Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist.
Die Beklagte betreibt zwei Krankenhäuser, nämlich das H sowie das S .
Der am 26.01.1966 geborene Kläger, ledig, ist zu 100 % schwerbehindert aufgrund eines schweren Verkehrsunfalls.
Im Vordergrund stehende Behinderungen des Klägers sind:
1. Gehbehinderung durch Fehlstellung beider Füße
2. Eingeschränkte Beweglichkeit beider Arme und des linken Daumens
3. Gestörte Augenmuskelkoordination und rechtsseitige Gesichtsnervenrestlähmung
4. Minderung der Merkfähigkeit, eingeschränkte Auffassungsgabe, psychosomatische Verlangsamung, Gleichgewichtsstörungen und Höhenangst
5. Hirnorganisches Anfallsleiden, unter medikamentöser Therapie, seit Jahren anfallsfrei.
Zum 01.09.1990 wurde der schwerbehinderte Kläger als Verwaltungsangestellter von der Beklagten eingestellt. Arbeitsvertraglich ist die Anwendung der AVR in ihrer jeweiligen Fassung vereinbart. Die monatliche Bruttovergütung betrug zuletzt 1.900,00
EUR.
Mit seinen Behinderungen wurde der Kläger in der zentralen Poststelle im Krankenhaus L mit folgenden Tätigkeiten betraut:
* Post- und Paketannahme
* Postverteilung in die Postfächer
* Postverteilung im Haus, sofern dieses nicht von den Abteilungen nicht selbst abgeholt wurde
* Bearbeitung des Postausgangs, sortieren der Post nach dem beauftragten Zustellunternehmen (D )
* Kopierarbeiten am Zentralkopierer
* Abrechnung von Essenskarten für die Mitarbeiterverpflegung
Die Beklagte wurde seit Mitte 2007/Anfang 2008 als eine Einrichtung krankenhausrechtlich geführt. Seitdem führte sie häuserübergreifend organisatorische Veränderungen der Arbeitsabläufe durch. Im Juli 2007 beschloss sie die Abschaffung der zentralen Poststelle. Mehrere Zustimmungsanträge der Beklagten an das Integrationsamt bezüglich einer deswegen beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung des Klägers nahm sie schließlich zurück. Diesbezüglich holte sie insgesamt drei arbeitsmedizinische Gutachten zu der Frage der Einsetzbarkeit des Klägers ein. Das Gutachten vom 28.02.2008 (Bl. 112 bis 114 d. A.) führte
u. a. Folgendes aus:
"In seiner Stellungnahme vom 18.09.2007 betont Kollege F, dass die besichtigten Arbeitsplatzalternativen (Küche/Wäscherei und Bettenzentrale) nicht im vollen Umfang ganztägig ausgeführt werden können. Außerdem regt er damit auch schon indirekt an, durch Kombinieren unterschiedlicher leichter Tätigkeiten eine neue Arbeitsstelle zu schaffen. Inzwischen wurden auch von Schwerbehindertenvertretung und Mitarbeitervertretung weitere Vorschläge für leichte Tätigkeiten vorgelegt. Deren wirtschaftlicher Sinn und Unsinn kann jedoch nicht Gegenstand medizinischer Begutachtung sein und musste mit den Interessenvertretern diskutiert werden."
In einer gemeinsamen Stellungnahme der Schwerbehindertenvertretung und der Mitarbeitervertretung vom 03.09.2007 an die Geschäftsleitung der Beklagten hieß es (Bl. 332 d. A.):
"Wir stellen fest, dass jegliche in der Vergangenheit und während des Gesprächs und der Betriebsbegehung vom 28.08.2007 von uns und anderen Gesprächsteilnehmern geäußerten Vorschläge zur Arbeitsplatzsicherung von Herrn P F sofort abgelehnt wurden. Sie seien wirtschaftlich für die KKO nicht vertretbar.
