Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Die von ihm erhobene Anfechtungsklage gegen seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit ist zulässig und begründet. Der diesbezügliche Bescheid des Beklagten vom 29. August 2005 in der für die gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Die Zulässigkeit der gegen den Zurruhesetzungsbescheid gerichteten Klage ist nicht mit Blick auf die zwischenzeitliche Reaktivierung des Klägers weggefallen. Es besteht vielmehr nach wie vor ein Rechtsschutzinteresse für diese Klage, weil sich aus der vorzeitigen Zurruhesetzung - jedenfalls was den Zeitraum zwischen deren Wirksamwerden und der späteren Reaktivierung betrifft - immer noch nachteilige Rechtsfolgen ergeben. In finanzieller Hinsicht betrifft dies insbesondere die Differenz zwischen den Bezügen eines aktiven Beamten und eines Ruhestandsbeamten.
Die Klage ist auch begründet. Allerdings ist der angefochtene Bescheid nicht bereits formell rechtswidrig.
Eine Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist im Rahmen des Zurruhesetzungsverfahrens ordnungsgemäß erfolgt. So ist der besonderen Schwerbehindertenvertretung des Beklagten bei der Dienststelle Mitte Gelegenheit zur Äußerung zu der Zurruhesetzungsabsicht gegeben worden. Die besondere Schwerbehindertenvertrauensperson hat daraufhin Bedenken geäußert, denen der Beklagte in einem Antwortschreiben entgegengetreten ist. Daraus, dass der Beklagte die Einschätzung der Vertrauensperson in der Sache nicht geteilt hat, ergibt sich kein Ansatzpunkt dafür, die formelle Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Versetzung des Klägers in den Ruhestand durchgreifend in Frage zu stellen.
Die - hier fehlende - Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) nach
§ 84 Abs. 4 SGB IX ist keine Voraussetzung dafür, dass ein Bescheid über die Versetzung eines Beamten in den Ruhestand formell rechtmäßig ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die genannte Vorschrift als solche auch auf Beamte Anwendung findet, was unterschiedlich beurteilt wird.
Vgl. etwa einerseits
VG Frankfurt, Urteil vom 29. Februar 2008 -
9 E 941/07 -, IÖD 2008, 204, sowie juris (Rn. 45), andererseits
VG Berlin, Urteil vom 26. Februar 2008 -
28 A 134.05 -, juris, und Baßlsperger, ZBR 2009, 143 (144).
Denn weder aus § 84
Abs. 2
SGB IX selbst noch (erst recht) aus den beamtenrechtlichen Vorschriften über die Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit ergibt sich ein hinreichender Anhaltspunkt dafür, dass jede Missachtung der sich aus dem BEM ergebenden Pflichten des Arbeitgebers/Dienstherrn bereits aus formellen/verfahrensrechtlichen Gründen in der Weise "sanktioniert" sein soll, dass die Rechtswidrigkeit der Zurruhesetzungsverfügung die Folge wäre. Hierfür spricht schon, dass der Gesetzgeber das Verfahren nach dem BEM und das Zurruhesetzungsverfahren von Beamten bei weggefallener Dienstfähigkeit nicht näher aufeinander abgestimmt hat, so dass es bei zwei im Rechtssinne voneinander zu unterscheidenden Verfahren geblieben ist, auch wenn es (bei unterstellter Anwendbarkeit des BEM im Beamtenrecht) insoweit in der Praxis sicherlich zu einem gewissen Ineinandergreifen von Instrumenten kommen kann. Die beiden Verfahren stehen aber nicht in einem abgestuften Verhältnis dergestalt, dass der Dienstherr erst im Anschluss an ein Scheitern des Eingliederungsmanagements die Dienstfähigkeit durch Anordnung (amts-)ärztlicher Untersuchung näher überprüfen lassen und (davon abhängig) den Weg der Zurruhesetzung beschreiten darf.
Vgl. Niedersächsisches
OVG, Beschluss vom 29. Januar 2007 -
5 ME 61/07 -, Schütz/ Maiwald, BeamtR, ES/A II 5.5
Nr. 36, sowie juris (Rn. 17).
