bestehen, dass Herr X. wegen seiner als Behinderungen anerkannten Funktionseinschränkung beider Beine
bzw. Bewegungseinschränkung beider Hüftgelenken mit Beinverkürzung rechts am 26.01.2006 tatsächlich in einer Vorwärtsbewegung ins Stolpern geriet und ungewollt gegen Herrn H1. fiel. Er kann zweitens darin bestehen, dass sich aus der hirnorganischen Verletzung von Herrn X., welche als Behinderung anerkannt wurde, eine sein Steuerungsverhalten beeinträchtigende psychische Störung entwickelte, die ihn zu einem Angriff auf Herrn H1. veranlasste und drittens darin, dass es auf dem Boden des ebenfalls als Behinderung anerkannten hirnorganischen Anfallsleidens am 26.02.2006 (richtig wohl 26.01.2006 - Einfügung durch den Senat -) zu einem mit einer kurzzeitigen Bewusstseinsstörung und einem kurzzeitigen Verlust der Haltungskontrolle einhergehenden komplexen fokalen Anfall bei Herrn X. kam, in dessen Verlauf er ungewollt gegen Herrn H1. fiel."
Auch der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt des Beklagten hat einen Zusammenhang zwischen dem der Kündigung zugrundeliegenden Verhalten des Klägers und seinen Behinderungen angenommen:
"Im vorliegenden Fall geht der Widerspruchsausschuss zugunsten Herrn X. davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund, nämlich dem tätlichen Angriff des Herrn X. auf Herrn H1., und den Behinderungen besteht. Berücksichtigt hat der Widerspruchsausschuss dabei, dass Herr X. bei einem Verkehrsunfall eine schwere Kopfverletzung erlitten hatte und dadurch schwerbehindert wurde. Es liegt nahe, und kann nach Ansicht des Widerspruchsausschusses auch ohne zusätzliche ärztliche Feststellungen unterstellt werden, dass die von der Amtsärztin des Kreises Recklinghausen bei Herrn X. festgestellten Einschränkungen im geistig-seelischen Bereich auf diese Kopfverletzungen zurückzuführen sind. Der Widerspruchsausschuss nimmt daher an, dass Herr X. sein Verhalten infolge seiner anerkannten Schwerbehinderung nicht steuern konnte oder zumindest eine behinderungsbedingte Einschränkung der Steuerungsfähigkeit vorlag."
Dieser Zusammenhang ist auch im weiteren Verfahren nicht in Frage gestellt worden.
Danach war die Ermessensbindung nach
§ 91 Abs. 4 SGB IX entfallen. Da sich insoweit aus § 91
Abs. 4
SGB IX nichts Abweichendes mehr ergab, galten kraft gesetzlicher Anordnung nach § 91
Abs. 1
SGB IX - mit Ausnahme des hier nicht interessierenden
§ 86 SGB IX - die Vorschriften des vierten Kapitels über den Kündigungsschutz (§§ 85 bis 92
SGB IX) auch bei außerordentlicher Kündigung (ob mit oder ohne sozialer Auslauffrist). Außerhalb der Ermessensbindung nach § 91
Abs. 4
SGB IX war dementsprechend über die Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist im Rahmen der allgemeinen, nicht gebundenen Ermessensentscheidung nach
§ 85 SGB IX zu befinden.
Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 85
SGB IX hat das Integrationsamt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anknüpfend an den Antrag des Arbeitgebers und von ihm ausgehend all das zu ermitteln und zu berücksichtigen, was erforderlich ist, um die gegensätzlichen Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Arbeitnehmers gegeneinander abwägen zu können.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995 -
5 C 24.93 -, BVerwGE 99, 336
ff.; Beschluss vom 6. Februar 1995 -
5 B 75.94 -, Buchholz 436.61 § 15
SchwbG Nr. 9; Urteil vom 2. Juli 1992 -
5 C 51.90 -, BVerwGE 90, 287
ff.; Beschluss vom 11. Juni 1992
- 5 B 16.92 -, Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 5; Beschluss vom 18. Mai 1988 - 5 B 135.87 -, Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 1; Beschluss vom 12. Juni 1978 - V B 97.77 -, Buchholz 436.6 § 14 SchwbG Nr. 9; Urteil vom 26. Oktober 1971 - V C 78.70 -, BVerwGE 39, 36 ff.; Urteil vom 28. Februar 1968 - V C 33.66 -, BVerwGE 29, 140 ff.; Urteil vom 28. November 1958 - V C 32.56 -, BVerwGE 8, 46 ff., jeweils zu den Vorgängerregelungen des § 85 SGB IX.
