Tenor:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 11.03.2014 - 2 Ca 1313/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im Wesentlichen um den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Der am 04.12.1968 geborene, ledige und einem Kind gegenüber unterhaltspflichtige Kläger ist seit dem 07.08.1985 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten mit einem regelmäßigen Bruttomonatseinkommen von 2.103,56 EUR und einer Arbeitszeit von 36 Stunden pro Woche beschäftigt. Bei der Beklagten, die ständig weit mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, ist ein Betriebsrat gewählt.
Seit dem Jahre 2010 weist der Kläger folgende Arbeitsunfähigkeitszeiten, Entgeltfortzahlungskosten sowie Diagnosen auf:
"...2010
11.02.2010 - 11.02.2010 / 0,9 / 83,85 EUR / 164,00 DM / Magen-Darmgrippe
12.02.2010 - 12.02.2010 / 1,0 / 93,60 EUR /183,07 DM / Magen-Darmgrippe
22.04.2010 - 28.04.2010 / 5,0 / 458,28 EUR / 896,32 DM / Grippe
21.06.2010 - 21.06.2010 / 0,9 / 84,22 EUR / 164,72 DM / Erkältung
22.06.2010 - 26.06.2010 / 4,0 / 362,02 EUR / 708,05 DM / Erkältung
22.09.2010 - 24.09.2010 / 3,0 / 273,46 EUR / 534,84 DM / Knieschmerzen
09.11.2010 - 30.11.2010 / 16,0 / 1.446,91 EUR / 2.829,92 DM / Rücken
01.12.2010 - 20.12.2010 / 14,0 / 1.266,05 EUR / 2.476,19 DM / Rücken
21.12.2010 - 24.12.2010 / 4,0 / 0,00 EUR / 0,00 DM / Rücken, o. LFZ
Zwischen-Summe: 48,8 / 4.068,39 EUR / 7.957,11 DM
2011
05.01.2011 - 31.01.2011 / 19,0 / 0,00 EUR / 0,00 DM / Rücken, o. LFZ
09.02.2011 - 25.02.2011 /13,0 / 1.175,62 EUR / 2.299,32 DM / akute Bronchitis
16.03.2011 - 23.03.2011 / 6,0 / 542,59 EUR / 1.061,22 DM / AU/Prellung Unterarm
Zwischen-Summe : 38,0 / 1.718,21 EUR 3.360,54 DM
2012
20.01.2012 - 20.01.2012 / 1,0 / 92,95 EUR / 181,80 DM / Grippe
12.04.2012 - 20.04.2012 / 7,0 / 649,66 EUR / 1.270,63 DM / Grippe
04.06.2012 - 08.06.2012 / 5,0 / 463,68 EUR / 906,88 DM / Nerven
28.08.2012 - 31.08.2012 / 4,0 / 371,52 EUR / 726,63 DM / Magen-Darmgrippe
01.09.2012 - 05.09.2012 / 3,0 / 292,68 EUR / 572,44 DM / Magen-Darmgrippe
24.09.2012 - 24.09.2012 / 0,8 / 84,01 EUR / 164,31 DM / Erkältung
25.09.2012 - 30.09.2012 / 4,0 / 390,24 EUR / 763,25 DM / Erkältung
01.10.2012 - 02.10.2012 / 2,0 / 193,82 EUR / 379,08 DM / Erkältung
15.10.2012 - 31.10.2012 / 13,0 / 1.259,86 EUR / 2.464,08 / DM Kreislauf Blutdruck Probl.
01.11.2012 - 25.11.2012 / 17,0 / 1.643,83 EUR / 3.215,07 DM / Kreislauf Blutdruck Probl.
26.11.2012 - 30.11.2012 / 5,0 / 0,00 EUR / 0,00 DM / Blutdruck Probl.,o.LFZ
01.12.2012 - 21.12.2012 / 15,0 / 0,00 EUR / 0,00 DM Blutdruck Probl.,
Zwischen-Summe : 76,8 / 5.422,25 EUR / 10.644,17 DM
2013
04.01.2013 - 31.01.2013 / 20,0 / 0,00 EUR / 0,00 DM / Bluthochdruck, ohne LFZ
01.02.2013 - 28.02.2013 / 20,0 / 0,00 EUR / 0,00 DM / Bluthochdruck, ohne LFZ
01.03.2013 - 31.03.2013 / 21,0 / 0,00 EUR / 0,00 DM / Bluthochdruck, ohne LFZ
17.06.2013 - 19.06.2013 / 3,0 / 290,74 EUR / 568,64 DM / Erkältung
Zwischen-Summe: 64,0 / 290,74 EUR / 568,64 DM ..."
