Urteil
Zustimmung des Integrationsamtes zu einer Änderungskündigung - Reduzierung der Arbeitszeit von Vollzeit- auf Teilzeitarbeit - Angemessenheit und Zumutbarkeit eines Arbeitsplatzes - unzumutbare Gehaltskürzung - unternehmerische Gestaltungsfreiheit

Gericht:

VG Darmstadt 3. Kammer


Aktenzeichen:

3 E 1947/06 (4)


Urteil vom:

24.04.2008


Grundlage:

Nichtamtliche Leitsätze:

1. Zumutbar ist der neue Arbeitsplatz dann, wenn von einem an einem angemessenen Arbeitsplatz ernsthaft interessierten Arbeitnehmer erwartet werden kann, dass er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und der Verhältnisse der neuen Umgebung das Angebot des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages annimmt.

2. Bei einer Änderungskündigung mit Verminderung der Wochenarbeitszeit, mit einem Verlust von weit über 40 % des Bruttoeinkommens, kann es dem Arbeitgeber zumutbar sein, einen schwerbehinderten Menschen mit unterschiedlichen Arbeiten zu betrauen, die von diesem bewältigt werden können.

Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH)

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH)

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin die Zustimmung zum Aussprechen einer Änderungskündigung hinsichtlich des zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen abgeschlossenen Arbeitsvertrages erteilen muss.

Die Klägerin wandte sich am 07.11.2005 an den Beklagten und erklärte, dass sie beabsichtige, dem Beigeladenen aus dringenden betrieblichen Gründen eine ordentliche Änderungskündigung zum 31.12.2005 auszusprechen. Die ordentliche Änderungskündigung sei einzig auf den ehemaligen Beschäftigungsstatus des Beigeladenen zurückzuführen. Sie stehe in keinem Zusammenhang mit seiner Behinderung. Dies lasse sich auch daraus ersehen, dass neben dem Beigeladenen sämtliche seiner ehemaligen Mitarbeiter aus dem Bereich ... ebenfalls von den betrieblichen Veränderungsmaßnahmen betroffen seien. Der Beigeladene arbeite gegenwärtig 39,00 Stunden pro Woche. Es sei beabsichtigt, seine wöchentliche Arbeitszeit auf 20,00 Stunden zu reduzieren. Gegenwärtig arbeite er als ..... Zukünftig solle er als .... arbeiten. Der Beigeladene sei mit einem Grad der Behinderung von 50 schwerbehindert. Die Erforderlichkeit der Änderungskündigung ergebe sich daraus, dass im Rahmen der Verschmelzung der beiden Gesellschaften .... und .... GmbH die Unternehmensentscheidung getroffen worden sei, den gesamten Bereich Operations neu zu organisieren. Die Verschmelzung der beiden Gesellschaften sei Teil der sogenannten 3-D-lntegration. Die .... AG habe sich zu einem weltweit tätigen Express- und Logistikunternehmen entwickelt. Unter anderem habe sie dabei die Unternehmensgruppe .... übernommen. 3-D stehe für ...., .... und .... Mit der Verschmelzung sei der Aufbau des Betriebskonzepts für Kurier- und Expresssendungen auf der Plattform der .... verbunden. Kuriertätigkeiten, die bei der .... bisher weitgehend von eigenen Kurieren erbracht worden seien, seien sukzessive auf Servicepartner umgestellt worden oder es erfolge noch eine entsprechende Umstellung. In dem Service Center ...., das zur .... gehöre, sei die Umstellung auf Servicepartner sukzessive erfolgt. Mit der Umstellung seien die dortigen Arbeitsplätze der Kuriere endgültig weggefallen. Der Arbeitsplatz des Beigeladenen sei in der Zielorganisation nur noch mit einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden vorgesehen. Danach gebe es nur einige wenige Vollzeitarbeitsplätze in der Disposition beziehungsweise im Leistungsbereich, die aber höherwertiger seien als die Position, die der Beigeladene bislang innegehabt habe. Für diese Arbeitsplätze seien auch andere Qualifikationen vorgesehen. Einen vergleichbaren und zumutbaren Arbeitsplatz gebe es für den Beigeladenen weder in der .... noch an anderer Stelle des Unternehmens. Die .... AG und der Konzernbetriebsrat hätten sich am 10.09.2004 auf eine Konzernbetriebsvereinbarung über die Verfahrensweise bei Ersatzbeschäftigungsmöglichkeiten verständigt. Darüber hinaus habe die ... mit ihrem Gesamtbetriebsrat am 15.11.2004 einen Sozialplan zum Ausgleich beziehungsweise zur Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge der 3-D-lntegration entstünden, geschlossen. Dieser Sozialplan gelte fort.

