Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 8
Abs. 2, 64
Abs. 2 c
ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66
Abs. 1, 64
Abs. 6
ArbGG, 519, 520
Abs. 1 und 3
ZPO).
Die Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Sie ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen, auf die ergänzend Bezug genommen wird, die Kündigungsschutzklage als unbegründet angesehen. Die von der Beklagten wegen häufiger Kurzerkrankungen ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 9.04.2010 ist weder aufgrund nicht ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats gemäß
§ 102 Abs. 1 BetrVG noch wegen ihrer fehlenden sozialen Rechtfertigung gemäß § 1
Abs. 2
KSchG oder infolge des unterbliebenen Eingliederungsmanagements gemäß
§ 84 Abs. 2 SGB IX unwirksam und hat deshalb das Arbeitsverhältnis der Parteien unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 30.06.2010 beendet.
I. Die Kündigung ist als krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen sozial gerechtfertigt (
§ 1 Abs. 2 KSchG).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die krankheitsbedingte Kündigung in drei Stufen zu prüfen. Es muss zunächst eine negative Prognose vorliegen. Sie ist gegeben, wenn, abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt, aufgrund objektiver Tatsachen zu besorgen ist, dass der Arbeitnehmer auch weiterhin häufig krankheitsbedingt fehlen wird (1. Stufe). Infolge dieser negativen Prognose muss mit erheblichen betrieblichen oder wirtschaftlichen Beeinträchtigungen zu rechnen sein (2. Stufe). Diese Beeinträchtigungen müssen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und Abwägung der beiderseitigen Interessen für den Arbeitgeber das Maß des Zumutbaren überschreiten (3. Stufe;
BAG 23.04.2008 -
2 AZR 1012/06; 10.11.2005 -
2 AZR 44/05; 20.01.2000 -
2 AZR 378/99; Bader/Bram-Bram § 1 Rz. 121 - 137).
1. Eine negative Prognose kann bereits aus häufigen Fehlzeiten über einen längeren Referenzzeitraum in der Vergangenheit abgeleitet werden. Sie können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Das gilt nur dann nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Es besteht nach den Darlegungen der Beklagten zu den Fehlzeiten in den Jahren 2007 bis 2009 und ihren Ursachen, die der Kläger durch seinen Gegenvortrag nicht zu entkräften vermochte, eine negative Gesundheitsprognose. Der Zeitraum von drei Jahren ist angesichts der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von 5,5 Jahren bei Ausspruch der Kündigung ausreichend lang. Abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt liegen objektive Tatsachen vor, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen.
Für den Umfang der Fehlzeiten kann zunächst von den Krankheitszeiträumen ausgegangen werden, die sich aus den vom Kläger der Beklagten vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ergeben. Aus ihnen folgt, dass der Kläger im Jahre 2007 über 18 Wochen, im Jahre 2008 über 16 Wochen und im Jahre 2009 über 23 Wochen wegen Krankheit ausgefallen ist. Jedoch ist einschränkend zu berücksichtigen, dass es sich bei den von der Beklagten als Arbeitstage angegebenen Zahlen von 130 (2007), 116 (2008) und 163 (2009) offensichtlich nicht um Arbeitstage, sondern um Kalendertage handelt. Das zeigt ein Blick auf die von der Beklagten bereits in erster Instanz mit ihrem Schriftsatz vom 21.06.2010 vorgelegte "Tabelle über Krankheitszeiten" (Bl. 31 d.A.), die - beispielhaft - für die drei Monate November, Dezember 2007 und Januar 2008, in denen der Kläger durchgehend erkrankt war, 92 Fehltage aufführt, die in die Gesamtzahl von 130 für 2007
bzw. 116 für 2008 als Arbeitstage eingegangen sind. Wegen dieses Fehlers kann nur von der Anzahl von Arbeitstagen ausgegangen werden, die der Kläger durch Vorlage des von der Beklagten erstellten "Verlauf(s) der Anwesenheit" (Bl. 91 - 96 d.A.) selbst zugestanden hat. Dort werden den Fehltagen die nicht gearbeiteten Schichten gegenübergestellt und ergeben 95 (im Jahr 2007), 85 (im Jahr 2008) und 134 (im Jahr 2009) Arbeitstage, an denen der Kläger wegen Krankheit gefehlt hat. Diese Fehlzeiten liegen immer noch um ein Mehrfaches über dem Zeitraum von 6 Wochen pro Jahr, der durch die gesetzliche Entgeltfortzahlung abgedeckt und sind so erheblich, dass sie eine negative Prognose indizieren.
