Urteil
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25.04.2013 - 10 Ca 6996/12 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten zuletzt noch um die Wirksamkeit einer personenbedingten Kündigung und die Pflicht zur Weiterbeschäftigung.
Die am 1979 geborene Klägerin, ledig, ist seit dem Oktober 2007 bei der Beklagten bzw. ihren Rechtsvorgängern als Luftsicherheitsassistentin beschäftigt. Zusammen mit ihrer Schwester kümmert sie sich um ihre pflegebedürftige Mutter.
Die Klägerin fehlte krankheitsbedingt seit dem Jahre 2009 wie folgt:
2009: 75 Tage,
davon 64 mit Lohnfortzahlung (LFZ) in Höhe von 4.726,95 EUR
2010: 72 Tage,
davon 64 mit LFZ in Höhe von 5.481,40 EUR
2011: 166 Tage,
davon 128 mit LFZ in Höhe von 11.726,21 EUR
2012 (bis 31.07): 63 Tage,
davon 58 mit LFZ in Höhe von 5.936,60 EUR.
Im Rahmen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) gab die Klägerin im August 2011 als Gründe für ihre häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten an, dass sie an psychosomatischen Störungen wegen des Todes ihres Vaters und Stress wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten leide. Die Beklagte empfahl darauf hin folgende BEM-Maßnahmen: Beratungsgespräch mit dem Betriebsarzt (Aktualisierung Impfstatus), Einteilung in Schichten nur noch ab 9.00 Uhr und Gesundheitskurs Yoga zur Entspannung und Stressreduzierung. Der Dienstplan wurde entsprechend angepasst und die Klägerin nahm an einem Gesundheitskurs Pilates teil. Nachdem in der Folgezeit weiterhin krankheitsbedingte Fehlzeiten auftraten erfolgte unter dem 31.05.2012 ein Abschlussgespräch, in dem die Klägerin keine Erklärung abgab.
Die Beklagte sah das BEM als gescheitert an und hörte unter dem 15.08.2012 den Betriebsrat schriftlich zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses an (Bl. 51 ff. d. A.)
Unter dem 27.08.2012 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2012.
Die Parteien vereinbarten mit Wirkung ab dem 01.10.2012 ein Prozessarbeitsverhältnis.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 25.04.2013 (Bl. 113 ff. d. A.) die Kündigungsschutzklage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe die durch die in der Vergangenheit angefallenen Fehlzeiten indizierte negative Gesundheitsprognose nicht zu widerlegen vermocht. Die betrieblichen Interessen seien durch die zu erwartenden Lohnfortzahlungskosten erheblich beeinträchtigt und der Beklagten nicht zumutbar. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung zur Durchführung eines BEM ordnungsgemäß nachgekommen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe, wegen der weiteren Einzelheiten des streitigen und unstreitigen Vorbingens und der Antragstellung der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Gegen das ihr am 23.05.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17.06.2013 Berufung eingelegt und diese am 18.07.2013 begründet.
Die Klägerin hält sich für gesund und beruft sich auf das "Zeugnis der behandelnden Ärzte unter Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht". Eine negative Gesundheitsprognose sei im Übrigen arbeitsplatzbedingt, was sich am Krankenstand im Betrieb der Beklagten zeige. Das durchgeführte BEM und die empfohlenen Maßnahmen seien von vornherein ungeeignet gewesen, weitere krankheitsbedingte Ausfälle zu vermeiden. Der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß angehört worden, weil ihm der allgemeine Krankenstand im Betrieb nicht mitgeteilt worden sei. Auf Anregung des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin eine Auskunft ihrer Krankenkasse über Art und Dauer der Arbeitsunfähigkeitszeiten (Bl. 217 ff. d. A.) vorgelegt.
Die Klägerin beantragt,
1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln 25.04.2013, Az.: 10 Ca 6996/12 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 27.08.2012 zum 30.09.2012 oder zum nächstmöglichen Zeitpunkt sein Ende gefunden hat, sondern zu den Konditionen des zum 10.10.2007 abgeschlossenen Arbeitsvertrages unverändert seine Fortsetzung findet;
2. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Köln vom 25.04.2013, Az.: 10 Ca 6996/12 - die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 30.09.2012 hinaus bis hin zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts, insbesondere unter Hinweis auf die hohen Lohnfortzahlungskosten. Sie sieht die negative Gesundheitsprognose durch die Häufigkeit und Vielzahl unterschiedlicher Erkrankungen der Klägerin und die Arbeitsunfähigkeitszeiten im Prozessarbeitsverhältnis bestätigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteien vom 17.07.2013, 23.09.2013, 09.10.2013, 07.11.2013 und 19.11.2013 nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 20.11.2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
II. Die Berufung ist unbegründet, denn das Arbeitsgericht hat zutreffend die Kündigungsschutzklage abgewiesen.
1. Die Kündigung vom 27.08.2012 ist aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
a) Die Überprüfung einer krankheitsbedingten Kündigung hat in drei Stufen zu erfolgen. Zunächst bedarf es einer negativen Prognose hinsichtlich des weiteren Gesundheitszustandes des zu kündigenden Arbeitnehmers. Sodann ist zu überprüfen, ob die entstandenen und prognostizierten Fehlzeiten zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. In der dritten Stufe der Interessenabwägung wird geprüft, ob die erheblichen betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (vgl. z.B.: BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - m.w.N.).
