Urteil
Zuständigkeit für die rechtlichen Fragen des Schutzes bei der Wahl zur stellvertretenden Vertrauensperson - Versagte Zustimmung zu einer Zuweisung eines Wahlbewerbers - Keine Kompetenz der Einigungsstelle

Gericht:

VG Köln 1. Kammer


Aktenzeichen:

33 K 6467/14.PVB | 33 K 6467.14.PVB


Urteil vom:

18.08.2016


Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Gründe:

I.
Unter dem 12.08.2014 ersuchte die Beteiligte zu 1. den Antragsteller um Zustimmung zur dauerhaften Zuweisung des Beamten C. H. zur E. U. U1. GmbH, I.; zu dieser Zeit war Herr H. Kandidat für die Wahl zur "stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen". Unter dem 13.08.2014 versagte der Antragsteller seine Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme: Diese sei nicht ermessensgerecht, weil persönliche Umstände des Beamten nicht hinreichend gewürdigt worden seien; im Übrigen machte er weiteren Informationsbedarf geltend.

Die von der Beteiligten zu 1. sodann angerufene Beteiligte zu 2. beschloss am 07.11.2014, dass ein Grund für die Zustimmungsverweigerung im Sinne des § 77 Abs. 2 BPersVG nicht vorliege; in dem Beschluss heißt es u. a.:

"Die Einigungsstelle nimmt ihre Zuständigkeit für die rechtlichen Fragen des Schutzes bei der Wahl zur stellvertretenden Vertrauensperson nicht an. Die rechtlichen Folgen eines möglichen Wahlschutzes unterliegen einem eigenen separaten Verfahren."

Im Übrigen seien keine Gründe benannt, die einen Umzug des betroffenen Beamten von seinem Heimatort M. nach I. als unzumutbar erscheinen ließen.

Der Antragsteller hat am 21.11.2014 das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet.

Er ist der Ansicht, dass der Beschluss der Einigungsstelle vom 07.11.2014 betreffend die Zuweisung des Beamten H. nach I. rechtswidrig sei, weil beachtliche Gründe für eine Zustimmungsverweigerung durch den Antragsteller im Sinne des § 77 Abs. 2 BPersVG vorgelegen hätten.

Die Zuweisung des Beamten H. von M. nach I. verstoße nämlich gegen ein Gesetz im Sinne von § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG, weil der Beamte H. im Zeitpunkt der Zuweisung Wahlschutz im Sinne von § 94 Abs. 6 SGB IX genieße und daher nicht habe zugewiesen werden dürfen. Diesen Umstand hätte die Beteiligte zu 2. bei ihrer Entscheidung - jedenfalls als Ausfluss aus dem allgemeinen Rechtsgedanken des § 17 Abs. 2 GVG - berücksichtigen und daher ihre Zuständigkeit annehmen müssen. Die Beteiligte zu 2. dürfe daher auch nicht auf ein separates Verfahren im Sinne von § 103 Abs. 3 BetrVG bzw. §§ 24 Abs. 1 Satz 3, 47 Abs. 2 Satz 1 BPersVG verweisen.

Für den Antragsteller bestehe weiterhin ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung des Verfahrens, unabhängig davon, dass der Beamte H. im Ergebnis nicht zur stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gewählt worden sei; jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung der Beteiligten zu 2. habe der Wahlschutz noch bestanden.

Der Antragsteller beantragt,

festzustellen, dass der Beschluss der Einigungsstelle vom 07.11.2014 bezüglich der Feststellung, dass bei dem Beamten C. H. ein Grund für die Verweigerung der Zustimmung im Sinne des § 77 Abs. 2 BPersVG nicht vorliegt, rechtswidrig gewesen ist.

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält den Antrag für nicht statthaft, weil in Bezug auf den Beschluss der Einigungsstelle nach Maßgabe des § 29 Abs. 3 PostPersRG ein gerichtliches Anfechtungsrecht nicht gegeben sei.

Die Beteiligte zu 2. beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie weist darauf hin, dass gegebenenfalls ein Rechtsschutzinteresse fehlen könnte, weil der Beamte H. nicht zur stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen gewählt worden sei.

