Urteil
Zustimmung des Integrationsamtes zu einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung - hier: fehlerhafte Ermessensentscheidung bei Annahme eines Zusammenhangs zwischen Behinderung und Kündigungsgrund

Gericht:

VG Düsseldorf 13. Kammer


Aktenzeichen:

13 K 2981/13


Urteil vom:

18.03.2013


Grundlage:

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 9. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2013 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des aus dem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Zustimmung des Beklagten zu der von der Beigeladenen mit Schreiben vom 10. Januar 2012 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung.

Der am 0.0.1958 geborene Kläger ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 50. Ausweislich des Feststellungsbescheides des Versorgungsamtes E. vom 26. Juli 2007, mit dem für den Kläger rückwirkend zum 18. April 2007 zunächst ein Grad der Behinderung von 40 festgestellt wurde, beruht die Feststellung der Schwerbehinderung auf folgenden Beeinträchtigungen:

1. Bluthochdruck, Kreislaufregulationsstörungen, koronare Herzerkrankung, Bypass-OP
2. Chronisch-degeneratives WS-Syndrom, Bandscheibenschäden
3. Depressionen, Angststörung.

Die Erhöhung auf einen Grad der Schwerbehinderung von 50 erfolgte mit weiterem Festsetzungsbescheid der Stadt E. vom 25. November 2009 - wiederum rückwirkend zum 18. April 2007 -, nachdem die Stadt E. in einem vom Kläger mit dem Ziel der Erhöhung des Grades der Schwerbehinderung durchgeführten sozialgerichtlichen Klageverfahren vor dem Sozialgericht E. am 29. Oktober 2009 ein entsprechendes Anerkenntnis erklärt hatte.

Der Kläger war seit dem 1. September 1975 bei der Beigeladenen beschäftigt und zuletzt als Sachbearbeiter Einnahmesicherung im Kundenservicezentrum E. tätig. Der Kläger war aufgrund des geltenden Basistarifvertrags in Verbindung mit dem Funktionsgruppenvertrag der Tätigkeiten für die Unternehmen der E1. AG nicht mehr ordentlich kündbar.

Zwischen dem Kläger und der Beigeladenen kam es in den letzten Jahren bereits zu verschiedenen Rechtsstreitigkeiten, die aber bisher nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben. Zuletzt erhob der Kläger Klage gegen die Zustimmung des Beklagten zu einer von der Beigeladenen am 7. September 2011 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist, die Gegenstand des Parallelverfahrens 13 K 2979/13 ist.

Mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 beantragte die Beigeladene wegen eines Vorfalls am 14. Dezember 2011 die Zustimmung des Beklagten zu einer weiteren außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung des Klägers, hilfsweise zur - vorliegend nicht streitgegenständlichen - außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Den Zustimmungsantrag hatten der Personalleiter Herr I. sowie die Personalreferentin Frau L. handschriftlich mit dem Zusatz "i.V." unterzeichnet. Zur Begründung führte die Beigeladene im Wesentlichen aus: Der Kläger habe am 14. Dezember 2011 seine Tätigkeit im Kundenservicezentrum wiederaufgenommen, nachdem seiner Klage in einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht E. stattgegeben worden sei. An seinem ersten Arbeitstag habe er ein T-Shirt getragen, auf dem das aktuelle Urteil abgedruckt gewesen sei. Darüber hinaus habe er Orden getragen, bei denen es sich offensichtlich um Karnevalsorden gehandelt habe. Gegen 7.15 Uhr habe er die Eingangshalle betreten und durch den lauten Ausruf "Im Namen des Volkes, ich habe gewonnen" die umstehenden Mitarbeiter bewusst provoziert. Der Personalreferent Herr H., der Vertreter des Vorgesetzten, Herr A. sowie der Schwerbehindertenvertreter Herr T. hätten den Kläger dann mehrfach zum Verlassen des Gebäudes aufgefordert, um einer weiteren Eskalation entgegenzuwirken. Dies habe der Kläger verweigert. Stattdessen habe er das Urteil in der Hand gehalten und mehrfach lautstark, in der gesamten Eingangshalle vernehmlich und zusammenhanglos die juristische Eingangsformel "Im Namen des Volkes" in äußerst aggressivem Tonfall wiederholt. Durch dieses provokante Verhalten sei der Betriebsfrieden nachhaltig gestört. Die notwendige Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sei erneut und in voller Absicht vom Kläger zerstört worden. Sein Verhalten stelle einen wichtigen Grund zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses dar. Die Weiterbeschäftigung nach einem solchen Vorfall sei unzumutbar.

Im Zeitpunkt des Antrags auf Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung beschäftigte die Beigeladene 1.125 Arbeitnehmer, davon 104 Schwerbehinderte.

Mit Schreiben vom 23. Dezember 2011 gab der Beklagte dem Kläger, der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat der Beigeladenen Gelegenheit, bis zum 4. Januar 2012 schriftlich zu dem Zustimmungsantrag Stellung zu nehmen und informierte mit Schreiben vom selben Tag auch die Fürsorgestelle der Stadt E. über den Zustimmungsantrag.

Der Betriebsrat der Beigeladenen erklärte in seiner Stellungnahme vom 3. Januar 2012 gegenüber dem Beklagten seine Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung. Der vom Arbeitgeber geschilderte Vorfall sei bereits in der Sitzung am 22. Dezember 2011 diskutiert und beraten worden. An seiner bezüglich des früheren Zustimmungsantrags des Arbeitgebers am 23. August 2011 getroffenen Einschätzung, nach der das destruktive und von Anfeindungen gegenüber Kollegen und Führungskräften geprägte Verhalten des Klägers das Arbeitsklima derart belaste, dass ein "normales Miteinander" nicht mehr möglich sei, werde durch den jüngsten Vorfall bestätigt. Der Kläger habe den Betriebsfrieden zum wiederholten Male ernstlich gestört.

Der Schwerbehindertenvertreter erklärte mit Schreiben vom 3. Januar 2012 ebenfalls die Zustimmung zur beabsichtigten Kündigung des Klägers. Die Schwerbehindertenvertretung habe über Jahre in unzähligen Einzelgesprächen mit dem Kläger versucht, eine Veränderung des persönlichen Verhaltens im Umgang mit dem Arbeitgeber sowie den direkten Arbeitskollegen zu erreichen. Am 14. Dezember 2011 sei nochmals ein persönliches Gespräch geführt worden Auch dieses sei aus seiner Sicht ergebnislos verlaufen.

