Urteil
Krankheitsbedingte Kündigung - Ermessen - Verweigerte Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung - Weiterbeschäftigung auf behindertengerechtem Arbeitsplatz

Gericht:

VG Augsburg 3. Kammer


Aktenzeichen:

Au 3 K 11.121 | 3 K 11.121


Urteil vom:

27.07.2011


Grundlage:

Tenor:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, der Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beigeladenen zuzustimmen.

1. Am 27. Januar 2010 beantragte die Klägerin beim Zentrum Bayern Familie und Soziales Region ... Integrationsamt, der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beigeladenen mit einer Frist von sieben Monaten zum Monatsende zuzustimmen. Die Kündigung sei nicht durch Tarifvertrag ausgeschlossen. Zur Begründung wurde vorgetragen, die Beigeladene sei einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Sie sei bei der Klägerin als Briefzustellerin beschäftigt. Ihre Tätigkeit habe sie mit dem Fahrrad ausgeübt. Im Jahr 2008 habe sie sich vom 8. Mai 2008 bis 5. Juni 2008 einer Reha-Maßnahme unterzogen, im Anschluss daran sei sie weiterhin arbeitsunfähig erkrankt gewesen und deshalb am 28. Juli 2008 arbeitsmedizinisch hinsichtlich ihrer Einsatzfähigkeit im Zustelldienst (Verbund, Brief und Fracht) begutachtet worden. Der Betriebsarzt habe unter bestimmten Voraussetzungen keine gesundheitlichen Bedenken attestiert. Die Beigeladene habe am 3. August 2008 ihre Arbeit wieder aufgenommen. Ab dem 5. Dezember 2008 sei sie erneut arbeitsunfähig erkrankt. Nach einem Mitarbeitergespräch sei für den 11. Februar 2009 eine weitere arbeitsmedizinische Untersuchung zur Feststellung ihrer Eignung als Briefzustellerin mit dem Fahrrad durchgeführt worden. Es sei beabsichtigt gewesen, sie in einem ihren gesundheitlichen Einschränkungen eher entsprechenden Fahrradbezirk einzusetzen. Der Betriebsarzt habe weiterhin keine gesundheitlichen Bedenken attestiert und angegeben, dass in sechs bis acht Wochen mit einer Wiedereingliederung begonnen werden könne.

Auch nach einer im Februar/März 2009 durchgeführten stationären Reha-Maßnahme habe jedoch die geplante Wiedereingliederungsmaßnahme nicht aufgenommen werden können. Eine arbeitsmedizinische Untersuchung am 21. April 2009 habe dann ergeben, dass bei der Beigeladenen dauerhaft erhebliche Einsatzbeschränkungen nötig seien. Im Zustelldienst könne sie nicht mehr eingesetzt werden. Lediglich ein Einsatz im Innendienst unter Beachtung ihres Leistungsprofils sei möglich. Die Beigeladene könne nur in geschlossenen und temperierten Räumen/Hallen ständig leichte Arbeit, stehend, gehend, sitzend verrichten.

Da die Tätigkeit der Beigeladenen in der Zustellung diesen Einschränkungen nicht entsprach, sei nach einer für sie geeigneten alternativen Beschäftigungsmöglichkeit gesucht worden. Diese seien jedoch nicht gefunden worden, obwohl die Beigeladene ihre Bereitschaft erklärt habe, sich auch räumlich und zeitlich zu verändern und somit bei anderen Niederlassungen zu arbeiten.

Aufgrund ihrer krankheitsbedingten Einschränkungen sei die Beigeladene auf Dauer für eine Tätigkeit im Bereich der Entgeltgruppen 1, 2 und 3 gesundheitlich nicht geeignet. Es sei ihr daher auf nicht absehbare Zeit unmöglich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Das Arbeitsverhältnis sei somit auf Dauer ganz erheblich gestört. Die fehlende gesundheitliche Eignung und eine negative Zukunftsprognose als Voraussetzung einer krankheitsbedingten Kündigung lägen damit ebenso vor, wie die betriebliche Beeinträchtigung dadurch, dass die Hauptpflicht zur Arbeitsleistung nicht mehr erfüllt werden könne. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei damit für den Arbeitgeber nicht zumutbar. Eine andere Möglichkeit als die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus personenbedingten (krankheitsbedingten) Gründen werde daher nicht gesehen.