Der Schwerbehindertenschutz gewinnt dabei an Gewicht, wenn - wovon hier sowohl das Integrationsamt als auch der Widerspruchsausschuss ausgegangen sind - die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben, so dass an die im Rahmen der interessenabwägenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber besonders hohe Anforderung zu stellen sind, um auch den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck gekommenen Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995
Soweit danach ein behinderungsbedingter Umstand materiellrechtlich für die gebotene Interessenabwägung Bedeutung hat, unterliegt er der Aufklärungspflicht. Das Integrationsamt ist dabei nicht der Pflicht enthoben, sich von der Richtigkeit der für seine Entscheidung wesentlichen Behauptungen eine eigene Überzeugung zu verschaffen; gründet es seine Entscheidung auf unrichtige Behauptungen, dann begeht es einen Ermessensfehler. Die Aufklärungspflicht wird verletzt, wenn das Integrationsamt (oder der zuständige Widerspruchsausschuss) sich damit begnügt, das Vorbringen des Arbeitgebers, soweit es in der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, nur auf seine Schlüssigkeit zu überprüfen.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995
- 5 C 24.93 -, a.a.O.; Beschluss vom 6. Februar 1995 - 5 B 75.94 -, a.a.O., jeweils zu der Vorgängerregelung des § 85 SGB IX.
Hiervon unberührt bleibt die vom Integrationsamt nicht zu prüfende arbeitsrechtliche
bzw. kündigungsschutzrechtliche Wirksamkeit der Kündigung.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995
Gemessen hieran erweist sich der Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes des Beklagten vom 15. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Widerspruchsausschusses beim Integrationsamt des Beklagten vom 19. Januar 2007 als ermessensfehlerhaft, weil die Ermessensentscheidung, die durch den Widerspruchsbescheid ihre der gerichtlichen Überprüfung unterliegende Gestalt erlangt hat, auf einem unzureichend ermittelten und damit unvollständigen Sachverhalt beruht und dieses Sachverhaltsdefizit gerade das entscheidende Geschehen vom 26. Januar 2006 betrifft.
Im vorliegenden Fall geht es - ausgehend von dem Antrag der Beigeladenen und unter Berücksichtigung der in der Kündigung vom 16. Februar 2006 genannten Gründe - um die Frage, ob der Kläger den Mitarbeiter H1. der Beigeladenen am 26. Januar 2006 infolge der - zugestandenen - behinderungsbedingten psychischen (geistig-seelischen) Defizite in der Verhaltenssteuerung tätlich angegriffen hat und ob eine Wiederholung eines derartigen Vorfalls behinderungsbedingt nicht auszuschließen ist (
vgl. S. 7 a.E. des Widerspruchsbescheides: "latente Wiederholungsgefahr").
In das Abwägungsmaterial für die Ermessensentscheidung war also zwingend einzustellen, welche konkreten Auswirkungen die behinderungsbedingten psychischen Defizite auf die Verhaltenssteuerung des Klägers hatten, ob sie insbesondere ein solches Ausmaß erlangt hatten, dass der Kläger Mitarbeiter der Beigeladenen - ohne jeden Grund - plötzlich und unerwartet angreifen konnte. Nach der Sachverhaltsdarstellung des Arbeitgebers sollte am 26. Januar 2006 ein plötzlicher und unerwarteter tätlicher Angriff des Klägers erfolgt sein; weitere Vorfälle dieser Art sind nicht vorgetragen worden. Dem einzigen Vorfall dieser Art kam danach entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der psychischen Steuerungsfähigkeit des Klägers zu. Da der Kläger jedoch sowohl im Verwaltungs- als auch im Widerspruchsverfahren einen tätlichen Angriff durchgehend bestritten und auch im arbeitsgerichtlichen Verfahren lediglich zugestanden hatte, ins Straucheln geraten zu sein und Herrn H1. am Kragen gefasst zu haben, um sich abzustützen, ist es unerlässlich gewesen, eine eigene Überzeugung vom tatsächlichen Hergang zu gewinnen. Denn sollte die Sachverhaltsdarstellung des schwerbehinderten Klägers zutreffen, fehlte jeder Anhaltspunkt für eine psychisch bedingte Gefährlichkeit des Klägers, so dass der letztlich hierauf gegründeten Kündigungsabsicht der Boden entzogen gewesen wäre.