Die von Herrn S als Personalleiter alternativ vorgeschlagenen Einsatzmöglichkeiten wurden unserer Meinung nach nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Vielmehr entstand bei uns der Eindruck, dass es vorrangig um die Wirtschaftlichkeit, jedoch nicht um einen ernsthaften Versuch zur Weiterbeschäftigung des schwerbehinderten Mitarbeiters gehe. Unserer Einschätzung nach wurden das Gespräch und die Begehung lediglich dazu anberaumt, ein erneutes Kündigungsverfahren nicht wiederholt durch einen Formfehler scheitern zu lassen."
In einem Gespräch am 19.11.2007 bot die Fürsorgestelle und der Integrationsfachdienst eine Mehrzahl von Fördermöglichkeiten für die Beschäftigung des Klägers an (Gesprächsprotokoll über den Termin vom 19.11.2007, Bl. 336 d. A.).
Auf ein erneut von der Beklagten eingeleitetes Zustimmungsverfahren erteilte das Integrationsamt durch Bescheid vom 19.11.2008 (Bl. 360
ff. d. A.) die Zustimmung zu einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist.
Daraufhin sprach die Beklagte mit Schreiben vom 21.11.2008 die streitgegenständliche außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist zum 30.06.2009 aus.
Ab dem 05.11.2008 wurde der Kläger freigestellt.
Gegen die Kündigung wehrte sich der Kläger fristgerecht mit der Kündigungsschutzklage und begehrte zugleich seine Weiterbeschäftigung und die Erteilung eines Zwischenzeugnisses.
Gegen den Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes erhob der Kläger Widerspruch.
Auf diesen Widerspruch des Klägers hin wurde durch Widerspruchsbescheid vom 21.10.2009 (Bl. 375
ff. d. A.) der Zustimmungsbescheid des Integrationsamtes aufgehoben und die Zustimmung zur Kündigung gemäß
§ 91 SGB IX verweigert.
Hiergegen hat die Beklagte Klage vor dem Verwaltungsgericht unter dem Aktenzeichen 26 K 7920/09 erhoben.
Durch vor dem Widerspruchsbescheid ergangenes Urteil vom 30.04.2009 hat das Arbeitsgericht der auf Kündigungsschutz, Weiterbeschäftigung und Erteilung eines Zwischenzeugnisses gerichteten Klage stattgegeben. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht darauf abgestellt, die Wirksamkeit der Kündigung scheitere bereits daran, dass die Beklagte nicht hinreichend ihre ausreichenden Bemühungen für die Weiterbeschäftigung des Klägers dargelegt habe. Die Verpflichtung, eine Beschäftigung für den Kläger zu finden, resultiere vorliegend auch aus dem schwerbehinderungsrechtlichen Beschäftigungsanspruch des Klägers gemäß
§ 81 Abs. 4 SGB IX. Die Beklagte habe nicht sämtliche von der Mitarbeitervertretung, der Schwerbehindertenvertretung, dem Kläger und den Arbeitsmedizinern angesprochene Beschäftigungsmöglichkeiten überprüft und deren Negativergebnis im Streitfall dargelegt. Ganz offensichtlich habe die Beklagte dies nicht getan, soweit
z.B. der Arbeitsbereich Beetenaufbereitung in Rede stehe.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung einlegen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist diese auch innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründen lassen.
Die Beklagte bringt vor, Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger bestünden nicht. Aufgrund erstmals im Jahre 2006 angestellter Überlegungen sei im Jahre 2007 die Entscheidung getroffen worden, die bisherige Poststelle abzuschaffen. Die dort früher anfallenden Arbeiten sollten stattdessen durch die in der Telefonzentrale tätigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu den Zeiten, zu denen keine Telefonanrufe eingingen, miterledigt werden. Dies sei seither so praktiziert worden. Die Tätigkeit des Klägers sei dadurch entfallen. Andere Beschäftigungsmöglichkeiten bestünden nicht. Fehlerhaft sei es, wenn das Arbeitsgericht an das Gewicht der Kündigungsgründe für eine außerordentliche Kündigung gemäß § 15 AVR ähnliche Ansprüche stelle wie an eine außerordentliche Kündigung im Rahmen des § 55
BAT. Denn § 15 AVR umfasse nicht einen solchen weitreichenden Kündigungsschutz, wie er sich aus § 55
BAT ergebe. Vielmehr seien aus § 15 AVR keine gegenüber
§ 1 KSchG wesentlich erhöhten Anforderungen abzuleiten.