Der Betriebsrat der Niederlassung der Klägerin widersprach der beabsichtigten Kündigung. Es läge keine Unmöglichkeit der Leistungserbringung vor. Die Behandlung der Erkrankung habe einen erfolgreichen Verlauf genommen. Es sei nicht zu befürchten, dass bei Beschäftigung der Beigeladenen auf einem behindertengerechten Arbeitsplatz infolge ihrer Erkrankung in Zukunft mit häufigen oder langen Ausfallzeiten zu rechnen sei. Die Beigeladene sei vom 20. Juli bis 31. Oktober 2009 als Mitarbeiterin bei der Stellenleitung des "ZSPL ..." eingesetzt gewesen. In dieser Zeit seien keine behinderungsbedingten Ausfallzeiten aufgetreten. Seit 1. November 2009 sei die Beigeladene unter Zahlung ihres Entgelts von der Arbeit freigestellt. Am 3. November 2009 habe die Klägerin ein Zwischenzeugnis ausgestellt. Darin werde die Beigeladene als Mitarbeiterin mit außergewöhnlich viel Engagement und höchster Leistungsbereitschaft beschrieben. Ihre Arbeitsergebnisse erledige sie hervorragend. Besonders hervorzuheben seien ihre herausragenden Fähigkeiten, schnell richtige Lösungen zu finden. Die Beigeladene habe sich seit der Wiederaufnahme ihrer Beschäftigung am 20. Juli 2009 um verschiedene Arbeitsplätze, die ihrer gesundheitlichen Eignung entsprächen bzw. behindertengerecht umgestaltet werden könnten, beworben. Ihre Bewerbungen um eine Beschäftigung bei der 100 %igen Tochterfirma der ... AG, ... GmbH (...), seien von der Niederlassung mit der Begründung, sie gehöre nicht zum definierten Bewerberkreis, abgelehnt worden. Bei der ... entstünden am Standort ... im Zuge der Verlagerung von Tätigkeiten ca. 40 neue Arbeitsplätze im Kundenservice. Zur Regelung künftiger Sozialplanverfahren bei der ... sei der Bewerberkreis hierfür auch auf Arbeitnehmer/innen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Zustellung beschäftigt werden können, ausgeweitet worden. Hier sei eine dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeit für die Beigeladene, die auch ihren behinderungsbedingten Einschränkungen entspricht, zu sehen. Die Beigeladene habe sich auch noch auf weitere Arbeitsplätze, die mindestens in nächster Zeit frei würden, beworben. Auch hier seien Möglichkeiten zur Beschäftigung gegeben.

Zudem sei in der gesetzlichen Erörterungspflicht von Präventionsmaßnahmen, die dem Arbeitgeber unter Beteiligung des zuständigen Integrationsamtes obliege, nicht durchgeführt worden.

Bei einer Beschäftigung auf einem behinderungsgerechten Arbeitsplatz bestehe in keiner Weise eine negative Prognose für künftige Fehlzeiten. Eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen erübrige sich daher.

Zudem seien soziale Gesichtspunkte bei der ordentlichen Kündigung nicht berücksichtigt worden. Die Beigeladene trage maßgeblich zum Unterhalt ihrer Familie bei, da ihr Ehemann nur ein geringes Einkommen habe und die beiden unterhaltspflichtigen Kinder noch zur Schule gingen. Im Einzelnen wird auf die Stellungnahme des Betriebsrats vom 2. Februar 2010, Blatt 18 der vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Die Schwerbehindertenvertretung der Niederlassung widersprach mit Stellungnahme vom 2. Februar 2010 der Kündigung ebenfalls und begründete dies ebenso wie der Betriebsrat.

Die Beigeladene widersprach der Kündigung ebenfalls. Aufgrund ihrer Bandscheibenversteifung im Dezember 2008 könne sie ihren Beruf als Zustellerin nicht mehr ausüben. Aufgrund ihres Profils zur Einsatzmöglichkeit sei ihr jedoch lediglich Heben von Lasten über 10 Kilo, häufiges tiefes Beugen und weites Vorneigen, einseitige Körperhaltungen, lange Laufleistung über 2.500 m sowie häufiges Ein- und Aussteigen aus Fahrzeugen verboten. Sie sei im Jahr 2009 in der Zustellstützpunktleitung untergebracht worden und habe sich dort bestens eingearbeitet. Trotz der Bemühungen des ZSP-Leiters, das Arbeitsverhältnis dort unbefristet zu verlängern, habe die damalige Personalchefin einer Festanstellung im Büro widersprochen, da kein Platz für eine Arbeitnehmerin auf dem Platz eines mittleren Beamten sei. Sie habe sich sodann für eine Stelle in einem Call-Center beworben, die Bewerbung sei jedoch abgelehnt worden, da sie als Zusteller keinesfalls zum vorgesehenen Personenkreis gehöre. Einer ihrer Zustellkollegen habe jedoch eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch erhalten, dieser sei Beamter. Später habe sich herausgestellt, dass nicht genug Bewerber für diese Stellen geeignet gewesen seien, der Personenkreis der Bewerber sei ausgeweitet worden. Wieder habe sie sich um eine Stelle als Call-Agentin beworben, jedoch postwendend eine Absage erhalten. Auch ihre Bewerbungen für weitere frei werdende Stellen seien jeweils abgeschmettert worden.

Am 24. Februar 2010 führte das Integrationsamt einen Betriebsbesuch bei der Klägerin durch. Neben Vertretern der Klägerin nahmen hieran auch Schwerbehindertenvertretung wie Betriebsrat und Beigeladene teil. Die Schwerbehindertenvertretung trug anlässlich dieses Termins vor, dass inzwischen eine Stelle in der Zustellkasse frei werde. Die Beigeladene sei hierfür geeignet. Allenfalls gelegentlich fielen hier Arbeiten an, die Heben von Lasten über 15 Kilo erforderlich machten. Nach einer Überprüfung trug die Klägerin jedoch vor, diese Tätigkeit sei für die Beigeladene nicht geeignet, da hier tiefe Bück- und Hebebewegungen aus 0,5 m Griffhöhe auf Tragehöhe erforderlich seien. Außerdem müssten Behälter gehoben werden, deren Gewicht zwischen 8 und 15 kg schwanke. Es ergebe sich eine ständig mittelschwere Arbeit mit Heben und Tragen von häufig über 10 bis 15 kg Lasten mit häufigem tiefen Beugen und weitem Vorneigen. Der arbeitsmedizinischen Beurteilung entspreche diese Tätigkeit nicht.