Die zuständige Schwerbehindertenvertretung erklärte gegenüber dem Beklagten unter dem Datum des 14.11.2005, dass sie die ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung ablehne. Sie sei nicht im Vorfeld über diese beabsichtigte Maßnahme informiert worden, obwohl dies gesetzlich vorgesehen sei.

Der Betriebsrat ... der Klägerin erklärte gegenüber dem Beklagten mit Stellungnahme vom 15.11.2005, dass das Kündigungsersuchen sozial ungerechtfertigt sei. Die Behauptung der Klägerin, dass für den Beigeladenen keine offene Stelle vorhanden sei, sei unwahr. In dem Betrieb seien noch mehrere offene Disponentenstellen vorhanden. Der Beigeladene könne im Rhein-Main-Gebiet beispielsweise auch als .... eingesetzt werden. Auch lägen dem Betriebsrat Monat für Monat nachträglich eingereichte und nicht genehmigte Überstunden in dreistelliger Höhe vor. Zudem gebe es ab dem 07.11.2005 Neueinstellungen. Alle bislang erledigten Arbeiten seien nach wie vor vorhanden und würden nunmehr von Subunternehmen erledigt. Es bestehe zudem die potentielle Möglichkeit, den Beigeladenen nach entsprechender, maximal sechs Wochen dauernder Schulung zu adäquaten Bedingungen im Konzern zu beschäftigen. Eine Suche der Klägerin nach Ersatzbeschäftigungsmöglichkeiten habe bislang nicht stattgefunden.

Der Beigeladene erklärte gegenüber dem Beklagten, dass er bestreite, dass betriebsbedingte Gründe für eine Änderungskündigung vorlägen. Die Klägerin sei ein wirtschaftlich sehr erfolgreiches Unternehmen. Fast alle Arbeitsplätze im operationellen Bereich des Unternehmens hätten reine Anlerntätigkeiten zum Gegenstand. Die Einarbeitung eines Mitarbeiters im Bereich Umschlag/Kurier für eine Disponentenstelle im Bereich Pud-pick up and delivery dauere je nach Eignung und Auffassungsgabe zwischen einer und zwei Wochen. Auch habe die Klägerin mitgeteilt, dass sie im Bereich Disposition von bisher neun Mitarbeitern auf 12 Arbeitsplätze aufstocken werde. Diese neuen Arbeitsplätze seien in jedem Fall mit einem lang gedienten Mitarbeiter zu besetzen.

Mit Schreiben vom 19.12.2005 korrigierte die Klägerin ihren Antrag dahingehend, dass sie dem Beigeladenen aus dringenden betrieblichen Gründen eine ordentliche Änderungskündigung zum 30.09.2006 aussprechen wolle.

Ebenfalls mit Schreiben vom 19.12.2005 teilte die Klägerin dem Beigeladenen mit, dass sie ihn ab dem 01.01.2006 bis auf weiteres in Höhe von 19 Stunden pro Woche von seiner Arbeitsleistung freistelle.

Mit Bescheid vom 22.02.2006 versagte der Verwaltungsausschuss des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Integrationsamt Darmstadt, die Zustimmung zur ordentlichen Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen durch die Klägerin. Das Integrationsamt entscheide über den Antrag auf Zustimmung zur Änderungskündigung gemäß § 89 Abs. 2 SGB IX nicht nach freiem Ermessen. Das Ermessen sei vielmehr in der Weise eingeschränkt, dass die Zustimmung in der Regel erteilt werden solle, wenn dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert sei. Ein anderer Arbeitsplatz sei gesichert, da die beabsichtigte Änderungskündigung das rechtsverbindliche, allein von der Annahmeerklärung des Arbeitnehmers abhängige Angebot der Klägerin zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen enthalte. Es sei zu prüfen, ob die neuen Arbeitsbedingungen im Sinne des § 89 Abs. 2 SGB IX angemessen und zumutbar seien. Die Angemessenheit im Sinne der Vorschrift beziehe sich auf die Arbeitsbedingungen im engeren Sinne, insbesondere nach Gehalt, Tätigkeit und Arbeitsanforderungen. Die wöchentliche Arbeitszeit des Beigeladenen solle auf 20 Stunden reduziert und sein Gehalt entsprechend angepasst werden. Demnach seien die neuen Arbeitsbedingungen als angemessen anzusehen, da sich das Entgelt für die angebotene Tätigkeit der neuen Arbeitszeit anpasse und sich die Art der Tätigkeit nicht verändert habe. Die Zumutbarkeit sei auf die subjektive Interessenlage des schwerbehinderten Menschen abgestellt, wobei die soziale Stellung, die finanzielle Situation und die sozialen finanziellen Folgen zu berücksichtigen seien. Nach gefestigter Rechtsprechung könne eine Einkommensreduzierung um bis zu 10% noch zumutbar sein. Da das Gehalt des Beigeladenen um mehr als 10% reduziert werden solle, sei die Zumutbarkeit vorliegend nicht gegeben. Deshalb entscheide das Integrationsamt nach freiem Ermessen. Die Klägerin führe zur Notwendigkeit der Änderungskündigung betriebsbedingte Gründe an. Es handle sich dabei um eine unternehmerische Entscheidung, die grundsätzlich im freien Ermessen des Arbeitgebers liege. Das Integrationsamt müsse aber bei seiner Entscheidungsfindung auch die Zielrichtung des SGB IX als Fürsorgegesetz beachten. Die persönlichen Folgen für den Beigeladenen könnten nicht außer acht gelassen werden. Dieser habe über 20 Jahre in Vollzeit als anerkannter schwerbehinderter Mensch für das Unternehmen gearbeitet. Er sei zur Sicherung seines Lebensunterhalts auch weiterhin auf ein geregeltes Vollzeiteinkommen angewiesen.

