A.
Die nach § 64
Abs. 1 und 2
ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66
Abs. 1, 64
Abs. 6
ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520
ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.
B.
In der Sache hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags und der Zahlungs- und Abrechnungsanträge abgewiesen.
I.
Das Arbeitsverhältnis ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.09.2010 mit Ablauf des 30.04.2011 rechtswirksam beendet worden.
Nach den vom 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-) Erkrankungen entwickelten Grundsätzen (
vgl. nur
BAG, Urteil vom 10.11.2005 -
2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 656 unter B.I.2.a; vom 07.11.2002 -
2 AZR 599/01 - AP
KSchG 1969 § 1 Krankheit
Nr. 40 unter B.I.2.b; vom 20.01.2000 -
2 AZR 378/99 - NZA 2000, 768 unter B.III.2, jeweils m. w. N.) ist die Wirksamkeit einer Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen in drei Stufen zu prüfen: Danach ist zunächst - erste Stufe - eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen, und zwar abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt, objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gemäß § 138
Abs. 2
ZPO darzulegen, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet. Alsdann ist es Sache des Arbeitgebers, den Beweis für das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose zu führen. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Liegt eine solche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor, so ist in einem dritten Prüfungsschritt im Rahmen der nach
§ 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zunächst ungestört verlaufen ist, ob der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält und etwa neben Betriebsablaufstörungen auch noch hohe Entgeltfortzahlungskosten aufzuwenden hatte. Ferner sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten sowie ggfs. eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (
vgl. insbesondere
BAG, Urteil vom 10.11.2005 -
2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 656 unter B.I.2.a m. w. N.).
Das Arbeitsgericht hat unter Hinweis auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten und die Erkrankungen der Klägerin zu Recht eine negative Gesundheitsprognose, das heißt die Besorgnis von weiteren Erkrankungen im bisherigen Umfang für indiziert erachtet und diese Indizwirkung nicht als erschüttert angesehen.
Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 29.09.2010 war damit zu rechnen, dass die Klägerin auch zukünftig jährlich in erheblichem Umfang krankheitsbedingt fehlen würde. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-) Erkrankungen auf, sprechen diese für ein entsprechendes Erscheinungsbild auch in der Zukunft. Der Arbeitgeber darf sich in solchen Fällen zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten in der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (
BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.b) aa) (2) m. w. N.). Indem die Beklagte die Krankheitszeiten der Klägerin präzisiert nach Zahl, Dauer sowie zeitlicher Folge vorgetragen und die negative Zukunftsprognose dargestellt hat, ist sie im vorliegenden Rechtsstreit ihrer Darlegungslast nachgekommen.
Hierbei konnte die Beklagte einen Prognosezeitraum vom Jahr 2005 bis September 2010 wählen. Es ist nicht auf einen "starren" Prognosezeitraum etwa von zwei oder drei Jahren abzustellen. Ein langer Beobachtungszeitraum von hier 5 ¾ Jahren ermöglicht bei häufigen (Kurz-) Erkrankungen eine gesicherte Prognose für die Zukunft.
Einer negativen Prognose steht auch nicht entgegen, dass die Fehlzeiten der Klägerin auf zahlreichen verschiedenen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Solche verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine gewisse Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen (
BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.b) aa) (2)).
Unter Berücksichtigung der Fehlzeiten in der Vergangenheit spricht nach Auffassung der Kammer hier alles für eine negative Gesundheitsprognose. Bereits bei einer isolierten Betrachtung der nicht auf orthopädischen Ursachen beruhenden Erkrankungen liegt bei der Klägerin eine gewisse Krankheitsanfälligkeit vor. Schon aus diesen Fehlzeiten, die nicht auf orthopädischen Ursachen beruhen, ergibt sich eine Wiederholungsgefahr für weitere Ausfallzeiten. Dies gilt umso mehr, als diese bisherigen Fehlzeiten nichtorthopädischen Ursprungs vor allem auf Erkältungs-
bzw. Entzündungserkrankungen basieren. Bei solchen Erkrankungen liegt - wenn nicht besondere Therapiemaßnahmen (beispielsweise Operationen) ergriffen worden sind - grundsätzlich die Gefahr einer Wiederholung nahe, selbst wenn die akuten Erkrankungsfälle ausgeheilt sind. Sie zeugen von einer gewissen Anfälligkeit.