Die Beigeladene habe inzwischen ein Arbeitsplatzangebot im Call-Center der ... GmbH in ... erhalten. Sie habe dies jedoch wegen zu niedriger Bezahlung abgelehnt. Die Zustimmung zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung sei zu erteilen.

Die Schwerbehindertenvertretung der Niederlassung teilte hierzu mit, dass zwischen der Zentrale und den ... die Vereinbarung bestehe, im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung bzw. Zuweisung bei Beamten geeignete Mitarbeiter auszuleihen. Über diesen Weg würden alle individuellen vertraglichen Inhalte der Mitarbeiter abgesichert. Finanzielle Nachteile entstünden auf diese Weise nicht. Bereits bisher hätten mehrere Mitarbeiter der Niederlassung unter diesen Bedingungen zum ... gewechselt.

Hinsichtlich einer Beschäftigung in der Zustellkasse seien technische Unterstützungsmöglichkeiten vorstellbar. Außerdem ließen sich die Arbeitsbereiche Postfachsortierung und Zustellkasse ohne Aufwand dergestalt trennen, dass die für die Beigeladene ungeeigneten Hebearbeiten nicht mehr erforderlich seien.

Mit Bescheid vom 19. Mai 2010 lehnte das Integrationsamt den Antrag auf Zustimmung zu einer ordentlichen personenbedingten Kündigung des mit der Beigeladenen bestehenden Arbeitsverhältnisses ab. Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass eine Weiterbeschäftigung der Beigeladenen auf einem behindertengerechten Arbeitsplatz nicht möglich sei. Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss beim Zentrum Bayern Familie und Soziales mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2010 zurück. Weitere Beschäftigungsmöglichkeiten seien schlüssig dargelegt worden. Werde eine Kündigung gerade wegen mit der Behinderung zusammenhängenden Gründen ausgesprochen, seien die Anforderungen an eine Zustimmung zur krankheitsbedingten Kündigung besonders hoch. Das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen bestehe bereits seit 1990. Aufgrund ihrer Behinderung werde sie Schwierigkeiten haben einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Zudem sei eine Ungleichbehandlung hinsichtlich einer Beschäftigung bei der ... mit anderen Mitarbeitern gegeben, da von der Beigeladenen die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses bei der ... verlangt werde, von anderen Mitarbeitern jedoch nicht. Das Interesse der Beigeladenen überwiege hier deshalb das Interesse des Arbeitgebers an der Auflösung des Arbeitsverhältnisses.

2. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin,

den Bescheid des Beklagten vom 19. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Zustimmung zur Beendigung des mit der Beigeladenen bestehenden Arbeitsverhältnisses zu erteilen.

Der angefochtene Bescheid sei ermessensfehlerhaft. Die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sei nicht Voraussetzung für die Zustimmung zu einer Kündigung eines Schwerbehinderten. Die Beigeladene könne ihre bisherige Tätigkeit als Zustellerin unstreitig behinderungsbedingt nicht mehr ausüben. Es ergebe sich somit eine negative Zukunftsprognose. Eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit bestehe nicht bzw. sei dem Arbeitgeber nicht zumutbar. Die vorgeschlagenen Arbeitsplätze in der Zustellkasse bzw. bei der ... AG ... GmbH seien der Klägerin nicht zumutbar bzw. bestünden derartige Beschäftigungsmöglichkeiten auch nicht. Die Beschäftigung bei der ... scheitere bereits daran, dass es sich um einen anderen Arbeitgeber handle, nämlich um eine Tochterfirma der Klägerin, die rechtlich selbständig sei. Die Klägerin habe sich vorbehalten, ausschließlich rationalisierungsbetroffenen Arbeitnehmern oder im Überhang befindlichen Beamten die Möglichkeit des Einsatzes bei der ... zu eröffnen. Die betroffenen Kräfte würden dabei zur ... der ... AG versetzt, die wiederum die Tätigkeit beim ... den jeweiligen Beamten zuweise bzw. eine Arbeitnehmerüberlassung vornehme. Diese Beschäftigungsmöglichkeit setze jedoch in jedem Einzelfall das Einverständnis der Betroffenen sowie der ... voraus. Für Arbeitnehmer bestehe kein Beschäftigungsanspruch bei Tochter- oder Enkelgesellschaften. Die Klägerin müsse sich auch nicht darauf verweisen lassen, dass anderen Arbeitnehmern die Beschäftigung bei der ... ermöglicht worden sei. Bedingt durch die weitgehenden Rationalisierungsschutzabkommen der Klägerin, die betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2011 ausschließen und hohe Anforderungen an die Weiterbeschäftigungsangebote stellen, habe die Klägerin ausschließlich rationalisierungsbetroffenen Arbeitnehmern, für die kein geeigneter Arbeitsplatz bei der Klägerin zur Verfügung stehe, die Möglichkeit eröffnet, im Wege der Arbeitnehmerüberlassung bei der ... tätig zu werden. In allen Fällen bestehe jedoch die freie Entscheidungsbefugnis der ..., ob sie mit der jeweiligen Zuweisung/Arbeitnehmerüberlassung einverstanden sei oder nicht. Bereits aus diesem Grunde könne sich eine Arbeitnehmerin nicht auf Einzelfälle berufen und eine Beschäftigung bei dieser Firma einfordern. Unter den bisher dauerhaft zum ... gewechselten Beschäftigten der Niederlassung befinde sich lediglich ein Arbeitnehmer. Dieser unkündbare Arbeitnehmer sei im Vorfeld einer Rationalisierungsmaßnahme als Bewerber für das ... zugelassen worden und konnte mit Einverständnis der ... wechseln. Die Klägerin habe somit aufgrund zulässiger sachlicher Differenzierungskriterien gehandelt und nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