Der Kläger beantragte in seiner Stellungnahme vom 4. Januar 2012, die Zustimmung zur Kündigung zu versagen und schilderte eine abweichende Fassung der Ereignisse am 14. Dezember 2011. Er sei bis zum 13. Dezember 2011 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Nach seiner Rückkehr am 14. Dezember 2011 sei er zunächst in sein Büro gegangen, habe sich dort aber nicht in das Computersystem einloggen können und zunächst einige Minuten mit der Lektüre von Arbeitsunterlagen verbracht. Er habe zu diesem Zeitpunkt weder ein T-Shirt mit dem Urteilsaufdruck noch Karnevalsorden getragen. Er habe auch nicht zuvor in der Eingangshalle den Ausruf "Im Namen des Volkes, ich habe gewonnen." getätigt. Wenige Minuten später seien Herr A. und Herr H. in sein Büro gestürmt und hätten ihm ein Schreiben auf den Schreibtisch geknallt, mit dem seine Freistellung von der Arbeitsleistung bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Kündigungsschutzprozesses wegen der Kündigung vom 7. September 2011 ausgesprochen worden sei. Im Affekt habe er zu den umstehenden Herren "Im Namen des Volkes, Guten Morgen!" gesagt. Herr A. habe dann versucht, ihn körperlich anzugehen und mit der Hand nach seiner Brust/seinem Oberkörper gegriffen. Hiergegen habe er sich verwahrt. Der Schwerbehindertenvertreter Herr T. habe dann zur Deeskalation vorgeschlagen, dass man einen Kaffee trinken gehen solle. Der Kaffee habe in der Eingangshalle an den dortigen Stehtischen eingenommen werden sollen. Auf dem Weg zur Eingangshalle habe er dann auf der Toilette das T-Shirt angezogen, auf welchem die erste Seite des Urteils abgedruckt gewesen sei. Er habe dann aber seine Jacke wieder angezogen und sich mit Herrn T. in die Eingangshalle begeben. Er sei von anderen Kollegen begrüßt worden. Erst als dann die Vorgesetzten wieder dazu getreten seien, sei diesen das T-Shirt aufgefallen. Sie hätten ihn dann aufgefordert, das Gebäude zu verlassen. Dem sei er nachgekommen. Unangemessenes Verhalten, Provokationen oder Störungen des Betriebsfriedens oder des Arbeitsklimas habe es nicht gegeben. Die Zustimmung zur Kündigung sei aber auch deshalb zu versagen, weil ein Zusammenhang mit seiner krankheitsbedingt geschwächten psychischen Konstitution offenkundig sei. Das Präsentieren eines T-Shirts und die eigentümliche Wortwahl "Im Namen des Volkes, Guten Morgen" sei ungewöhnlich, stelle aber keine Provokation dar, sondern seien Ausdruck eines übersteigerten Abwehr- und Behauptungswillens. Die Beigeladene habe seit März 2010 versucht, ihn loszuwerden und er befinde sich seither in ständiger rechtlicher Auseinandersetzung. Ausgangspunkt sei stets der Ausspruch unwirksamer Kündigungen. Die auf Seiten der Beigeladenen handelnden Mitarbeiter ließen jegliche Objektivität und Fürsorge vermissen. Die Beigeladene habe es zudem unterlassen, ein betriebliches Wiedereingliederungsmanagement zu beginnen.

Die Beigeladene nahm am 6. Januar 2012 ergänzend Stellung und erklärte, dass die Ausführungen des Klägers unzutreffend seien. Er habe in voller Absicht die Verfehlungen begangen und seinen Arbeitgeber provoziert, bei gleichzeitiger erheblicher Störung des Betriebsfriedens. Er habe am Morgen des 14. Dezember 2011 in seinem Büro das T-Shirt mit den aufgedruckten Urteilen und gleichzeitig Karnevalsorden getragen. Herr H. und Herr A. sowie Herr T. hätten sich beim Betreten des Büros ordnungsgemäß verhalten. Der Kläger sei gleich aufgebraust und habe sogleich auf das T-Shirt mit den Urteilen hingewiesen und lauthals "Im Namen des Volkes, ich habe gewonnen" gerufen. Der Kläger habe in der Eingangshalle beim Kaffe auch keine Jacke über dem T-Shirt und den Karnevalsorden getragen und außerdem lauthals jeden vorbeigehenden Mitarbeiter auf die Urteile mit dem Ausruf "Im Namen des Volkes, ich habe gewonnen" aufmerksam gemacht. Um den Aufruhr im Eingangsbereich zu beenden, sei das Gespräch mit dem Kläger im Besprechungsraum des Personalmanagements fortgesetzt worden. Erst da sei Herr H. wieder anwesend gewesen. Seitens des Arbeitgebers sei dem Kläger dann das Freistellungsschreiben ausgehändigt worden. Der körperliche Übergriff im Büro des Klägers werde bestritten. Im Gegenteil habe der Kläger Herrn A. beim Verlassen des Zimmers angerempelt. Außerdem sei im März 2010 nach längerer Erkrankung des Klägers in einer leidensgerechten Tätigkeit als Sachbearbeiter Zentrale Auftragsbearbeitung ein befristeter Arbeitsversuch durchgeführt worden. Dieser sei in kürzester Zeit gescheitert, weil der Kläger die Arbeit dort verweigert habe. In einem Gespräch am 15. April 2010 habe er den Arbeitsversuch und die Einweisung als "Zirkus" bezeichnet und auf eine Rückkehr an seinen alten Arbeitsplatz bestanden. Der Vorwurf, ein Wiedereingliederungsmanagement sei unterblieben, werde daher zurückgewiesen. Zu konstruktiven Gesprächen sei der Kläger nicht bereit. Zuletzt habe er ein Personalgespräch mit dem zuständigen Referenten des Personalmanagements am 9. Dezember 2011 schriftlich verweigert.

Mit Bescheid vom 9. Januar 2012 stellte der Beklagte fest, dass die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nach § 91 Absatz 3 Satz 2 SGB IX als erteilt gelte. Mit gesondertem - hier nicht streitgegenständlichen - Bescheid gleichen Datums stellte der Beklagte den Fiktionseintritt auch hinsichtlich des Antrags auf Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung mit sozialer Auslauffrist fest.

Die Beigeladene sprach unter dem 10. Januar 2012 die außerordentliche fristlose Kündigung aus. Der Kläger erhob hiergegen Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht E., die nach Angaben der Beteiligten wegen der Vorgreiflichkeit des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ruht.

