Soweit die Beklagte die Berufung im Hinblick auf die Verurteilung, der Klägerin ein Arbeitszeugnis zu erteilen, teilweise zurückgenommen hat, ist sie des Rechtsmittels der Berufung verlustig. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 20.01.2014 - 6 Ca 1496/13 - zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Parteien streiten, soweit für die Berufung noch von Bedeutung, um die Rechtswirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.
Die am 07.03.1955 geborene Klägerin ist bei der Beklagten
bzw. bei deren Rechtsvorgängerin seit mehr als 20 Jahren auf der Basis eines von ihr mit 2.100
EUR durchschnittlich angegebenen Bruttomonatsverdienstes tätig. Die Beklagte betreibt ein Unternehmen mit mehr als 100 Arbeitnehmern, das sich mit der Verarbeitung und Verpackung von Fleisch befasst.
Mit Schreiben vom 23.05.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus krankheitsbedingten Gründen zum 31.12.2013. Vorausgegangen waren Arbeitsunfähigkeitszeiträume der Klägerin seit 2011, die sich einschließlich der zwischen den Parteien nicht streitigen krankheitsbedingten Ursachen sowie der angefallenen Entgeltfortzahlungskosten wie folgt darstellen:
2011
26.05. bis 27.05./ Rückenbeschwerden/ 134,09
EUR22.08. bis 02.09./ Rückenbeschwerden/ 670,43
EUR05.12. bis 31.12./ Magen-, Gallenoperation und Nachsorge/ 1.340,86
EURGesamt: 2.145,38
EUR 2012
01.01. bis 04.07./ Magen- Gallenoperation und Nachsorge/ 669,62
EUR06.07. bis 03.08./ Magen- Gallenoperation und Nachsorge/ 1.205,36
EUR03.12. bis 31.12./ Rückenbeschwerden/ 1.406,21
EURGesamt: 3.281,19
EUR 2013
01.01. bis 06.09./ Rückenbeschwerden/ 601,15
EURIn den Produktionsbereichen des fleischverarbeitenden Betriebes der Beklagten herrschen feucht-kühle Arbeitsbedingungen. Die Beklagte setzte während der krankheitsbedingten Ausfallzeiten der Klägerin Leiharbeitnehmer zu einem Stundensatz von 16,-
EUR ein. Die Klägerin absolvierte auf Anraten ihrer Krankenkasse nach Ausspruch der Kündigung eine Rehamaßnahme. Am 09.09.2013 nahm sie bei der Beklagten ihre Arbeit auf.
Die Klägerin, die die Rückenbeschwerden auf die ständig wechselnden klimatischen Bedingungen sowie die harte körperliche Arbeit bei der Beklagten zurückgeführt hat, hat behauptet, ihre Erkrankung im Zusammenhang mit einer Magen- und Gallensteinproblematik habe eine schwierige Operation mit Folgeerscheinungen ausgelöst. Diese Erkrankung sei inzwischen vollkommen auskuriert, weshalb sie, so ihre Auffassung, im Hinblick auf eine negative Zukunftsprognose nicht mehr von Bedeutung sein könne. Auch ihre Rückenbeschwerden, die die Arbeitsunfähigkeit ab Dezember 2012 ausgelöst hätten und auf Umstände am Arbeitsplatz zurückzuführen seien, seien - so ihre Behauptung - auskuriert. Eine negative Zukunftsprognose könne angesichts dessen auch nicht auf die aufgetretenen Rückenbeschwerden gestützt werden. Zu Betriebsablaufstörungen habe die Beklagte - so ihre Auffassung - nicht ausreichend vorgetragen.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 23.05.2013 beendet worden ist,
die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes wohlwollendes Zeugnis mit einer guten Leistungsbewertung auszustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, bei einer geringeren Anzahl ihrer Arbeitnehmer träten nach unterschiedlichen Resistenzzeiten angesichts der vorherrschenden kühl-feuchten Arbeitsbedingungen krankheitsbedingte Fehlzeiten mit steigender Tendenz auf. Auch die Klägerin gehöre zu diesem Mitarbeiterkreis. Sie - die Beklagte - habe angesichts dessen davon ausgehen müssen, dass es künftig kalenderjährlich zu deutlich mehr als 30 krankheitsbedingten Fehltagen kommen werde. Dadurch würden ihre betrieblichen Belange erheblich tangiert, was sich insbesondere an den Entgeltfortzahlungskosten und den immer wieder neu auftretenden Ablaufstörungen im Betrieb zeige. Da bei der Klägerin mit ständig steigenden Arbeitsunfähigkeitszeiten zu rechnen sei, müsse von einer dauernden Arbeitsunfähigkeit ausgegangen werden.