Dem Kläger ist es nicht gelungen, die nach dem Vortrag der Beklagten indizierte negative Prognose durch seinen Vortrag zu erschüttern. Der Arbeitnehmer hat bei einer negativen Indizwirkung gemäß § 138
Abs. 2
ZPO darzulegen, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet. Der Kläger ist der ihm hier obliegenden Darlegungslast nicht hinreichend nachgekommen.
Der Kläger hat hier die erste Alternative gewählt, nämlich selbst darzulegen, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen sei. In Würdigung seines Vortrags kommt man zunächst, wenn man - wie das Arbeitsgericht - ungeprüft seinem Einwand folgt, die Fehlzeiten vom 12.10.2007 bis 31.01.2008 sowie die vom 16. - 21.02.2009 seien für eine negative Prognose nicht heranzuziehen, weil der Kreuzband- und Meniskusriss durch die Operation am 26.10.2007 folgenlos beseitigt worden und die Fußverletzung vom 16.02.2009 auf einem Wegeunfall beruhe, zu noch immer 38 Arbeitstagen für das Jahr 2007, 64 Arbeitstagen für das Jahr 2008 und 128 Arbeitstagen für das Jahr 2009. Diese Anzahl von Fehltagen ist weiterhin so erheblich, dass sie eine negative Prognose indiziert.
Hinsichtlich der auf jeden Fall zu berücksichtigenden Fehlzeiten kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die ihnen zugrunde liegenden Erkrankungen ausgeheilt und deshalb nicht prognosefähig seien; denn bei sämtlichen Erkrankungen handelt es sich unstreitig um Erkältungs- und Infektionserkrankungen (Sinusitis, Nebenhöhlenvereiterung, Lungenentzündung), deren wiederholtes Auftreten über mehrere Jahre hinweg allein belegt, dass beim Kläger eine ausgeprägte Anfälligkeit für derartige Erkrankungen vorliegt. Bei solchen Erkrankungen liegt - wenn nicht besondere Therapiemaßnahmen bis hin zu Operationen ergriffen werden, grundsätzlich die Gefahr einer Wiederholung nahe, selbst wenn die akuten Erkrankungsfälle ausgeheilt sind (