Mit Schreiben vom 13. Januar 2012 legte er Widerspruch gegen die Bescheide des Beklagten vom 9. Januar 2012 ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Fiktion der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung - sowie mit gesondertem Bescheid gegen die hier nicht streitgegenständliche Fiktion der Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung mit sozialer Auslauffrist - als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die Voraussetzungen des § 91 Absatz 4 SGB IX nicht vorlägen. Ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem vorgetragenen Kündigungsgrund und der anerkannten Schwerbehinderung des Klägers könne nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Liege ein solcher Zusammenhang vor, habe er nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Er habe die Interessen des Klägers und der Beigeladenen gegeneinander abzuwägen. Einerseits sei die gesteigerte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem schwerbehinderten Menschen in Betracht zu ziehen. Andererseits müsse das Integrationsamt bei seiner Entscheidung bestrebt sein, möglichst viel von der Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers in Bezug auf seine im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis bestehenden berechtigen Interessen zu erhalten. Dagegen sei es nicht Aufgabe des Integrationsamtes, die soziale Rechtfertigung der Kündigung zu prüfen. Zugunsten des Klägers seien sein Alter, die lange Beschäftigungszeit seit dem 1. September 1975 und seine schlechte Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt berücksichtigt worden. Dennoch gelange er zu der Überzeugung, dass der Beigeladenen die Zustimmung zur Kündigung nicht verwehrt werden dürfe. Nach seiner Auffassung liege ein Fehlverhalten des Klägers vor. Der Kläger habe durch den mehrfachen wiederholten lauten Ausruf "Im Namen des Volkes, ich habe gewonnen" in der Eingangshalle des Kundenservicezentrums, wobei er das T-Shirt mit dem Aufdruck des Urteils sichtbar getragen habe, den Betriebsfrieden gestört. Der Kläger habe seine Äußerungen bewusst so getan, dass sämtliche Menschen, die sich in der Eingangshalle befunden hätten, dies mitbekommen hätten. Bei dem vorgeworfenen Fehlverhalten handele es sich um einen schwerwiegenden Vorwurf, der Grund für eine außerordentliche Kündigung sein könne. Zwar bestreite der Kläger dieses Verhalten und gebe an, dass das Präsentieren des T-Shirts und die eigentümliche Wortwahl zwar ungewöhnlich seien, aber keine Provokation darstellten. Diese Ansicht teile er aber nicht. Das Bedrucken eines T-Shirts zeuge von der sorgfältigen Vorbereitung des Klägers auf sein Erscheinen am Arbeitsplatz. Der Kläger habe nach seiner Auffassung die Äußerungen und sein Auftreten bewusst so getan, um Kolleginnen und Vorgesetzte zu provozieren. Im Übrigen seien die Stellungnahmen des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung berücksichtigt worden, in welchen diese der Kündigung ausdrücklich zugestimmt hätten. Aus diesen Stellungnahmen ergäben sich keine Gesichtspunkte für eine abweichende Entscheidung. Weiterhin werte er, dass die Beigeladene die gesetzliche Pflichtquote zur Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen erfülle. Nach seiner Auffassung bedürfe es auch keiner vorherigen Abmahnung, um außerordentlich zu kündigen. Es handele sich bei dem vorgeworfenen Verhalten um ein Fehlverhalten im Vertrauensbereich, bei dem eine Abmahnung entbehrlich sei. Der Kläger habe von vorneherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen können. Bei Abwägung der vorstehend genannten Belange gelange er zu der Überzeugung, dass die angefochtene Entscheidung vom 9. Januar 2012 zu Recht ergangen sei. Dem Interesse der Beigeladenen an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei im Ergebnis das größere Gewicht beizumessen.

Der Kläger hat am 8. März 2013 die vorliegende Klage erhoben.

Zu deren Begründung führt er im Wesentlichen aus: Der Widerspruchsausschuss des Beklagten habe zwar zutreffend angenommen, dass die von der Beigeladenen behaupteten, zu ihrem Kündigungsentschluss führenden, verhaltensbedingten Gründe im Zusammenhang mit seiner Erkrankung stünden. Die vom Widerspruchsausschuss vorgenommene Ermessensentscheidung sei aber fehlerhaft. Es fehle bereits an einer vollständigen Aufklärung des Sachverhalts. Denn bereits die zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts und der Krankheit und der Ursache der Äußerung notwendigen Feststellungen seien nicht getroffen worden. Der Beklagte hätte sich mit dem Ursachenzusammenhang zwischen dem vermeintlichen Fehlverhalten und seiner Erkrankung befassen müssen. Dabei wäre zu Tage getreten, dass er aufgrund seiner Erkrankung insbesondere aufgrund der fehlenden Wiedereingliederung nach langer Krankheit und der daraus resultierenden Überforderung nicht in der Lage gewesen sei, sein Verhalten zu steuern. Die Erkrankung und die mit der Erkrankung zusammenhängende Belastungssituation am Arbeitsplatz hätten zu einer dauerhaften Persönlichkeitsänderung geführt. Er sei in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, was durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bestätigt werden könne. Er sei seit geraumer Zeit in multidisziplinärer, fachärztlicher Behandlung. Der Beklagte berücksichtige aber auch nicht die besondere Situation des Klägers und werte sein vermeintlich geübtes Verhalten gerade nicht vor dem Hintergrund der Erkrankung, obwohl er - der Beklagte - zuvor selbst festgestellt habe, dass ein Zusammenhang bestehe. Zudem bestreite er weiterhin die ihm vorgehaltenen Pflichtverstöße. Der Beklagte setzte sich nicht mit der gebotenen Neutralität mit dem Sachverhalt auseinander. Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid stellten letztlich eine mögliche - im Ergebnis unzutreffende - arbeitsrechtliche Wertung des Geschehens dar. Dagegen seien seine Interessen oder zu seinen Gunsten sprechende Umstände nicht berücksichtigt worden. Schließlich wahre der Zustimmungsantrag der Beigeladenen schon nicht die Schriftform i.S.v. § 126 BGB, da er nicht vom Vorstand der Aktiengesellschaft unterschrieben sei.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 9. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2013 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus: Der Hinweis des Klägers, er habe von seinem Ermessen keinen Gebrauch gemacht, gehe fehl. Er sei davon ausgegangen, dass ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Behinderung und vorgetragenem Kündigungsgrund nicht ausgeschlossen werden könne. Daher sei er nicht durch die Sollvorschrift des § 91 Absatz 4 SGB IX in seinem Ermessen eingeschränkt gewesen. Die Entscheidung sei vielmehr nach freiem, pflichtgemäßen Ermessen erfolgt. Durch das ihm vorgeworfene Verhalten habe der Kläger sich i.S.v. §§ 611, 241 Abs. 2 BGB vertragswidrig verhalten. Der Betrieb sei ein Organismus, an dessen Funktionieren ohne vermeidbare, eigenmächtige Störungen seitens einzelner Arbeitnehmer nicht nur der Arbeitgeber, sondern auch weitere Beteiligte insbesondere die Vorgesetzten des betreffenden Arbeitnehmers und die übrigen Arbeitnehmer, berechtigterweise interessiert seien (Urteil des LAG Rheinland-Pfalz vom 10.06.1997 - 6 Sa 309/97-). In diesem Rahmen habe der Arbeitgeber darauf zu achten, dass die Ehre seiner Arbeitnehmer nicht durch Angriffe eines einzelnen Arbeitnehmers beeinträchtigt werde. Mögliche Meinungsverschiedenheiten müssten sachlich und in angemessener Form ausgetragen werden. Gegen die entsprechende Verhaltenspflicht habe der Kläger in schuldhaft-pflichtwidriger Weise verstoßen. Selbst wenn ein direkter Zusammenhang zwischen den vorgeworfenen Kündigungsgründen und der Schwerbehinderung angenommen worden wäre, hätte dies zu keinem anderen Ergebnis geführt.