Die vorstehend dargelegte Sicht steht im Übrigen in entsprechender Übereinstimmung mit der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, derzufolge die Durchführung eines BEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ist.
Vgl.
BAG, Urteil vom 7. Dezember 2006 -
2 AZR 182/06 -, BAGE 123, 234 = DB 2008, 189, sowie juris (Rn. 33, 36).
Strengere Anforderungen lassen sich insoweit für die Entscheidung über die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit aus beamtenrechtlichen Grundsätzen sicherlich nicht ableiten.
Vgl. - in diesem Sinne - auch
OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. Mai 2009 -
3 LB 27/08 -, juris (Rn. 28).
Soweit das Bundesarbeitsgericht (a.a.O., Rn. 41) § 84
Abs. 2
SGB IX als eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ansieht und daraus Konsequenzen u.a. auch für die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess zieht, betrifft dies demgegenüber keine Fragestellungen der formellen Rechtmäßigkeit und auch nicht der Wirksamkeit der Maßnahme, bezieht sich vielmehr schon auf die materiell-rechtliche Prüfung. Insoweit ist in dem hier einschlägigen beamtenrechtlichen Zusammenhang im Übrigen in Rechnung zu stellen, dass der auch vom Kläger angesprochene Grundsatz "Weiterverwendung vor Versorgung", wie er u.a. in § 42
Abs. 3 BBG a.F. zum Ausdruck kommt, (unabhängig vom BEM-Verfahren) bereits in eine ebensolche Richtung zielt.
Hiervon abgesehen kann ein unterlassenes BEM erst recht nicht zur formellen Rechtswidrigkeit des Bescheides über die vorzeitige Zurruhesetzung eines Beamten führen, wenn sich ein etwaiges pflichtwidriges Unterlassen dieses Verfahrens in dem zu beurteilenden Fall auf das Bestehen der Zurruhesetzungsvoraussetzungen gar nicht ausgewirkt haben kann, weil auch bei Durchführung eines solchen Präventions-/Eingliederungsverfahrens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Eintritt dauernder Dienstunfähigkeit nicht vermieden worden
bzw. eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht (früher) gelungen wäre.
Vgl.
VG Berlin, Urteil vom 26. Februar 2008 -
28 A 134.05 -, juris (Rn. 29);
VG des Saarlandes, Urteil vom 12. Mai 2009 - 2 K 814/08 -, juris (Rn. 27).
Man kann insofern, ohne dass dies hier abschließend entschieden werden muss, schon in Frage stellen, ob in derartigen Fällen, in denen es etwa schon aus Gründen der Art und/oder Schwere der betroffenen Erkrankung vollständig an einem Restleistungsvermögen des Betroffenen fehlt
bzw. dieses erkennbar noch nicht wieder hinreichend erreicht ist, die sich aus § 84
Abs. 2 SBG IX für den Arbeitgeber ergebende Verpflichtung mangels objektiver Sinnhaftigkeit überhaupt greift. Denn das Instrumentarium des BEM zielt zumindest in erster Linie auf solche Hilfestellungen, welche der Dienstherr (mit) beeinflussen kann, wie etwa die leidensgerechte Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Änderung/Anpassung sonstiger, sich auf das Leiden
bzw. seine Besserung negativ auswirkender Arbeitsbedingungen. Bei der Wiedereingliederung langzeitig Erkrankter in den Dienstbetrieb ist diesbezüglich ein in gewissem Umfang verbliebenes oder schon wiedererlangtes Leistungsvermögen aber grundsätzlich unverzichtbar, sollen derartige Wiedereingliederungsbemühungen überhaupt einen Sinn ergeben. Fehlt es an einem solchen Grundleistungsvermögen des Betroffenen und besteht nach Einschätzung der vom Dienstherrn zugezogenen Ärzte auch nicht die Wahrscheinlichkeit, dass sich an diesem Zustand in absehbarer Zeit etwas ändern wird, stellt es jedenfalls keinen Fehler des Zurruhesetzungsverfahrens dar, wenn der Dienstherr begleitend zu diesem Verfahren nicht zugleich ein BEM durchführt
bzw. durchgeführt hat.