BAG 10.11.2005 -
2 AZR 44/05). Davon ist auch hier auszugehen.
Der Kläger hat auch durch die ergänzende Vorlage des ärztlichen Attestes seines langjährigen Hausarztes
Dr. M. vom 15.02.2011 nicht hinreichend dargelegt, dass die Ärzte seine künftige gesundheitliche Entwicklung ihm gegenüber als günstig beurteilt haben. Das Attest selbst ist erst knapp ein Jahr nach Kündigungsausspruch - offensichtlich auf Veranlassung und nach Vorgaben des Klägervertreters - ausgestellt worden. Zudem enthält es keine konkrete Aussage dazu, wann die gesundheitliche Entwicklung gegenüber dem Kläger als günstig bewertet wurde und - vor allem - auf welche konkreten Umstände eine günstige Prognose gestützt werden konnte. Auch der Vortrag des Klägers selbst enthält dazu keine konkreten Ergänzungen. Er gibt lediglich pauschal an, die Krankheitsanfälligkeit seines älteren Kindes, bei dem er sich wiederholt angesteckt habe, sei zurückgegangen. Dieser Vortrag ist jedoch - auch angesichts des Bestreitens durch die Beklagte - zu wenig substantiiert, um berücksichtigt werden zu können. Der Kläger hat weder konkret ausgeführt, wann sein Kind in der Vergangenheit an Infektionserkrankungen gelitten hat, so dass er sich dort anstecken konnte, noch, seit wann sich die Anfälligkeit des Kindes wieder gegeben hat. So ist nicht überprüfbar, ob überhaupt ein Zusammenhang zwischen seinen und den Erkrankungen des Kindes bestand. Das wäre umso mehr erforderlich gewesen, als sich die Fehlzeiten des Klägers ziemlich gleichmäßig über das ganze Jahr verteilten. Angesichts dieser Feststellungen, die bereits die negative Prognose begründen, brauchte der Behauptung der Beklagten, der Kläger habe im Fehlzeitengespräch geäußert, er leide an einer chronischen Sinusitis, was allein schon die Annahme einer negativen Prognose rechtfertigen könnte, nicht mehr nachgegangen zu werden. Die negative Prognose wird zuletzt auch dadurch bestätigt, dass der Kläger unmittelbar nach Erhalt der Kündigung die zweieinhalb Monate bis zum Ablauf der Kündigungsfrist erneut durchgehend arbeitsunfähig erkrankte.
2. Die bisherigen und nach der Prognose zu erwartenden Auswirkungen des Gesundheitszustandes des Klägers führen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Interessen der Beklagten. Nach der ständigen Rechtsprechung (seit
BAG 16.02.1989 - 2 AZR 299/88) stellen schon die entstandenen und zukünftig zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten, die jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen dar. Die Beklagte musste in den Jahren 2007 bis 2009 Entgeltfortzahlungskosten für jeweils deutlich mehr als sechs Wochen erbringen. Davon ist aufgrund der negativen Prognose auch für die Zukunft auszugehen. Das Bestreiten der Höhe der gezahlten Beträge ist - wie das Arbeitsgericht bereits richtig ausgeführt hat - hier gemäß § 138
Abs. 3
ZPO unbeachtlich, weil der Kläger als Empfänger der Leistungen sich nicht auf ein einfaches Bestreiten beschränken kann.
3. Die Kündigung erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig, denn es ist davon auszugehen, dass der Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz die Kündigung nicht hätte verhindern können.
Der Kläger hat als Möglichkeiten für einen anderweitigen Einsatz, die seine Anfälligkeit für Infektionserkrankungen reduziert hätte, Tätigkeiten in der Personal- und der Baustellenkontrolle angegeben. Hier setze die Beklagte bei konkreter familiärer Veranlassung, insbesondere wegen der Betreuung eines Kleinkindes, Arbeitnehmer zeitweise auch einschichtig und nicht in Wechselschicht ein. Die Herausnahme aus der Wechselschicht hätte auch ihm geholfen, seine Widerstandskraft gegen Infektionserkrankungen wieder zu stärken. Der Kläger hat die Möglichkeiten eines anderweitigen Einsatzes zur Verbesserung seiner gesundheitlichen Anfälligkeit und damit zur Vermeidung einer Kündigung nicht hinreichend konkret dargelegt. Es ist schon nicht klar, in welchem Bereich und mit welchen Aufgaben Mitarbeiter außerhalb der im Betrieb üblichen Schichtarbeit eingesetzt werden. Die Beklagte hat dies bestritten und ihrerseits darauf hingewiesen, dass auch in den vom Kläger genannten Bereichen Zwei- und Dreifachschicht gearbeitet werde und zudem die Belastungen aufgrund der äußeren Umstände zu seiner bisherigen Tätigkeit vergleichbar seien. Der Kläger ist darauf nicht weiter eingegangen. Es ist auch nicht klar, ob und wann der Kläger mit der von ihm behaupteten Begründung an die Beklagte herangetreten ist. Es bliebe nach den