Wegen der weiteren Einzelheiten der aufgetretenen Arbeitsunfähigkeitszeiten nebst Entgeltfortzahlungskosten und Diagnosen wird auf die von der Beklagten zur Akte gereichte Aufstellung Bl. 34 ff. der Akte Bezug genommen.
Nach entsprechender Aufforderung durch die Beklagte ("Vorladung zum Werksarzt", Bl. 39 d.A.) suchte der Kläger am 18.07.2013 die Sprechstunde des Betriebsarztes auf. Hierzu erstellte der Betriebsarzt Dr. E. Ritter eine Stellungnahme unter dem 20.07.2013, die mit der Bemerkung endet:
"Die Gesundheitsprognose beurteile ich negativ und gehe davon aus, dass eine relevante Reduktion der krankheitsbedingten Ausfallzeiten nicht eintreten wird, womit eine adäquate Planbarkeit des Mitarbeiters an seinem Arbeitsplatz auch in Zukunft nicht möglich ist."
Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme des Betriebsarztes vom 20.07.2013 wird auf Bl. 40 der Akte Bezug genommen.
Am 04.09.2013 fand ein Personalgespräch statt, an dem der Kläger, der Werksarzt Dr. R. und der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende teilnahmen.
Mit schriftlicher Mitteilung vom 05.09.2013 hörte die Beklagte den bei ihr gewählten Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses unter Hinweis auf die krankheitsbedingten Ausfallzeiten und die Stellungnahme des Betriebsarztes an (Bl. 41, 42 d.A.). Mit Schreiben vom 12.09.2013 widersprach der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung unter anderem mit der Begründung, dass eine negative Zukunftsprognose nicht nachvollziehbar sei und ein betriebliches Eingliederungsmanagement "im Hause Sch." nicht stattfinden würde. Wegen der Mitteilung des Betriebsrates wird auf Bl. 61 und 62 der Akte Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 12.09.2013 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30.04.2014. Wegen der Einzelheiten des Kündigungsschreibens wird auf die Kopie Bl. 4 der Akte Bezug genommen.
Gegen diese Kündigung wehrt sich der Kläger mit der vorliegenden, am 26.09.2013 beim Arbeitsgericht Siegen eingegangenen Klage und begehrt zugleich die Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Scherenarbeiter.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die von der Beklagten vorgetragenen krankheitsbedingten Fehlzeiten würden eine negative Prognose nicht rechtfertigen. So ergebe sich, dass ab Februar 2011 Rückenprobleme nicht mehr aufgetreten seien. Im Jahre 2011 seien 6 Fehltage wegen eines Arbeitsunfalles entstanden. Die Fehlzeiten im Jahre 2012 und 2013 seien wegen Kreislauf- und Blutdruckproblemen entstanden. Der Kläger habe insbesondere mit seinem 16-jährigen Sohn private Probleme gehabt, der ihn auch geschlagen und getreten habe. Eine Prognose hieraus sei nicht gerechtfertigt, da mittlerweile ein Betreuer für den Sohn eingesetzt worden und es dem behandelnden Arzt des Klägers gelungen sei, seinen Blutdruck medikamentös so einzustellen, dass eine Wiederholungsgefahr nicht bestehe. Dementsprechend würde sich auch eine Prognose hinsichtlich zu erwartender Entgeltfortzahlungskosten nicht ergeben; Betriebsablaufstörungen habe die Beklagte nicht substantiiert dargelegt.
Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement nicht durchgeführt. Allein das Personalgespräch vom 04.09.2013 ersetze kein ordnungsgemäßes Eingliederungsmanagement.