Die Beteiligten haben im Erörterungstermin am 17. Februar 2014 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und diesen Verzicht mit Schriftsätzen vom 11. März 2014 nochmals bestätigt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

Entscheidungsgründe:

Die Einzelrichterin ist für die Entscheidung zuständig, nachdem ihr der Rechtsstreit durch Beschluss der Kammer vom 5. März 2014 gemäß § 6 Absatz 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Entscheidung übertragen worden ist.

Die Entscheidung konnte gemäß § 101 Absatz 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehen, nachdem die Beteiligten im Erörterungstermin am 17. Februar 2014 sowie nach der Einzelrichterübertragung mit Schriftsätzen vom 11. März 2014 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 9. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Absatz 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für eine Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers sind die §§ 85 ff. SGB IX. Nach § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gilt gemäß § 91 Absatz 1 SGB IX auch im Fall der außerordentlichen Kündigung.

Für den Kläger wurde mit Feststellungsbescheid der Stadt E. vom 25. November 2009 rückwirkend ab dem 18. April 2007 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Er ist daher schwerbehindert im Sinne des § 2 Absatz 2 SGB IX und unterfällt dem besonderen schwerbehindertenrechtlichen Kündigungsschutz.

Die Zustimmungsentscheidung des Beklagten ist zwar entgegen der Auffassung des Klägers formell rechtmäßig, insbesondere verfahrensfehlerfrei ergangen (I.). Sie ist aber in materieller Hinsicht rechtsfehlerhaft (II.).

I. Der Entscheidung des Beklagten liegt zunächst ein ordnungsgemäßer Antrag der Beigeladenen auf Erteilung der Zustimmung zugrunde. Nach § 87 Absatz 1 Satz 1 SGB IX hat der Arbeitgeber die Zustimmung zur Kündigung schriftlich bei dem für den Sitz des Betriebs zuständigen Integrationsamt zu beantragen. Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 die Zustimmung bei dem für sie zuständigen Integrationsamt des Beklagten beantragt. Das Schreiben wahrt entgegen der Auffassung des Klägers auch die Schriftform im Sinne von § 61 Satz 2 SGB X i.V.m. § 126 BGB. Danach muss der Zustimmungsantrag vom Arbeitgeber eigenhändig unterzeichnet sein. Handelt es sich bei dem Arbeitgeber, wie vorliegend, nicht um eine natürliche Person, wird das Schriftformerfordernis durch die eigenhändige Unterschrift einer vertretungsberechtigten Person erfüllt. Den Antrag vom 21. Dezember 2011 hat neben der Personalreferentin der Personalleiter der Beigeladenen unterzeichnet. Die durch den Arbeitgeber mit der Funktion des Personalleiters betraute Person ist in Personalangelegenheiten aber regelmäßig rechtsgeschäftlich zur Vertretung des Arbeitgebers bevollmächtigt,

vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 14. April 2011 - 6 AZR 727/09, juris, Urteil vom 29. Oktober 1992 - 2 AZ 469/92- und vom 30. Mai 1972 - 2 AZR 298/71-, juris und BAG 24, 273; Trenk-Hinterberger in: Lachwitz, Schellhorn, Welti, HK-SGB IX, 3. Auflage 2010, § 87 Rn 12.

Der Personalleiter der Beigeladenen hat den Zustimmungsantrag eigenhändig und mit dem ausdrücklichen Zusatz "i.V." in Vertretung für die Beigeladene unterzeichnet. Dass er dessen ungeachtet im Innenverhältnis tatsächlich nicht über die erforderliche Vertretungsvollmacht zum Ausspruch von Kündigungen und zur Stellung von hierzu erforderlichen Zustimmungsanträgen beim Integrationsamt verfügt hat, hat der Kläger mit dem bloßen Hinweis auf die gesetzliche Vertretungsbefugnis des Vorstands nicht nachvollziehbar dargelegt. Die gesetzliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Vorstandes der Beigeladenen, einer Aktiengesellschaft, nach §§ 77, 78 AktienG steht der Erteilung rechtsgeschäftlicher Vollmachten an weitere Personen nicht entgegen, vgl. §§ 48 ff., 54 HGB. Sonstige Anhaltspunkte für das Fehlen der Vertretungsbefugnis des Personalleiters sind für das Gericht die Beigeladene beschäftigt mehr als 1.000 Mitarbeiter und hat damit einen erheblichen, vom Vorstand selbst regelmäßig nicht zu bewältigenden Entscheidungsbedarf in Personalangelegenheiten nicht ersichtlich.

Die Beigeladene hat die Zustimmung auch innerhalb der Zwei-Wochen-Frist gemäß § 91 Absatz 2 SGB IX beantragt. Der im Zustimmungsantrag als kündigungsauslösend bezeichnete Vorfall ereignete sich am 14. Dezember 2011. Der Zustimmungsantrag ging am 23. Dezember 2011 und mithin innerhalb der Zwei-Wochen-Frist beim Beklagten ein.

Der Beklagte hat mit Schreiben vom 23. Dezember 2011 die gemäß § 87 Absatz 2 SGB IX erforderlichen Stellungnahmen des Klägers, des Betriebsrates und der Schwerbehindertenvertretung der Beigeladenen eingeholt.

Dass der Beklagte auch im Widerspruchsverfahren keine mündliche Verhandlung durchgeführt hat, begründet entgegen der Auffassung des Klägers keinen Verfahrensfehler, da die mündliche Verhandlung nach § 88 Absatz 1 SGB IX keine Wirksamkeitsvoraussetzung der Entscheidung des Integrationsamtes ist,

vgl. Trenk-Hinterberger in: Lachwitz, Schellhorn, Welti, HK-SGB IX, 3. Auflage 2010, § 88 Rn 33; Knittel, SGB IX, 6. Auflage 2012, § 88 Rn 6.