Die Kündigung scheitere zudem nicht an der Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist.
Hinsichtlich der Verurteilung zur Erteilung eines Zwischenzeugnisses hat die Beklagte die Berufung zurückgenommen. Ein Zwischenzeugnis ist unter dem Datum 28.05.2009 (Bl. 412 d. A.) erteilt worden.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Siegburg vom 30.04.2009 - 4 Ca 3047/08 G - die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten kostenpflichtig zurückzuweisen.
Der Kläger macht geltend, dass schon wegen des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2009 eine rechtswirksame Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung nicht vorliege. Unabhängig hiervon sei die Kündigung aus den Gründen des erstinstanzlichen Urteils nicht gerechtfertigt. Die Kündigung sei zudem verfristet, weil die Beklagte, nachdem sie ihren ursprünglichen Antrag vom 20.03.2009 zurückgenommen habe, am 07.11.2009 einen weiteren Zustimmungsantrag gestellt habe, diesen ebenfalls zurückgenommen habe und dann am 10.11.2008 den nunmehr streitgegenständlichen Antrag auf Zustimmung gestellt habe. Bis zu diesem dritten Antrag sei der Kläger bei der Beklagten beschäftigt gewesen und habe die ihm zugewiesenen Arbeiten erledigt. Vor diesem Hintergrund könne keine Rede davon sein, dass der Arbeitsplatz des Klägers im November 2008 weggefallen sei. Dass die Beklagte ernsthaft selbst nicht daran glaube, dass keine Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers gegeben sei, werde auch durch das dem Kläger erteilte Zwischenzeugnis vom 28.05.2009 belegt, weil es dort heiße, dass beabsichtigt sei, dem Kläger aufgrund der betriebsbedingten Schließung der Poststelle neue Aufgaben im S Krankenhaus zu übertragen (Zwischenzeugnis Bl. 412 d. A.).
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Kündigungsschutz- und Weiterbeschäftigungsklage des Klägers stattgegeben. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts kann verwiesen werden. Im Hinblick auf das zweitinstanzliche Vorbringen der Parteien ist Folgendes zu unterstreichen.
I. Die ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist ist aus mehreren unabhängig voneinander bestehenden Gründen rechtsunwirksam.
1. Die für eine Kündigung eines schwerbehinderten Menschen gemäß
§§ 91,
85 SGB IX erforderliche Zustimmung liegt nicht vor. Aufgrund des Widerspruchsbescheides des Integrationsamtes vom 21.10.2009 (Bl. 375
ff. d. A.) ist die Zustimmung zur Kündigung gemäß § 91
SGB IX verweigert worden. Zwar hat die Beklagte hiergegen Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Dies ändert aber nichts daran, dass zum Entscheidungszeitpunkt über die von der Beklagten eingelegte Berufung von einer Zustimmung, wie sie nach § 91
SGB IX erforderlich wäre, nicht ausgegangen werden kann. Eine eventuelle Aussetzung gemäß § 148
ZPO war nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen. Dabei waren die Folgen einer durch die Aussetzung entstehenden langen Verfahrensdauer für die Parteien und der Beschleunigungsgrundsatz im Kündigungsschutzverfahren in die Abwägung einzustellen (siehe
BAG Urteil vom 02.03.2006 -
2 AZR 53/05 -, NZA-RR 2006,
S. 636). Angesichts der mehr als einjährigen absehbaren Unterbrechung des Verfahrens bei Aussetzung (siehe dazu
LAG Hamm Urteil vom 08.03.2007 - 17 Sa 1695/06 -) war von einer Aussetzung abzusehen, die Beklagte
ggf. auf die Möglichkeit der Restitutionsklage zu verweisen.