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so hat sich die Beklagte auf ein fehlendes (hinreichendes) Restleistungsvermögen des Klägers bereits aus medizinischen Gründen, nämlich unmittelbar begründet durch die Intensität und Chronifizierung von dessen Clusterkopfschmerz-Erkrankung, berufen. Jedenfalls für die Zeit von der Einleitung des Zurruhesetzungsverfahrens im Juli 2005 bis hin zum Erlass des Zurruhesetzungsbescheides Ende August 2005 ist dies (noch) ohne weiteres objektiv nachvollziehbar, zumal auch der Kläger nichts Greifbares dafür vorgetragen hat, er hätte schon damals beispielsweise eine stufenweise Wiedereingliederung mit zunächst geminderter Arbeitszeit von seiner Konstitution her erfolgversprechend leisten oder hätte bei bestimmten sonstigen Änderungen der Arbeitsbedingungen seine Dienstunfähigkeit schon eher als sodann geschehen nachhaltig überwinden können. Ob eine entsprechende Bewertung auch noch für den nachfolgenden Zeitraum bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides im Februar 2006 (uneingeschränkt) gelten kann, ist mit Blick auf die späteren Ausführungen des Senats zur materiellen Rechtmäßigkeit des Bescheides zweifelhaft, kann aber letztlich dahinstehen. Denn - wie anfangs ausgeführt - hätte selbst eine bestehende rechtliche Verpflichtung des Beklagten zur Durchführung eines BEM keine Auswirkungen auf die Frage der formellen Rechtmäßigkeit der Zurruhesetzungsverfügung in der Gestalt des Widerspruchsbescheides gehabt. Deswegen muss hier auch nicht weiter der Frage nachgegangen werden, ob auch nach einer schon verfügten Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand noch ein BEM durchgeführt werden muss, sofern der Betroffene - wie hier - diese Entscheidung mit Widerspruch und Klage angefochten hat.
Die Verfügung über die vorzeitige Zurruhesetzung des Klägers ist jedoch materiell rechtswidrig. Denn es fehlt an der notwendigen Voraussetzung, dass der Kläger in dem für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides (dauernd) dienstunfähig gewesen ist.
Maßstabsnorm für die rechtliche Überprüfung ist dabei noch § 42 des Bundesbeamtengesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. März 1999 (BGBl. I
S. 675) - im Folgenden: BBG a.F.. Zwar ist diese Rechtsnorm während des Berufungsverfahrens durch § 44 des neuen Bundesbeamtengesetzes abgelöst worden (
Art. 1 des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009, BGBl. I
S. 160). Für die Rechtmäßigkeit kommt es aber im vorliegenden Zusammenhang auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, hier also des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2006, an.
vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 1997 - 2 C 7.97 -, BVerwGE 105, 267, und vom 26. März 2009 -
2 C 46.08 -, juris (Rn. 13 und 15),
Gemäß § 42
Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. ist ein Beamter auf Lebenszeit - wie der Kläger - vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand zu versetzen, wenn er dienstunfähig ist, es sei denn die Voraussetzungen des Absatzes 3 liegen vor, nach denen von der Zurruhesetzung abgesehen werden soll, wenn (vereinfacht ausgedrückt) noch eine anderweitige Verwendung des Beamten im aktiven Dienst möglich ist.
Auch wenn in diesem Zusammenhang die materielle Rechtmäßigkeit der Versetzung des Beamten in den Ruhestand regelmäßig davon abhängt, ob - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt - die zuständige Behörde "nach den ihr zur Verfügung stehenden Erkenntnissen annehmen durfte", dass der Beamte dienstunfähig ist,
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 16. Oktober 1997 - 2 C 7.97 -, a.a.O.,
ist dies nicht dahin zu verstehen, dass der Behörde etwa ein gerichtsfreier Beurteilungsspielraum zukäme. Einen solchen Spielraum räumt ihr nämlich das Gesetz nicht ein. So unterliegt es nicht nur der vollen gerichtlichen Kontrolle, ob ein rechtlich unbedenklicher Maßstab an einen sorgfältig ermittelten Sachverhalt angelegt worden ist, sondern (im Rahmen der tatrichterlichen Würdigung) auch, ob dieser Sachverhalt die Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit rechtfertigt. Das schließt etwaige Feststellungen oder Schlussfolgerungen in ärztlichen Gutachten grundsätzlich mit ein. Auch diese sind vom Gericht (in den Grenzen erforderlicher Sachkenntnis) nicht ungeprüft zu übernehmen, sondern selbstverantwortlich zu überprüfen und nachzuvollziehen.