Auch eine Beschäftigungsmöglichkeit bei der Zustellkasse der ... bestehe nicht. Abgesehen davon, dass diese Tätigkeit durch die Erforderlichkeit von häufigem Beugen, Vorneigen, Heben und Tragen beträchtlicher Gewichte für die Beigeladene nicht geeignet sei, seien auch sämtliche in diesem Bereich vorhandenen Arbeitsplätze besetzt. Ein Freimachen eines Arbeitsplatzes für die Klägerin sei nicht möglich. Es sei daher auch unbehelflich, einen Arbeitsplatz technisch auf die Notwendigkeiten der Beigeladenen umzurüsten, da für die Beigeladene eben kein Arbeitsplatz frei gemacht werden könne.

Für zukünftig frei werdende Arbeitsplätze gelte, dass dem Beschäftigungsanspruch eines schwerbehinderten Beamten der Vorrang gegenüber demjenigen eines schwerbehinderten Arbeitnehmers einzuräumen sei. Denn der Status als Beamter stärke die Rechtsposition des schwerbehinderten Beamten. Schwerbehinderte Beamte seien damit bei der zu treffenden Auswahl vorrangig unterzubringen. Bei der Klägerin seien derzeit zehn schwerbehinderte Beamte ohne Regelarbeitsplatz, die Anspruch auf leidensgerechte Beschäftigung hätten. Bei einem freien Arbeitsplatz in der Zustellkasse wäre folglich abzuwägen, welchem dieser Beamten der Vorrang gebühre. Nachrangig wäre dann zu prüfen, ob nicht andere Beamte ohne Regelarbeitsposten unterzubringen wären. Erst im Anschluss an diesen Personenkreis, zu welchem ggf. noch unkündbare schwerbehinderte Arbeitnehmer hinzukämen, wäre eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Beigeladene denkbar. Auch eine weitere betriebsärztliche Untersuchung vom 18. Juli 2011 habe im Übrigen keine Verbesserung des Gesundheitszustandes der Beigeladenen ergeben.

Wegen des weiteren Vorbringens im Einzelnen, insbesondere zu den konkret angesprochenen Arbeitsplätzen wird auf die Klagebegründung sowie auf den Schriftsatz der Klägerin vom 17. Juni 2011 (Bl. 142ff der Gerichtsakte) verwiesen.

3. Das Integrationsamt beantragt für den Beklagten,

die Klage abzuweisen.

Dem Arbeitgeber sei zuzumuten, einen schwerbehinderten Arbeitnehmer nach Möglichkeit umzusetzen, d.h. ihm im Rahmen der vorhandenen Arbeitsplätze einen geeigneten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, wobei das Bemühen um einen anderen geeigneten Arbeitsplatz von fürsorgerischem Denken und Fühlen getragen sein müsse. Gemessen an diesen Grundsätzen seien vorliegend Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Klägerin für die Beigeladene vorhanden. Diese hätten auch erkannt werden können, wenn ein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden wäre. Zusätzlich zu den bereits in Bescheid und Widerspruchsbescheid angesprochenen Beschäftigungsmöglichkeiten seien weitere behinderungsgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Klägerin im Service- und Adressmanagement, dem Service- und Sicherheitspoint, der Personalabteilung und der Abteilung Verkehr vorhanden. Es seien darüber hinaus auch in Zukunft weitere geeignete Arbeitsplätze z.B. in der Entgeltsicherung zu besetzen. Bei Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements hätte die Möglichkeit bestanden, eine behinderungsgerechte Beschäftigungsmöglichkeit zu ermitteln und eine Kündigung zu vermeiden. Um eine behinderungsgerechte Beschäftigung zu ermöglichen, sei der Arbeitgeber u.U. auch zu einer Umgestaltung der Arbeitsorganisation verpflichtet. Es bestehe auch Anspruch auf Ausstattung des Arbeitsplatzes mit den erforderlichen technischen Arbeitshilfen. Nachdem der Sonderkündigungsschutz aufgrund des vorliegenden Behinderungszusammenhangs an Intensität gewinne, sei die Interessenabwägung hier zugunsten der Beigeladenen zu treffen.

4. Mit Beschluss vom 24. Januar 2011 wurde die betroffene Arbeitnehmerin zum Verfahren beigeladen. Sie beantragt

Klageabweisung.

