I. Die Berufung ist an sich statthaft (§ 64
Abs. 1
ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässig (§ 64
Abs. 2 Buchst. b
ArbGG) sowie in gesetzlicher Form und Frist eingelegt (§ 519
ZPO i.V.m. § 64
Abs. 6
S. 1
ArbGG, § 66
Abs. 1
S. 1
ArbGG) und innerhalb der Frist (§ 66
Abs. 1
S. 1
ArbGG) und auch ordnungsgemäß (§ 520
Abs. 3
ZPO i.V.m. § 64
Abs. 6
S. 1
ArbGG) begründet worden.
II. In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage in dem den Gegenstand der Berufung bildenden Umfang stattgegeben. Die Kammer folgt dem Arbeitsgericht sowohl im Ergebnis als auch in der Begründung.
1. Die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung hat in drei Stufen zu erfolgen. Zunächst bedarf es einer negativen Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zu kündigenden Arbeitnehmers. Sodann ist zu überprüfen, ob die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Erst in der dritten Stufe, bei der Interessenabwägung, wird geprüft, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur dann aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt, wenn sich für den Arbeitgeber aufgrund einer einzelfallbezogenen Interessenabwägung eine billigerweise nicht mehr hinzunehmende betriebliche oder wirtschaftliche Belastung ergibt.
Im Fall der Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen müssen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die ernste Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Erst nach Zugang der Kündigung eingetretene weitere Umstände können nicht berücksichtigt werden. Hinsichtlich der anzustellenden Prognose können häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sprechen. Jedoch scheiden für eine Prognose solche Erkrankungen aus, bei denen keine Wiederholungsgefahr besteht, wie etwa ausgeheilte Leiden, Unfälle und sonstige offenkundige einmalige Gesundheitsschäden. Fehlzeiten in der Vergangenheit, die eine Indizwirkung entfalten sollen, müssen sich über einen Zeitraum von mindestens zwei Jahren erstrecken. Im Übrigen ist für die Prognose zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen eine steigende, gleichbleibende oder fallende Tendenz aufweisen; ob sie mit einer gewissen Häufigkeit und einer gewissen Regelmäßigkeit auftreten. (KR-Griebeling, 8. Auflage, § 1
KSchG, Randziffer 331;
BAG, Urteil vom 06. September 1989 -
2 AZR 19/89 -, EzA § 1
KSchG Krankheit Nr 26, Rz. 41)
Stehen die in der Vergangenheit angefallenen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers, ihre jeweilige Dauer und ihre Ursache fest, hat der Tatrichter nach § 286
ZPO zu entscheiden, ob diese Umstände die Annahme entsprechender Ausfälle in der Zukunft rechtfertigen. Beantragt der Arbeitnehmer die Vernehmung seiner behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen nur für die Krankheitsursachen und nicht auch für die von ihm behauptete positive Gesundheitsprognose, so ist der Tatrichter im Rahmen seines Ermessens nach § 144
ZPO nur dann zur Erhebung von Sachverständigenbeweis verpflichtet, wenn ihm die Sachkunde zur Prüfung fehlt, ob der bisherige Krankheitsverlauf ausreichende Indizien für eine negative Prognose enthält (
BAG, Urteil vom 06. September 1989 -
2 AZR 19/89 -, NZA 1990, 307).
Sodann ist in der zweiten Stufe zu überprüfen, ob sich aus den für die Zukunft zu erwartenden Arbeitsunfähigkeitszeiten erhebliche Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen ergeben. Erhebliche Beeinträchtigungen der betrieblichen Interessen können bei Vorliegen erheblicher wirtschaftlicher Belastungen gegeben sein. Hierfür kommen auch Lohnfortzahlungskosten für den erkrankten Arbeitnehmer in Betracht. Erheblich sind die wirtschaftlichen Belastungen dann, wenn für den erkrankten Arbeitnehmer jährlich Lohnfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen aufzuwenden sind. Dies gilt auch dann, wenn die Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu keinen Betriebsablaufstörungen führen und der Arbeitgeber keine Personalreserve vorhält.