Die Klägerin legte am 22.03.2006 Widerspruch ein. Aus dem Schutzzweck des SGB IX könne kein Anspruch auf Erhalt eines Vollzeitarbeitsplatzes, der zwingend mit einem Eingriff in die unternehmerische Entscheidung der Unternehmensorganisation einhergehe, hergeleitet werden. Eine Beschäftigung des Beigeladenen in Vollzeit sei wegen ihrer Prozessabläufe nicht mehr möglich. Die Sendungsbelege für den nationalen und internationalen Bereich müssten taggleich erfasst werden. Die ersten Frachtbriefbelege lägen frühestens ab 17:30 Uhr zur Erfassung im Bereich D..... vor. Das internationale Dateneingabesystem werde unternehmensweit täglich um 22:30 Uhr aufgrund von nationalen Abschlüssen heruntergefahren. Im Bereich der nationalen Dateneingabesysteme sei der Eingabeschluss spätestens um 23:00 Uhr. In diesem Zeitfenster müssten sämtliche Belege, die an einem Tag eingingen, erfasst werden. Sicherheitshalber werde eine Erfassung bis 22:00 Uhr angestrebt. Außerhalb des Zeitfensters von 17:30 Uhr bis 22:30 Uhr/23:00 Uhr sei schlicht keine Arbeit vorhanden. Die Beschäftigung mit unmanifestierten Sendungen erfordere eine ungefähre Arbeitszeit von 15 Minuten bis maximal 30 Minuten pro Tag. Es handele sich dabei um eine unwesentliche Nebenaufgabe des Beigeladenen. Vollzeitstellen gebe es nur noch auf der Führungsebene der Betriebe und in der Disposition. Diese Stellen seien aber nach dem Zuschnitt und nach den Anforderungen hinsichtlich Tätigkeit und Ausbildung sowie nach der Tarifgruppe nicht mit derjenigen des Beigeladenen vergleichbar. Hinzu komme, dass sie auch nicht mehr frei seien. Mit dem Fürsorgegedanken des SGB IX sei es nicht vereinbar, dem Arbeitgeber vorzugeben, einen Vollzeitarbeitsplatz entgegen seiner unternehmerischen Entscheidungen einzurichten oder aufrecht zu erhalten.

Der Beigeladene erklärte daraufhin, dass auch bei den Stellen in der Disposition reine Anlerntätigkeiten verrichtet würden, die keine zusätzliche Qualifikation erforderten. Auf angeblich unterschiedliche Tarifgruppen, die die Klägerin ebenfalls neu zugeschnitten habe, komme es nicht an. Wenn die Klägerin behaupte, die Sendungsbelege für den nationalen und internationalen Bereich müssten taggleich erfasst werden, so entspreche dies nicht der Lebenswirklichkeit in ihrem Unternehmen. Dort komme es zu erheblichen Datenrückständen, die nicht taggleich erfasst werden könnten. Seit dem 02.05.2006 führe er gerade diese Arbeiten in Zeiten vor 17:00 Uhr aus. Dies sei Folge eines Urteils des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 04.04.2006, mit dem die Klägerin im Wege der einstweiligen Verfügung dazu verpflichtet worden sei, ihn weiterhin in Vollzeit zu beschäftigen. Es gebe eine Betriebsvereinbarung zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit der ... GmbH. Danach lägen die Rahmenarbeitszeiten im Service Center ... im Bereich D... für den C.. von montags bis freitags in der Zeit von 14:00 Uhr bis 23:00 Uhr. Auch ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung, dass in den übrigen Bereichen zwischen 3:00 Uhr und 23:30 Uhr operativ gearbeitet werde. Die Klägerin sei nach § 81 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX verpflichtet, ihm eine Beschäftigung anzubieten, bei der er seine Fähigkeiten und Kenntnisse voll verwerten und weiterentwickeln könne. Indem sie aber ohne konkrete Zuordnung Aufgaben aus seinen Tätigkeitsbereich an Subunternehmer vergebe, handele sie dieser Verpflichtung zuwider. Sie umgehe ihre Verpflichtungen willkürlich und bewusst.