Mit Urteil vom 29.01.2014 hat das Arbeitsgericht unter teilweiser Klageabweisung die Beklagte zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses verurteilt und dem Kündigungsschutzantrag der Klägerin im Wesentlichen mit folgender Begründung stattgegeben:
Sofern unterstellt werde, es läge eine negative Gesundheitsprognose vor, scheitere die ausgesprochene krankheitsbedingte Kündigung jedenfalls daran, dass erhebliche betriebliche Beeinträchtigungen nicht festgestellt werden könnten. Diese könne die Beklagte nicht darauf stützen, dass Entgeltfortzahlungskosten angefallen seien, die jährlich den 6-Wochen-Zeitraum des § 3
Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz überstiegen hätten. Die Beklagte habe zu den Entgeltfortzahlungskosten nicht vorgetragen. Auch sonstiger konkreter Vortrag der Beklagten zu Betriebsablaufstörungen sei nicht ersichtlich. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf stützen, es könne angenommen werden, die Klägerin werden ihre Arbeitsleistung zukünftig nicht mehr oder zumindest für die nächsten 24 Monate nicht mehr erbringen können. Dafür seien keine Anhaltspunkte ersichtlich.
Gegen das der Beklagten am 05.02.2014 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 12.02.2014, die sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 07.05.2014 an diesem Tag unter Wiederholung und Vertiefung ihres Sachvortrags erster Instanz im Wesentlichen wie folgt begründet:
Die krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin hätten ihre betrieblichen Belange erheblich tangiert. Dies ergebe sich einerseits aus den erheblichen Entgeltfortzahlungskosten und andererseits aus den immer wieder neu auftretenden Ablaufstörungen im Betrieb. Der Klägerin stünde - so ihre Behauptung - ein Durchschnittsbruttomonatseinkommen in Höhe von 1.676,43
EUR zu. Aus den im Laufe des Berufungsverfahrens überreichten Lohnabrechnungen ergebe sich, dass für die Jahre 2011 und 2012 Entgeltfortzahlungskosten für mehr als 6 Wochen angefallen seien. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass die negativen Arbeitsbedingungen körperliche Beschwerden bei der Klägerin ausgelöst hätten. Soweit das Arbeitsgericht Betriebsablaufstörungen nicht haben erkennen können, sei zu sagen, dass sie aufgrund der ständigen sporadischen Abwesenheitszeiten der Klägerin keine weiteren eigenen Arbeitnehmer habe einsetzen können. Sie habe daher auf den Einsatz von Leiharbeitnehmern zurückgreifen müssen. Dadurch sei ein deutlich höherer Stundensatz angefallen, als wenn sie die Arbeitsleistung nur mit dem Lohn der Klägerin hätte vergüten müssen. Insbesondere wegen der Rückenbeschwerden in Folge eines Bandscheibenvorfalls sei völlig offen, ob die Klägerin innerhalb der nächsten 24 Monate ihre Arbeitsleistung wieder hätte erbringen können. In ihrem Betrieb müssten immer wieder Waren von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bewegt werden. Dies führe bei Patienten mit Rückenbeschwerden ausnahmslos innerhalb kürzester Zeit zu Beschwerden und krankheitsbedingten Ausfallzeiten. Zu diesen Patientinnen gehöre die Klägerin. Diese sei - mit Ausnahme weniger Tage im September 2013 - arbeitsunfähig erkrankt gewesen.
Die Beklagte beantragt unter teilweiser Berufungsrücknahme zuletzt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29.01.2014 - 6 Ca 1496/13 - teilweise abzuändern und die Klage auch insoweit abzuweisen, als festgestellt worden ist, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch ihre die Kündigung vom 23.05.2013 aufgelöst worden ist.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen erster Instanz und weist erneut darauf hin, die krankheitsbedingten Ausfallzeiten im Zusammenhang mit ihren Rückenbeschwerden seien auf die widrigen Arbeits- und Produktionsumstände im Hause der Beklagten zurückzuführen. Sie behauptet, nach Aufnahme ihrer Tätigkeit im September 2013 habe sie zunächst fünf Wochen bei der Beklagten gearbeitet. Daran hätte sich ein sechswöchiger Erholungsurlaub angeschlossen. Ab dem 23.12.2013 habe sie bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten gearbeitet. Arbeitsunfähig sei sie während dieses Zeitraums nicht gewesen.