In der dritten Stufe der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist die Interessenabwägung vorzunehmen,
d. h., es ist zu prüfen, ob die betrieblichen Beeinträchtigungen aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalles vom Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen sind oder ihn überfordern (siehe zu allem: KR-Etzel, 8. Auflage, § 1
KSchG, Randziffer 323, 325
ff. m. w. N. d. Rechtspr. d.
BAG;
BAG zuletzt Urt. v. 08.11.2007,
2 AZR 292/06, BB 2008, 609).
2. Nach diesen Grundsätzen können angesichts der bereits vom Arbeitsgericht vorgenommenen Bewertung des Verlaufs der Arbeitsunfähigkeitszeiten, der sich die Kammer inhaltlich anschließt, Zweifel am Bestehen einer negativen Gesundheitsprognose bestehen, da danach zukünftig jedenfalls nicht mehr mit Erkrankungen im bisherigen Umfang zu rechnen wäre. Da das Bundesarbeitsgericht aber ebenfalls in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertritt, dass es keinen festen Mindestumfang nicht kündigungsrelevanter krankheitsbedingter Ausfallzeiten gibt, da jedenfalls im Fall aus Fehlzeiten resultierender Betriebsablaufstörungen durchaus Fehlzeiten von unter sechs Wochen erhebliche betriebliche Auswirkungen haben können (
BAG, Urteil vom 06. September 1989 - 2 AZR 224/89 -, NZA 1990, 434), ist dieser gefestigten Rechtsprechung folgend vorliegend von einer negativen Gesundheitsprognose bezüglich der in der Vergangenheit aufgetretenen Erkrankungen jedenfalls insoweit auszugehen, als der Kläger selbst im Verfahren nicht geltend gemacht hat, dass diese etwa ausgeheilt seien, sondern sich vielmehr darauf berufen hat, diese beruhten auf betrieblichen Beeinträchtigungen. Insoweit besteht eine negative Gesundheitsprognose, da eine erneute Erkrankung nicht ausgeschlossen werden kann. Insoweit ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, dass dann, wenn aufgrund der vom Arbeitnehmer mitgeteilten Erkrankungsursachen eine Wiederholungsgefahr nicht bis auf 0 heruntergerechnet werden kann, eine negative Gesundheitsprognose in jedem Fall zu bejahen ist; dies wird im Zweifel bei (fast) allen Menschen (nicht nur Arbeitnehmern) gegeben sein.
a) Dem Arbeitsgericht ist zuzustimmen, dass aufgrund der Erkrankungen in der Vergangenheit gleichwohl nicht damit zu rechnen ist, dass die Beklagte auch zukünftig mit Entgeltfortzahlungskosten belastet sein wird, die den Zeitraum von sechs Wochen, die nach den Grundsätzen des EntgeltfortzahlungsG als dem Arbeitgeber zumutbar anzusehen sind, übersteigen.
Insoweit sind die oben unter II.1.a aufgestellten Grundsätze, wie dies auch durch das Arbeitsgericht geschehen ist, zu berücksichtigen. Die Kammer folgt diesen Ausführungen. Diese sind ebenso umfassend wie zutreffen. Soweit die Beklagte zweitinstanzlich darauf verwiesen hat, dass die Berücksichtigung der Tendenz der Erkrankungen Bedenken begegnet, jedenfalls aber überbewertet worden sei, ist dem nicht zu folgen. Die Berücksichtigung einer Tendenz der Erkrankung sowie der Häufigkeit und bestehender zeitlicher Intervalle steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (
BAG, Urteil vom 06. September 1989 - 2 AZR 19/89 -, a.a.O.) und sind auch für eine anzustellende Prognose geeignet. Im Gegenteil zur Auffassung der Beklagten ist die im Rahmen der krankheitsbedingten Kündigung Prognose nicht mit derjenigen bezüglichen von Aktienindizes oder Goldpreisen vergleichbar, insbesondere, da diese durchaus auch von irrationalen und dem Schätzenden nicht bekannten Faktoren abhängen. Im Übrigen stellt die Beklagte die Anstellung einer negativen Gesundheitsprognose damit insgesamt in Frage, da auch diese darauf basiert, dass Krankheiten der Vergangenheit einen Rückschluss auf künftige Erkrankungen erlauben. Mit der Argumentation der Beklagten kann diesem auch entgegengehalten werden, dass dies nicht zwingend ist und ein Arbeitnehmer mit hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten der Vergangenheit im nächsten Jahr gegebenenfalls erkrankungsfrei sein wird, selbst ohne den Druck eines anhängigen Kündigungsschutzverfahrens. Wenn aber die Erstellung einer Prognose Grundlage der Entscheidung sein soll, so muss diese umfänglich angestellt werden unter Berücksichtigung aller Faktoren, will sie nicht willkürlich sein. Die Beklagte selbst verweist - zu Recht - darauf, dass eine statische Anwendung von Werten nicht in Betracht kommt. Eben dem hat das Arbeitsgericht mit seiner dezidierten Betrachtungsweise Rechnung getragen.