Daraufhin erklärte die Klägerin, dass es sich bei der Tätigkeit im Bereich der Disposition nicht um eine Anlerntätigkeit handele. Sie setze dort eine abgeschlossene Berufsausbildung zum Speditionskaufmann beziehungsweise eine langjährige Berufserfahrung in diesem Bereich voraus. Die dort anfallenden Aufgaben könnten nicht "mal eben" in einem mehrwöchigen Kurs erlernt werden. Es sei nicht ihre Aufgabe, Position für Position abzuarbeiten, um darzustellen, dass diese nicht für den Beigeladenen geeignet sei. Aus § 81 Abs. 4 Nummern 2 und 3 SGB IX folge keine Verpflichtung, neue Stellen einzurichten beziehungsweise im gesamten Unternehmen geltende organisatorische Maßnahmen bezogen auf einen einzelnen behinderten Menschen auszusetzen oder zu überarbeiten. Datenrückstände gebe es nicht mehr. Bei der Betriebsvereinbarung handele es sich lediglich um eine Regelung zur Lage und Verteilung der Arbeitszeit. Das Volumen der Arbeitszeit werde dort aber nicht geregelt. Es handele sich bei den darin enthaltenen Zeitangaben um reine Rahmenarbeitszeiten. In ihrem Interesse sei es, sich hier eine höchstmögliche Flexibilität als Option für alle Eventualitäten offen zu halten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2006, der Klägerin zugestellt am 02.09.2006, teilte der Landeswohlfahrtverband Hessen, Widerspruchsausschuss bei dem Integrationsamt, mit, dass der Widerspruchsausschuss den Widerspruch in seiner Sitzung vom 15.08.2006 zurückgewiesen hat. Ein zumutbarer Arbeitsplatz im Sinne von § 89 Abs. 2 SGB IX liege vor, wenn von einem an einem angemessenen Arbeitsplatz ernsthaft interessierten Arbeitnehmer erwartet werden könne, dass er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und der Verhältnisse der neuen Umgebung das Angebot des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages annehme. Davon könne vorliegend aber nicht ohne weiteres ausgegangen werden, weil auf den Beigeladenen eine Gehaltseinbuße von immerhin ungefähr 50% seines bisherigen Monatseinkommens zukomme. Einen Einkommensverlust in dieser Dimension sehe der Widerspruchsausschuss als nicht mehr selbstverständlich hinnehmbar an. Die finanziellen Folgen der Änderungskündigung bewegten sich in einer Größenordnung, die die Sicherstellung des Lebensunterhalts des Beigeladenen ernsthaft infrage stelle. Deshalb lägen Umstände vor, die den Arbeitsplatzwechsel für den Beigeladenen unter Beachtung des Schutzzwecks des SGB IX als nicht mehr zumutbar gemäß § 89 Abs. 2 SGB IX erscheinen ließen. Dies führe aber nicht zwangsläufig zu einer Zustimmungsversagung. Das Fehlen der Voraussetzungen des § 89 Abs. 2 SGB IX habe lediglich zur Folge, dass die in dieser Vorschrift vorgesehene Ermessenseinschränkung zu Gunsten des Arbeitgebers nicht eintrete. Deshalb stehe die Entscheidung über den Zustimmungsantrag im uneingeschränkten, pflichtgemäßen Ermessen des Integrationsamtes. Bei der danach vorzunehmenden Interessenabwägung sei von Bedeutung, dass die von der Klägerin angestrebte einseitige Änderung des mit dem Beigeladenen bestehenden Arbeitsvertrages nicht durch dringende betriebliche Gründe gerechtfertigt erscheine und insofern willkürlich anmute. Zwar sei nicht von der Hand zu weisen, dass die bei der Klägerin stattfindende Umstellung der Betriebsstruktur dazu führe, dass die künftig bei ihr noch vorhandenen Arbeiten umverteilt und die zu ihrer Erledigung notwendigen organisatorischen Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel die Arbeitszeiten, in diesem Zusammenhang angepasst werden müssten. Die hierfür maßgebende Betriebsveränderung in Form der Neuorganisation des operativen Bereichs als Folge des Zusammenschlusses der ... und der ... GmbH stelle auch zweifelsohne eine unternehmerische Entscheidung dar, die vom Integrationsamt nicht auf ihre Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit überprüft werden könne. Überprüfbar sei aber, ob sich die das Kündigungsbegehren auslösende unternehmerische Entscheidung tatsächlich in der von der Klägerin dargelegten Weise so auf den zukünftigen Arbeitskräftebedarf ihres Betriebes auswirke, dass eine unveränderte Weiterbeschäftigung des Beigeladenen nicht mehr möglich sei. Davon sei der Widerspruchsausschuss nicht überzeugt. Es sei der Klägerin ganz offensichtlich möglich, den Beigeladenen auch in Zeiten vor 17:00 Uhr zu beschäftigen. Auch sähen die aktuellen Arbeitszeitregelungen in ihrem Betrieb derartige Einsatzzeiten ausdrücklich vor. Deshalb müsse der Vortrag der Klägerin, außerhalb eines Zeitfensters von ungefähr 17:00 Uhr bis 22:00 Uhr sei definitiv keine Arbeit für den Beigeladenen vorhanden, als widerlegt angesehen werden. Hierfür spreche auch der von dem Beigeladenen vorgetragene und vom Betriebsrat bestätigte Umstand, dass bei der Klägerin ein regelrechter Stau an nicht abgearbeiteten Überstunden in Arbeitsbereichen, in denen der Beigeladene sofort oder nach einer kurzen Einarbeitungszeit problemlos eingesetzt werden könne, bestehe. Vor diesem Hintergrund tangiere die von der Klägerin angestrebte Änderungskündigung schützenswerte Belange des Beigeladenen in einer Weise, die nicht durch hinreichende betriebliche Umstände gerechtfertigt sei.