Weder das Integrationsamt noch der Widerspruchsausschuss haben sich jedoch eine eigene Überzeugung von dem Geschehensablauf verschafft. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, wonach auch der Beklagte davon ausgegangen sei, "dass es sich bei dem Angriff des Klägers auf Herrn H1. nicht um einen Unfall gehandelt hat", findet keine Entsprechung in den maßgebenden Bescheiden des Integrationsamtes und des Widerspruchsausschusses.
Ausweislich der Begründung vom 19. Juni 2006 zum Zustimmungsbescheid vom 15. Februar 2006 hat das Integrationsamt - wie der Kläger im Zulassungsantrag ausgeführt hat - mangels "gesicherter Erkenntnisse" ausdrücklich offengelassen, was am 26. Januar 2006 geschehen ist ("
evtl. tätlicher Angriff oder ein
evtl. Unfall"). Auch der Widerspruchsausschuss hat bis zum Ablauf des Widerspruchsverfahrens - in Kenntnis des Urteils des Arbeitsgerichts I. vom 13. Juli 2006 - Ca -, das nach Beweiserhebung von einem tätlichen Angriff des Klägers und von seiner vollen Steuerungsfähigkeit ausgegangen ist - keine eigene Überzeugung dahingehend gebildet, dass der Kläger den Mitarbeiter H1. tätlich angegriffen hat. Wie die Ausführungen auf Seite 6 der Begründung des Widerspruchsbescheides vielmehr belegen, hat der Widerspruchsausschuss lediglich eine offensichtliche Unbegründetheit der Kündigung verneint, im Übrigen jedoch keine Aussage dazu getroffen, ob er einen tätlichen Angriff für gegeben erachtet oder nicht:
"Nicht zu prüfen im Rahmen des besonderen Kündigungsschutzes nach dem
SGB IX ist, ob wichtige Gründe für eine außerordentliche Kündigung im Sinne des § 626
BGB vorliegen.... Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn sie vom Arbeitgeber herangezogenen Gründe eine außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht rechtfertigen könnten, weil die Behörde nicht sehenden Auges die örtliche Zustimmung zu einer Kündigung erteilen darf, die offensichtlich rechtswidrig sein wird. ... Dies trifft aber auf den vorliegenden Fall nicht zu. Kündigungsgrund ist hier der Angriff des Herrn X. auf den Personalratsvorsitzenden, Herrn H1. . Der Widerspruchsausschuss kann nicht davon ausgehen, dass die Stadt X1. offensichtlich (Hervorhebung durch den Senat) einen nichtigen Anlass zur Begründung der außerordentlichen Kündigung herangezogen hat. Zwar bestreitet Herr X. einen Angriff auf Herrn H1., sondern gibt an, er sei vielmehr infolge seiner Gehbehinderung auf Herrn H1. gefallen und habe diesen dabei unglücklich durch die Türscheibe gedrückt. Der Widerspruchsausschuss kann aber der Einlassung des Herrn X. nicht insoweit (Hervorhebung durch den Senat) folgen, dass es sich offensichtlich (Hervorhebung durch den Senat) lediglich um einen Unfall gehandelt habe.
Dagegen spricht der schriftliche Vermerk des Herrn H1. vom 30.01.2006, in dem dieser schildert, dass Herr X. ihn mit beiden Händen am Hemdkragen gefasst habe, was für einen direkten Angriff spricht. Darüber hinaus schließt Herr H1. ein Stolpern oder Fallen des Herrn X. aus. Aufgrund dieser schriftlichen Aussage des Herrn H1. kann der Widerspruchsausschuss nicht von einer offensichtlichen (Hervorhebung durch den Senat) Unbegründetheit der außerordentlichen Kündigung ausgehen, denn zum einen spricht nichts für eine Falschaussage des Herr H1. und zum anderen können schwere Tätlichkeiten gegen andere Mitarbeiter während der Arbeitszeit nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als wichtiger Grund im Sinne des § 626
BGB angesehen werden. ..."
Der Widerspruchsbescheid ist danach letztlich auf der Grundlage des von der Beigeladenen als Arbeitgeberin vorgetragenen, vom Kläger jedoch bestrittenen Kündigungsgrundes erlassen worden.