Ausführungen des Klägers lediglich, aus der generellen Annahme, weniger Schichtdienst fördere die Widerstandskraft und helfe deshalb konkret, die erheblichen Fehlzeiten des Klägers deutlich zu reduzieren, die Verpflichtung der Beklagten abzuleiten, den Kläger wie gewünscht anderweitig zu beschäftigen, statt eine Kündigung auszusprechen. Diese generelle Annahme kann jedoch keine ausreichende Grundlage für eine entsprechende Entscheidung sein. Es bedarf dazu vielmehr der konkreten Gewissheit, dass der Kläger unter dem Wechselschichtdienst an seinem bisherigen Arbeitsplatz gesundheitlich gelitten und ihn derart geschwächt hat, dass er im Verbund mit seiner familiären Situation (Geburt des zweiten Kindes) auf längere Dauer keine Abwehrkräfte gegen Infektionskrankheiten hat. Dazu hat der Kläger jedoch konkret nichts vorgetragen, genauso wenig wie er ausgeführt hat, ob und inwieweit er seit der Geburt des Kindes im April 2008 bis zum Ende des Jahres 2009, an dem das zweite Kind schon mehr als 1,5 Jahre alt war, in die Betreuung des Kindes eingespannt war oder sonst noch in seinem Schlaf- und Ruhebedürfnis gestört wurde.
Das Unterbleiben eines betrieblichen Eingliederungsmanagements allein führt nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung nicht bereits zur Unverhältnismäßigkeit und damit per se zur Unwirksamkeit der Kündigung (
BAG 12.07.2007 -
2 AZR 716/06;
BAG 10.12.2009 -
2 AZR 400/08). Es führt hier konkret aber auch nicht zur Steigerung der Darlegungslast der Beklagten hinsichtlich des Nichtbestehens anderweitiger leidensgerechter Beschäftigungsmöglichkeiten (
BAG a.a.O.); denn die Nichtdurchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements ist mangels einer Zustimmung des Klägers der Beklagten nicht anzulasten. Die Klärung der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit findet nach § 84
Abs. 2
SGB IX nur mit Zustimmung des Betroffenen und seiner Beteiligung statt. Hat der Arbeitnehmer seine Zustimmung nicht erteilt, darf der Arbeitgeber nicht tätig werden. Das Unterlassen des BEM ist dann kündigungsneutral. Diese Folge tritt nur dann nicht ein, wenn der Arbeitnehmer seine Zustimmung verweigert hat, ohne vorher auf die Ziele des BEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen worden zu sein. Die Belehrung nach § 84
Abs.2
S.3
SGB IX gehört zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zum BEM (
BAG 24.03.2011-
2 AZR 170/10- juris; Düwell in LPK-SGB IX § 84 Rn. 56).
Die Beklagte hat den Kläger mit ihrem Schreiben vom 20.08.2009 (Bl. 306, 307 d.A.) zu einem Gespräch zur Vorbeugung gegen künftige Arbeitsunfähigkeit unter möglicher Hinzuziehung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung eingeladen und ihn gebeten, dazu seine Zustimmung mitzuteilen. Das Schreiben nennt zunächst in seinem Betreff, um welche gesetzliche Maßnahme es sich handelt und führt dann zum Gegenstand des Gesprächs aus, dass mögliche Maßnahmen, Leistungen und Hilfen am Arbeitsplatz oder im Betrieb eruiert werden sollen, die zur Vorbeugung gegen künftige Arbeitsunfähigkeiten geeignet sind. Im Anschluss könnten - mit seiner Zustimmung - gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen im Interesse seiner Gesundheit ergriffen werden. Dieses Schreiben entspricht den Anforderungen an ein regelkonformes Ersuchen zur Zustimmung zum BEM. Die Ziele des BEM nach § 84
Abs.1
SGB IX werden im Schreiben der Beklagten hinreichend genannt. Es wird klar, dass alle Möglichkeiten und zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen erörtert werden sollen. Dass daneben nicht ausdrücklich gesagt, wird, dass der Arbeitsplatz gefährdet sei, schadet nicht; denn der Erhalt des Arbeitsplatzes ist neben den Maßnahmen, die zu einer Vorbeugung gegen erneute Arbeitsunfähigkeit führen sollen, kein eigenständiger, separater Zweck, für den Maßnahmen zu erörtern sind. Der Erhalt des Arbeitsplatzes ist die Folge aus den zu ergreifenden Maßnahmen. Der Einladung zum BEM kann nach dem Inhalt der gesetzlichen Bestimmung nicht der Charakter einer Abmahnung beigegeben werden. Dass der Kläger das Schreiben lediglich als Aufforderung zu einem weiteren Fehlzeitengespräch angesehen hat, ist angesichts des klaren, wenn auch untechnisch formulierten Inhalts des Schreibens, der von ihm erbetenen Zustimmung zur Durchführung des Gesprächs durch Übersendung eines entsprechenden Formulars sowie des Umstands, dass vorher bereits die üblichen Krankengespräche ohne vergleichbare Anschreiben stattgefunden haben, nicht nachvollziehbar.