Die Klägerin hat am 02.10.2006 Klage erhoben.

Es habe Überlegungen gegeben, den Bereich der D.... vollständig auszugliedern. Diese seien aber einstweilen ausgesetzt worden, nachdem sie sich mit der Kollegin des Beigeladenen vor dem Landesarbeitsgericht über die Reduzierung der Stundenzahl habe einigen können. Die Kollegin des Beigeladenen werde seit dem 01.03.2007 statt mit 20 Stunden pro Woche mit 25 Stunden pro Woche beschäftigt. Auch dem Beigeladenen sei über seinen Verfahrensbevollmächtigten ein entsprechendes Angebot gemacht worden. Sie sei durchaus an einer einvernehmlichen Lösung mit dem Beigeladenen interessiert. Der angebotene Arbeitsplatz sei dem Beigeladenen zumutbar. Es sei nicht ersichtlich, dass beziehungsweise warum ein an einer Teilzeittätigkeit in der D... ernsthaft interessierter Arbeitnehmer an Stelle des Beigeladenen dieses Angebot nicht annehmen würde. Auch stehe dem Beklagten keine Befugnis zur Überprüfung der Erforderlichkeit und Angemessenheit der getroffenen unternehmerischen Entscheidung, die D.... in einem Zeitfenster von vier Stunden auszuführen, zu. Arbeit könne vielfältig organisiert werden. Die Entscheidung darüber obliege allein dem Arbeitgeber. Es könne nicht ernsthaft als willkürlich bezeichnet werden, wenn sie entscheide, die bisher in einem anderen Unternehmen auf acht Stunden verteilt geleisteten Aufgaben nunmehr in einem vierstündigen Fenster mit mehr Kräften zu konzentrieren und die Aufgaben der Dateneingabe auf die Kernaufgaben zu beschränken. Der Beklagte verkenne, dass die Umsetzung ihrer unternehmerischen Entscheidung dadurch verhindert werde, dass der Beigeladene seine Beschäftigung in Vollzeit im arbeitsgerichtlichen Verfahren auf Erlass einer einzelnen Verfügung durchgesetzt habe. Damit sei sie verpflichtet, den Beigeladenen wie bisher beziehungsweise mit stellenfremden Aufgaben zu beschäftigen und die Umsetzung ihrer unternehmerischen Entscheidung hintanzustellen. Der Beigeladene werde derzeit weitgehend mit stellenfremden Aufgaben beschäftigt, die nach ihrer Organisationsentscheidung der Disposition zugeordnet seien. Der immer wieder behauptete Bearbeitungsstau bestehe nicht mehr. Vorübergehende Umstellungsschwierigkeiten seien behoben. Aber auch dann, wenn ein derartiger "Stau" der Organisationsentscheidung immanent wäre, sei dies von ihrer unternehmerischen Freiheit umfasst. Diese Entscheidung sei nicht auf ihre Praktikabilität überprüfbar. Die Umstrukturierung der D. sei für sie von erheblicher Bedeutung. Es stehe weiterhin die Entscheidung an, ob die gesamte D. ausgelagert werde. Dies habe dann zur Folge, dass auch die Kollegin des Beigeladenen ihren Arbeitsplatz verliere.


Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Regionalverwaltung Darmstadt, vom 22.02.2006 und den Widerspruchsbescheid des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen vom 31.08.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Zustimmung zur ordentlichen Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen zu erteilen, demzufolge das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 20 Stunden und einer der Wochenarbeitszeit entsprechend reduzierten Vergütung bei im Übrigen unveränderten Bedingungen fortgesetzt wird;

hilfsweise hierzu,

den Bescheid des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Regionalverwaltung Darmstadt, vom 22.02.2006 und den Widerspruchsbescheid des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen vom 31.08.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Zustimmung zur ordentlichen Änderungskündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beigeladenen zu erteilen, demzufolge das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Kündigungsfrist mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 25 Stunden und einer der Wochenarbeitszeit entsprechend reduzierten Vergütung bei im Übrigen unveränderten Bedingungen fortgesetzt wird.


Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Frage der Zumutbarkeit des neuen Arbeitsplatzes hänge von den persönlichen Umständen des Arbeitnehmers ab und schließe insbesondere dessen Situation als schwerbehinderter Mensch ein. Dies enthalte notwendigerweise auch die Beurteilung, wie sich eine drohende Einkommensverschlechterung auf die persönlichen Lebensverhältnisse des Beigeladenen auswirken werde. Auf das noch verbleibende absolute Arbeitseinkommen abzustellen sei um so mehr angezeigt gewesen, als der Beigeladene in der zweitniedrigsten Tarifgruppe eingestuft sei und sich Einkommensänderungen bei ihm daher in besonders spürbarer Weise auswirkten. Die von der Klägerin angestrebte annähernde Halbierung der Arbeitszeit des Beigeladenen von bisher 39 Wochenstunden auf künftig 20 Wochenstunden ziehe zwangsläufig eine solche Verschlechterung von dessen Einkommenssituation nach sich, dass nicht nur die weitere Sicherstellung seines notwendigen Lebensunterhaltes, sondern darüber hinaus auch die Wahrung von seinen behinderungsbedingten Bedürfnissen ernsthaft gefährdet sei.


Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Da seine Kollegin mittlerweile mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 25 Wochenstunden arbeite, werde er mit der ihm angebotenen Wochenarbeitszeit unangemessen benachteiligt. Daraus ergebe sich auch, dass auch außerhalb des von der Klägerin wiederholt vorgebrachten Zeitfensters Arbeit vorhanden und ein Arbeiten während dieser Zeit möglich sei.

Mit Beschluss vom 25.02.2008 hat das Gericht den Rechtsstreit auf den Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
Am 24.04.2008 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 24.04.2008, und auf den Inhalt von einem Band Behördenakten des Beklagten Bezug genommen, der jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet.

Die Ablehnung der Erteilung der am 07.11.2005 beantragten Zustimmung zum Aussprechen einer Änderungskündigung hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen mit dem Ziel einer Verkürzug der Wochenarbeitszeit des Beigeladenen von 39 Stunden auf 20 Stunden bei entsprechender Gehaltskürzung, die durch den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen vom 22.02.2006 in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 31.08.2006 gefunden hat, erfolgt ist, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).

Der Klägerin steht kein Rechtsanspruch auf die Erteilung dieser Zustimmung zu. Ein solcher ergibt sich nicht aus den insofern maßgeblichen §§ 85, 88, 89 SGB IX. Danach bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen der Zustimmung des Integrationsamtes, wobei diese Entscheidung im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht, sofern nicht die Einschränkungen des § 89 SGB IX gegeben sind.

Gemäß § 89 Abs. 1 S. 1 SGB IX hat das Integrationsamt die Zustimmung bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingestellt oder aufgelöst werden, zu erteilen, wenn zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt und Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen. Unter der gleichen Voraussetzung soll das Integrationsamt die Zustimmung auch bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen erteilen, die nicht nur vorübergehend wesentlich eingeschränkt werden, wenn die Gesamtzahl der weiterhin beschäftigten schwerbehinderten Menschen zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX ausreicht (§ 89 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Diese Ausnahmen finden keine Anwendung, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebs oder derselben Dienststelle oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des schwerbehinderten Menschen möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist (§ 89 Abs. 1 S. 3 SGB IX). Gemäß § 89 Abs. 2 SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung erteilen, wenn dem schwerbehinderten Menschen ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz gesichert ist. § 89 Abs. 3 SGB IX regelt schließlich, dass das Integrationsamt in dem Fall, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Arbeitgebers eröffnet ist, die Zustimmung erteilen soll, wenn der schwerbehinderte Mensch in einem Interessenausgleich namentlich als einer der zu entlassenden Arbeitnehmer bezeichnet ist (§ 120 InsO), wenn die Schwerbehindertenvertretung beim Zustandekommen des Interessenausgleichs gemäß § 95 Abs. 2 SGB IX beteiligt worden ist, wenn der Anteil der nach dem Interessenausgleich zu entlassenden schwerbehinderten Menschen an der Zahl der beschäftigten schwerbehinderten Menschen nicht größer ist als der Anteil der zu entlassenden übrigen Arbeitnehmer an der Zahl der beschäftigten übrigen Arbeitnehmer und wenn die Gesamtzahl der schwerbehinderten Menschen, die nach dem Interessenausgleich bei dem Arbeitgeber verbleiben sollen, zur Erfüllung der Beschäftigungspflicht nach § 71 SGB IX ausreicht.