Die hiergegen im Berufungsverfahren vom Beklagten und von der Beigeladenen vorgebrachten Einwände vermögen nicht durchzudringen. Der Hinweis, die Überzeugung des Widerspruchsausschusses begründe "sich aus der als schriftlicher Vermerk vom 30.01.2006 vorliegenden Aussage des Zeugen H1." geht an der Begründung des Widerspruchsausschusses vorbei. Die Bezugnahme auf diese Aussage steht ausweislich der oben im Zusammenhang zitierten Ausführungen des Widerspruchsausschusses auf Seite 6 des Widerspruchsbescheides ausschließlich im Kontext der an § 626
BGB ausgerichteten Prüfung der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Kündigung, wobei sich der Widerspruchsausschuss darauf beschränkt hat, nach der Darstellung der widersprüchlichen Aussagen des Klägers einerseits und des Zeugen H1. andererseits die offensichtliche Unbegründetheit der Kündigung zu verneinen:
"Aufgrund dieser schriftlichen Aussage des Herrn H1. kann der Widerspruchsausschuss nicht von einer offensichtlichen (Hervorhebung durch den Senat) Unbegründetheit der außerordentlichen Kündigung ausgehen, denn zum einen spricht nichts für eine Falschaussage des Herr H1. und zum anderen können schwere Tätlichkeiten gegen andere Mitarbeiter während der Arbeitszeit nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als wichtiger Grund im Sinne des § 626
BGB angesehen werden. ...".
Soweit in der vorstehend zitierten Textpassage ausgeführt worden ist, es spreche nichts gegen eine Falschaussage des Herrn H1., kann hieraus mit Blick auf den Gesamtkontext der offensichtlichen Unbegründetheit der Kündigung, in dem diese Ausführung steht, nicht abgeleitet werden, dass der Widerspruchsausschuss über die Verneinung lediglich der offensichtlichen Unbegründetheit der außerordentlichen Kündigung hinaus zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Kläger Herrn H1. tatsächlich tätlich angegriffen hat. Denn wäre er - anders als das Integrationsamt in seinem Ausgangsbescheid - zu dieser Überzeugung gelangt, hätte nichts näher gelegen, als dies eindeutig im Rahmen einer nachvollziehbaren und mit Blick auf die widersprüchlichen Aussagen auch notwendigen Beweiswürdigung zum Ausdruck zu bringen. Dies hätte keine unzumutbaren Schwierigkeiten begründet, da dem Widerspruchsausschuss ausweislich des Verwaltungsvorgangs im Zeitpunkt seiner Entscheidungsfindung bereits das vollständige Urteil des Arbeitsgerichts I. vom 13. Juli 2006 - Ca - vorgelegen hat, das eine ausführliche Beweiswürdigung enthält und im Rahmen dieser Beweiswürdigung u.a. zu dem Ergebnis gekommen ist, dass der Kläger Herrn H1. tätlich angegriffen hat. Statt dessen ist weder eine entsprechende nachvollziehbare Beweiswürdigung, die einen hinreichend sicheren Rückschluss auf eine eigene Überzeugungsbildung ermöglicht, noch auch nur eine Bezugnahme auf die arbeitsgerichtliche Sachverhaltsbewertung im Widerspruchsbescheid erfolgt.
Die danach lediglich auf die Verneinung der offensichtlichen Unbegründetheit der Kündigung sowohl in tatsächlicher (tätlicher Angriff) als auch in rechtlicher Hinsicht (tätlicher Angriff als wichtiger Grund
i.S.d. § 626
BGB) beschränkte Überzeugungsbildung des Widerspruchsausschusses wird zudem dadurch deutlich, dass der Widerspruchsausschuss die Einlassung des Klägers nicht als unglaubhaft gewertet hat, sondern ihr ausdrücklich nur insoweit nicht gefolgt ist,
"dass es sich offensichtlich (Hervorhebung durch den Senat) lediglich um einen Unfall gehandelt habe."
