Urteil
Anspruch auf Zahlung einer Abfindung aufgrund eines Aufhebungsvertrags

Gericht:

LAG Hessen 11. Kammer


Aktenzeichen:

11 Sa 1154/11


Urteil vom:

30.08.2012


Grundlage:

  • BGB § 623 |
  • BGB § 133 |
  • BGB § 157 |
  • BGB § 611 Abs. 1 |
  • SpielbkG HE § 14 Abs. 2

Orientierungssatz:

Einzelfall; Auslegung eines Aufhebungsvertrags, der die Zahlung einer Abfindung und deren Höhe abhängig macht von im Bezugszeitraum "erworbenen Bruttoentgelt".

Rechtsweg:

ArbG Frankfurt/Main Urteil vom 21.06.2011 - 10 Ca 8366/10

Quelle:

Rechtsprechungsdatenbank Hessen

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21.06.2011, Az 10 Ca 8366/10, wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich über den Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Abfindung aufgrund Aufhebungsvertrags vom 17.03.2010.

Die Beklagte betreibt mit Erlaubnis nach dem Hessischen Spielbankgesetz ein Spielcasino. Der Kläger, geboren am xx.xx.19xx und mit einem Grad der Behinderung von 70 % als schwerbehindert anerkannt, war dort auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 02.03.1977 vor allem als Croupier tätig. Sein durchschnittliches Monatsgehalt betrug zuletzt 3.303,- EUR

Seit dem Jahr 2003 hatte der Kläger hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten, wie von der Beklagten mit Klageerwiderung vom 10.02.2011 (Blatt 21 der Akte) dargelegt.

Nachdem die Beklagte beim Integrationsamt die Zustimmung zur personenbedingten Kündigung des Klägers beantragt hatte, fand am 17.03.2010 unter Leitung von A vom Integrationsamt ein Gespräch statt, in dessen mehrstündigem Rahmen es zum Abschluss des streitgegenständlichen Aufhebungsvertrags gekommen ist; wegen des Inhalts wird auf die Anlage zur Klageschrift Bezug genommen (Blatt 7 f).

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete vereinbarungsgemäß mit dem 31.10.2010. Die Beklagte leistete keine Abfindung, da der Kläger in den Monaten August bis Oktober 2010 arbeitsunfähig erkrankt war und keine Entgeltfortzahlungspflicht bestand.

Der Kläger hat gemeint, durch die unverschuldete Arbeitsunfähigkeit sei eine ungewollte Regelungslücke entstanden, die nicht zum völligen Wegfall des Anspruchs auf Abfindungszahlung führen dürfe.


Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

an ihn 6.855,- EUR, hilfsweise 6.584,05 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.12.2010 zu zahlen.


Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, die Parteien hätten sich darauf verständigen wollen, dass eine Abfindung nur gezahlt werde, wenn der Kläger tatsächlich in den maßgeblichen drei Monaten Entgelt erwerben würde. Unstreitig hatte die Beklagte den Kläger in dem Gespräch vom 17.03.2010 darauf hingewiesen, dass eine Abfindung, da sie aus dem Tronc geleistet würde, vom Kläger mit erwirtschaftet hätte werden sollen. Sie hat gemeint, dass dies in der Aufhebungsvereinbarung mit dem Wort "erworben" in Ziffer 3. auch festgeschrieben worden sei.

Von einer wiederholenden Darstellung weiterer Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 II ArbGG abgesehen und auf den ausführlichen Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils (Blatt 137 ff der Akte) verwiesen.

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat nach Vernehmung der Mitarbeiter der Beklagten B (Betriebsratsvorsitzender), C (Schwerbehindertenvertreter), D (Personalsachbearbeiterin) und E (Prokurist und Verhandlungsführer für die Beklagte) sowie der Verwaltungsmitarbeiterin A - hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 21.06.2011 verwiesen - mit Urteil vom 21.06.2011 die Klage abgewiesen; wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Blatt 142 ff der Akte) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.

Hinsichtlich der für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erheblichen Daten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 30.08.2012 (Blatt 239 der Akte) verwiesen.