Vorliegend steht die Entscheidung des Beklagten über die Erteilung der Zustimmung in dessen pflichtgemäßem Ermessen, weil die Tatbestandsvoraussetzungen des § 89 SGB IX nicht erfüllt sind. Insbesondere ist das Ermessen des Beklagten nicht gemäß § 89 Abs. 2 SGB IX eingeschränkt, weil der dem Beigeladene im Wege der Änderungskündigung angebotene Arbeitsplatz zwar angemessen, aber nicht zumutbar ist.

Ob im Einzelfall die Tatbestandsmerkmale "angemessen" und "zumutbar" erfüllt sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung, weil es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt.

Hinsichtlich der Angemessenheit des neuen Arbeitsplatzes ist im Wege der Bewertung der Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalles auf die dort herrschenden Arbeitsbedingungen abzustellen. Maßgeblich sind insbesondere die Art der Beschäftigung und das Verhältnis des Arbeitsentgelts zur ausgeübten Tätigkeit. Insofern käme es aufgrund der von der Klägerin beabsichtigten Änderungskündigung nicht zu einer signifikanten Veränderung der Verhältnisse.

Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit des neuen Arbeitsplatzes ist hingegen auf alle Umstände abzustellen. Dazu gehören insbesondere die Verhältnisse der neuen Umgebung, wie die zu erwartende Zusammenarbeit und die Betreuung des Schwerbehinderten an dem neuen Arbeitsplatz, aber auch die verkehrsmäßige Anbindung zur neuen Arbeitsstätte und mit dem Arbeitsplatzwechsel verbundene Folgekosten und nicht zuletzt die finanzielle, soziale und familiäre Situation des Schwerbehinderten. Zumutbar ist der neue Arbeitsplatz dabei dann, wenn von einem an einem angemessenen Arbeitsplatz ernsthaft interessierten Arbeitnehmer erwartet werden kann, dass er unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und der Verhältnisse der neuen Umgebung das Angebot des Abschlusses eines neuen Arbeitsvertrages annimmt.

Bei Zugrundelegung dieses Entscheidungsmaßstabes stellt sich der dem Beigeladenen angebotene Arbeitsplatz als unzumutbar dar. Von dem Beigeladenen kann angesichts seiner persönlichen Verhältnisse nicht erwartet werden, dass er das Angebot des Abschlusses des neuen Arbeitsvertrages annimmt. Dabei ist entgegen der Auffassung der Klägerin hinsichtlich der anzustellenden Kontrollüberlegung, wie sich ein ernsthaft interessierter Arbeitnehmer verhalten würde, wenn ihm ein entsprechendes Angebot gemacht würde, auf einen Arbeitnehmer, der sich in der Situation des Beigeladenen befindet, und nicht auf eine arbeitsuchende Person abzustellen. Da die Verminderung der Wochenarbeitszeit für den Beigeladenen mit einem Verlust von weit über 40% des Bruttoeinkommens einherginge, würde sich im Falle der Annahme des Angebots der Klägerin durch den Beigeladenen auch dessen verfügbares Einkommen erheblich vermindern. Diese Verminderung des verfügbaren Einkommens ginge für den Beigeladenen wiederum mit der Notwendigkeit, seinen Lebensstil den neuen Einkommensverhältnissen anzupassen und seine Ausgaben erheblich einzuschränken, einher. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, dass angesichts der Höhe des zu erwartenden Einkommensverlusts dabei auch eine Beeinträchtigung der Belange des Beigeladenen, die im Zusammenhang mit seinen behinderungsbedingten Bedürfnissen stehen, zu befürchten wäre.

Die von dem Beklagten getroffene Ermessensentscheidung, die gemäß § 114 VwGO nur eingeschränkt durch das Gericht überprüfbar ist, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Fehler bei der Ermessensausübung sind nicht ersichtlich. Der Beklagte hat die maßgeblichen Interessen der Beteiligten bei seiner Entscheidung berücksichtigt, wobei er weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat.