So schon
BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 1966 - VI C 46.63 -, Buchholz 232 § 42 BBG
Nr. 8;
vgl. ferner Senatsurteil vom 28. Mai 2003 - 1 A 2150/00 -, juris (Rn. 95).
Dies zugrunde gelegt, steht hier zur Überzeugung des Senats fest, dass für den maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung die Annahme des Beklagten, der Kläger sei (noch weiter) dauernd dienstunfähig gewesen, nicht auf einem tragfähig in diese Richtung zu würdigenden Sachverhalt beruht und daher nicht gerechtfertigt gewesen ist.
Nach § 42
Abs. 1 Satz 1 BBG a.F. ist ein Beamter dienstunfähig, wenn er wegen seines körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist. Nach dem Satz 2 der Vorschrift kann der Beamte als dienstunfähig auch dann angesehen werden, wenn er infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraumes von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass er innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig wird. Letzteres stellt eine die Grundregel des Satzes 1 ergänzende Zusatzregelung dar, mit deren Hilfe die Feststellung der Dienstunfähigkeit im Einzelfall erleichtert werden kann.
Vgl. Senatsurteile vom 27. September 2001 -
1 A 2265/99 - und vom 28. Mai 2003 - 1 A 2150/00 -, juris (Rn. 102).
Der hier in Rede stehende Begriff der (dauernden) Dienstunfähigkeit ist spezifisch beamtenrechtlicher (dienstrechtlicher)
Art. Er stellt dabei nicht allein auf die Person des Beamten
bzw. auf Art und Ausmaß seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ab. Vielmehr sind letztlich die Auswirkungen der jeweiligen Erkrankung auf die Fähigkeit, die Dienstpflichten weiter zu erfüllen, und damit auch die Auswirkungen auf den Dienstbetrieb entscheidend. Das bedeutet zugleich, dass es jedenfalls nicht in allen Fällen auf die Erhebung exakter und zutreffender medizinischer Befunde ankommt, sondern vielmehr darauf, ob der Beamte nach seiner gesamten Konstitution zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig ist, weil auf absehbare Zeit eine Behebung im Sinne einer nachhaltigen Besserung seines Zustandes nicht zu erwarten ist. Aus diesem Grund stellt die ärztliche Begutachtung nicht das einzige und stets ausschlaggebende Beweismittel für die Klärung der Dienstunfähigkeit dar; namentlich ist es nicht Sache des begutachtenden Arztes, die Dienstpflichten des jeweiligen Beamten zu bestimmen.
Vgl.
BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1966 - VI C 56.63 -, ZBR 1967, 148, und vom 16. Oktober 1997 - 2 C 7.97 -, a.a.O.; ferner
OVG NRW, Urteil vom 11. März 2009 - 6 A 2615/05 -, sowie Senatsurteile vom 28. Mai 2003 - 1 A 2150/00 -, juris (Rn 98), und vom 17. September 2003 -
1 A 1069/01 -, ZBR 2005, 101; allgemein auch Lemhöfer, in: Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz (Stand: Oktober 2009), § 42 BBG (alt) Rn. 2
ff., 6.
Maßstab für die Beurteilung ist in diesem Zusammenhang nicht das auf einem bestimmten Dienstposten wahrgenommene Amt im konkret-funktionellen Sinne, sondern das dem Beamten zuletzt übertragene Amt im abstrakt-funktionellen Sinne. Dieses umfasst alle bei der Beschäftigungsbehörde dauerhaft eingerichteten Dienstposten, auf denen er amtsangemessen beschäftigt werden kann. Daher setzt die Dienstunfähigkeit voraus, dass bei der Beschäftigungsbehörde kein Dienstposten zur Verfügung steht, der seinem statusrechtlichen Amt zugeordnet und gesundheitlich für ihn geeignet ist.