Gleiches gilt, soweit der Beklagte, soweit ersichtlich, seiner Verpflichtung nach § 87 Absatz 4 SGB IX, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung der Beteiligten hinzuwirken, nicht nachgekommen ist, da insoweit keine Verfahrensrechte der Beteiligten verletzt werden und die Regelungen der §§ 85 ff. SGB IX an das Unterlassen eines solchen Einigungsversuchs keine Rechtsfolgen anknüpfen,

vgl. Verwaltungsgericht Karlsruhe, Urteil vom 9. März 2004 - 5 K 3302/02-, juris; Trenk-Hinterberger in: Lachwitz, Schellhorn, Welti, HK-SGB IX, 3. Auflage 2010, § 87 Rn 33.


II. Die angegriffene Entscheidung des Beklagten ist aber materiell rechtswidrig.

Das bei der Erteilung der Zustimmung zur Kündigung nach § 85 SGB IX bestehende Ermessen ist fehlerhaft ausgeübt worden.

Bei der Ausübung des besonderen Kündigungsschutzes trifft das Integrationsamt, soweit wie hier nicht die besonderen Voraussetzungen des § 89 SGB IX vorliegen, seine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen.

Dies gilt grundsätzlich auch im Fall einer außerordentlichen Kündigung, wenn die Voraussetzungen des § 91 Absatz 4 SGB IX nicht vorliegen.

Gemäß § 91 Absatz 4 SGB IX soll das Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung erteilen, wenn die Kündigung aus Gründen erfolgt, die nicht im Zusammenhang mit der Behinderung stehen. Die Entscheidung, ob der Kündigungsgrund im Zusammenhang mit der Behinderung steht, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf der Grundlage des vom Arbeitgeber angegebenen, nur im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu überprüfenden Kündigungsgrundes zu treffen. Besteht danach kein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der Behinderung, ist das freie Ermessen nach § 85 SGB IX durch § 91 Absatz 4 SGB IX dahingehend eingeschränkt, dass das Integrationsamt im Regelfall die Zustimmung zu erteilen hat und nur bei Vorliegen von Umständen, die den Fall als atypisch erscheinen lassen, nach pflichtgemäßem Ermessen entscheiden darf,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 20. April 2009 - 12 A 2431/08 -, juris Rn 12 ff. m.w.N.

Im vorliegenden Fall hat der Widerspruchsausschuss beim Integrationsamt des Beklagten einen Zusammenhang zwischen dem der Kündigung zugrunde liegenden Verhalten des Klägers vom 14. Dezember 2011 und seiner Behinderung angenommen. Im Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2013 heißt es hierzu, dass ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem vorgetragenen Kündigungsgrund und der anerkannten Schwerbehinderung des Klägers nicht ausgeschlossen werden könne. Im Erörterungstermin am 17. Februar 2014 hat der Beklagte hierzu ergänzend erläutert, dass er seine Einschätzung auf die beim Kläger vorliegende Funktionsbeeinträchtigung "Depressionen" stütze, die auch der Zuerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft zugrunde liege. Der Wirkungszusammenhang zwischen psychischen Erkrankungen und dem Verhalten einer erkrankten Person sei so komplex, dass nach der Erfahrung des Beklagten zugunsten des Schwerbehinderten zumindest von einem mittelbaren Zusammenhang ausgegangen werden müsse, wenn wie vorliegend die Kündigung gerade auf verhaltensbedingte Gründe gestützt werde.

Das Bestehen eines Zusammenhangs im Sinne von § 91 Absatz 4 SGB IX zwischen der Schwerbehinderung des Klägers und dem Kündigungsgrund ist von den Beteiligten einschließlich der Beigeladenen auch im weiteren Verfahren nicht in Frage gestellt worden.

Für das Bestehen des von den Beteiligten angenommenen Zusammenhangs spricht aber auch nachdrücklich, dass es nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten im Erörterungstermin erstmals nach der Bypass-Operation des Klägers im Jahr 2007 zu Verhaltensauffälligkeiten und Problemen am Arbeitsplatz kam. Gerade die gesundheitlichen Schwierigkeiten des Klägers nach der Bypass-Operation waren aber auch Grundlage der Feststellung des für das Vorliegen der Schwerbehinderteneigenschaft maßgeblichen Grades der Schwerbehinderung von 50 ab dem 18. April 2007. Ausweislich des vom Kläger vorgelegten Protokolls des Erörterungstermins vor dem Sozialgericht E. am 29. Oktober 2009 beruhte das von der Fürsorgestelle ausgesprochene Anerkenntnis ausgehend vom Gegenstand des Erörterungstermins im Wesentlichen auf der durch die Bypass-Operation verschlechterten physischen, vor allem aber psychischen Situation des Klägers. Denn der Kläger schilderte im Erörterungstermin, dass er mit der einschneidenden Veränderung in seinem Leben durch die Bypass-Operation, insbesondere der hieraus folgenden Beeinträchtigung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit und der Angst vor einem weiteren Herzinfarkt nicht zurechtkomme und sich seither nicht mehr als vollwertiger Mensch fühle. Auch fühle er sich am Arbeitsplatz seither gemobbt und bedroht und sei wegen seiner psychischen Situation seit mehr als einem Jahr krankgeschrieben. Das kündigungsauslösende Geschehen am 14. Dezember 2011, das seinen Auslöser letztlich darin hatte, dass der Kläger in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren gegen die Beigeladene obsiegt hatte und sich damit in seiner Einschätzung bestätigt fühlte, dass ihm seitens der Beigeladenen und seiner Vorgesetzten Unrecht widerfuhr, lässt sich vor diesem Hintergrund zwanglos aus den beim Kläger festgestellten, insbesondere psychischen Funktionsbeeinträchtigungen erklären und steht nicht nur in einem entfernten Zusammenhang zu diesen Erkrankungen,

vgl. zu diesem Maßstab OVG NRW, Urteil vom 27. Juni 2011 - 12 A 705/10 -, juris, Rn 25 ff., Urteil vom 28. Januar 2013 - 12 A 1635/10-, juris, Rn 58 ff.; Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 12. Juli 2012 - 5 C 16/11 -, juris, Rn 27.

Greift mithin die Ermessensbindung nach § 91 Absatz 4 SGB IX nicht, ist dementsprechend über die Erteilung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung im Rahmen der allgemeinen, nicht gebundenen Ermessensentscheidung nach § 85 SGB IX zu befinden.