Wegen des weiteren Sach- und Rechtsvortrags der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen. Hinsichtlich der erteilten rechtlichen Hinweise wird auf das Gerichtsschreiben vom
02.07.2014 sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 01.08.2014 ergänzend Bezug genommen.
I. Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft (§ 64
Abs. 1,
Abs. 2 lit. c)
ArbGG) und nach den §§ 519
ZPO, 64
Abs. 6
S. 1
ArbGG, 66
Abs. 1
S. 1
ArbGG am 12.02.2014 gegen das am 05.02.2014 zugestellte Urteil innerhalb der Monatsfrist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie wurde auch innerhalb der bis zum 07.05.2014 verlängerten Frist des § 66
Abs. 1
S. 1
ArbGG ordnungsgemäß nach den §§ 520
Abs. 3
i.V.m. 64
Abs. 6
S. 1
ArbGG begründet und ist damit insgesamt zulässig.
II. Die Berufung ist hingegen unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 23.05.2014 aufgelöst worden ist, weil die Kündigung nach
§ 1 Abs. 1 S. 2 des auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam ist.
Nach § 1
Abs. 2
S. 1
KSchG ist eine Kündigung
u. a. dann sozial ungerechtfertigt, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen, sozial gerechtfertigt ist. Solche Gründe, die nach dem Sachvortrag der Beklagten alleine in der Erkrankung der Klägerin ihre Ursachen haben können, sind nicht ersichtlich. Die Kündigung lässt sich weder als eine solche rechtfertigen, die auf häufige Kurzerkrankungen der Klägerin zurückzuführen ist, noch kann sie darauf gestützt werden, es liege eine langanhaltende Erkrankung der Klägerin vor.
1. Eine auf häufige Kurzerkrankungen gestützte ordentliche Kündigung setzt zunächst voraus, dass eine negative Gesundheitsprognose gegeben ist. Dazu müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die besorgen lassen, dass weitere Erkrankungen im bisherigen Umfang eintreten werden. Dabei ist auf der ersten Prüfungsstufe festzustellen, ob häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit eine vergleichbare künftige Entwicklung der Krankheitssituation indizieren. Auf der zweiten Prüfungsstufe ist zu berücksichtigen, dass nur solche prognostizierten Fehlzeiten geeignet sind, eine krankheitsbedingte Kündigung zu rechtfertigen, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen. Neben Betriebsablaufstörungen können dabei auch wirtschaftliche Belastungen ausreichend sein. Letzteres setzt voraus, dass die Entgeltfortzahlungskosten einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen jährlich übersteigen. Lässt sich dies bejahen, ist auf der dritten Prüfungsstufe im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung festzustellen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen (
BAG 23.01.2014 -
2 AZR 582/13; 30.09.2010 -
2 AZR 88/09; 23.04.2008 -
2 AZR 1012/06).
Im Rahmen dieser Prüfung sind allerdings nur solche, in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten beachtlich, die objektiv zum Kündigungszeitpunkt die Prognose rechtfertigen, in der Zukunft sei mit entsprechenden Erkrankungen zu rechnen. Somit scheiden diejenigen Erkrankungen aus, bei denen keine Wiederholungsgefahr besteht, also insbesondere ausgeheilte Leiden (
BAG 08.11.2007 -
2 AZR 292/06; KR-Griebeling, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 10. Aufl. 2013, § 1
KSchG Rn. 328).
a) Die auf eine Magen- und Gallenoperation einschließlich der erforderlichen Nachsorge zurückzuführenden krankheitsbedingten Ausfallzeiten der Klägerin vom 05.12.2011 bis zum 04.07.2012 sowie vom 06.07.2012 bis zum 03.08.2012 bleiben demgemäß im Rahmen der Indizwirkung unberücksichtigt. So ist für das Berufungsgericht nicht erkennbar, warum krankheitsbedingte Ausfallzeiten, die auf eine Magen- und Gallenoperation einschließlich der dazugehörigen Nachsorge zurückzuführen sind, auf künftige Erkrankungen gleicher Art schließen lassen könnten. Auch die Beklagte hat dazu nicht weiter vorgetragen. Soweit sie behauptet, bei einer geringen Anzahl ihrer Mitarbeiter träten angesichts der produktionsbedingten kühl-feuchten Arbeitsbedingungen krankheitsbedingte Fehlzeiten mit steigender Tendenz auf, ist dies keine in sich schlüssige Erklärung, warum diese negativen Arbeitsbedingungen eine Magen- und Gallenerkrankungen auslösen können sollten.