b) Aufgrund der Vielzahl von Kurzerkrankungen in erheblichem Umfang im Zeitraum 2009 bis zum 31.07.2012 bestand zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die begründete Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang. Die Klägerin hatte in dem genannten Zeitraum 81 Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund von Erstbescheinigungen mit 314 Lohnfortzahlungstagen aufzuweisen. Die negative Indizwirkung der Fehlzeitenentwicklung in der Vergangenheit hinsichtlich der Gesundheitsprognose hat die Klägerin durch ihren Sachvortrag nicht zu entkräften vermocht. Die Klägerin, die sich selbst für gesund erachtet, setzt sich mit der Art ihrer Erkrankungen nicht auseinander. Es ist nicht erkennbar, warum ihre Erkrankungen ausgeheilt sein sollen. Sie trägt auch nicht vor, dass und welcher Arzt aus welchen Gründen die künftige Gesundheitsentwicklung günstig beurteilt hat. Vor diesem Hintergrund ist ihrem pauschalen Beweisantritt "Zeugnis der behandelnden Ärzte unter Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht" auch nicht nachzugehen. Darauf hat bereits das Arbeitsgericht mit zutreffenden Gründen unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl.: BAG, Urteil vom 13.06.1990 - 2 AZR 527/89 -; BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - m.w.N). hingewiesen. Auch die im Berufungsverfahren vorgelegte Auskunft der Krankenkassen der Klägerin hinsichtlich Art und Dauer der Arbeitsunfähigkeit seit dem 18.10.2009 enthält keine Anhaltspunkte, die geeignet wären, die negative Gesundheitsprognose ernsthaft in Frage zu stellen. Im Gegenteil ist festzustellen, dass die Klägerin in den Jahren 2010 bis Juli 2012 wiederholt in erheblichem Umfang Krankheitszeiten in den Teilbereichen Bewegungsapparat, Magen-/Darmtrakt und Atemwege zu verzeichnen hatte. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Annahme einer negativen Gesundheitsprognose auch nicht davon abhängig, dass eine chronische Erkrankung vorliegen muss, denn jedenfalls sprechen Art und Häufigkeiten der Erkrankungen für eine gewisse Krankheitsanfälligkeit der Klägerin. Soweit die Klägerin darauf hinweist, entscheidend sei auf ihren aktuellen Gesundheitszustand abzustellen, ist dem zum einen zu entgegnen, dass maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung sind. Das gilt auch für die bei einer krankheitsbedingten Kündigung anzustellende Gesundheitsprognose. Die tatsächliche Entwicklung nach Kündigungsausspruch bis zum Ende der mündlichen Verhandlung kann in der Regel nicht zur Bestätigung oder Korrektur der Prognose verwertet werden (vgl. z.B.: BAG, Urteil vom 21.02.2001 - 2 AZR 558/99 -; KR/Griebeling, 10. Auflage, § 1 KSchG Rdn. 325 m.w.N.). Zum anderen ist ihre Behauptung, sie sei gesund und "topfit", keineswegs überzeugend, wenn man ihren Krankheitsverlauf nach Ausspruch der Kündigung im Rahmen des Prozessarbeitsverhältnisses betrachtet. So hat sie erneut erhebliche Arbeitsunfähigkeitszeiten in folgenden Zeiträumen zu verzeichnen: 01.08.2012 - 07.08.2012, 09.08.2012, 13.08.2012 - 14.08.2012, 22.12.2012 - 25.12.2012, 17.01.2013 - 20.01.2013, 28.03.2013 - 30.03.2013, 07.04.2013 - 08.04.2013, 14.05.2013 - 15.05.2013, 03.06.2013 - 05.06.2013, 07.06.2013 - 09.06.2013, 03.08.2013 - 06.08.2013, 14.08.2013 - 18.08.2013 und 22.09.2013 - 25.09.2013.
c) Das Arbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die entstandenen und zu erwartenden künftigen Lohnfortzahlungskosten zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung der Beklagten führen. Die Beklagte musste im Zeitraum Januar 2009 bis Juli 2012 erhebliche Lohnfortzahlungskosten in Höhe von insgesamt 27.871,36 EUR aufwenden. Die entstandenen und zukünftig zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten, die jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen jährlich aufzuwenden sind, stellen eine erhebliche Belastung der betrieblichen Interessen dar (BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - m.w.N.). Die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin mit Entgeltfortzahlung überschreiten diese Schwelle von sechs Wochen erheblich, liegen deutlich über dem Doppelten dieses Wertes.