Der Kläger begehrt weiterhin die Zahlung einer Abfindung gemäß Ziffer 3. des Aufhebungsvertrag. Er ist insbesondere der Ansicht, über die "singuläre" Auslegung der Aufhebungsvereinbarung hinaus seien mehrere Rechtsfragen zu klären; so verstoße es gegen das Rangprinzip der Rechtsquellen, dem Kläger unter Hinweis auf die tariflich nicht vorgesehene Belastung des Tronc mit der vereinbarten Abfindung deren Auszahlung von tatsächlicher Arbeitserbringung abhängig zu machen; eine unverschuldete Arbeitsunfähigkeit könne eine Abfindung, die wegen Aufgabe des sozialen Besitzstandes vereinbart worden sei, nicht wieder entziehen; die Formulierung "erworbenes Bruttoentgelt" könne nicht so verstanden werden, dass der Kläger tatsächlich in den als Bemessungsgrundlage gewählten Monaten gearbeitet habe, dies um so weniger, als nicht der Verhandlungsführer E diese Worte für die Beklagte eingebracht habe, sondern lediglich die Sachbearbeiterin D. Der Kläger meint, die rechtlich unzutreffende Verhandlungsposition der Beklagten sei nicht egal und er, sein Rechtsanwalt und A seien getäuscht worden; der Ausschluss des Abfindungsanspruchs bei Arbeitsunfähigkeit sei zudem wegen Unangemessenheit nach § 307 BGB unwirksam. Ferner rügt der Kläger die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten seiner Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 12.09.2011 sowie vom 21.05.2012 Bezug genommen (Blatt 184 ff und 224 ff der Akte).


Der Berufungskläger und Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 21.06.2011 - Az. 10 Ca 8366/10, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 6.606,-, hilfsweise EUR 6.584,05 jeweils brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 17.12.2010 zu zahlen.


Die Berufungsbeklagte und Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidungsgründe für zutreffend und verteidigt das angefochtene Urteil. Den Angriffen des Klägers begegnet sie mit ihrer Berufungsbeantwortung vom 24.10.2011, auf die Bezug genommen wird (Blatt 215 ff der Akte).

Die nachfolgenden Entscheidungsgründe werden, soweit es geboten ist, auf das Berufungsvorbringen der Parteien im Einzelnen eingehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 I, II, 8 II ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 I, 64 VI ArbGG, 519, 520 ZPO).

In der Sache jedoch bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat richtig entschieden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die eingeklagte Abfindung. Ein Anspruch ist mangels erworbenen Bruttoentgelts in den maßgeblich vereinbarten Monaten nicht entstanden.

Zu diesem Ergebnis gelangt das Berufungsgericht auf der Grundlage folgender, gemäß § 313 III ZPO zusammengefasster und im Hinblick auf die ausführliche Erörterung im Termin vom 30.08.2012 kurz gehaltener Erwägungen:

Die Berufungskammer nimmt vorab auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils gemäß § 69 II ArbGG Bezug und stimmt ihnen zu.

Die Berufungsbegründung gibt keine Veranlassung, das ausführlich und richtig begründete erstinstanzliche Urteil abzuändern, sondern lediglich zu den folgenden Ergänzungen.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt des Arbeitsgerichts, die Entscheidung über die Zahlungsklage von der Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen "singulären" Aufhebungsvertrags abhängig zu machen, nicht aber von der Beantwortung allgemeiner Rechtsfragen sowie der Auslegung der Tarifverträge für die Arbeitnehmer der F, wie vom Kläger in seiner Berufungsbegründung aufgelistet.

Die Vereinbarung über das Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis ist ein nicht typischer Vertrag, für den - mit Ausnahme des Schriftformerfordernisses - gesetzliche Vorgaben nicht bestehen. Damit sind die Vertragsparteien nicht gebunden, ob überhaupt und wenn ja unter welchen Voraussetzungen der Arbeitnehmer für die Aufgabe des Arbeitsplatzes eine Leistung des Arbeitgebers erhält; welche Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sein müssen, um einen Abfindungsanspruch entstehen zu lassen, richtet sich deshalb nach dem Parteiwillen (ebenso bereits Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 26.08.1997, 9 AZR 227/96, RN 19, dokumentiert in juris). Dies entspricht dem grundlegenden Prinzip der Vertragsfreiheit mit allein den Schranken der verfassungsgemäßen Ordnung; denn einen Formularvertrag, der gemäß §§ 305 ff BGB zu kontrollieren wäre, haben die Parteien nicht geschlossen, sondern einen individuell ausgehandelten Aufhebungsvertrag, wobei aufgrund des juristischen Beistands auch keine typische, strukturelle Unterlegenheit des Klägers anzunehmen ist.