Sie habe mehrere Bewerbungen auf ihres Erachtens geeignete Arbeitsplätze sowie eine umfassende Zusammenstellung behindertengerechter Beschäftigungsmöglichkeiten bei der Klägerin eingereicht, die sich auch auf konkrete Arbeitsplätze, die nach Auffassung der Beigeladenen frei würden und geeignet seien, beziehen. Im Einzelnen wird hierzu auf die Stellungnahme der Beigeladenen vom 4. Februar 2011 (Blatt 62 ff.) und vom 15. Februar 2011 (Blatt 74 ff.) verwiesen. Das Integrationsamt habe das ihm bei der Entscheidung zukommende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Da ihre Behinderung Grund der Kündigung sei, seien ihre Belange hier besonders zu berücksichtigen. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestünden, insbesondere seien die Beschäftigungsmöglichkeiten bei der einhundertprozentigen ...-Tochter ...-GmbH mit einzubeziehen. Dass diese auch bestünden, ergebe sich bereits daraus, dass man ihr dort einen Arbeitsplatz angeboten habe, allerdings nur zu erheblich schlechteren Bedingungen. Ein Vorrang (schwerbehinderter) Beamter vor schwerbehinderten Arbeitnehmern sei dem Gesetz nicht zu entnehmen. Da die Klägerin sich weigere mit einem technischen Mitarbeiter des Beklagten eine Überprüfung der Umgestaltung der Arbeitsorganisation in der Zustellkasse vorzunehmen, sei auch kein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden. Eine Kündigung ohne dieses sei aber sozialwidrig. Schon deshalb sei das Ermessen des Integrationsamtes hier auch zugunsten der Beigeladenen eingeschränkt. Weiter wurde ein ärztliche Attest (Bl. 181 d.A.) vorgelegt, auf das verwiesen wird. Hier wird bescheinigt, dass sich der Gesundheitszustand der Beigeladenen seit Dezember 2010 deutlich verbessert habe. Das Tätigkeitsspektrum sei entscheidend ausgeweitet. Eine erneute betriebsärztliche Untersuchung habe veranlasst werden müssen. Gesichtspunkte, die zugunsten der Beigeladenen sprächen, seien auch zu berücksichtigen, wenn sie erst nach Erlass der letzten Behördenentscheidung aufträten. Im Einzelnen wird auf die Schriftsätze des Prozessbevollmächtigten der Beigeladenen vom 10. Juni 2011 (Bl. 94 ff der Gerichtsakte) und vom 7. Juli 2011 (Bl. 233 ff d.A.) verwiesen.

5. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung des Abteilungsleiters für die Zustellkasse und das Service- und Adressmanagement der Klägerin, der Personalabteilungsleiterin der Klägerin und der Vertrauensfrau der Schwerbehinderten bei der Klägerin als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung verwiesen. Die Gerichts- und die vorgelegten Verwaltungsakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

BAYERN.RECHT

Entscheidungsgründe:

Die nach § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) als Verpflichtungsklage zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne der §§ 113, 114 VwGO in ihren Rechten.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei einer Klage des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d.h. hier des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2010, da es sich zwar um eine Verpflichtungsklage handelt, der jedoch eine Ermessensentscheidung der Behörde zugrunde liegt (BVerwG vom 22.1.1993 5 B 80.92; BVerwG vom 10.11.2008, 5 B 79/08). Auf eventuelle Verbesserungen oder Verschlechterungen des Gesundheitszustandes der Beigeladenen seit dem Erlass des Widerspruchsbescheids kommt es daher in diesem Verfahren nicht an.

1. Nach § 85 des Sozialgesetzbuchs IX. Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) bedarf eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines behinderten Menschen der vorherigen Zustimmung des Integrationsamts. Dies gilt gemäß § 68 Abs. 1 SGB IX auch für Menschen, die nach § 2 Abs. 3 SGB IX schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind. Mithin unterliegt auch die Beigeladene dem Schutz des § 85 SGB IX.

Will ein Arbeitgeber das mit einem Schwerbehinderten bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung auflösen, so bedarf er dazu nach § 85 Abs. 1 SGB IX der Zustimmung des Integrationsamts. Ohne diese Zustimmung ist die Kündigung unwirksam (vgl. BVerwG vom 7.3.1991, Buchholz 436.61 § 12 SchwbG Nr. 3). Bei der Ausübung des Kündigungsschutzes nach § 85 SGB IX hat das Integrationsamt eine Ermessensentscheidung zu treffen. Es hat dabei nach § 39 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs I. Buch - Allgemeiner Teil - (SGB I) sein Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und dessen gesetzliche Grenzen einzuhalten. Soweit das Sozialgesetzbuch IX. Buch Regelungen über den Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen trifft, ist es in erster Linie ein "Fürsorgegesetz", das die Nachteile schwerbehinderter Menschen auf dem Arbeitsmarkt ausgleichen soll. Der schwerbehinderte Mensch soll vor den Gefahren, denen er wegen seiner Behinderung ausgesetzt ist, bewahrt werden und es soll sichergestellt sein, dass er gegenüber gesunden Menschen nicht ins Hintertreffen gerät.

Die Entscheidung des Integrationsamtes erfordert daher eine Abwägung der Interessen des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Menschen an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes (vgl. BVerwG vom 2.7.1992, BVerwGE 90, 287). An die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses - wie hier - auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung ihre Ursache haben. Kann die Arbeit am bisherigen Arbeitsplatz nicht fortgesetzt werden, ist der Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 SGB IX zu einer behinderungsgerechten Gestaltung des Arbeitsplatzes verpflichtet. Zuzumuten ist dem Arbeitgeber auch, den Schwerbehinderten nach Möglichkeit umzusetzen, das heißt, ihm im Rahmen der vorhandenen Arbeitsplätze einen geeigneten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, der unter Umständen auch aus mehreren anderen Arbeitsmöglichkeiten erst geschaffen werden muss (Vgl. BVerwG vom 11.9.1990 in Buchholz 436.1 § 15 SchwbG 1986 Nr. 4). Der Arbeitgeber braucht für den Schwerbehinderten jedoch keinen neuen Arbeitsplatz zu schaffen, er kann in Ausnahmefällen aber sogar verpflichtet sein, den Schwerbehinderten wenigstens zeitlich befristet "durchzuschleppen", wenn etwa der Abschluss einer Umschulungsmaßnahme abgewartet werden soll. Die im Interesse des Schutzes Schwerbehinderter gebotene Fürsorge findet aber auf jeden Fall dort ihre Grenze, wo die Weiterbeschäftigung allen Grenzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen würde, also erkennbar ist, dass ein Arbeitsplatz, der den behinderungsbedingten Einschränkungen gerecht wird, nicht verfügbar ist und dem Arbeitgeber ohne Gegenleistung eine Lohnzahlungspflicht auferlegt wird (vgl. BVerwG vom 16.6.1990, Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 3).