4. Nach Abwägung der beiderseitigen Interessen überwiegen hier die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Der Beklagten sind angesichts der noch nicht so langen Dauer des Arbeitsverhältnisses von 5,5 Jahren, der hohen Fehlzeiten des Klägers über mehr als drei Jahre hinweg und des noch relativ jungen Alters des Klägers von 42 Jahren bei Ausspruch der Kündigung die in der Vergangenheit schon angefallenen und künftig aufgrund der negativen Prognose weiter auf viele Jahre zu erwartenden finanziellen Belastungen durch die an den Kläger zu leistende Entgeltfortzahlung nicht mehr zumutbar. Das auch dem Arbeitsvertrag zugrunde liegende Austauschverhältnis ist dadurch nachhaltig derart zu Lasten der Beklagten gestört, dass das Interesse des Klägers am Erhalt seines Arbeitsplatzes als wirtschaftlicher Existenzgrundlage für sich und seine Familie dahinter zurücktreten muss.
II. Die Beklagte hat letztendlich den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 102
Abs. 1
BetrVG ordnungsgemäß angehört.
Nach § 102
Abs. 1 Satz 2
BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, dh. der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts,
vgl. BAG 23.06.2009 - 2 AZR 474/07- Rn. 34; 23.10.2008 -
2 AZR 163/07 - Rn. 18; 15.11.1995 - 2 AZR 974/94 - AP
BetrVG 1972 § 102
Nr. 73). Der für seinen Kündigungsentschluss maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen näher so zu beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (6.02.1997 - 2 AZR 265/96 - AP
BetrVG 1972 § 102
Nr. 85 = EzA
BetrVG 1972 § 102
Nr. 96). Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam (Senat 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - BAGE 49, 136, 142). Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Dem Betriebsrat müssen nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ausschlaggebenden Umstände mitgeteilt werden (st. Rspr., zuletzt etwa Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 19; 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - AP
KSchG 1969 § 1
Nr. 80 = EzA
KSchG § 1 Soziale Auswahl
Nr. 68, jeweils mwN). Dagegen führt eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (
BAG 23.06.2009 - 2 AZR 474/07; 6.10.2005 - 2 AZR 316/04 - AP
BetrVG 1972 § 102
Nr. 150; 22.09.1994 -
2 AZR 31/94 - BAGE 78, 39, 47 f.; 13.05.2004 - 2 AZR 329/03 - BAGE 110, 331, 334).
Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 22.03.2010 (Bl. 29 ff d.A.) dem Betriebsrat den für ihren Kündigungsentschluss maßgeblichen Sachverhalt detailliert mitgeteilt, ohne den Betriebsrat dabei bewusst unvollständig und/oder unrichtig zu informieren. Die vom Kläger vorgebrachten Rügen greifen nicht durch.