Der Beklagte hat sich bei seiner Entscheidung daran orientiert, dass der Beigeladene behinderungsbedingten Beeinträchtigungen ausgesetzt ist, weshalb er den besonderen Schutz des SGB IX genießt. Insbesondere hat er, wie bereits ausgeführt, darauf hingewiesen, dass im Falle einer Erteilung der Zustimmung aufgrund der zu erwartenden Einkommensverluste beim Beigeladenen die Gefahr bestünde, dass dessen behinderungsbedingte Bedürfnisse nicht mehr angemessen gewahrt werden könnten. Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, der Beklagte greife durch seine Entscheidung unzulässigerweise in ihren unternehmerischen Gestaltungsspielraum ein, ist dies unzutreffend. Die Entscheidung des Beklagten hat nicht denknotwendig zur Folge, dass die Klägerin ihre unternehmerische Entscheidung, die Tätigkeiten eines C.... nur während eines begrenzten Zeitfensters am späten Nachmittag beziehungsweise am Abend eines jeden Tages ausüben zu lassen, zurücknehmen muss. Vielmehr besteht für die Klägerin die Möglichkeit, den Beigeladenen während der Zeit, die außerhalb des entsprechenden Zeitfensters liegt, mit anderen Tätigkeiten zu betrauen. Bei Konstellationen der vorliegenden Art ist es einem Arbeitgeber zumutbar, einen schwerbehinderten Menschen mit unterschiedlichen Arbeiten zu betrauen, die von diesem bewältigt werden können. Dies kann im Einzelfall auch zur Folge haben, dass der schwerbehinderte Mensch Aufgaben wahrnimmt, die nach der Organisation des Betriebs an sich verschiedenen Stellen zugeordnet werden, eine Ermessensreduzierung auf Null dahingehend, dass in solch einem Falle die durch das SGB IX geschützten Belange des schwerbehinderten Menschen immer hinter den organisatorischen Belangen des Arbeitgebers zurückstehen müssten, ist nicht gegeben. Dies könnte allenfalls dann der Fall sein, wenn aufgrund der Gesamtumstände erkennbar wäre, dass dem Arbeitgeber ein entsprechender Zuschnitt eines Arbeitsplatzes eines behinderten Menschen nicht zumutbar wäre. Dafür bestehen gegenwärtig aber keinerlei Anhaltspunkte. So ist die Klägerin im vom Beigeladenen eingeleiteten arbeitsgerichtlichen Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verpflichtet worden, den Beigeladenen weiterhin als Vollzeitkraft zu beschäftigen. Auch hat die Klägerin selbst zu erkennen gegeben, dass die Möglichkeit besteht, dass der Beigeladene zumindest teilweise Tätigkeiten wahrnimmt, die nach ihrer Organisation an sich von anderen Bediensteten wahrgenommen werden müssten. Anders kann der Vortrag der Klägerin im Verlaufe der mündlichen Verhandlung, nach ihrer Auffassung wende sich der Beigeladene außerhalb des oben dargestellten Zeitfensters an andere Kollegen, um von diesen Teile von deren Arbeiten zur Wahrnehmung übertragen zu bekommen, nicht verstanden werden.

Die Klage ist im Hilfsantrag unzulässig.

Insofern fehlt der Klägerin das erforderliche Rechtsschutzinteresse an einer gerichtlichen Entscheidung. Sie hat bislang keinen entsprechenden Antrag bei dem Beklagten gestellt, über den dieser befunden hat. Insbesondere ist solch ein Antrag nicht in demjenigen enthalten, der am 07.11.2005 durch die Klägerin gestellt worden ist. Eine Änderungskündigung ist eine Kündigung, die für den Fall ausgesprochen wird, dass sich der Vertragspartner mit konkret bezeichneten Veränderungen der vertraglichen Vereinbarungen nicht einverstanden erklärt. Schon aus dieser rechtlichen Konstruktion ergibt sich, dass die fraglichen Veränderungen der vertraglichen Vereinbarungen konkret bezeichnet werden müssen. Dass ein Antrag auf Erteilung einer Zustimmung zu einer Änderungskündigung mit dem Ziel, die vertragliche Arbeitszeit von 39 Wochenstunden auf 20 Wochenstunden zu reduzieren, nicht auch den Antrag enthält, eine Zustimmung zu einer Reduzierung der Arbeitszeit auf 25 Wochenstunden zu erteilen, ergibt sich auch daraus, dass derjenige, der die Änderungskündigung aussprechen will, gerade zu erkennen gibt, mit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nur einverstanden zu sein, wenn der Vertragspartner die von ihm gestellten Bedingungen akzeptiert. Die Zulässigkeit des gestellten Hilfsantrags ergibt sich auch nicht daraus, dass ersichtlich wäre, dass der Beklagte einen entsprechenden Antrag auf Erteilung einer Zustimmung zu einer Änderungskündigung mit dem Ziel, die die Wochenarbeitszeit des Beigeladenen auf 25 Stunden bei gleichzeitiger Reduzierung der Vergütung auf jeden Fall ablehnen würde. Dafür bestehen keinerlei Anhaltspunkte.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3, 188 VwGO. Danach hat die Klägerin als unterliegender Teil die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen. Es entsprach zudem der Billigkeit, ihr die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser selbst einen Antrag gestellt hat und damit ein Prozesskostenrisiko eingegangen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 167 VwGO; 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Referenznummer:

R/RBIH6774


Informationsstand: 03.11.2015