Auch wenn dem Argument der Beklagten zu folgen ist, dass dann auch eine weitere Rückschau einbezogen werden muss, hat das Arbeitsgericht diesen Aspekt berücksichtigt. Die Kammer teilt dessen Auffassung. Zwar ist der Beklagten zuzustimmen, dass bezogen auf die Jahre ab 2010 dann eine Steigerung und damit eine steigende Tendenz zu sehen ist. Andererseits ist aber auch zu beachten, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten im Zeitraum 2004 bis 2009 im unauffälligen Bereich bewegt haben, in 2010 dann erheblich angestiegen sind und aber auch bereits im Prognosezeitraum bereits wieder abgefallen sind. Dies spricht durchaus für eine vorübergehende Erscheinung. Die Kammer ist nicht der Ansicht, dass das Arbeitsgericht insoweit die Tendenz überbewertet hat sondern vielmehr die vorhandenen Daten innerhalb des ihm zustehenden tatrichterlichen Ermessensspielraums bewertet hat. Die Kammer teilt diese Wertung insbesondere vor dem Hintergrund der bis zum tatsächlichen Ausspruch der Kündigung ausgebliebenen Fehlzeiten ab 22.06.2012 und in Anbetracht der Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten dieses Kalenderjahres eben nicht in größeren Blöcken über das gesamt Jahr verteilt waren, sondern im wesentlichen in den ersten beiden Monaten des Jahres angefallen sind.
Einer gutachtlichen Stellungnahme der behandelnden Ärzte war angesichts dieser Datenlage nicht mehr einzuholen; vielmehr ist dies eine Beurteilung, die einer Bewertung im medizinischen Sinne nicht bedurfte, insbesondere da eine tendenzielle Wiederholungsgefahr bejaht wurde. Mehr als dieser Umstand würde sich auch aus einer gutachterlichen Stellungnahme zu den Krankheitsursachen nicht ergeben. Die Wertung der Einzeldaten ist Angelegenheit des Tatrichters.
Dem steht auch der Einwand der Beklagten nicht entgegen, dass ihr die Krankheitsursachen nicht bekannt waren und der Kläger sich hier konkret anhand der Krankheitsursachen auf die Gründe für eine fehlende Wiederholungsgefahr hätte berufen müssen. Zum einen waren die Krankheitsursachen aufgrund des auch der Beklagten mit Schriftsatz des Klägers vom 01.02.2013 zur Verfügung gestellten Ausdrucks der Arbeitsunfähigkeitszeiten mit Diagnosen erstellt durch die Krankenkasse des Klägers (Bl. 69/70 d.A.) bekannt, woraus sich ergibt, dass eine einzelne chronische Erkrankung nicht vorliegt. Zum anderen würde auch bei einer chronischen Krankheit nicht zwingend intendiert sein, dass Krankheitszeiten von mehr als sechs Wochen pro Jahr entstehen, wenn andererseits die Statistik der krankheitsbedingten Fehltage dagegen spricht. Dies gilt ebenso bei Vorliegen mehrerer Erkrankungen.
Damit ist eine Prognose dahingehend, dass der Beklagten auch zukünftig Entgeltfortzahlungskosten für mehr als sechs Wochen pro Kalenderjahr erwachsen werden, zu verneinen.