Vgl.
BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 - 2 C 46.08 - juris (Rn. 15); ferner etwa Senatsbeschluss vom 29. September 2009 - 1 A 2538/07 -.
Hieraus ergibt sich für die Beurteilung des vorliegenden Falles:
Es steht hier - auch ausgehend von den eigenen Aufschreibungen des Klägers (sog. Kopfschmerztagebuch) - außer Frage, dass die für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit des Klägers offensichtlich im Vordergrund stehende Erkrankung an Clusterkopfschmerz nach vorherigem eher episodischem Auftreten insbesondere im zweiten Halbjahr 2004 sowie im ersten Halbjahr 2005 nach Häufigkeit und Schwere der aufgetretenen Attacken einen Verlauf genommen hatte, der in Übereinstimmung mit den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen - zumindest nunmehr - die Annahme eines Überganges in ein chronisches Stadium der Krankheit schlüssig nahelegte. Auch besteht kein Zweifel daran, dass in diesem Stadium die Fähigkeit des Klägers, dienstliche Leistungen (gleich auf welchem Dienstposten seines abstrakt-funktionellen Amtes) zu erbringen, vollständig verloren gegangen war. Entscheidend kommt es hier deshalb darauf an, ob diese Beurteilung auch noch für den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides, also im Februar 2006, gerechtfertigt gewesen ist. Das ist zur Überzeugung des Senats zu verneinen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Erkrankung des Klägers ausgehend von dessen substanziierten Angaben und Aufschreibungen zu der weiteren zeitlichen Entwicklung der Häufigkeit der Kopfschmerzattacken, welche dem Beklagten bekannt waren und gegen deren Richtigkeit als solche nichts von Belang eingewendet wurde, über einen schon beachtlichen Zeitraum signifikant wieder gebessert. Hinzu kommt, dass diese Remission der chronischen Erkrankung offenbar nicht durch Schwankungen gekennzeichnet war, sondern in der Gesamtschau eine deutlich erkennbare positive Entwicklungslinie aufwies, ohne dass etwas konkretes auf ihre künftige Unterbrechung
bzw. Umkehrung hinwies.
Zwar dürfte der Umstand, dass der Kläger erstmals bereits im Verwaltungsverfahren unter dem 7. Juli 2005 den Beklagten darauf hinwies, dass sich schon im Vergleich des ersten Halbjahres 2005 zu dem vorangegangenen zweiten Halbjahr 2004 insofern eine merkliche Verbesserung des Kopfschmerzleidens (um mehr als 33 %) eingestellt habe, als die Schmerzanfälle von zuvor 600 auf nunmehr 397 zurückgegangen seien, für sich genommen noch kein geeigneter Anknüpfungspunkt für eine sich abzeichnende relevante Verbesserung und zugleich ausreichende Stabilisierung gewesen sein. Denn für die begründete Aussicht, in absehbarer Zeit wieder dienstfähig zu werden, war damals schon die Häufigkeit der Attacken immer noch wesentlich zu hoch. Jedoch musste die vom Kläger angesprochene Entwicklung bereits ein Signal für den Beklagten und deren zuständigen Bahnarzt sein, dem weiteren Verlauf der Krankheit eine erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen, auch wenn das Zurruhesetzungsverfahren bereits eingeleitet war.