Macht der Arbeitgeber einen Anspruch auf Zustimmung zur Kündigung geltend, so hat er darzulegen und zu beweisen, dass es für den Schwerbehinderten keine behinderungsgerechten Beschäftigungsmöglichkeiten gibt, ihre Schaffung ihm nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist (vgl. § 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Dem schwerbehinderten Arbeitnehmer obliegt es dabei, Beschäftigungsmöglichkeiten anzusprechen, die aus seiner Sicht vorhanden sind. Hierbei ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Arbeitnehmer bei größeren betrieblichen Einheiten nicht alle Beschäftigungsmöglichkeiten kennen kann, andererseits aber er selbst am ehesten in der Lage ist einzuschätzen, welche Tätigkeiten er ausüben kann.

Die auf dieser Grundlage zu treffende Ermessensentscheidung der Behörde unterliegt lediglich einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Überprüfung. Gemäß § 114 Satz 1 VwGO überprüft das Gericht, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Dabei ist zu untersuchen, ob die Behörde alle wesentlichen, den Streit zwischen den Parteien kennzeichnenden Gesichtspunkte in ihre Ermessenserwägungen eingestellt hat, ob sie dabei von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist und ob die sodann vorgenommene Gewichtung der widerstreitenden Interessen sachgerecht und vertretbar sowie das dabei gewonnene Abwägungsergebnis nicht unzumutbar ist.

2. Die hier getroffene Entscheidung des Beklagten hält einer Überprüfung an diesen Maßstäben stand. Der Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass hier das Interesse der Beigeladenen am Erhalt ihres Arbeitsplatzes das Interesse der Klägerin am Erhalt ihrer betrieblichen Organisations- und Gestaltungsmöglichkeiten überwiegt. Eine Zustimmung ist im Gegenteil regelmäßig dann fehlerhaft, wenn ein anderer Arbeitsplatz in demselben oder in einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers zur Verfügung steht (VG Düsseldorf vom 19.11.2002, 17 K 6243/02). Eine Einschränkung der Ermessensentscheidung gemäß § 89 Abs. 1 SGB IX kommt nicht in Betracht.

a) Auf eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit der Beigeladenen bei der ... GmbH können sich Beigeladene und Beklagter dabei jedoch nicht berufen. Im Rahmen des besonderen Kündigungsschutzes für Schwerbehinderte ist insoweit auf den Beschäftigungsbetrieb bzw. den betreffenden Arbeitgeber abzustellen, nicht auf etwa im Konzern verbundene Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Die zivilrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten, die der Arbeitgeber im Rahmen seiner unternehmerischen Organisations- und Gestaltungsmöglichkeiten nutzt, sind hier zu berücksichtigen (vgl. VG Düsseldorf vom 19.11.2002, a.a.O.; VG Augsburg vom 1.2.2011, Au 3 K 10.1759). Dies folgt aus der Bestimmung des § 89 Abs. 1 Satz 3 SGB IX, deren gesetzgeberische Vorgabe auch im Rahmen des § 85 SGB IX zu beachten ist, da bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 89 Abs. 1 Satz 3 SGB IX das Integrationsamt seine Entscheidung nach § 85 SGB IX zu treffen hat (VG Düsseldorf vom 19.11.2002, a.a.O.; vgl. Düwell in LPK SGB IX, 2 Auflage 2009, Rdnr. 57f zu § 89). Darauf, dass im Rahmen des arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes unter bestimmten Voraussetzungen ein Konzern als Ganzes zu betrachten wäre, kommt es hier nicht an. Die Frage, ob eine Kündigung arbeitsrechtlich Bestand haben kann, also z.B. gemäß § 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) sozial gerechtfertigt ist, ist im Verfahren beim Integrationsamt bzw. bei den Verwaltungsgerichten in der Regel nicht zu überprüfen. Eine Berücksichtigung des allgemeinen arbeitsrechtlichen Arbeitnehmerschutzes im Zustimmungsverfahren kommt nur dann in Betracht, wenn die arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der geplanten Kündigung ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage tritt, sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt. Das Integrationsamt soll nicht an offensichtlich rechtswidrigen Kündigungen zu Lasten eines Schwerbehinderten mitwirken müssen (vgl. z.B. BayVGH vom 18.6.2008, 12 BV 05.2467 zit. nach Juris). So ist die Sachlage aber hier nicht. Die Erwägungen des Beklagten zu einer Beschäftigung bei der ... GmbH tragen daher die Versagung der Zustimmung nicht. Auf die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung wirkt sich dies hier jedoch deshalb nicht aus, weil insbesondere auch im Widerspruchsbescheid ebenso darauf abgestellt wurde, dass eine Beschäftigung im Bereich der "Zustellkasse" leidensgerecht und dem Arbeitgeber zumutbar sei. Entscheidend für die Frage der Zustimmung ist jedoch nicht, in wie vielen Betriebsbereichen eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten möglich wäre, sondern ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit überhaupt besteht.