2. Unabhängig vom Vorgenannten bestand kein Grund für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist gemäß § 626
Abs. 1
BGB vor.
a) Zutreffend hat das Arbeitsgericht für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist im vorliegenden Fall einen strengen Maßstab angelegt.
Es handelte sich bei der von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung um eine betriebsbedingte Kündigung, weil die Beklagte die Kündigung des Klägers aus Anlass einer betrieblichen Umorganisation und des Wegfalls des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers betreibt.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger ordentlich unkündbar ist.
Vor diesem Hintergrund sind an eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus betriebsbedingten Gründen strenge Maßstäbe anzulegen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten gelten insoweit dieselben Maßstäbe, wie sie von der höchstrichterlichen Rechtsprechung für den gleichlautenden § 55
BAT a. A. entwickelt worden sind (siehe hierzu
BAG Urteil vom 24.06.2004 - 2 AZR 215/03 - AP
Nr. 6 zu § 55
BAT). Es ist bereits kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Normgeber der AVR den Wortlaut des § 16 AVR anders verstanden hätten als den Wortlaut in § 55
BAT a. A. Vielmehr drängt sich auf, dass sich die Normgeber der AVR bewusst und gewollt an dem Wortlaut des § 55
BAT orientiert haben. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob im Hinblick auf Beamtenbeschäftigung im öffentlichen Dienst auch im Geltungsbereich des AVR ein Bedürfnis besteht, Arbeitnehmer in ähnlicher Weise wie die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes angenähert an den Beamtenschutz vor einer betriebsbedingten Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zu schützen. Denn dies obliegt dem Verhandlungs- und Normsetzungsermessen der Normgeber im Rahmen der Festsetzung der AVR-Bestimmungen.
Wollte man trotz des parallelen Wortlauts § 15 AVR eine andere, geringere Kündigungsschutzwirkung zumessen als der Bestimmung des § 55
BAT, würde ein solches Auslegungsergebnis der Inhaltskontrolle nach § 305
ff. BGB nicht standhalten. Durch § 310
Abs. 4
S. 1
BGB ist zwar gesetzlich anerkannt, dass tarifvertragliche Regelungen der Inhaltskontrolle nicht unterliegen. Für kirchliche allgemeine Arbeitsbedingungen gilt dies jedoch nur dann, wenn sie eine tarifvertragliche Regelung ganz oder im Wesentlichen übernehmen (siehe
BAG Urteil vom 17.11.2005 - 6 AZR 160/05, NZA 2006, 872;
BAG Urteil vom 26.01.2005 - 4 AZR 171/03 - NZA 2005,
S. 1059).
Eine Inhaltskontrolle würde daher nur entfallen
bzw. zugunsten der Beklagten ausfallen, wenn der Vorschrift in § 15 AVR dieselbe Bedeutung beigemessen wird wie § 55
BAT. Anderenfalls würde § 15 AVR in der von der Beklagtenseite angestrebten Auslegung der Inhaltskontrolle schon deshalb nicht standhalten, weil damit gegen den Wortlaut von § 15 AVR eine Einschränkung des Kündigungsschutzes unter Verstoß gegen das Transparenzgebot in § 307
Abs. 1
S. 2
BGB verbunden wäre. Denn anhand des Wortlautes der Bestimmung wäre nicht erkennbar, dass die Bestimmung tatsächlich nur einen nicht oder nur wenig über
§ 1 KSchG hinausgehenden Kündigungsschutz - so die Interpretation der Beklagten - bewirken solle. Auslegungszweifel gingen zudem ohnehin gemäß § 305 c Absatz 2
BGB zu Lasten der Beklagten. Unabhängig hiervon kann der Auslegung der Beklagten auch deshalb nicht gefolgt werden, weil die Auffassung der Beklagten, letztlich könnten bei Unkündbarkeit zur Begründung einer betriebsbedingten Kündigung die Grundsätze des § 1
KSchG ausreichen, darauf hinaus liefe, § 15 ARV weitestgehend leerlaufen zu lassen.
b) Die ausgesprochene Kündigung erfüllt die vom Arbeitsgericht zu Recht angewandten strengen Voraussetzungen nicht. Es ist sogar festzuhalten, dass die Kündigung nicht einmal die Voraussetzungen des § 1
Abs. 2
KSchG für eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung erfüllen.