Die Beklagte hat den Betriebsrat zum Umfang der Krankheitszeiten nicht falsch informiert. Das Anhörungsschreiben verweist für die Krankheitszeiten, die in diesen Zeiten versäumten Arbeitstage und die angefallenen Entgeltfortzahlungskosten auf die dem Schreiben als Anhang beigefügte Tabelle. Richtig ist zwar - wie bereits oben ausgeführt - dass diese Tabelle (Bl. 31 d.A.) nicht die Anzahl der Arbeitstage, sondern die Kalendertage enthält. Das ist jedoch nicht von durchschlagender Bedeutung, weil dies in der "Tabelle über Krankheitszeiten" offensichtlich erkennbar ist; denn zu jedem einzelnen Krankheitszeitraum wird die Anzahl der Fehltage - nicht Arbeitstage - angegeben. Der Betriebsrat hätte daher ohne weiteres die Möglichkeit gehabt, hier beim Arbeitgeber noch einmal rückzufragen, wie viel ausgefallene Arbeitstage exakt in den angegeben Zeiträumen enthalten sind. Angesichts des sehr erheblichen Umfangs der Fehltage war jedenfalls auch für ihn erkennbar, dass selbst nach Reduzierung der aufgeführten Fehltage auf Arbeitstage die Fehlzeiten noch immer deutlich weit über sechs Wochen pro Jahr lagen und damit im Sinne der Rechtsprechung erheblich waren. Der Umstand, dass Kalendertage angegeben wurden, ändert des Weiteren nichts an der Höhe der geleisteten Entgeltfortzahlung für die einzelnen Zeiträume; denn die Entgeltfortzahlung wird nicht für einzelne Arbeitstage, sondern nach dem Lohnausfallprinzip bezogen auf den Krankheitszeitraum gezahlt (§§ 4
Abs. 1, 3
Abs. 1 EFZG). Zur Nichterwähnung des Kreuzband- und Meniskusrisses sowie der Ursachen der weiteren Erkrankungen und ihrer Ausheilung hat der Kläger selbst vorgetragen, er habe diese Informationen im Rahmen einer Anhörung selbst dem Betriebsrat mitgeteilt. Damit ist auch diese Unterlassung im Ergebnis unschädlich, weil der Betriebsrat sich diese, zwar nicht vom Arbeitgeber, sondern auf anderem Wege, im Rahmen einer Anhörung des Arbeitnehmers zur Kündigung, erlangte Kenntnis zurechnen lassen muss (
BAG 26.09.1991 -
2 AZR 132/91; Bader/Bram-Nungeßer § 102
BetrVG Rn. 30). Da der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nach § 102
BetrVG nicht verpflichtet, diesem über die Mitteilung der erforderlichen Tatsachen hinaus Unterlagen oder Beweismittel vorzulegen (KR- Etzel 9. Aufl. § 102
BetrVG Nr. 68 mit Nachw. aus der Rechtsprechung), schadet es auch nicht, dass er dem Betriebsrat das Schreiben vom 20.08.2009 (zum BEM) nicht vorgelegt
bzw. ihm den Inhalt nicht im Einzelnen mitgeteilt hat. Es reicht aus, dass er es im Anhörungsschreiben erwähnt hat, denn das eröffnet dem Betriebsrat die Möglichkeit, den Arbeitgeber ggfs. danach zu fragen. Die Beklagte hat letztendlich mit dem Hinweis darauf, dass der Kläger das Schreiben unbeantwortet gelassen hat, lediglich eine offensichtliche Tatsache mitgeteilt, ohne darüber hinaus mit weiteren Formulierungen den fälschlichen Eindruck zu vermitteln, der Kläger habe dem BEM widersprochen oder sich ablehnend verhalten.
Der Kläger hat
gem. §§ 64
Abs. 6
ArbGG, 97
ZPO die Kosten seiner erfolglosen Berufung zu tragen.
Die Revision wird
gem. § 72
Abs. 2
ArbGG im Hinblick auf die nicht abschließend geklärte Frage der Anforderungen an ein regelkonformes Ersuchen zur Zustimmung zu einem BEM zugelassen.