Der Kläger hat es aber nicht bei diesem einen Hinweis belassen, sondern im Rahmen des Widerspruchsverfahrens unter dem 12. September 2005 sowie insbesondere 22. Dezember 2005 ergänzende Angaben über den weiteren Krankheitsverlauf im zweiten Halbjahr 2005 gemacht sowie darüber hinaus Grafiken betreffend den Intensitätsverlauf (als Schmerzintegral = "Schmerzmenge" aus Schmerzintensität und Schmerzdauer) über die Zeit beigefügt. Signifikant ist in diesem Zusammenhang bereits die deutliche (weitere) Abnahme der Anzahl der Schmerzattacken auf (bis zum 15. Dezember 2005) nur noch 55, wobei sich die drastisch gesunkene Intensität des Leidens entsprechend auch schon in der den Krankheitsverlauf bis zum 10. September 2005 erfassenden Grafik wiederspiegelt. Diese erstaunliche Besserung des Leidens während des noch laufenden Widerspruchsverfahrens, welche sich nach den späteren Angaben des Klägers in der Klageschrift im ersten Halbjahr 2006 fortgesetzt und noch weiter verstärkt hat, hätte gebührend in die Würdigung der Frage einbezogen werden müssen, ob auch in Ansehung dieses weiteren Verlaufs der Erkrankung noch im Februar 2006 die Prognose dauernder Dienstunfähigkeit tragfähig, nämlich mit einer stichhaltigen Begründung, gestellt werden konnte.
Eine solche tragfähige Feststellung ist hier indes auch bei der gebotenen Einbeziehung des Inhalts der vorliegenden bahnärztlichen Stellungnahmen von
Dr. P. sowie des Fachgutachtens der Ärztin für Neurologie Q. nicht möglich. Die angesprochenen Gutachten und Stellungnahmen weisen nämlich ins Gewicht fallende Mängel auf. Sie setzen sich mit der Frage, ob sich der Gesundheitszustand des Klägers noch vor dem Erlass des Widerspruchsbescheides in für die absehbare Wiedererlangung der Dienstfähigkeit beachtlicher Weise gebessert und stabilisiert hat, schon nicht hinreichend und in inhaltlich nachvollziehbarer Weise auseinander. Die dort aus dem zuvor chronischen Verlauf der Erkrankung allgemein gezogenen Schlussfolgerungen vermögen für sich genommen das Ergebnis fortbestehender Dienstunfähigkeit nicht zu tragen, weil sie erkennbar gewordene aktuelle Besonderheiten des Verlaufs der Erkrankung gerade beim Klägers entweder ganz vernachlässigen oder jedenfalls nicht schlüssig in die gegebene Begründung einbeziehen.
Die Begründung, welche
Dr. P. in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 20. Juni 2005 für die nunmehr mit der Prognose, der Beamte werde innerhalb der nächsten 6 Monate aller Voraussicht nach nicht dienstfähig werden, im Unterschied zu vorangegangenen Begutachtungen im Jahr 2004 angenommene dauernde Dienstunfähigkeit des Klägers gegeben hat, stützt sich im Wesentlichen auf einen seinerzeit
ca. 1 Jahr andauernden Krankenstand (mit einwöchiger Unterbrechung) sowie den aus dem bisherigen Krankheitsverlauf abgeleiteten chronifizierten Dauerzustand - im Unterschied zu einer zuvor wellenförmig verlaufenen Symptomatik mit auch längeren Phasen des Wohlergehens. Diese Beurteilung kann im vorliegenden Zusammenhang schon deswegen kein entscheidendes Gewicht (mehr) erlangen, weil sie bereits aus zeitlichen Gründen die signifikante weitere Entwicklung des Krankheitsverlaufs beim Kläger im zweiten Halbjahr 2005 und nachfolgend bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides im Februar 2006 noch gar nicht berücksichtigen und aus medizinischer Sicht bewerten konnte. Im Kern gilt dies auch noch für die wenig später erstellte ergänzende Stellungnahme von
Dr. P. vom 13. Juli 2005, in der es u.a. heißt, es gebe keine medizinisch nachvollziehbaren Argumente, weshalb sich an diesem schlechten Gesundheitszustand (des Klägers) zukünftig etwas ändern könne, und die von dem Beamten formulierte Beschwerdereduktion
bzw. freiheit werde nach medizinischem Ermessen nicht von einer Nachhaltigkeit sein, dass man vom ihm (dem Kläger) in der Zukunft in ausreichender Regelmäßigkeit und Intensität dienstliche Tätigkeit werde erwarten können. Unter dem 23. September 2005 hat