Die Beklagte beruft sich zur Begründung ihrer Kündigung darauf, dass der Arbeitsplatz des Klägers weggefallen sei. Die Poststelle sei aufgelöst worden und die Arbeit auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Telefonzentrale verteilt worden.
Damit steht fest, dass die vom Kläger ursprünglich verrichtete Arbeit tatsächlich weiter im Betrieb ausgeführt wird. Darin liegt auch ein grundlegender Unterschied zu dem von der Beklagtenseite herangezogenen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 05.02.1998 (
2 AZR 227/97, NZA 1998,
S. 771), in dem nicht nur der Arbeitsplatz weggefallen war, sondern darüber hinaus die zugrunde liegende Arbeitsaufgabe.
Die Arbeitsaufgabe ist im vorliegenden Fall nicht weggefallen, sondern nur innerhalb der betrieblichen Organisation durch Umorganisation und neuen Zuschnitt der Arbeitsplätze neu verteilt worden. Bereits vor diesem Hintergrund kann nicht von einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis gesprochen werden, weil die Sinnentleerung nicht dadurch eingetreten ist, dass die Arbeitsaufgabe im Betrieb nicht mehr anfällt, sondern allein dadurch, dass die Beklagte die Arbeit, die der Kläger ursprünglich verrichtet hat, nur anders organisiert hat.
Nach dem Vortrag der Beklagte verrichten die in der Telefonzentrale beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Zeiten, in denen keine Telefongespräche anfallen, die Arbeiten, die zuvor in der Poststelle erledigt worden sind. Das indiziert, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Poststelle zuvor nicht in vollem Umfang ausgelastet waren, so dass dort ein Beschäftigungsüberhang bestanden haben mag. Schon vor diesem Hintergrund ist kein schlüssiges arbeitgeberseitiges unternehmerischen Konzept erkennbar, das erklären könnte, weshalb der überschießende Personalbedarf in der Telefonzentrale nicht durch dort greifende Personalreduzierungsmaßnahmen lösbar gewesen wäre. Ohnehin liegt ein unternehmerisches Konzept in schriftlicher Form nicht vor, sondern ist nur im Rahmen des an das Integrationsamt gerichteten Zustimmungsverfahrens schriftlich fixiert worden. Weder daraus noch aus den sonstigen Darlegungen der Beklagten ergibt sich, die wirtschaftliche Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, auf die sich die Beklagte beruft. Denn dazu kann nicht einfach die Entgeltsumme des Klägers für die Folgejahre hochgerechnet werden. Gegengerechnet werden müsste, welche Gesamtbelastung sich ergeben hätte, wenn der Beschäftigungsüberhang in der Telefonzentrale abgebaut worden wäre. Dass sich aus einer solchen Saldobildung eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit im Sinne einer Sinnentleerung des Arbeitsverhältnisses ergeben hätte, ist weder vorgetragen, noch ersichtlich.