Darüber hinaus weist sie darauf hin, dass zwar für den Beamten H. ein besonderer Wahlschutz bestanden habe, insoweit aber ein eigenes Beteiligungsverfahren, das nicht Gegenstand des Beteiligungsverfahrens nach § 28 PostPersRG sei, durchzuführen gewesen sei. Eine analoge Anwendung des § 17 Abs. 2 GVG greife nicht, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle und das Beteiligungsverfahren nach §§ 103 BetrVG bzw. 47 Abs. 2 BPersVG unterschiedlich zu dem Beteiligungsverfahren nach § 28 PostPersRG sei. Im Übrigen greife der Wahlschutz der §§ 47 BPersVG, 103 BetrVG in Bezug auf den Beamten H. vorliegend nicht, da keine Abordnung oder Versetzung vorgelegen habe.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Rechtsweg:

Es liegen keine Informationen zum Rechtsweg vor.

Quelle:

Justizportal des Landes NRW

II.
Soweit mit dem vorliegenden Antrag aufgrund der Mitteilung (Email) der Beteiligten zu 1. vom 09.12.2014 auch eine Übernahme der anwaltlichen Kosten des Antragstellers im vorliegenden Verfahren durch die Beteiligte zu 1. begehrt wurde, ist dies nach der Erklärung der Prozessbevollmächtigten der Beteiligten zu 1. im Anhörungstermin am 18.08.2016, dass die Kosten übernehmen werden, gegenstandslos; der Antragsteller verfolgt dieses Begehren auch nicht mehr weiter.

Der Zulässigkeit des Feststellungsantrags steht nicht entgegen, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Wahlschutz gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX zugunsten des Beamten H. nicht mehr besteht. Ein solcher bestand jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung der Beteiligten zu 2. und hätte nach dem Vorbringen des Antragstellers bei deren Entscheidung Berücksichtigung finden müssen; zu klären ist in diesem Verfahren die nach dem Vorbringen des Antragstellers auch in weiteren Verfahren relevante Frage, ob die Beteiligte zu 2. ihre Zuständigkeit hätte annehmen müssen.

Der Beschluss einer Einigungsstelle unterliegt gemäß § 83 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BPersVG der gerichtlichen Kontrolle der Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen. Der Beschluss hat nicht nur empfehlenden Charakter, sondern ist verbindlich. Schließt sich die Einigungsstelle - wie hier - der Auffassung des Arbeitgebers an, stellt sie gemäß § 29 Abs. 3 Satz 2 PostPersRG im Mitbestimmungsverfahren endgültig fest, dass kein Grund für die Verweigerung der Zustimmung im Sinne von § 77 Abs. 2 BPersVG vorliegt. Dies folgt aus einem Gegenschluss aus § 29 Abs. 3 Sätze 3 und 4 PostPersRG, wonach der Beschluss der Einigungsstelle lediglich empfehlenden Charakter hat, wenn sich die Einigungsstelle dem Arbeitgeber nicht anschließt. In diesem Fall entscheidet das Bundesministerium der Finanzen endgültig im Mitbestimmungsverfahren.

Die gerichtliche Überprüfung erstreckt sich darauf, ob der Beschluss der Einigungsstelle in einem ordnungsgemäßen Verfahren zustande gekommen ist und ob die Einigungsstelle im Rahmen des ihr übertragenen rechtlichen Entscheidungsprogramms das Mitbestimmungsrecht der Personalvertretung verletzt hat. Bei der vorliegenden Entscheidung nach § 29 PostPersRG ist der Einigungsstelle kein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum eingeräumt. Ihre Feststellung nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Post-PersRG, dass kein Versagungsgrund nach § 77 Abs. 2 BPersVG vorliege, ist eine Rechtsentscheidung. Sie ist fehlerhaft, wenn sie auf einem nicht ordnungsgemäß aufgeklärten Sachverhalt beruht oder wenn - entgegen der Auffassung der Einigungsstelle - ein Versagungsgrund gemäß § 77 Abs. 2 BPersVG für den Antragsteller vorgelegen hat. Wird der Beschluss der Einigungsstelle vom Gericht für unwirksam erklärt, so hat die Einigungsstelle dem Mitbestimmungsverfahren unter Vermeidung der gerichtlich festgestellten Rechtsfehler Fortgang zu geben;

vgl. BVerwG, Beschluss vom 04.06.2010 - 6 PB 4.10 -, PersR 2010, 361 = juris (Rdz. 4).