Dr. P. sodann, ohne aus fachlich medizinischer Sicht zu der (ersten) Widerspruchsbegründung des Klägers ergänzende Ausführungen zu machen, lediglich auf seine schon vorliegenden Stellungnahmen verwiesen sowie die Einholung eines neurologischen Fachgutachtens der Frau Q. als "
evtl. hilfreich" vorgeschlagen. Nachdem dieses Fachgutachten vorlag, schloss sich der Leitende Bahnartz
Dr. P. im Wesentlichen der Meinung "der Fachkollegin" an. Hiernach handele es sich um den chronifizierten Verlauf eines seit mehreren Jahren bestehenden Cluster-Kopfschmerzes; alle vorliegenden Daten belegten den progredienten und chronischen Charakter der Beschwerdesymptomatik, so dass sich für die Zukunft keine günstige Prognose stellen lasse. Das Fachgutachten verstärke deswegen die Auffassung, dass die medizinischen Voraussetzungen erfüllt seien, um eine dauerhafte Dienstunfähigkeit festzustellen. Nachfolgend hat sich
Dr. P. unter dem 25. Januar 2006 (offenbar telefonisch auf Anfrage des Beklagten) nur noch einmal kurz dahin geäußert, dass es auch in Ansehung der weiteren Begründung des Widerspruchs "keine neuen Erkenntnisse" gebe. Zeitnah vor dem Erlass des Widerspruchsbescheides hat sich der Leitende Bahnarzt somit inhaltlich in keiner Weise nachvollziehbar mit dem tatsächlichen Umstand auseinandergesetzt, dass zwischenzeitlich die Anzahl und Intensität der Kopfschmerzattacken des Klägers in deutlichem Umfang zurückgegangen war. Er hat vielmehr - sinngemäß - den Eindruck vermittelt, als sei hinsichtlich der tatsächlichen Beurteilungsgrundlage "alles beim alten" geblieben.
Die zuvor beschriebenen Defizite der ärztlichen Begutachtung bleiben auch bei Mitwürdigung des Fachgutachtens Q. vom 11. November 2005 bestehen. So endet der in dem Gutachten wiedergegebene "Sachverhalt nach Aktenlage" in zeitlicher Hinsicht mit dem bahnärztlichen Gutachten aus Juni 2005. Der "Sachverhalt nach Angaben des Beamten" führt zwar den Umstand, dass es seit Mitte Juli des Jahres 2005 zu einer deutlichen Reduktion der Kopfschmerzattacken gekommen sei, (kurz) mit an, ohne insoweit Zahlenangaben wiederzugeben. In der "Zusammenfassung und Beurteilung" heißt es dann aber (Bezug nehmend auf den sog. "Kopfschmerzkalender" des Klägers), ab dem Jahr 2003 sei es fortlaufend zu einer Zunahme der Anfälle gekommen; auch für das Jahr 2005 seien vom Beamten nur wenige Tage Kopfschmerzfreiheit dokumentiert (Seite 10 des Gutachtens). Dies ist entweder so nicht nachvollziehbar oder aber berücksichtigt (was nach den zeitlichen Abläufen wahrscheinlicher ist) noch nicht die späteren Angaben des Klägers zum Verlauf der Erkrankung im (kompletten) zweiten Halbjahr 2005. In die gleiche Richtung weist, dass Frau Q. sodann auf Seite 11 ihres Gutachtens ausführt, im hier zugrunde liegenden Fall entwickele sich einer progredienter, chronischer Verlauf mit Zunahme der Anfälle und Abnahme der anfallsfreien Zeit (Hervorhebungen durch den Senat). Diese Aussagen werden schon der Entwicklung bis zum 11. November 2005 jedenfalls rückschauend nicht gerecht. Insofern ist die Gutachterin hier letztlich von einer in der Sache "verkürzten" Beurteilungsgrundlage ausgegangen und hat hierauf ihre abschließende (ohnehin eine Sicherheit in der Beurteilung vermissen lassende) Bewertung mit gestützt, abgeleitet aus dem bisherigen Krankheitsverlauf lasse sich für die Zukunft "keine günstige Prognose" stellen (Seite 11 des Gutachtens). Mittelbar bestätigt sich dies auch in Würdigung der nachfolgend getätigten Aussage der Gutachterin, der Beamte sei in Phasen, in denen er mehrere Kopfschmerzattacken über den Tag verteilt von 5 bis 20 Minuten Dauer erleide, nachvollziehbar nicht in der Lage, seiner beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Im zweiten Halbjahr 2005 hat der Kläger nach seinen nicht substanziiert bestrittenen (späteren) Angaben aber schon insgesamt nur noch 55 solche Attacken gehabt; das entspricht (höchstens) 27 Tagen mit mehreren Kopfschmerzattacken pro Tag. Es fällt in die Sphäre des Beklagten, wenn vorliegend unterlassen worden ist, Frau Q. im Lichte der ergänzenden Sachverhaltsangaben des Klägers in seiner weiteren Widerspruchsbegründung um eine Überprüfung und
ggf. Ergänzung der in ihrem Gutachten gemachten Aussagen zu bitten.