Vorliegend ist die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an sich unbedingt vereinbart. Lediglich das Ob des Entstehen eines Abfindungsanspruchs sowie seine Höhe - abhängig von den bezahlten Tagen in den Monaten August bis Oktober 2010 - war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 17.03.2010 noch offen. Ein Abfindungsanspruch des Klägers wurde nicht unabhängig von zukünftigen Voraussetzungen als konkreter Festbetrag in den Aufhebungsvertrag aufgenommen oder als Bemessungszeitraum zur Berechnung der Höhe einer Abfindung Monate aus der Vergangenheit gewählt, für die der Kläger bereits Bruttoentgelt bezogen hatte. Vielmehr haben die Parteien - zulässigerweise - den Entstehenszeitpunkt nach der im Vorgespräch sowie im Aufhebungsvertrag verlautbarten Interessenlage auf einen späteren Termin festgelegt.

Die Berufungskammer ist sogar der Auffassung, dass schon die Wortwahl in Ziffer 3 des Aufhebungsvertrags ausreichend verdeutlicht, was der Wille der Vertragsparteien am 17.03.2010 war. Auch wenn der erste Satz die übliche Formulierung im Zusammenhang mit einer arbeitsvertraglichen Aufhebungsvereinbarung enthält, wonach "wegen Aufgabe des sozialen Besitzstandes gemäß § 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes eine Abfindung gezahlt" werde, verdeutlicht Satz zwei, insoweit sogleich einschränkend, dass eine solche Leistung nicht bereits mit Vertragsschluss entstehen sollte, sondern in Abhängigkeit von Ob und Höhe des "erworbenen Bruttoentgelt" in den Monaten August bis Oktober 2010, also Chance beziehungsweise Motivation für den Kläger war. Sinnlos ist das Belassen des Satzes eins des Mustervertrags des Integrationsamtes deshalb trotzdem nicht, weil jedenfalls im Falle des Entstehens einer Abfindungsforderung der Zahlungszweck für die günstigere steuerrechtliche Einordnung von Bedeutung gewesen wäre.

Nach den gesetzlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB ist zunächst vom Wortlaut der Erklärung auszugehen, wobei mangels eigener Definition maßgebend ist der allgemeine Sprachgebrauch, bei Begriffen, die in den beteiligten Kreisen in einem bestimmten Sinn verstanden werden, diese Bedeutung. Das Wort Erwerben bedeutet schon im allgemeinen Sprachgebrauch, etwas durch Arbeit, Tätigsein erlangen (Duden, Universal-Wörterbuch). Der Begriff Entgelt wird im Arbeitsleben synonym mit dem der Vergütung verwendet und bedeutet die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers beziehungsweise als Gegenleistung für geleistete Arbeit gewährte Bezahlung (vgl. zum Beispiel ErfK / Preis, 8. A. 2008, § 611 BGB RN 389; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 10. A. 2002, § 66 RN 6). Nicht anders wird im SGB IV das Arbeitsentgelt verstanden, beispielsweise in §§ 7, 14, 28 g. § 28 g SGB IV macht deutlich, dass der Beitragsabzug für die Sozialversicherung vom Arbeitsentgelt zu erfolgen hat; das Bruttoentgelt ist also die Arbeitsvergütung vor Abzugsvornahme.