d) Im Rahmen der Interessenabwägung überwiegt das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fortbestandsinteresse der Klägerin. Die dargelegten schwerwiegenden betrieblichen Beeinträchtigungen durch die krankheitsbedingten Ausfälle der Klägerin sind auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls für die Beklagte nicht mehr zumutbar.
aa) Zwar ist nicht zu verkennen, dass die ledige Klägerin zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nahezu fünf Jahre bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt war und sie auf das erzielte Arbeitseinkommen zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts angewiesen ist. Auch ist zu beachten, dass aufgrund der Spezialisierung im ausgeübten Beruf und den Anforderungen der Betreuung ihrer pflegebedürftigen Mutter eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt nicht unproblematisch sein dürfte. Jedoch war die Klägerin zum Kündigungszeitpunkt erst 32 Jahre alt, was ihre Vermittlungschancen erhöht, und das Arbeitsverhältnis weit überwiegend durch erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten belastet. Angesichts des relativ jungen Alters der Klägerin fallen die auf unbestimmte Zeit zu erwartenden Belastungen der Beklagten mit Lohnfortzahlungskosten in gesteigertem Maße ins Gewicht (vgl. hierzu: KR/Griebeling, 10. Auflage, § 1 KSchG Rdn. 355 m.w.N.).
bb) Soweit die Klägerin behauptet, ihre Ausfallzeiten seien arbeitsplatzbedingt, lässt sich ein ursächlicher Zusammenhang (vgl. hierzu: BAG, Urteil vom 06.09.1989 - 2 AZR 118/89 -) aufgrund ihres Sachvortrags nicht feststellen, da sie sich weder mit den Gründen ihre Krankheitszeiten noch deren Beziehung zu den betrieblichen Verhältnissen konkret auseinandersetzt. Selbst wenn man zu ihren Gunsten von gesundheitlich ungünstigen Arbeitsbedingungen ausgeht, wofür der von der Beklagten eingeräumte hohe Krankenstand von 15 % im K Betrieb sprechen kann (vgl.: BAG, Urteil vom 18.09.1986 - 2 AZR 638/85 -; BAG, Urteil vom 10.05.1990 - 2 AZR 580/89 - m.w.N.), erklärt dies nicht den Umfang der Fehlzeiten der Klägerin, der erheblich über diesem Durchschnitt liegt. Bezogen auf die Arbeitstage NRW verzeichnet die Klägerin eine Ausfallquote an Lohnfortzahlungstagen von 25,3 % (2009), 25,2 % (2010), 50,8 % (2011) und 39,7 % (01.01.2012 bis 31.07.2012). Soweit die Klägerin einen höheren Krankenstand im K Betrieb als 15 % behauptet, ist ihr Vorbingen ohne hinreichende Substanz, eine Tatsachengrundlage für ihre Behauptung nicht erkennbar. So steigert sie selbst im Laufe des Verfahrens ohne Erläuterung ihre pauschale Behauptung zur Fehlzeitenquote von ca. 15 - 20 % (Schriftsatz vom 25.02.2013) auf 17 - 25 % (Schriftsatz vom 17.07.2013) und sodann auf "bis zu" 25 % (Schriftsatz vom 07.11.2013). Zudem übertrifft ihre eigene Ausfallquote stets den von ihr behaupteten betrieblichen Krankenstand, im Zeitraum 2011 bis 31.07.2012 sogar in einem sehr erheblichen Umfang.
cc) Die Beklagte hat die Kündigung auch nicht übereilt ausgesprochen, sondern unter Wahrung des im Kündigungsschutzrecht zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zunächst erfolglos ein BEM nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zum Zwecke der Reduzierung der Arbeitsunfähigkeitszeiten durchgeführt. Der Beklagten kann nicht vorgehalten werden, sie habe das BEM nicht ordnungsgemäß, nicht ernsthaft oder nicht zielführend durchgeführt.