Die dem Integrationsamt in diesen Fällen überantwortete Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen überprüft das Gericht gemäß § 114 VwGO allein daraufhin, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Insbesondere hat die Behörde alle den Streitfall kennzeichnenden widerstreitenden Interessen einzustellen, die Gesichtspunkte angemessen zu gewichten und gegeneinander abzuwägen und sich dabei ausschließlich an sachlichen Erwägungen zu orientieren,

vgl. zu diesem Maßstab etwa Verwaltungsgericht Düsseldorf, Urteil vom 4. Mai 2012 - 13 K 6422/11 - juris, Rn 44 ff., m.w.N., Urteil vom 27. September 2011 - 19 K 2234/11 -, n.v.

Bei der Entscheidung nach § 85 SGB IX ist das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes abzuwägen. Entscheidend für die Berücksichtigung abwägungserheblicher Umstände sind ihr Bezug zur Behinderung und ihre an der Zweckrichtung des behindertenrechtlichen Sonderkündigungsschutzes gemessene Bedeutung.

Sinn und Zweck der Schwerbehindertenschutzvorschriften als Fürsorgevorschriften bestehen vor allem darin, Nachteile eines schwerbehinderten Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszugleichen. Die Vorschriften über den Sonderkündigungsschutz sollen den schwerbehinderten Menschen vor den besonderen Gefahren, denen er wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt ist, bewahren und sicherstellen, dass er gegenüber nicht schwerbehinderten Menschen nicht ins Hintertreffen gerät.

Dabei gewinnt der Schwerbehindertenschutz an Gewicht, wenn die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben. In diesem Fall sind an die im Rahmen der interessenabwägenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigende Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber besonders hohe Anforderungen zu stellen, um auch den im Schwerbehindertenrecht zum Ausdruck gekommenen Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995 - 5 C 24/93 -, BVerwGE 99, 336 (339) m.w.N.; dem folgend etwa OVG NRW, Beschluss vom 20. April 2009 - 12 A 2431/08 -, juris, Rn 21.

So kann der Arbeitgeber in Ausnahmefällen sogar verpflichtet sein, den schwerbehinderten Arbeitnehmer "durchzuschleppen", während andererseits die im Interesse der Schwerbehindertenfürsorge gebotene Sicherung des Arbeitsplatzes auf jeden Fall dort ihre Grenze findet, wo eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen, insbesondere dem Arbeitgeber einseitig die Lohnzahlungspflicht auferlegt würde,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995 - 5 C 24/93-, a.a.O.

In einem Fall, in dem wie hier die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben, reicht daher nicht jeder als Kündigungsgrund geltend gemachte Umstand aus, um die Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber, an die in einem derartigen Fall besonders hohe Anforderungen zu stellen sind, zu überschreiten. Vielmehr bedingen die auf der einen Seite zu Lasten des Arbeitgebers bestehenden besonders hohen Anforderungen an dessen Zumutbarkeitsgrenze, dass auf der anderen Seite der Kündigungsgrund nach Art und Umfang besonderes Gewicht haben muss, um im Rahmen der Ermessensabwägung die besonders hohen Anforderungen an die für den Arbeitgeber geltende besonders hohe Zumutbarkeitsgrenze signifikant überschreiten zu können,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Mai 2009 - 12 A 472/09 -, juris, Rn 19, und vom 20. April 2009 - 12 A 2431/08 -, juris, Rn 25.

Die danach an die Schwere des Kündigungsgrundes zu stellenden besonders hohen Anforderungen sind umso mehr von zentraler Bedeutung, wenn sie nicht nur als Grund für eine ordentliche Kündigung, sondern zum Anlass für eine hier allein in Betracht kommende außerordentliche Kündigung genommen werden und zugunsten des Schwerbehinderten weitere abwägungsrelevante Umstände, wie vorliegend die im Widerspruchsbescheid berücksichtigte besonders lange Betriebszugehörigkeit des Klägers und seine unter Berücksichtigung von Alter und der Schwerbehinderung sehr schwere Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt streiten,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 25. Mai 2009 - 12 A 472/09 -, juris, Rn 21, und vom 20. April 2009 - 12 A 2431/08 -, juris, Rn 27.

Soweit danach ein behinderungsbedingter Umstand materiell-rechtlich für die gebotene Interessenabwägung Bedeutung hat, unterliegt er der Aufklärungspflicht. Das Integrationsamt ist dabei nicht der Pflicht enthoben, sich von der Richtigkeit der für seine Entscheidung wesentlichen Behauptungen eine eigene Überzeugung zu verschaffen; gründet es seine Entscheidung auf unrichtige Behauptungen, dann begeht es einen Ermessensfehler. Die Aufklärungspflicht wird verletzt, wenn das Integrationsamt (oder der zuständige Widerspruchsausschuss) sich damit begnügt, das Vorbringen des Arbeitgebers, soweit es in der Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, nur auf Schlüssigkeit zu prüfen,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2009 - 12 A 472/09 -, juris, Rn 22, m.w.N.

Grundsätzlich nicht zu prüfen hat das Integrationsamt in diesem Zusammenhang allerdings die arbeitsrechtliche bzw. kündigungsschutzrechtliche Wirksamkeit der Kündigung,

vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 1995 - 5 C 24.93 -, a.a.O., S. 340; OVG NRW, Beschluss vom 20. April 2009 - 12 A 2431/08 -, juris, Rn 30.

Nur wenn die beabsichtigte Kündigung arbeitsrechtlich evident unzulässig ist, darf das Integrationsamt dies bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen, da es an einer offensichtlich rechtswidrigen Kündigung zum Nachteil des Schwerbehinderten nicht mitwirken soll,

vgl. Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 22. Juni 2011 - 3 L 246/09 -, juris, Rn 32; Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 6. Oktober 2011 - AN 14 K 11.01275 -, juris, Rn 33.

Nach diesen Maßstäben erweist sich die von dem Beklagten getroffene Ermessensentscheidung als rechtsfehlerhaft.

Die Zustimmungsentscheidung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2013 erweist sich zunächst als ermessensfehlerhaft, weil die Ermessensentscheidung auf einem unzureichend ermittelten und damit unvollständigen Sachverhalt beruht und dieses Aufklärungsdefizit auch gerade den kündigungsrelevanten Sachverhalt betrifft. Insoweit bleibt der Beklagte zugleich deutlich hinter seiner rechtlich zutreffend aufgestellten eigenen Anforderung im Widerspruchsbescheid (vgl. Seite 5 letzter Absatz) zurück, "seine Entscheidung nach einer umfassenden Aufklärung des Sachverhalts" zu treffen.

Dies gilt zunächst für die Ermittlung des dem Kündigungsgrund zugrunde liegenden historischen Sachverhalts.