Darüber hinaus sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 12.09.2013 aufgelöst werden wird,
2. im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziffer 1 die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Scherenarbeiter weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich im Wesentlichen auf die unstreitigen krankheitsbedingten Ausfallzeiten nebst Entgeltfortzahlungskosten zur Darlegung einer negativen Gesundheitsprognose berufen. Darüber hinaus habe der Werksarzt Dr. R. eine solche ausdrücklich in seinem Bericht abgegeben. Allein die Vielzahl der den Kläger betreffenden Erkrankungen mit unterschiedlichen Diagnosen rechtfertige eine auffällige Krankheitsanfälligkeit. Sämtliche Ausfallzeiten des Klägers gingen zu Lasten der übrigen Beschäftigten und würden zu Unmut anderer Arbeitskollegen führen, die die Arbeit des Klägers miterledigen müssten. Ein leidensgerechter Arbeitsplatz stehe im Betrieb der Beklagten nicht zur Verfügung. Die Beklagte gehe davon aus, dass die Rückenproblematik beim Kläger weiterhin vorliege, was zu einer Wiederholungsgefahr führe. Ansonsten bestreite sie die Angaben des Klägers mit Nichtwissen und gehe davon aus, dass der Werksarzt Dr. R. den Kläger gründlich untersucht habe. Dieser stelle als erfahrener Werksarzt keine leichtfertigen Diagnosen.
Das Personalgespräch vom 04.09.2013 sei ein betriebliches Eingliederungsmanagements gewesen.
Durch Urteil vom 11.03.2014, dem Vertreter der Beklagten am 28.03.2014 zugestellt, hat das Arbeitsgericht Siegen der Klage im Wesentlichen mit der Begründung stattgegeben, die Beklagte habe kein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt mit der Folge, dass davon auszugehen sei, dass eine Beschäftigung des Klägers auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz möglich sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten der angegriffenen Entscheidung wird auf Bl. 67 ff. der Akte Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vorliegenden, beim Landesarbeitsgericht am 09.04.2014 eingegangenen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.06.2014 mit Schriftsatz vom 05.06.2014, vorab am gleichen Tage beim Landesarbeitsgericht per Telefax eingegangen, begründeten Berufung.
Die Beklagte trägt vor:
Die Beklagte habe sich an die Voraussetzungen gehalten, die an ein ordnungsgemäßes betriebliches Eingliederungsmanagement gestellt würden. Der Kläger selbst habe im Gespräch vom 04.09.2013 erklärt, eine Alternative für eine konkrete Beschäftigung komme nicht in Betracht, da er auf seinem alten Arbeitsplatz weiterbeschäftigt werden könne, ohne dass es zu weiteren Erkrankungen kommen würde. Damit stehe fest, dass nach eigenen Angaben des Klägers eine sogenannte leidensgerechte Beschäftigung nicht in Frage komme.
Die Beklagte berufe sich wegen der konkreten Inhalte des Personalgespräches, wie auch auf den Umstand, dass der Werksarzt die Gesundheitsprognose des Klägers negativ beurteilt habe, ausdrücklich auf dessen Zeugnis.
Unabhängig von der Frage eines betrieblichen Eingliederungsmanagements sei jedenfalls ein leidensgerechter Arbeitsplatz im Betrieb der Beklagten nicht vorhanden. Dieser Aspekt sei von der Beklagten geprüft und verneint worden. Zum Beweis hierfür berufe sie sich auf das Zeugnis des Personalleiters für gewerbliche Arbeitnehmer, Herrn Sch..
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Siegen vom 11.03.2014, 2 Ca 1313/13, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Entscheidung als zutreffend und meint insbesondere, dass sich der Stellungnahme des Betriebsrates nicht entnehmen lasse, worauf der Werksarzt seine Vermutung gegründet habe. Bemerkenswert sei, dass die letzte Arbeitsunfähigkeit des Klägers aufgrund der zugegebenermaßen länger andauernden Kreislaufprobleme mit dem 31.03.2013 beendet worden sei. Allein hieraus ergebe sich, dass es dem behandelnden Arzt des Klägers gelungen sei, den Kreislauf des Klägers medikamentös einzustellen. Da - unstreitig - nach dem 31.03.2013 bis auf 3 Tage keine weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten bis zum Ausspruch der Kündigung aufgetreten seien, werde mehr als deutlich, dass es keine negative Prognose gebe.
Im Übrigen seien die Ausführungen in der angegriffenen Entscheidung zum betrieblichen Eingliederungsmanagement zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten im Vorbringen der Parteien wird ergänzend auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Terminprotokolle Bezug genommen.