Darüber hinaus hat die Klägerin bereits erstinstanzlich behauptet, diese Erkrankung, die auf eine Magen- und Gallensteinproblematik zurückzuführen sei, sei völlig auskuriert. Die Beklagte hat sich mit dieser Behauptung im Gegensatz zu den Behauptungen der Klägerin zum positiven Heilungsverlauf im Hinblick auf die Rückenbeschwerden weder erst- noch zweitinstanzlich auseinandergesetzt, sie insbesondere nicht qualifiziert bestritten. Sie gilt damit nach § 138
Abs. 3
ZPO als zugestanden. Damit scheidet eine Wiederholungsgefahr im Hinblick auf diese Erkrankung aus.
b) Die somit für eine negative Gesundheitsprognose verbleibenden, auf Rückenbeschwerden zurückzuführenden Ausfallzeiträume der Klägerin sind in den Jahren 2011 bis zum Ausspruch der Kündigung lediglich am 26. und 27.05.2011, am 22.08. bis 02.09.2011 sowie durchgehend vom 03.12.2012 bis zum Ausspruch der Kündigung aufgetreten. Die auf diese Zeiträume entfallenden Entgeltfortzahlungskosten beliefen sich ausweislich der im Berufungsverfahren erstmals vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnungen 2011 auf 804,51
EUR. 2012 betrugen sie 1.406,21
EUR. 2013 beliefen sie sich auf 601,15
EUR. In keinem der Jahre übertrafen sie die Entgeltfortzahlungskosten für einen Zeitraum von mehr als sechs Kalenderwochen. Dies gilt auch dann nicht, wenn zugunsten der Beklagten der von ihr mit 1.676,43
EUR brutto angegebene Durchschnittsverdienst der Klägerin, der nach deren Behauptungen bei etwa 2.100
EUR lag, zugrunde gelegt wird. Damit fehlt es auf der Ebene der zweiten Prüfungsstufe einer krankheitsbedingten Kündigung im Hinblick auf die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Belastungen durch anfallende Entgeltfortzahlungskosten an ausreichend hohen Belastungen.
c) Die zweite Prüfungsstufe einer krankheitsbedingten Kündigung ist auch nicht deshalb als gegeben anzunehmen, weil erhebliche Betriebsablaufstörungen vorgelegen hätten und auch künftig zu erwarten wären. Das Arbeitsgericht hat bereits darauf hingewiesen, dass solche Störungen von der Beklagten nicht substantiiert vorgetragen worden sind.
Daran hat auch die zweitinstanzliche Behauptung der Beklagten nichts geändert, die ständigen sporadischen Abwesenheitszeiten der Klägerin hätten es ihr angesichts der bestehenden Ungewissheit von Beginn und Ende der krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht ermöglicht, weitere eigene Arbeitnehmer einsetzen zu können, weshalb sie auf Leiharbeitnehmer habe zurückgreifen müssen. So erschließt sich der Kammer bereits nicht, inwieweit sporadische Abwesenheitszeiten der Klägerin gegeben sein sollten. Die Klägerin weist in dem von der Beklagten angesprochenen Referenzzeitraum der Jahre 2011 bis zum Ausspruch der Kündigung lediglich fünf Krankheitszeiträume auf, zwei davon über etwa fünf und sieben Monate. Von sporadischen Abwesenheitszeiten der Klägerin, die für die Beklagte nicht berechenbar sind, kann demgemäß nicht ausgegangen werden. Wieso es der Beklagten unter diesen Umständen nicht möglich gewesen sein soll, anstelle des aus ihrer Sicht mit erheblichen finanziellen Nachteilen verbundenen Einsatzes von Leiharbeitnehmern auf befristet beschäftige eigene Arbeitnehmer abzustellen, wird von der Beklagten auch zweitinstanzlich nicht konkretisierend dargestellt.
d) Angesichts dessen kann es auch unberücksichtigt bleiben, ob die von der Beklagten im Zusammenhang mit dem Einsatz von Leiharbeitnehmern anfallenden Kosten eine auf der zweiten Prüfungsstufe anfallende Beeinträchtigung der betrieblichen Belange rechtfertigen.