Die Mängel der vorhandenen Gutachten bieten für den Senat keine Veranlassung, ein weiteres Sachverständigengutachten einzuholen. Denn wegen der schon im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides - nach
ca. 8 Monaten signifikanter Besserung - deutlich erkennbaren und bei fortdauernder positiver Entwicklungstendenz für hinreichend nachhaltig zu erachtenden Remission der Cluster-Kopfschmerzerkrankung in ihrer chronischen Verlaufsform, wie sie sich (rückschauend) auch im weiteren zeitlichen Verlauf bis hin zu der zwischenzeitlichen Reaktivierung des Klägers bestätigt hat, fehlt es erkennbar an einem greifbaren Anhalt dafür, dass zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt noch mit der gebotenen Sicherheit ("keine Aussicht", arg. § 42
Abs. 1 Satz 2 BBG a.F.) die Prognose hätte sachlich gerechtfertigt sein können, der Kläger werde in absehbarer Zeit - nach dem in § 42
Abs. 1 Satz 2 BBG a.F. insoweit gegebenen Anhalt in einem Zeitraum von jedenfalls nicht unter sechs (weiteren) Monaten - seine Fähigkeit zur Dienstleistung nicht in ausreichendem Umfang voll wiedererlangen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der vom Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Stellungnahme des
Dr. P. vom 19. Mai 2009, in welcher u.a. die Einschätzung des Leitenden Oberarztes
Dr. L. der Neurologischen Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum F., im Anschluss an eine spätere Untersuchung des Klägers von Mai 2007 wiedergegeben wird, die vorliegende Remission sei als "sehr selten" anzusehen und der gesamte Verlauf als "ungewöhnlich" zu bewerten. Denn hier war dieser ungewöhnliche Verlauf in dem gegebenen besonderen Fall bereits durch die konkrete Entwicklung zwischen Juli 2005 und Februar 2006 als zumindest näher in Betracht zu ziehende Möglichkeit vorgezeichnet. Eine weitere Hinwendung zum Postitiven hätte deswegen (mit) einkalkuliert werden müssen, die Aussicht auf Wiedererlangung der Dienstfähigkeit nicht allein unter Rückgriff auf - durch verbleibende Unsicherheitsfaktoren mit geprägte - angebliche allgemeine Erfahrungssätze (pauschal) verneint werden dürfen. Letzteres gilt noch verstärkt, wenn man die Äußerung von Frau Q. in ihrem Gutachten vom 11. November 2005 (dort Seite 10) als zutreffend unterstellt, Aussagen zur Prognose des Erkrankungsverlaufs bei Cluster-Kopfschmerzen (bezüglich Häufigkeit und Umfang der Schmerzattacken, Behandlungsbedürftigkeit
bzw. Dienstfähigkeit) gestalteten sich bei dieser sehr selten vorkommenden Kopfschmerzform "schwierig".
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154
Abs. 1
VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167
Abs. 1
VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 10, 711
ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen der §§ 132
Abs. 2
VwGO, 127 BRRG nicht gegeben sind.