b) Insbesondere durch die Aussage des Zeugen ... steht zur Überzeugung des Gerichts jedoch fest, dass eine behinderungsgerechte Beschäftigung der Beigeladenen im Bereich der "Zustellkasse" oder im Bereich des "Service- und Adressmanagements" möglich wäre bzw. gegebenenfalls mittels einer technischen Umrüstung dieser Arbeitsplätze ermöglicht werden könnte. Die der Versagung der Zustimmung zugrunde liegende Annahme des Beklagten, dass Arbeitsplätze, auf denen eine leidensgerechte Beschäftigung der Beigeladenen jedenfalls theoretisch möglich ist, bestehen, ist somit zutreffend. Insoweit konnte auch auf die Vernehmung der Zeugin ... zu der Problematik, ob Einigkeit zwischen Klägerin und Beigeladener bestand, dass dies nicht der Fall ist und zum Ablauf des betrieblichen Eingliederungsverfahrens verzichtet werden, denn auf diese Fragen kommt es letztlich nicht mehr an.

c) Durch die Aussagen der Zeugen ... und ... steht weiterhin zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Personalbedarf insbesondere in deren Zustellkasse tatsächlich höher ist als der rein rechnerische Bedarf von 2,5 bzw. (unter Berücksichtigung von Urlaubszeiten usw.) 3,2 Arbeitskräften. Dies insbesondere auch deshalb, weil hier einer der wenigen Bereiche im Betrieb der Klägerin angesprochen ist, in dem leistungsgeminderte Personen einsetzbar sind und in erheblichem Maße auch eingesetzt werden. Beide Zeugen haben dies für die Klägerseite bestätigt. Eine weitere Vernehmung der Zeugin ... zu diesem Punkt ist damit entbehrlich.

d) Aufgrund der Fluktuation in diesem Bereich, die unter anderem auch durch Krankheitszeiten bedingt ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Arbeitsplätze hier auf unabsehbare Zeit dauerhaft besetzt sind.

Dass die Beklagte im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung von einer falschen Tatsachengrundlage ausgegangen wäre, kann daher insoweit nicht angenommen werden, als im Betrieb der Klägerin nicht nur Arbeitsplätze vorhanden sind, die für Menschen mit körperlichen Einschränkungen, wie die Beigeladene sie hat, geeignet sind, sondern dass hier auch Möglichkeiten zur leidensgerechten Beschäftigung der Beigeladenen bestehen.

e) Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vom Beklagten auf dieser Grundlage vorgenommene Abwägung fehlerhaft im Sinne des § 114 VwGO war. Der Beklagte hat hier insbesondere auf die Frage abgestellt, ob der Klägerin eine Weiterbeschäftigung der Beigeladenen zumutbar ist. Auch ohne Berücksichtigung der im Bereich der ... GmbH bestehenden oder nicht bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Zumutbarkeit bejaht.

Zugunsten der Klägerin war hier zu berücksichtigen, dass sie, bedingt durch die grundlegende organisatorische Neugestaltung der ... mit einem erheblichen Personalüberhang, insbesondere auch im Bereich der Beamten zu kämpfen hat und sich die sinnvolle Unterbringung von Überhangpersonal schwierig gestaltet, nicht zuletzt auch dadurch, dass bei Beamten immer ein Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung zu berücksichtigen ist. Auch hat die Klägerin nachvollziehbar dargelegt, dass in ihrem Unternehmen relativ wenige Arbeitsbereiche bestehen, in denen leistungsgeminderte Personen beschäftigt werden können. Der Beklagte hat den bei der Klägerin bestehenden Personalüberhang bei seiner Entscheidung im Widerspruchsbescheid jedoch berücksichtigt.

Gleichwohl ging der Beklagte bei seiner Entscheidung zu Recht davon aus, dass der Klägerin eine Weiterbeschäftigung der Beigeladenen in dieser Situation zumutbar war bzw. dass mindestens die Unzumutbarkeit dieser Weiterbeschäftigung nicht nachvollziehbar dargelegt wurde.