2. Die krankheitsbedingte Kündigung lässt sich auch nicht darauf stützen, es läge eine langanhaltende Erkrankung der Klägerin vor.
Eine darauf gestützte Kündigung hat ebenfalls einer dreistufigen Prüfung standzuhalten. So ist wiederum zunächst eine negative Prognose im Hinblick auf den voraussichtlichen Gesundheitszustand des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Unter Berücksichtigung der Umstände im Kündigungszeitpunkt und der bisher ausgeübten Tätigkeit (
BAG 12.07.2007 -
2 AZR 716/06; 19.04.2007 -
2 AZR 239/06) müssen objektive Tatsachen vorliegen, die besorgen lassen, dass weitere, längerer Erkrankungen künftig auftreten werden. Ist eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit gegeben, indiziert dies eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes. Sofern feststeht, dass der Arbeitnehmer die ihm obliegende Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann oder aber die Wiederherstellung der Arbeitskraft völlig ungewiss und offen ist, (
vgl. BAG 12.07.2007 - 2 AZR 716/06; 21.05.1992 -
2 AZR 399/91), ist eine negative Prognose ebenfalls zu bejahen, wobei die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der dauernden Leistungsunfähigkeit gleichsteht. Dabei ist als absehbare Zeit ein Zeitraum bis zu 24 Monaten anzusehen (
BAG 12.07.2007 - 2 AZR 716/06; 29.04.1999 -
2 AZR 431/98). In diesem Fall ist auf der zweiten Prüfungsstufe in der Regel ohne Weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (
BAG 12.07.2007 - 2 AZR 716/06; 18.01.2007 -
2 AZR 759/05; 19.04.2007 - 2 AZR 239/06).
Die Beklagte stützt sich darauf, die Rückenbeschwerden der Klägerin seien chronischer Natur. Angesichts der produktionsbedingten ungünstigen klimatischen Arbeitsbedingungen und der Arbeitsaufgaben der Klägerin, die mit Heben und Tragen verbunden seien, müsse sie davon ausgehen, es sei im Kündigungszeitpunkt für eine Dauer von mindestens 24 Monaten völlig ungewiss und offen gewesen, ob die Arbeitskraft der Klägerin wieder hergestellt werden würde. Ob dem so ist, oder daran bereits deshalb durchgreifende Zweifel bestehen, weil die Klägerin nach ihren Behauptungen auf Anraten ihrer Krankenkasse eine Maßnahme der Rehabilitation absolviert und danach ihre Arbeit bei der Beklagten im September 2013 bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ohne weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten erbracht hat, konnte offen bleiben. Insbesondere musste die Kammer dem nicht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgehen, wie von der Beklagten zum Zwecke des Beweises angeboten, oder etwa die streitigen Behauptungen der Klägerin weiter aufklären. Denn die Kündigung der Beklagten ist in jedem Fall unverhältnismäßig und damit unwirksam.
So ist das Kündigungsrecht vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beherrscht. Eine Kündigung ist dann unwirksam, wenn sie durch andere mildere Mittel vermieden werden kann und somit nicht erforderlich war, um die entstandenen betrieblichen Beeinträchtigungen zu beseitigen. Sie ist demgemäß als ultima ratio nur zulässig, wenn der Arbeitgeber zuvor alle zumutbaren Möglichkeiten ausgeschöpft hat, eine Kündigung zu vermeiden (
BAG 12.07.2007 - 2 AZR 716/06; 24.11.2005 -
2 AZR 514/04; 29.04.1999 - 2 AZR 431/98).
a) Dass die Beklagte dem nachgekommen ist, ist hier nicht ersichtlich. Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Kündigung ist nach § 1
Abs. 2
S. 4
KSchG der Arbeitgeber (
BAG 23.04.2008, 2 AZR 1012/06; 12.07.2007 - 2 AZR 716/06 ; 12.04.2002 -
2 AZR 148/01). Die Beklagte war demgemäß gehalten, zu sämtlichen Voraussetzungen der krankheitsbedingten Kündigung vorzutragen, also auch zur Verhältnismäßigkeit der von ihr ausgesprochenen Kündigung. Sachvortrag der Beklagten dazu fehlt. Insbesondere hat sie trotz erteilten rechtlichen Hinweises nicht dazu vorgetragen, ob ein betriebliches Eingliederungsmanagement im Sinne des
§ 84 Abs. 2 SGB IX durchgeführt worden ist und welches Ergebnis es gehabt hat.