Die Beteiligte zu 2. hat zu Recht ihre Zuständigkeit für Fragen des Wahlschutzes für einen Wahlbewerber für die Wahl zur stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen - unter Hinweis auf ein eigenes separates Verfahren verneint.

Das folgt bereits daraus, dass der Antragsteller für eine Zustimmung zur Zuweisung eines Wahlbewerbers für die Wahl zur stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen nicht zuständig ist.

Der Beamte C. H. war Wahlbewerber für die Wahl zur "stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen"; für solche gilt der Wahlschutz gemäß § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX, so dass das Gremium, das den Wahlschutz zugunsten des Wahlbewerbers wahrnimmt, in einem solchen Fall die nach Maßgabe des § 94 Abs. 1 SGB IX gebildete zuständige Schwerbehindertenvertretung ist. Folgt man den nach § 94 Abs. 6 Satz 2 SGB IX sinngemäß heranzuziehenden Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes (§ 24 Abs. 1 PostPersRG), finden in den Postnachfolgeunternehmen grundsätzlich dessen Bestimmungen Anwendung, so dass nach § 103 Abs. 3 Satz 1 1. Halbs. BetrVG jedenfalls eine Versetzung der Zustimmung des Betriebsrats, in der vorliegenden Konstellation der Schwerbehindertenvertretung, bedarf.

Die Schwerbehindertenvertretung bei der Beteiligten zu 1. ist allerdings gar nicht in die Entscheidung über die Zustimmung zur Zuweisung des Beamten H. nach I. eingebunden gewesen; aus einer möglichen Verletzung der Rechte der Schwerbehindertenvertretung kann der Antragsteller aber keine eigenen Rechte herleiten. Dies gilt auch für die Frage, ob die hier streitige "Zuweisung" gemäß § 4 Abs. 4 PostPersRG überhaupt als eine "Versetzung" im Sinne des § 103 Abs. 3 BetrVG angesehen wird.

Nur die Schwerbehindertenvertretung - und nicht der Antragsteller - ist in einem solchen Falle eines Wahlbewerbers für die Wahl zur "stellvertretenden Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen" zu beteiligen. Wenn diese die Zustimmung zu einer "Zuweisung" versagen würde, müsste das Verfahren des § 103 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 2 BetrVG vor dem zuständigen Arbeitsgericht durchgeführt werden.

Auch wenn der Wahlschutz zugunsten des Beamten H. gemäß § 94 Abs. 6 SGB IX als Zustimmungsverweigerungsgrund im Sinne des § 77 Abs. 2 Nr. 1 BPersVG ("Verstoß gegen ein Gesetz") angesehen werden könnte, liegt dies außerhalb des dem Antragsteller insoweit eröffneten Mitbestimmungsprogramms.

Ohne dass es nach dem Vorstehenden entscheidungserheblich darauf ankommt, sei darauf hingewiesen, dass es für die Frage der Entscheidungskompetenz der Einigungsstelle auch nicht darauf ankommen dürfte, ob der Antragsteller einen möglicherweise nicht beachteten Wahlschutz rügen könnte. Auch wenn dies als beachtlicher Zustimmungsverweigerungsgrund angesehen würde, fehlte es offenkundig an einer Zuständigkeit der Einigungsstelle, weil im Falle der versagten Zustimmung zu einer Zuweisung eines Wahlbewerbers - oder sonst dem Schutz der §§ 103 BetrVG, 47 BPersVG unterfallenden Personen - das Verfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG bzw. § 47 Abs. 1 Satz 2 BPersVG einzuleiten wäre; eine Kompetenz der Einigungsstelle besteht in einem solchen Falle nicht;

vgl. auch VG Köln (Fachkammer für Bundespersonalvertretungssachen), Beschluss vom 24.02.2014 - 33 K 1513/13.PVB -, juris (Rdz. 22 ff.).

Eine Kostenentscheidung entfällt im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren.

Referenznummer:

R/R7356


Informationsstand: 26.07.2017