Ein Rechtsgrundsatz, dass in der geschilderten Situation der Klägerin bei der Besetzung freier Arbeitsplätze stets den (schwerbehinderten) Beamten vor den schwerbehinderten Arbeitnehmern Vorrang bei der Besetzung geeigneter Stellen zu gewähren sei, besteht nicht. Das Sozialgesetzbuch IX. Buch differenziert hinsichtlich des besonderen Kündigungsschutzes nicht zwischen Beamten und Arbeitnehmern. Vielmehr ist in einer Situation, in der besonders vor Kündigung Geschützte mit unkündbaren Beschäftigten um wenige Arbeitsplätze konkurrieren, vom Arbeitgeber zu erwarten, dass er seine Auswahlentscheidung hinsichtlich dieser Arbeitsplätze und damit insbesondere die Entscheidung, warum die Beschäftigung eines bestimmten zu kündigenden Schwerbehinderten auf einem dieser Arbeitsplätze dem Arbeitgeber nicht zumutbar ist, transparent und nachvollziehbar darlegt. Dass der Beklagte eine Weiterbeschäftigung fehlerhaft für zumutbar hält, kann ihm hier jedenfalls schon deswegen nicht vorgeworfen werden, weil die Klägerin nach ihrem Sachvortrag insbesondere davon ausging, es seien keine leidensgerechten Arbeitsplätze für die Beigeladene vorhanden und sie deshalb trotz ihrer Bewerbungen auf geeignete Arbeitsplätze hierfür nicht in die Auswahl mit einbezogen hat. Soweit sich die Klägerin auf Beamte im Überhang beruft, die anderweitig untergebracht sind oder auf den in Frage kommenden Arbeitsplätzen in der Zustellkasse "unterwertig", d.h. nicht "amtsangemessen" beschäftigt würden, kann ebenfalls nicht davon ausgegangen werden, dass die Entscheidung, die Zustimmung zur Kündigung zu versagen, fehlerhaft von einer Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung ausgeht. Aus der Aussage der Zeuginnen ... und ... ergibt sich insoweit, dass der bei der Klägerin bestehende Personalüberhang sich nicht dergestalt auf die Beschäftigungsmöglichkeiten der Beigeladenen auswirkt, dass sie mit den gesamten Beamten im Überhang konkurrieren müsste. Vielmehr ist der weit überwiegende Anteil dieser Beschäftigten auf festen Dienstposten untergebracht. Die Zeugin ... hat weiter dargelegt, dass ein Großteil der dann noch verbleibenden schwerbehinderten Beamten auf den für die Beigeladene in Frage kommenden Arbeitsplätzen deshalb nicht beschäftigt werden kann, weil die Arbeitsplätze für diese Beamten "unterwertig" wären. Auf die von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 27. Juni 2011 vorgelegte Aufstellung zu den schwerbehinderten Beamten der Klägerin und ihrer Beschäftigung (Bl. 170 d.A.) wird insoweit Bezug genommen. Da die Klägerin, ausgehend von ihrer Einschätzung, die Beigeladene sei in der Zustellkasse nicht leidensgerecht zu beschäftigen, diese bisher in die Auswahl für in der Zustellkasse frei werdende Arbeitsplätze nicht einbezogen hat, kann deshalb auch bei einem noch verbleibenden gewissen Überhang von zu beschäftigten Beamten nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass eine Weiterbeschäftigung der Beigeladenen in diesem Bereich der Klägerin nicht zumutbar wäre.

Da es einem Arbeitgeber insbesondere auch zumutbar ist, einen Arbeitnehmer befristet auch einmal durchzuschleppen, ist gerade im Hinblick auf die im Bereich der Zustellkasse offensichtlich auftretende Fluktuation auch nicht ausgeschlossen, dass sich in diesem Bereich des Öfteren Möglichkeiten für die Unterbringung schwerbehinderter Arbeitnehmer ergeben. Ob eine Auswahlentscheidung korrekt getroffen wird, also alle in Frage kommenden Arbeitnehmer einbezieht, ist daher für die Frage der Zumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung entscheidungserheblich. Ersichtlich wurde dies hier jedoch bisher nicht berücksichtigt, so dass der Beklagte zu Recht davon ausging, dass die Interessen der Beigeladenen hier schon deshalb überwiegen, weil die Klägerin nicht nachvollziehbar dargelegt hat, dass eine Weiterbeschäftigung unzumutbar ist.

Der Beklagte konnte zulasten der Klägerin auch berücksichtigen, dass ein Präventionsverfahren gemäß § 84 SGB IX insoweit nicht stattgefunden hat, als das Integrationsamt zwar zur Erörterung der für die Beigeladene bestehenden Möglichkeiten im Arbeitsverhältnis eingeschaltet wurde, jedoch eine effektive Beratung durch das Integrationsamt insoweit verhindert wurde, als die Begutachtung der Arbeitsplätze in der Zustellkasse im Hinblick auf eine leidensgerechte technische Ausrüstung dieser Arbeitsplätze verhindert wurde.

Die Durchführung eines Präventionsverfahrens gemäß § 84 SGB IX ist zwar nicht Voraussetzung für die Erteilung einer Zustimmung nach § 85 SGB IX und auch keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Vielmehr ist das Erfordernis eines derartigen Verfahrens Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, da eine Kündigung nur zulässig ist, wenn sie nicht durch andere und mildere Mittel vermieden werden kann. § 84 Abs. 2 SGB IX ist insbesondere in Bezug auf die Kündigung schwerbehinderter Menschen kein Verbotsgesetz. Die Behörde kann jedoch die unvollständige Durchführung des Präventionsverfahrens im Rahmen der Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitgebers berücksichtigen, wenn bei ordnungsgemäßer Durchführung des Präventionsverfahrens die Möglichkeit bestanden hätte, eine Kündigung zu vermeiden (BVerwG vom 29.8.2007 5 B 77/07 zit. nach Juris).

Dass der Beklagte deshalb wegen der nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Präventionsverfahrens und ausgehend davon, dass die Klägerin die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung der Beigeladenen nicht ausreichend dartun konnte, von einem Überwiegen der Interessen der Beigeladenen am Erhalt ihres Arbeitsplatzes ausgegangen ist, ist somit hier nicht zu beanstanden.

3. Die Klägerin trägt als unterliegende Partei die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen (§ 162 Abs. 3 VwGO). Da die Beigeladene einen förmlichen Antrag gestellt hat, könnten ihr gemäß § 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO Verfahrenskosten auferlegt werden. Es entspricht daher der Billigkeit nach § 162 Abs. 3 VwGO, dass ihre außergerichtlichen Kosten erstattet werden, da sie sich selbst auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.


Beschluss:

Der Gegenstandswert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (§ 33 RVG, Nr. 39.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).

Referenznummer:

R/R5669


Informationsstand: 27.03.2013