Anders verhält es sich nur mit solchen Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen und keine Prognose für die zukünftige Entwicklungen zulassen (
vgl. BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.b) aa) (3)). Im Fall der Klägerin sind lediglich die krankheitsbedingten Fehlzeiten, die durch den Verdacht auf Innenmeniskusläsion und die Innenmeniskusoperation vom 07.07.2008 bedingt sind, nicht prognosefähig. Die Operation ist ein einmaliges Ereignis, eine Prognose für die Zukunft ist nicht möglich.
Wenn man die Fehlzeiten im Zusammenhang mit der Innenmeniskusoperation nicht berücksichtigt, verbleiben über den Zeitraum von etwa 5 ¾ Jahren umfangreiche und über einen Zeitraum von sechs Wochen hinausgehende Fehlzeiten nicht orthopädischer Art in den Jahren 2005 bis 2010. Diese indizieren eine Wiederholungsgefahr für die Zukunft. Zwar sind die Erkältungs-
bzw. Entzündungskrankheiten solche, die jeden Arbeitnehmer einmal treffen. Ungewöhnlich ist jedoch die Häufung, das Hinzukommen weiterer Erkrankungen während eines Arbeitsunfähigkeitszeitraums sowie vor allem der langwierige Verlauf dieser Erkrankungen und die Anzahl der hieraus resultierenden Fehltage bei der Klägerin.
Der Beklagten war es durch den Vergleich im vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 25.03.2009, Az. 6 Ca 2002/08 nicht verwehrt, die vor der ersten Kündigung vom 21.10.2008 entstandenen Fehlzeiten ihrer Prognose zugrunde zu legen. Grundsätzlich können Fehlzeiten, die bereits zur Begründung einer früheren krankheitsbedingten Kündigung herangezogen worden sind und die in einem Vorprozess die notwendige negative Gesundheitsprognose noch nicht belegen konnten, zur Begründung einer erneuten negativen Gesundheitsprognose und krankheitsbedingten Kündigung herangezogen werden (
BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655). Der am 25.03.2009 geschlossene Vergleich enthält auch keine Einigung dahingehend, dass die Beklagte etwa darauf verzichtet hätte, die vergangenen Fehlzeiten zur Begründung einer negativen Prognose bei einer weiteren Kündigung heranzuziehen. Streitgegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens waren gerade nicht die vergangenen Fehlzeiten, sondern die Wirksamkeit einer hierauf gestützten personenbedingten Kündigung. Lediglich der Streit der Parteien über die Wirksamkeit dieser Kündigung wurde durch den Vergleichsabschluss beseitigt, der Rechtsstreit hierüber erledigt.
Die vor der ersten Kündigung liegenden Fehlzeiten belegen die Krankheitsanfälligkeit der Klägerin. Die erneuten krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin nach dem Vergleichsabschluss zeigen jedoch, dass die aus den früheren Fehlzeiten zu gewinnende Indizwirkung für die Zukunft gerade wieder bestätigt wird.
Auch die krankheitsbedingten Fehlzeiten in den Jahren 2009 und 2010 sind in quantitativer Hinsicht geeignet, eine Kündigung zu begründen. Die Krankheitszeiträume von 82 Tagen im Jahr 2009 sowie von 49 Tagen in den ersten drei Monaten des Jahres 2010 übersteigen deutlich den 6-Wochen-Zeitraum des § 3
Abs. 1
S. 1 EFZG.
Die Fehlzeiten der Klägerin in der Vergangenheit, die nach ihrem Vortrag auf orthopädischen Ursachen beruhen, indizieren ebenfalls eine Wiederholungsgefahr für die Zukunft.