3. Die Kündigung wäre aber selbst dann, wenn obigen Ausführungen nicht zu folgen wäre, sozial nicht gerechtfertigt, da die auch im Rahmen einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen anzustellende Interessenabwägung zu Lasten der Beklagten geht.
Zum einen war zu berücksichtigen, dass der Kläger zum Kündigungszeitpunkt bereits seit 9 Jahren in einem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten gestanden hat. Das Interesse der Beklagten, nicht auf Jahre hinaus mit überzogenen Entgeltfortzahlungskosten belastet zu werden, war gegenüber dem Bestandsinteresse des Klägers abzuwägen, wobei angesichts des Alters des 35 jährigen Klägers mit einer, bei normalem Verlauf, noch langjährigen Zusammenarbeit der Parteien zu rechnen war. Zugunsten des Klägers war aber weiterhin zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis, jedenfalls in Bezug auf die vorliegend allein zu betrachtenden Krankheitsdaten, überwiegend positiv verlaufen ist, wobei nicht verkannt wird, dass in den Jahren vor dem Kündigungsausspruch eine Steigerung der Fehlzeiten, wenn auch wiederum mit abfallender Tendenz, zu verzeichnen war. Zu Lasten der Beklagten war zu berücksichtigen, dass sie zwar vor Ausspruch der Kündigung den Versuch der Vornahme eines betrieblichen Eingliederungsmanagements unternommen hat. Für die Entscheidung konnte letztlich dahinstehen, ob das Gespräch der Parteien vom 31.10.2012 den Anforderungen an ein betriebliches Eingliederungsmanagement genügte (siehe zur Berücksichtigung eines unterlassenen betrieblichen Eingliederungsmanagements im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung grundlegend
BAG, Urt. v. 12.07.2007,
2 AZR 716/06, - juris - ), da es der Beklagten unbenommen gewesen wäre, im Verfahren geltend zu machen, dass auch ein ordnungsgemäß durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement zu keinem anderen Ergebnis geführt hätte und die Kündigung des Klägers nicht hätte verhindern können. Zu berücksichtigen ist aber, dass ein Arbeitgeber, der ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführt, grundsätzlich verpflichtet ist, einen Vorschlag, auf den sich die Teilnehmer eines BEM verständigt haben, auch umzusetzen, ehe er eine Kündigung ausspricht (
BAG, Urteil vom 10. Dezember 2009 -
2 AZR 198/09 -, NZA 2010, 639). Jedenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Kündigung war zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst sich in dem Gespräch vom 31.10.2012 auf den Zusammenhang seiner Erkrankungen mit dem Fehlen ausreichend geschärfter Scheren am Arbeitsplatz berufen hat, ohne dass die Beklagte einen solchen Zusammenhang erwogen und geprüft hat. Der Einwand des anwesenden Meisters, es gingen so viele Scheren verloren, dass es zu teuer sei, diese immer nachzukaufen, (Gesprächsprotokoll vom 31.10.2012,
S. 2 Bl. 35 d.A.) geht an dem Sinn und Zweck eines betrieblichen Eingliederungsmanagements erkennbar vorbei. Angesichts der langen Betriebszugehörigkeit und der erkennbaren Verringerung der Ausfallzeiten des Klägers, welche nicht erst unter dem Eindruck einer angedrohten Kündigung zurückgegangen sind, da bereits seit Juni 2012, somit zum Kündigungszeitpunkt vier Monate, keine Ausfallzeiten entstanden waren, wäre die Beklagte gehalten gewesen, vor dem Ausspruch einer Kündigung zunächst alle in ihrem Einflussbereich stehenden Möglichkeiten für den Ausschluss künftiger krankheitsbedingter Ausfallzeiten des Klägers zu ergreifen. Dies ist nicht geschehen.
Die Berufung war mit der Kostenfolge des § 97
Abs. 1
ZPO zurückzuweisen.
III. Gründe, die Revision nach § 72
Abs.2
ArbGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht ist der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefolgt. Eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.