Wenn aber danach der Widerspruchsausschuss der ausdrücklich verlautbarten Meinung gewesen ist, die Aussage des Klägers gebe für die Offensichtlichkeit eines Unfalls nichts her, dann lässt sie im Ergebnis - ebenso wie das Integrationsamt bei der Erteilung der Zustimmung mit Bescheid vom 15. Februar 2006 - offen, ob im Übrigen, also unterhalb der Schwelle der Offensichtlichkeit, ein Unfall zu verneinen ist. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Fehlens jeglicher Beweiswürdigung kann die in Anknüpfung an den genannten Vermerk des Herrn H1. - und im Gesamtkontext der offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Kündigung - erfolgte Darlegung des Widerspruchsausschusses, die Schilderung des Herrn H1. , wonach der Kläger ihn mit beiden Händen am Hemdkragen gefasst habe, spreche für einen direkten Angriff, lediglich als die Erwähnung einer Möglichkeit der Beweiswürdigung, nicht aber als die vom Widerspruchsausschuss kraft eigener Überzeugung vertretene Beweiswertung verstanden werden. Dies umso mehr, als der Widerspruchsausschuss das Ergebnis seiner in Anknüpfung an die genannte Aussage des Zeugen H1. erfolgten Meinungsbildung selbst dahingehend beschränkt hat, dass er "aufgrund dieser schriftlichen Aussage des Herrn H1." nicht von einer offensichtlichen Unbegründetheit der außerordentlichen Kündigung ausgehen könne.
Der Hinweis auf die Ausführungen des Widerspruchsausschusses
- "Im vorliegenden Fall geht der Widerspruchsausschuss zugunsten Herrn X. davon aus, dass ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund, nämlich dem tätlichen Angriff des Herrn X. auf Herrn H1., und den Behinderungen besteht" -
führt insoweit nicht weiter. Allein aus der näheren Erläuterung des von der Beigeladenen geltend gemachten Kündigungsgrundes, "nämlich dem tätlichen Angriff des Herrn X. auf Herrn H1. ", kann nicht ohne weiteres darauf geschlossen werden, dass sich der Widerspruchsausschuss eine eigene Überzeugung dahingehend gebildet hat, dass der Kündigungsgrund tatsächlich gegeben ist. Zudem darf der Sinnzusammenhang, in dem diese Ausführungen stehen, nicht vernachlässigt werden. Die Ausführungen, die in einem gesonderten Absatz enthalten und von der zuvor erfolgten Verneinung einer offensichtlich nicht gerechtfertigten außerordentlichen Kündigung getrennt sind, sind nur zu der Beantwortung der - von der vorangegangenen Thematik auch inhaltlich deutlich zu trennenden - Frage erfolgt, ob und
ggf. inwieweit die jeweiligen Behinderungen im Zusammenhang mit dem Kündigungsgrund stehen. Sie betreffen damit die Frage der Anwendung des § 91
Abs. 4
SGB IX, wonach das Integrationsamt die Zustimmung erteilen soll, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Die Entscheidung, ob der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung steht, ist jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf der Grundlage des vom Arbeitgeber angegebenen, nur im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu überprüfenden Kündigungsgrundes zu treffen.
Vgl.
BVerwG, Beschluss vom 18. September 1996
- 5 B 109/96 -, a.a.O.; Urteil vom 2. Juli 1992 - 5 C 39.90 -, a.a.O., jeweils zu der wortgleichen Vorgängerregelung des § 21 Abs. 4 SchwbG.
In diesem Verfahrensstadium findet daher eine inhaltliche Überprüfung des angegebenen Kündigungsgrundes regelmäßig gar nicht statt. Dass hier ausnahmsweise anders verfahren worden ist, wie geltend gemacht wird, hat im Widerspruchsbescheid nicht nur keinen Niederschlag gefunden, sondern wird, wie oben dargelegt, durch dessen Begründung widerlegt.
Vgl. zum Ausschluss des Nachschiebens von Ermessenserwägungen, wenn der Bescheid von einem Ausschuss erlassen worden ist, der - wie auch hier (
vgl. §§ 118 f. SGB IX) - nicht nur aus Bediensteten der betreffenden Behörde besteht, etwa:
BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 1968 -
V B 174.67 -, Buchholz 436.6 § 14
SchwbG Nr. 6; Urteil vom 15. April 1959 -
V C 162.56 -, Buchholz 436.6 § 14 SchwBG
Nr. 3;
OVG NRW, Beschluss vom 25. September 2007 - 12 A 1243/07 -; Beschluss vom 9. Oktober 2007 -
12 A 2269/07 -, Juris, zum Nachschieben von Ermessenserwägungen bei der Entscheidung über Leistungen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154
Abs. 1,
Abs. 3 Halbsatz 1, 162
Abs. 3, 188 Satz 2 Halbsatz 1
VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167
VwGO, §§ 708
Nr. 10, 711
ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132
Abs. 2
VwGO nicht gegeben sind.