Die Klägerin hat die Indizwirkung der in der Vergangenheit angefallenen Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht ausreichend erschüttert. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gemäß § 138
Abs. 2
ZPO darzutun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet.
Soweit die Klägerin meint, ihre Erkältungs- und Entzündungskrankheiten seien ausgeheilt, kann dies die vorliegende negative Prognose nicht erschüttern. Sie hat insbesondere nicht behauptet, ein behandelnder Arzt habe die Gesundheitsprognose bezüglich aller prognosefähiger Krankheiten insgesamt positiv beurteilt. Sie hat nicht vorgetragen, dass und weshalb trotz der wiederholt aufgetretenen Fehlzeiten in Zukunft nicht mehr mit ähnlichen Erkrankungen zu rechnen ist.
Lediglich hinsichtlich der in den ärztlichen Attesten des
Dr. med.
S. Z., des
Dr. med. E.-M. X. und der Dipl-Med. U. U. attestierten Erkrankungen hat die Klägerin erklärt, in der Abteilung Verband- und Pflasterstoffe (PVT-N2) beschwerdefrei arbeiten zu können.
Hinsichtlich der sonstigen Erkältungs- und Entzündungskrankheiten hat sie sich darauf beschränkt, vorzutragen, die Erkrankungen in der Vergangenheit aus den Jahren 2009 und 2010 seien ausgeheilt, im Übrigen handele es sich um Erkrankungen, die jeden Arbeitnehmer einmal träfen. Es mag sein, dass die einzelnen Erkrankungen (mehrfach Gastroenteritis, Oberbauchbeschwerden, Schultergelenksverletzung, mehrfach Bronchitis
bzw. nach dem Vortrag der Klägerin zusätzlich Lungenentzündung, Harnblasenentzündung, Gastroenteritis, grippaler Infekt, Blockierung des Iliosakralgelenks, Harnwegsinfekt, Pilzerkrankung, Interkostalneuralgie sowie Frauenleiden) tatsächlich ausgeheilt sind. Allerdings lässt sich aus der Häufigkeit und Dauer der Erkältungs- und Entzündungserkrankungen schließen, dass die Klägerin zu bestimmten Erkrankungen und einem lang andauernden Verlauf "neigt" und deshalb eine besondere Krankheitsanfälligkeit vorliegt. Aus der Gesamtheit des Krankheitsbildes der Klägerin ergibt sich für die Kammer, dass auch in Zukunft mit weiteren überdurchschnittlich umfangreichen Erkrankungen der Klägerin zu rechnen ist. Wollte man sämtliche Erkrankungen, die individuell ausgeheilt und nicht in regelmäßigen Abständen wieder aufgetreten sind, auch bei einer Kündigung wegen häufiger (Kurz-) Erkrankungen für die Feststellung einer negativen Gesundheitsprognose nicht mehr heranziehen, würde man es einem Arbeitgeber in Bezug auf einen krankheitsanfälligen Arbeitnehmer, der immer nur Kurzerkrankungen aufweist, unmöglich machen, eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen. Typisch für Kurzerkrankungen ist gerade, dass diese naturgemäß ausheilen (
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.11.2005 - 3 Sa 320/05 - NZA-RR 2006, 129, 130). Um die auf Infektanfälligkeit zurückzuführende Erwartung weiterer erheblicher Fehlzeiten und eine sich aus besonderer Krankheitsanfälligkeit ergebende negative Gesundheitsprognose zu erschüttern, reicht das Vorbringen der Klägerin, einzelne Erkrankungen seien ausgeheilt, nicht aus. Die Klägerin hätte zumindest im Einzelnen konkret vortragen müssen, dass die Ärzte ihre gesundheitliche Entwicklung insgesamt positiv beurteilt hätten (
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.11.2005 - 3 Sa 320/05 - NZA-RR 2006, 129, 130). Sie hätte zumindest darlegen müssen, vor welchem Hintergrund gegebenenfalls aufgrund welcher neuen Kausalverläufe trotz der hohen Krankheitszeiten sie oder ihre Ärzte für die Zukunft von einer insgesamt positiven Entwicklung ausgehen. Daher besteht auch zukünftig die Gefahr, dass die Klägerin aufgrund von Entzündungs- und Erkältungserkrankungen wieder in erheblichem Umfang ausfallen wird.