b) Der das Kündigungsrecht beherrschende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird durch § 84
Abs. 2
SGB IX konkretisiert. Zwar ist das betriebliche Eingliederungsmanagement im Verhältnis zur personenbedingten Kündigung nicht etwa ein milderes Mittel. Doch kann seine Durchführung dazu führen, dass solche milderen Mittel, beispielsweise die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen Arbeitsplatz oder die Umgestaltung des Arbeitsplatzes, erkannt und entwickelt werden (
BAG 23.04.2008, 2 AZR 1012/06), hier etwa angesichts der Rückenbeschwerden der Klägerin und der produktionsbedingt sehr ungünstigen feucht-kühlen Arbeitsumgebung mögliche Hebehilfen und Schutzmaßnahmen, mit denen den arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren am Arbeitsplatz der Klägerin hätte entgegengewirkt werden können.
c) Unterlässt der Arbeitgeber es, ein dem Gesetz entsprechendes betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen, wirkt sich dies auf die Darlegungslast im Kündigungsschutzprozess insoweit aus, als er sich aus der dem Gesetz widersprechenden Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile verschaffen darf (
BAG 23.04.2008, 2 AZR 1012/06; 04.10.2005 -
9 AZR 632/04). So kann er sich nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, es sei nicht möglich, den Arbeitsplatz leidensgerecht auszugestalten, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine "freien Arbeitsplätze”, die der erkrankte Arbeitnehmer auf Grund seiner Erkrankung noch ausfüllen könne. Vielmehr ist ein umfassender konkreten Sachvortrags des Arbeitgebers erforderlich, warum weder ein Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz möglich sein soll noch eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung oder ein Einsatz des Arbeitnehmers auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit in Betracht kommt (
BAG 23.04.2008, 2 AZR 1012/06; KR-Griebeling, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 10. Aufl. 2013, § 1
KSchG Rn. 215b).
Zwar steht ein unterlassenes betriebliches Eingliederungsmanagement einer Kündigung dann nicht entgegen, wenn sie auch durch das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht hätte vermieden werden können. Doch bedarf es dazu eines - zumindest im Ansatz bestehenden - Sachvortrags der kündigenden Arbeitgeberin, dem das Gericht sodann nachgehen kann (
vgl. BAG 23.04.2008, 2 AZR 1012/06). Hier indes fehlt trotz erteilter Hinweise Sachvortrag der Beklagten dazu, warum auch bei gehöriger Durchführung des betrieblichen Eingliederungsmanagements keine Möglichkeiten bestanden hätten, eine Weiterbeschäftigung der Klägerin zu verwirklichen. Die Beklagte ist damit ihrer aus § 1
Abs. 2
S. 4
KSchG folgenden Darlegungslast, auch zur Verhältnismäßigkeit der Kündigung vorzutragen, nicht nachgekommen.
Die sich somit als unverhältnismäßig ergebende Kündigung ist damit sozial ungerechtfertigt und rechtsunwirksam.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 516
Abs. 3
S. 1, 97
ZPO. Der Beklagten fallen die Kosten der von ihr ohne Erfolg eingelegten Berufung nach § 97
ZPO zur Last. Soweit die Beklagte die Berufung insoweit teilweise zurückgenommen hat, als sie ursprünglich auch gegen die Verurteilung gerichtet war, der Klägerin ein Arbeitszeugnis zu erteilen, waren ihr die Kosten nach § 516
Abs. 3
S. 1
ZPO aufzuerlegen. Zugleich war auszusprechen, dass insoweit der Verlust des Rechtsmittels eingetreten ist.
Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72
Abs. 2
ArbGG sind nicht gegeben. Keine der entscheidungserheblichen Rechtsfragen hat grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen berühren auch nicht wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit. Ferner lagen keine Gründe vor, die die Zulassung wegen einer Abweichung von der Rechtsprechung eines der in § 72
Abs. 2
Nr. 2
ArbGG angesprochenen Gerichte rechtfertigen würden.