Der genaue Ablauf der kündigungsauslösenden Ereignisse wird von Kläger und Beigeladener ausweislich der im Verwaltungsvorgang befindlichen Stellungnahmen in den Einzelheiten unterschiedlich geschildert. Zwar hat der Kläger eingeräumt, dass er am 14. Dezember 2011 ein T-Shirt mit dem Aufdruck des Urteils bzw. der ersten Seite der Entscheidung aus dem arbeitsgerichtlichen Verfahren getragen hat. Der Zeitpunkt, wann er dieses T-Shirt getragen hat (bereits bei der Ankunft im Kundenservicezentrum oder erst vor dem Kaffeetrinken in der Eingangshalle) und welche und wieviele Personen hiervon überhaupt Kenntnis genommen und daran Anstoß genommen haben, wurde aber von Kläger und Beigeladener unterschiedlich geschildert. Dies gilt auch für den genauen Inhalt sowie für den Zeitpunkt und die Häufigkeit der Verwendung der Phrase "Im Namen des Volkes..." und die Größe des dabei erreichten Adressatenkreises sowie für weitere Einzelheiten des kündigungsauslösenden Sachverhalts. Schon mit Blick auf die nach oben dargelegten Maßstäben erforderliche Gewichtung des klägerischen Fehlverhaltens im Rahmen der Interessenabwägung hätte der Beklagte sich aber eine eigene Überzeugung von den maßgeblichen Vorgängen verschaffen und den tatsächlichen Hergang aufklären müssen. Eine angemessene Bewertung der Schwere der Pflichtverletzung setzt voraus, dass zunächst der Pflichtverstoß selbst nach Art und Umfang aufgeklärt wird. Eigene Ermittlungen hat der Beklagte ausweislich des Verwaltungsvorgangs jedoch nicht vorgenommen. Nach der Widerspruchsbegründung hat er sich stattdessen mit dem Vorbringen der Beigeladenen begnügt und nur dieses seiner Würdigung zugrunde gelegt (vgl. S. 7). Zwar stellt er fest, dass der Kläger das ihm vorgeworfene Verhalten bestreitet. Hieraus zieht der Beklagte aber keine Konsequenzen, sondern erläutert anschließend auf der Grundlage des von ihm unterstellten Geschehensablaufs, warum er die Einschätzung des Beigeladenen teilt, dass es sich bei dem Bedrucken des T-Shirts und der Wortwahl des Klägers um eine gezielte Provokation von Vorgesetzten und Kollegen handele. Er hat damit nach oben dargelegten Maßstäben seine Aufklärungspflicht verletzt,

vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Mai 2009 - 12 A 472/09 -, juris, Rn 22 m.w.N.

In einem Fall, in dem, wie vorliegend, die Kündigung auf ein konkretes Fehlverhalten gestützt wird, das nach den oben dargestellten Grundsätzen im Rahmen der Ermessensbetätigung zu gewichten ist, ist es zudem erforderlich, nicht nur das Fehlverhalten selbst, sondern auch die für die Bewertung der Schwere des Fehlverhaltens unerlässlichen Begleitumstände einschließlich etwaiger Verantwortungsanteile des Arbeitgebers oder von Kollegen zu ermitteln,

vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. April 2009 - 12 A 2431/08-, juris, Rn 32, m.w.N., und vom 12. Februar 2009 - 12 A 3108/08 -, juris, Rn 9 m.w.N.

Auch insoweit hat der Beklagte ersichtlich keine eigenen Feststellungen getroffen. Hierzu bestand aber Anlass, weil der Kläger und der Beigeladene ihren Umgang miteinander am 14. Dezember 2011 unterschiedlich schildern und u.a. die Frage, ob es von einer Seite zu einem (versuchten) körperlichen Übergriff gekommen ist und in welcher Weise der Kläger das Freistellungsschreiben von der Beigeladenen überreicht bekommen hat, für die Frage, wie das Fehlverhalten des Klägers im Rahmen der Interessenabwägung zu gewichten ist, jedenfalls im Hinblick auf die verbalen Äußerungen in der konkreten Situation nicht von vorneherein ohne Bedeutung ist.

Ein weiteres Aufklärungsdefizit ergibt sich im Hinblick auf die psychischen und körperlichen Funktionsbeeinträchtigungen, die der Schwerbehinderung des Klägers zugrunde liegen.

Wird die Kündigung, wie vorliegend, auf ein Fehlverhalten gestützt, das nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten seine Ursache jedenfalls auch in der Behinderung selbst hat, und das im Rahmen der Ermessensbetätigung daher gerade im Hinblick auf die nach obigen Grundsätzen hohen Anforderungen an die Schwere der Pflichtverletzung einerseits und die Zumutbarkeitsgrenze des Arbeitgebers andererseits zu gewichten ist, muss der Beklagte, um eine sachgerechte Gewichtung des Fehlverhaltens vornehmen zu können, den Zusammenhang zwischen der Behinderung und dem konkreten Fehlverhalten näher aufklären. Dem Verwaltungsvorgang ist aber nicht ansatzweise zu entnehmen, dass der Beklagte, obwohl er selbst von einem Zusammenhang zwischen der Behinderung des Klägers und dem vorgeworfenen Verhalten i.S.v § 91 Absatz 4 SGB IX ausgeht, in dem immerhin knapp eineinhalb Jahre dauernden Widerspruchsverfahren eigene Ermittlungen vorgenommen hat, um die Schwere der beim Kläger festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen "Depressionen" und "Angststörung" einerseits und ihre konkreten Auswirkungen auf die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Klägers andererseits näher aufzuklären. Hierzu bestand aber insbesondere deshalb Anlass, weil der Kläger im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgetragen hat, dass seine krankheitsbedingt geschwächte psychische Konstitution offenkundig und für sein Verhalten mitursächlich sei. Ausweislich des Verwaltungsvorgangs lagen dem Widerspruchsausschuss im Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung aber ausschließlich die beiden Festsetzungsbescheide über die Anerkennung eines Grades der Schwerbehinderung von 40 bzw. 50 vom 26. Juni 2007 sowie 25. November 2009 vor. Weitere Ermittlungen hat der Beklagte auch nach eigenen Angaben im Erörterungstermin nicht durchgeführt. Insbesondere hat er weder den Kläger zur Vorlage ärztlicher Unterlagen aufgefordert, noch die Unterlagen des Versorgungsamtes, die der Feststellung der Schwerbehinderung zugrunde lagen, beigezogen. Gerade die dem Beklagten bekannte, erst aufgrund eines Anerkenntnisses im sozialgerichtlichen Verfahren rückwirkend zum 18. April 2007 erfolgte Erhöhung des Grades der Schwerbehinderung von 40 auf 50 hätte aber eine Beiziehung der Akten des Versorgungsamtes bzw. der Fürsorgestelle nahegelegt.