c) Unabhängig von den vorgenannten Gründen ist die Kündigung desweiteren deshalb rechtsunwirksam, weil die Beklagte nicht ausreichend nach anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger gesucht hat. Über die bereits vom Arbeitsgericht zu Recht angeführte Beschäftigungsmöglichkeit hinaus waren dabei auch die weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten, die Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung sowie die arbeitsmedizinische Stellungnahme aufgezeigt haben, in Betracht zu ziehen. Demgegenüber hat die Beklagte den Blickwinkel der Beschäftigungssuche unzulässig verengt auf die im Betrieb der Beklagten bereits vorhandene, nach dem Stellenplan vorgegebene Arbeitsplätze beschränkt. Dies ist eine unzulässige Verengung, weil gemäß
§ 81 Abs. 4 Nr. 1 SGB IX schwerbehinderte Arbeitnehmer einen Beschäftigungsanspruch haben. Bei diesem Beschäftigungsanspruch handelt es sich um einen individuellen Rechtsanspruch, der gerichtlich durchsetzbar ist. Er entspringt der gesteigerten Fürsorgepflicht, die der Arbeitgeber gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern hat. Um dieser Beschäftigungspflicht gerecht zu werden, ist der Arbeitgeber
ggf. auch zur Umorganisation seiner Arbeitsplätze bis hin zum Arbeitsplatztausch verpflichtet (siehe
BAG Urteil vom 03.12.2002 -
9 AZR 481/01 -, NZA 2003,
S. 1215; Fabricius in juris PK-SGB IX § 81
SGB IX Rdnr. 39
ff.). Zur Erfüllung dieser Beschäftigungspflicht wären
ggf. auch Elemente aus verschiedenen Einzeltätigkeiten zu kombinieren. Auch eine Teilzeitbeschäftigung wäre vorrangig vor einer Beendigungskündigung durchzuführen gewesen. Dass solche anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeiten vorhanden waren, belegt auch der von der Beklagtenseite eingeräumte Umstand, dass der Kläger in der Zeit zwischen November 2007 und Juli 2008 mit anderen Tätigkeiten betraut wurde. Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, es habe sich um Arbeiten gehandelt, die ohne Weiteres von den übrigen Mitarbeitern der Beklagten wahrgenommen und ausgeführt werden konnten, dringt nicht durch. Denn dies belegt, dass entsprechende Tätigkeiten vorhanden waren, die dem Kläger übertragen werden konnten. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, die Stelle sei insoweit "on top" vorgehalten worden, lässt sich daraus nur die Schlussfolgerung ziehen, dass in diesem Bereich ein Beschäftigungsüberhang vorhanden war. Ein solcher berechtigte aber nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger, sondern zunächst nur zur Personalreduzierung bezogen auf die weniger schutzwürdigen Arbeitnehmer.
Vor diesem Hintergrund ist die Ausführung in dem Widerspruchsbescheid des Integrationsamtes vom 21.10.2009, in dem die Zustimmung zur Kündigung verweigert wird, in jeder Hinsicht nachvollziehbar, wenn es dort heißt:
"Diesbezüglich ist jedoch vom Arbeitnehmer zu verlangen, dass er sich ernstlich bemüht, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen.
Eine solche ernstliche Bemühung der Beteiligten ist nicht zu erkennen."
Dies gilt auch deshalb, weil die angebotenen Fördermittel für die Beschäftigung des Klägers nicht im Einzelnen geprüft worden sind und auch die Berufungsbegründung hierzu keinerlei Ausführung enthält.
Schließlich enthält auch das dem Kläger unter dem 28.05.2009 erteilte Zwischenzeugnis (Bl. 412 d. A.) den - zutreffenden - Hinweis, dass die Beklagte aufgrund der betriebsbedingten Schließung der Poststelle beabsichtigte, dem Kläger neue Aufgaben im S Krankenhaus zu übertragen.
Nach allem ist bereits an sich kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist aus betriebsbedingten Gründen gegeben. Selbst eine an den Maßstäben des § 1
Abs. 2
KSchG ausgerichtete Kündigung wäre nicht gerechtfertigt.
II. Auch der Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers ist, wie das Arbeitsgericht zutreffend erkannt hat, gegeben. Er stützt sich im vorliegenden Fall zusätzlich auf § 81
Abs. 4
Nr. 1
SGB IX.
III. Insgesamt hatte die Berufung der Beklagten keinen Erfolg und musste mit der Kostenfolge des § 97
Abs. 1
ZPO zurückgewiesen werden.
Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Rechtssache keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung hatte, sondern eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung war, und auch kein Fall von Divergenz vorlag.