Das BEM ist kein formalisiertes Verfahren, sondern lässt den Beteiligten jeden denkbaren Spielraum. Das Gesetz vertraut darauf, dass die Einbeziehung von Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Betriebsrat und ggfs. externen Stellen sowie die abstrakte Beschreibung des Ziels ausreichen, um die Vorstellungen der Betroffenen sowie internen und externen Sachverstand in ein faires und sachorientiertes Gespräch einzubringen, dessen Verlauf im Einzelnen und dessen Ergebnis sich nach den Erfordernissen des jeweiligen Einzelfalls zu richten haben. Es handelt sich um einen verlaufs- und ergebnisoffenen Suchprozess, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll. Zu den einzuhaltenden Mindeststandards gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den gesetzlichen Zielen des BEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des BEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist und ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu vermeiden. Danach entspricht jedes Verfahren den gesetzlichen Anforderungen, das die zu beteiligenden Stellen, Ämter und Personen einbezieht, das keine vernünftigerweise in Betracht zu ziehende Anpassungs- und Änderungsmöglichkeit ausschließt und in dem die von den Teilnehmern eingebrachten Vorschläge sachlich erörtert werden. Ob im BEM die Möglichkeit eines Einsatzes auf anderen Arbeitsplätzen erörtert wurde, ist für seine Ordnungsgemäßheit ohne Bedeutung. Jeder am BEM Beteiligte - auch der Arbeitnehmer - hat es selbst in der Hand, ihm sinnvoll erscheinende Gesichtspunkte und Lösungsmöglichkeiten in das Gespräch einzubringen (vgl.: BAG, Urteil vom 10.12.2009 - 2 AZR 400/08 -; BAG, Urteil vom 10.12.2009 - 2 AZR 198/09 - jeweils m.w.N.).
Die Beteiligung des Arbeitgebers - hier durch Personen der Personalabteilung - ist demnach entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu kritisieren, sondern geboten. Im Rahmen der BEM-Fallbesprechung am 02.08.2011 hatte die Klägerin in Anwesenheit zweier Betriebsratsmitglieder die Gelegenheit genutzt, die Umstände, die aus ihrer Sicht zu ihren Erkrankungen geführt haben, darzulegen. Daraufhin hat die Beklagte einen Maßnahmekatalog entwickelt. Dieser war auch nicht offensichtlich ungeeignet. Das Beratungsgespräch beim Betriebsarzt diente der Abklärung des Impfstatus, was angesichts der wiederholten Anfälligkeiten der Klägerin im Bereich der Atemwegserkrankungen sachlich nachvollziehbar erscheint. Der privat bedingten psychosomatischen Belastungssituation sollte mit einem Gesundheitskurs zur Stressreduzierung und Entspannung begegnet werden, auch dies ist keine fernliegende Maßnahme. Auch die Reaktion der Beklagten auf den geschilderten Stress wegen der unterschiedlichen Arbeitszeiten durch Festschreibung des Schichtbeginnes ab 9:00 Uhr ist sachlich plausibel. Die Klägerin hat im Rahmen des BEM diesen Maßnahmen nicht widersprochen, sie hat auch keine Alternativvorschläge - wie etwa die erst im Prozess geltend gemachte Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz oder die Herausnahme aus der Wechselschicht - unterbreitet. Sie hat auch keine weiteren Untersuchungen, sei es ihres Gesundheitszustandes oder des Arbeitsplatzes, begehrt. Nicht einmal im Abschlussgespräch am 31.05.2012, welches wiederum in Anwesenheit eines Betriebsratsmitglieds durchgeführt, hat sie irgendeinen konkreten Änderungswunsch vorgetragen.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass die vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Klägerin ausfällt.
2. Entgegen der Klägerin ist die Kündigung auch nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam. Der Betriebsrat ist zur Kündigung des Klägers mit Schreiben vom 15.08.2012 ordnungsgemäß angehört worden.
a) Nach § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Entsprechend § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist eine Kündigung nicht nur unwirksam ist, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gekündigt hat, ohne den Betriebsrat überhaupt anzuhören, sondern auch dann, wenn er ihn nicht richtig beteiligt hat, er insbesondere seiner Unterrichtungspflicht nicht ausführlich genug nachgekommen ist. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über alle Gesichtspunkte informieren, die ihn zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses veranlasst haben. Dabei ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Betriebsratsanhörung zur Kündigung subjektiv determiniert. Der Betriebsrat ist ordnungsgemäß angehört, wenn ihm der Arbeitgeber die aus seiner Sicht subjektiv tragenden Kündigungsgründe mitgeteilt hat (BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - m.w.N.).
b) Unter Berücksichtigung dieses rechtlichen Rahmens ist ein Anhörungsfehler nicht erkennbar. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Betriebsrat ohne Nachfrage über den allgemeinen Krankenstand im Betrieb zu informieren, denn für die Beklagte waren - wie auch dem Anhörungsschreiben klar zu entnehmen ist - die häufigen Kurzerkrankungen der Klägerin nebst den konkret auf das Arbeitsverhältnis bezogenen Lohnfortzahlungskosten tragend für den Entschluss, das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung zu beenden. Das Verhältnis der Krankheitszeiten der Klägerin zum Fehlzeitendurchschnitt im Betrieb war hingegen für den Kündigungsentschluss unbeachtlich.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Revision wurde nicht zugelassen, da die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht gegeben sind.
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Referenznummer:
R/R6174
Informationsstand: 16.05.2014