Diese Bedeutung der Formulierung "erworbenen Bruttoentgelt" wird bestätigt durch die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände wie Entstehungsgeschichte und Äußerungen der Parteien über den Inhalt des Rechtsgeschäfts sowie deren Interessenlage im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Vorliegend ist insbesondere bedeutsam, dass die Beklagte durch ihre am Gespräch teilnehmenden Mitarbeiter vor Unterzeichnung des Aufhebungsvertrags unstreitig wiederholt erklärte, eine Abfindung grundsätzlich vermeiden zu wollen, eine solche in der zunächst geforderten Höhe von 39.000,- EUR wegen der Belastung des Tronc und Auslaufens der Spielbankkonzession zum 31.12.2012 abgelehnt, die Bemessung nach den zurückliegenden, ersten drei Monaten des Jahres 2010 abgelehnt werde, da diese die stärksten Monate im Jahr seien und nicht mehr als maximal zwei sich aus dem Durchschnittsverdienst der letzten drei Monate errechnenden Gehälter als Abfindung zahlen zu wollen. Der Kläger seinerseits war trotz seiner grundsätzlichen sozialen Schutzbedürftigkeit infolge fortgeschrittenen Lebensalters, langer Betriebszugehörigkeit und Anerkennung als schwerbehinderter Mensch jedenfalls am Ende der mehrstündigen Verhandlung bereit, sein Arbeitsverhältnis mit einer ungewöhnlich geringen Abfindungszahlung zu beenden. Dies erklärt sich offensichtlich vor dem Hintergrund, dass der Kläger nach seinem gesundheitlichen Status sowie den Erfahrungen in den letzten Arbeitsjahren seit 2003 seine Leistungsfähigkeit selbst als dauerhaft äußerst eingeschränkt, das Arbeitsverhältnis als durch den Streit der Parteien über die Ursachen der krankheitsbedingten Fehlzeiten belastet und nicht unbedingt erhaltenswert erachtete und vor allem auch, dass der Kläger durch die Sonderregelung im Altersrentenbezug für schwerbehinderte Menschen die soziale Absicherung infolge der Möglichkeit vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente nach Vollendung des 62. Lebensjahres gemäß § 37 SGB VI am 15.12.2010 hatte. Auf den entsprechenden Hinweis der erkennenden Kammer im Termin hat der Kläger keinen Widerspruch erhoben.

Wer einverstanden ist, nach über 30 Jahren Betriebszugehörigkeit mit bestenfalls zwei Gehältern das Arbeitsverhältnisses zu beenden, kann zum einen nicht damit argumentieren, die vereinbarte Abfindung habe nach dem übereinstimmenden Verständnis der Parteien "der Einkommenssicherung des Klägers wegen der zu erwartenden Arbeitslosigkeit bis zum Eintritt in das Rentenalter" (so Berufungsbegründung Seite 7) gedient, kann zum anderen nicht davon sprechen, die Abhängigkeit der Abfindung vom tatsächlichen Erbringen einer Arbeitsleistung hätte nur die Beklagte begünstigt. Für den Kläger war unmissverständlich schon aus der laut Aufhebungsvertrag maximal zu erzielenden Abfindungshöhe erkennbar, dass die Beklagte nur geringe Vergleichsbereitschaft hatte und noch dazu nur dann, wenn er zuvor den Tronc durch erst noch in der Zukunft zu erwerbendes Bruttoentgelt mit "gespeist" haben würde. Der Kläger hat aber mit der Aufhebungsvereinbarung die Chance erhalten, zusätzlich zu seinem laufenden Verdienst den Anspruch auf eine Abfindung zu erwerben; das war mehr, als die Beklagte regelmäßig und anfangs auch im Falle des Klägers in Form einer bezahlten Freistellung zu gewähren bereit war. Angesichts der geschilderten Umstände würde die Berufungskammer es - anders das Arbeitsgericht - nicht als "fernliegend" bezeichnen, dass der Kläger zugleich das Risiko einer nur geringen oder gar keiner Abfindungszahlung akzeptiert hat. Es war die freie Entscheidung des Klägers, ein solches Angebot der Beklagten auszuschlagen oder den ausgehandelten Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen.

Rechtlich unmaßgeblich ist im übrigen, dass die Personalsachbearbeiterin D das Verhandlungsergebnis in das Vertragsmuster des Integrationsamts eingearbeitet hat, nicht aber der Prokurist E als Verhandlungsführer. Entscheidend ist, dass die Position der Beklagten im Einverständnis des E mit den Worten "erworbenen Bruttoentgelt" zu Papier gebracht und der Vertrag zur Unterzeichnung durch die Parteien von ihm "freigegeben" worden und tatsächlich unterschrieben worden ist.

