Die zulässige Anfechtungsklage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der streitgegenständliche Widerspruchsbescheid, der für den Kläger erstmalig eine Beschwer enthält (§ 79
Abs. 1
Nr. 2
VwGO) ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Der Klage fehlt jedoch nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist eine allgemein anerkannte Sachentscheidungsvoraussetzung für alle Verfahrensarten (
vgl. Kopp/Schenke, 14. Aufl., vor § 40
Rdnr. 30). Es wird aus dem Gebot von Treu und Glauben sowie aus dem auch für Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns abgeleitet. Das Erfordernis des Rechtsschutzbedürfnisses gilt für alle Klagearten und greift insbesondere dann ein, wenn der Kläger sein verfolgtes Rechtsschutzziel entweder einfacher oder aber gar nicht mehr erreichen kann (
vgl. Kopp/Schenke, a.a.O.
Rdnr. 48).
Der Kläger könnte bei einem Erfolg im vorliegenden Verwaltungsprozess die dann erreichte Unwirksamkeit der Zustimmung zur Kündigung vor dem Arbeitsgericht geltend machen. Das arbeitsgerichtliche Schlussurteil des Arbeitsgerichts ... vom ... Oktober 2010 ist zwar rechtskräftig, Berufung dagegen wurde laut Parteienvortrag nicht eingelegt. Allerdings sah das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten nur deshalb als nicht aufgelöst an, weil die ursprünglich für die Kündigung vom ... November 2008 erteilte Zustimmung im Rahmen des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides (rückwirkend) aufgehoben worden ist. Andere Unwirksamkeitsgründe lagen nicht vor. Daher hätte auch ein - gemäß § 582
ZPO - vorrangig vor einer Restitutionsklage zu führendes Berufungsverfahren keine andere Entscheidung für den Kläger bringen können; er ist somit auf die Durchführung des Verwaltungsprozesses weiterhin angewiesen. Die Restitutionsklage
gem. § 79 Arbeitsgerichtsgesetz (
ArbGG)
i.V.m. §§ 578, 580
Nr. 6
ZPO ist dann möglich, wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist. Einem früheren Urteil stehen nach gefestigter Ansicht Verwaltungsakte gleich (
vgl. Zöller/Greger,
ZPO, 22. Aufl., § 580
Rdnr. 13). Vorliegend ist daher auch die Zustimmung zur Kündigung als Verwaltungsakt grundsätzlich tauglicher Anknüpfungspunkt der Restitutionsklage. Außerdem ist eine Ursächlichkeit der Vorentscheidung für das betreffende Urteil nötig; die aufgehobene Entscheidung muss in der früheren Entscheidung irgendwie ihre Stütze finden (
vgl. Thomas/Putzo,
ZPO, § 580
Rdnr. 10). Hier findet die arbeitsgerichtliche Entscheidung ihre Stütze ausschließlich in dem Zustimmungsverwaltungsakt. Der Kläger kann somit sein Rechtsschutzziel nicht über eine Berufung gegen das arbeitsgerichtliche Urteil, sondern nur über den Verwaltungsprozess erreichen, da er bei einem Erfolg im vorliegenden Prozess die dann erreichte Unwirksamkeit der Zustimmung zur Kündigung vor dem Arbeitsgericht im Wege der Restitutionsklage geltend machen kann. Anders läge der Fall, wenn das Arbeitsgericht bereits rechtskräftig festgestellt hätte, dass die Kündigung aus kündigungsschutzrechtlichen Gründen unwirksam war (
z.B. wegen Versäumung der Klagefrist,
vgl. VG München, Urt. v. 8.10.2009, Az.
M 15 K 09.363 mit dem Hinweis, dass der Kläger eine Korrektur des erstinstanzlichen Urteils durch eine Berufung hätte erreichen können, da der Kläger Zweifel am Zugang der Kündigung hatte). In diesen Fällen kommt es für die Wirksamkeit der Kündigung nicht mehr darauf an, ob die Kündigung zusätzlich auch noch wegen rechtswidriger und damit fehlender Zustimmung des Integrationsamtes unwirksam ist. Eine doppelte Rechtsunwirksamkeit gibt es nicht. Insofern wäre das Rechtsschutzbedürfnis für eine Aufhebung des Zustimmungsbescheides entfallen. Dies ist hier aber aus oben genannten Gründen gerade nicht der Fall.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Zur Begründung wird auf die ausführlichen und zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Widerspruchsbescheid hingewiesen. Das Gericht sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117
Abs. 5
VwGO).
Ergänzend weist das Gericht auf Folgendes hin:
Nach
§ 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, das nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. Diese Ermessensentscheidung kann vom Verwaltungsgericht
gem. § 114
VwGO nur daraufhin überprüft werden, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat
bzw. ihr Ermessen nicht erkannt oder überhaupt nicht ausgeübt hat. Geht das Integrationsamt bei der Ermessensausübung von einem unvollständigen oder falschen Sachverhalt aus oder lässt es erhebliche Umstände des Einzelfalles unberücksichtigt, so handelt es ermessensfehlerhaft (
vgl. Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX Handkommentar, 3. Aufl., § 88,
Rdnr. 10).
Gemessen an diesen Maßstäben ist die Aufhebung des Bescheides des Integrationsamtes vom ... November 2008 durch die Beklagte und die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des mit dem Beigeladenen bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat den Sachverhalt in ausreichender Weise ermittelt; für das Gericht bestehen auch keine Anhaltspunkte, dass der Widerspruchsausschuss von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wäre. Der Arbeitgeber ist für das vorgetragene Fehlverhalten des Arbeitnehmers beweispflichtig. Der Beigeladene hat den Vortrag des Klägers substantiiert bestritten und glaubhaft vorgetragen, dass die Mitnahme der beiden "..."-Flaschen irrtümlich geschah. Zurecht geht der Widerspruchsausschuss davon aus, dass dieser geschilderte Irrtum wegen seiner Lebensnähe und der sofortigen Aufklärung im Telefonat nicht als Schutzbehauptung qualifiziert werden kann.
Der Beklagte hat somit die in seine Ermessensbetätigung einzustellenden Belange ausreichend ermittelt und anschließend auch eine ordnungsgemäße Interessenabwägung vorgenommen. Er ist nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass angesichts der geringen Schwere der vorwerfbaren Pflichtverletzung (Rückfrage, ob die streitgegenständlichen Gegenstände tatsächlich zu den Arbeitsmaterialien des Klägers gehören) eine Kündigung nur nach einer vorherigen Abmahnung verhältnismäßig gewesen wäre und die Zustimmung daher zu verweigern war.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge der §§ 154
Abs. 1, 162
Abs. 3, 188 Satz 2
VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt ergibt sich aus § 167
Abs. 2
VwGO i.V.m. §§ 708
ff. ZPO.