Schließlich hat der Kläger im Widerspruchsverfahren angeführt, dass ihm nach seiner lange währenden Krankheit kein Wiedereingliederungsverfahren ermöglicht worden sei und die auf Seiten der Beigeladenen handelnden Mitarbeiter ihm gegenüber jegliche Objektivität und Fürsorge vermissen ließen. Auch dieser im Falle des Zutreffens - für die Bewertung der Schwere seines Fehlverhaltens maßgebliche Umstand hätte der weiteren Aufklärung bedurft und Feststellungen dazu geboten, ob der Beigeladene die ihm nach § 84 Absatz 1 SGB IX obliegenden Maßnahmen zur Vermeidung einer Kündigung ergriffen hat und mit welchem Ergebnis.

Unabhängig von diesen Defiziten der Sachverhaltsaufklärung erweist sich die von dem Beklagten getroffene Entscheidung aber auch deshalb als ermessensfehlerhaft, weil er in dem Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2013 maßgeblich auf die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der beabsichtigten Kündigung abgestellt hat, obwohl diese Frage für die ihm überantwortete Interessenabwägung nach den oben dargelegten Maßgaben gerade keine maßgebliche Rolle spielen darf. Damit hat der Beklagte seine Entscheidung insoweit auf ein sachwidriges, weil von seinem Prüfauftrag nicht umfasstes Kriterium gestützt.

In seinem Widerspruchsbescheid hat der Beklagte die Zustimmungsentscheidung darauf gestützt, dass es sich bei dem Verhalten des Klägers um bewusste Provokationen von Vorgesetzten und Kollegen gehandelt habe. Es liege ein Fehlverhalten des Klägers im Vertrauensbereich vor, das Grund für eine außerordentliche Kündigung sein könne. Es sei auch keine vorherige Abmahnung erforderlich, weil es sich um einen schweren Verstoß handele, bei dem der Kläger von vorneherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen könne.

Mit diesen Erwägungen hat der Beklagte aber seiner Entscheidung ausschließlich solche Kriterien zugrunde gelegt, die für die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung maßgeblich sind,

vgl. BAG, Urteile vom 18. September 2008 - 2 AZR 827/06 -, juris, Rn 33 f., m.w.N., und vom 15. November 2001 - 2 AZR 605/00 -, juris Rn 17.

Hiervon ist der Beklagte auch im gerichtlichen Verfahren nicht abgerückt, sondern hat zur Verdeutlichung seiner im Widerspruchsbescheid getroffenen Einschätzung nochmals ergänzend und vertiefend vorgetragen, dass der Kläger durch sein Verhalten seine arbeitsvertraglichen (Neben-)Pflichten aus § 611 i.V.m. § 241 Absatz 2 BGB verletzt habe. Insbesondere seien mögliche Meinungsverschiedenheiten sachlich und in angemessener Form auszutragen. Gegen die entsprechende arbeitsvertragliche Verhaltenspflicht habe der Kläger in schuldhaft-pflichtwidriger Weise verstoßen und nicht nur den Betriebsfrieden sondern auch das notwendige Vertrauensverhältnis zu seinem Arbeitgeber zerstört. Damit hat der Beklagte weiterhin ausschließlich arbeitsrechtlich argumentiert.

Die Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne von § 626 BGB unterliegt jedoch nach den oben genannten Grundsätzen nicht seiner Entscheidungskompetenz und ist damit - abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall der Frage nach der offensichtlichen arbeitsrechtlichen Unzulässigkeit der beabsichtigten Kündigung

vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1992 - 5 C 39/90 -, juris, Rn 30 m.w.N. -

für die dem Beklagten überantwortete Ermessensentscheidung gerade ohne Belang.

Insbesondere stellt die arbeitsrechtliche Zulässigkeit der beabsichtigten Kündigung keine Rechtfertigung für die in Rede stehende Zustimmung dar, sondern wird die Kündigung erst durch die Zustimmung ermöglicht. Ob sie nach den insoweit maßgeblichen arbeitsrechtlichen Kriterien zulässig ist, obliegt allein den insoweit zur Entscheidung berufenen - und vom Kläger auch tatsächlich angerufenen - Arbeitsgerichten.

Schließlich erweist sich die von dem Beklagten getroffene Entscheidung aber auch deshalb als ermessensfehlerhaft, weil er die oben genannten Anforderungen an die Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber nicht berücksichtigt hat.

In seinem Widerspruchsbescheid finden sich keine über die Frage der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Kündigung hinausgehenden Erwägungen. Obwohl der Beklagte selbst ausgeführt hat, dass ein Zusammenhang zwischen dem Kündigungsgrund und der anerkannten Behinderung des Klägers nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, und im Erörterungstermin nochmals ausdrücklich erläutert hat, dass man gerade in das freie Ermessen nach § 85 SGB IX "hineingewollt habe", hat er in den Ermessenserwägungen gerade nicht, auch nicht ansatzweise angesprochen, wie dieser Zusammenhang der Behinderung im Hinblick auf das dem Kläger konkret vorgeworfene Fehlverhalten zu gewichten ist. Dabei handelt es sich jedoch gerade vor dem Hintergrund des angenommenen Zusammenhangs zwischen Behinderung und Kündigungsgrund um einen sich von der Sache her aufdrängenden zentralen und daher in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkt, dessen Nichtberücksichtigung bereits für sich genommen die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge hat.

Schließlich sind die genannten Ermessensfehler auch nicht deshalb unbeachtlich, weil die Weiterbeschäftigung des Klägers allen Grenzen wirtschaftlicher Vernunft widerspräche und deshalb die Zustimmung zu seiner Kündigung erteilt werden müsste. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beigeladenen einseitig die Lohnzahlungspflicht auferlegt würde und daher die Interessenabwägung zwingend zu ihren Gunsten ausgehen müsste. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbracht hat und auch nicht erbringen könnte. Soweit der Kläger nach dem 14. Dezember 2011 tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht hat, beruht dies allein auf der von der Beigeladenen ausgesprochenen Freistellung des Klägers von der Arbeitsverpflichtung bis zum Abschluss des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wegen der Kündigung vom 7. September 2011.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO, § 188 Satz 2 VwGO. Da die Beigeladene keine eigenen Anträge gestellt und sich mithin keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, war sie gemäß § 154 Absatz 3 VwGO weder neben dem Beklagten an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen, noch steht ihr ein Kostenerstattungsanspruch zu, § 162 Absatz 3 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 709 S. 2, 711 ZPO.

Referenznummer:

R/R6204


Informationsstand: 13.06.2014