Es ist weiterhin nicht entscheidungserheblich, dass die Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger und seinem Rechtsanwalt als Grund für ihre Verhandlungsposition die Zahlung einer Abfindung aus dem Tronc genannt hatten. Gerade weil die Beklagte im Gespräch vom 17.03.2010 ihre Rechtsansicht deutlich kundtat, hätte der rechtskundig unterstützte Kläger - für den kein Grund zum eiligen Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung mit einer für ihn ungünstigen Abfindungsregelung bestand - diese Einschätzung der Beklagten anhand des Hessischen Spielbankgesetzes sowie der einschlägigen Tarifverträge selbst überprüfen können. Dass Vertragspartner mit verschiedenen Rechtsmeinungen in Verhandlungen starten und jeweils für sich die günstigste Lösung zu vereinbaren suchen, ist der Normalzustand. Ob die jeweiligen Ansichten im Ergebnis rechtlich zutreffend wären, vielleicht auch nur vertretbar sind, ist für die Auslegung des Vertrags unbeachtlich. Selbst wenn die Sichtweise der Beklagten, dass eine Abfindung aus dem Tronc gezahlt werden dürfe oder sogar müsse, rechtlich unzutreffend wäre, könnte von einer Täuschung des Klägers, der sich angesichts der offenen Kundgabe durch die Beklagte eine eigene Rechtsmeinung bilden und entsprechend handeln konnte, keine Rede sein. Im übrigen ist unstreitig, dass die Beklagte bereits wiederholt in anderen Fällen einvernehmlicher Trennung von Arbeitnehmern die Zahlung von Abfindungen unter Hinweis auf die Belastung des Tronc abgelehnt und stattdessen nur die bezahlte Freistellung bis zum Ausscheidetermin vereinbart hatte. Da sowohl die im Betrieb zuständigen Gremien - Betriebsrat und Troncverwaltung nach § 13 TuGTV - diese Einschätzung teilen, als auch die tarifschließende Gewerkschaft ver.di das Verständnis hegt, wonach Abfindungszahlungen dem Tronc zu entnehmen seien, kann zudem von einer bewussten Fehlinformation des Klägers nicht gesprochen werden.

Im übrigen ist es auch keineswegs offensichtlich, dass die Entnahme von Abfindungsbeträgen aus dem Tronc rechtlich unzulässig ist. Im Ausgangspunkt ist § 14 II Hessisches SpielbkG in der Fassung vom 15.11.2007 zu beachten, wonach der "Spielbankunternehmer den Tronc, ... für das Personal, das bei der Spielbank beschäftigt ist, zu verwalten und zu verwenden hat". Für das Personal zu verwenden ist eine sehr weite Formulierung, die grundsätzlich auch Abfindungen als Personalkosten einschließen würde. Ob der TuGTV insoweit eine Einschränkung überhaupt regeln darf und regeln will, wenn es in § 3 lautet, "... für deren Vergütungen (Gehälter, Löhne u.ä.) zu verwenden.", und in § 4 heißt "... Zur Besoldung im Sinne dieser Vorschriften gehören ..." bedarf für den vorliegenden Fall aus den zuvor genannten Gründen keiner grundlegenden Entscheidung (auf die Urteile des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 23.02.2012, 9 Sa 1058/11 sowie vom Bundesarbeitsgericht, 11.03.1998, 5 AZR 69/97 und 28.04.1993, 4 AZR 329/92, alle dokumentiert in juris soll in diesem Zusammenhang zur Vervollständigung hingewiesen werden).

Schließlich sind die Angriffe des Klägers gegen die Beweiswürdigung durch das Arbeitsgericht ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat nämlich die einzelnen Zeugenaussagen im Urteil richtig wiedergegeben, ausführlich und zutreffend gewürdigt. Daher und weil die Berufungskammer den Klageanspruch bereits infolge Vertragsauslegung vor dem Hintergrund der weitgehend unstreitigen Umstände für unbegründet erachtet, wird von einer wiederholenden Beweiswürdigung abgesehen.

Lediglich betreffend die Zeugin A soll besonders erwähnt werden, dass auch das LAG deren Aussage für unergiebig erachtet. Diese hatte keinerlei konkrete Erinnerung zum Beweisthema mehr, was sich nicht zuletzt daraus erklärt, dass sie berufsbedingt häufig Gesprächs- und Streitsituationen der vorliegenden Art erlebt und nach ihrem eigenen Verständnis nur moderiert, "Die Annäherung in den einzelnen Positionen, das machen die Parteien. Ich verhandele dort nicht mit". Auf deren generelle Erfahrungen und Eindrücke kommt es nicht an; an die konkrete Vertragsformulierung konnte sich die Zeugin genauso wenig erinnern wie an das Zustandekommen und somit die Gründe für die Formulierung in Ziffer 3. des Aufhebungsvertrags.

Der Kläger hat gemäß § 97 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 72 II ArbGG liegen nicht vor, insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zu.

Referenznummer:

R/R5875


Informationsstand: 12.11.2013