Soweit die Klägerin hinsichtlich der wiederholten Erkrankungen an Gastroenteritis in den Jahren 2007 bis 2009 darauf hinweist, dass insoweit gegebenenfalls eine gewisse Anfälligkeit im Hinblick auf ihre Trennung
bzw. Scheidung und die hiermit einhergehenden finanziellen Probleme gegeben gewesen sei, lässt dieser pauschale, auf mehrere Kalenderjahre bezogene Vortrag eine Überprüfung der konkreten zeitlichen Zusammenhänge nicht zu. Außerdem war die Klägerin auch bereits vor dem von ihr angeführten 3-Jahreszeitraum vom 13.06.2005 bis 22.07.2005 und vom 08.08.2006 bis 09.08.2006 an Gastroenteritis sowie vom 03.05.2006 bis zum 26.05.2006 an Oberbauchbeschwerden erkrankt.
Die Klägerin hat die negative Gesundheitsprognose auch nicht dadurch erschüttert, dass sie sich die Ausführungen der Sachverständigen
Dr. I.,
Dr. G. und
Dr. H. zu eigen gemacht hat. Zwar kommt der Gutachter
Dr. E. I. in dem vom Arbeitsgericht eingeholten Gutachten vom 13. Oktober 2011 zu dem Ergebnis, "dass bei einer Fortsetzung der Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin in der Abteilung PVT-N 2 Pflaster, Gruppe Opraflex (unter Berücksichtigung der vorliegenden Arbeitsplatzbeschreibung,
u. a. Bl. 204
ff. der Akte) aus rein orthopädischer Sicht nicht mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen ist." Der Gutachter
Dr. E. I., der sich ausdrücklich nur zu zukünftigen Fehlzeiten aus orthopädischen Gründen äußert, führt jedoch weiter aus, dass "jedoch auch keine Gründe aus orthopädischer Sicht für frühere krankheitsbedingte Fehlzeiten bis auf den etwa 8-wöchigen postoperativen Zeitraum nach Arthroskopie des linken Kniegelenkes vom 07.07.2008" bestehen. Bestehen jedoch aus Sicht des Sachverständigen rückblickend keine orthopädischen Gründe für die Fehlzeiten in der Vergangenheit, schließt dies gleichartige Fehlzeiten in der Zukunft gerade nicht aus. Vielmehr indizieren in diesem Fall die Fehlzeiten in der Vergangenheit weitere hohe Fehlzeiten in der Zukunft, sofern keine Veränderung hinsichtlich der Krankheitsanfälligkeit der Klägerin eingetreten ist. Wenn kein orthopädisches Leiden vorgelegen hat und es dennoch seit 2005 zu regelmäßigen fachorthopädischen Behandlungen sowie zu hohen, von den Fachärzten attestierten Fehlzeiten gekommen ist, ist davon auszugehen, dass es auch in Zukunft ohne Veränderung der Umstände und Maßnahmen zur Verringerung der Krankheitsanfälligkeit der Klägerin zu entsprechenden Fehlzeiten kommen wird. Der Gutachter hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "von einer 'Ausheilung der bestehenden Leiden' (...) keine Rede sein [kann], da (...) bedeutsame Funktionseinschränkung des Haltungs- und Bewegungsapparates weder aus der Aktenlage noch aufgrund des heutigen klinischen Untersuchungsbefundes und Befundung der Fremdbilder hervorgehen." Soweit die Klägerin bestreitet, dass der Gutachter
Dr. I. im Nachhinein überhaupt eine derartige Aussage treffen könne, weil die krankheitsbedingten Ausfälle schon mehr als drei, teilweise schon sechs Jahre zurücklägen, ist darauf hinzuweisen, dass der Gutachter "bezogen auf das Alter der Versicherten (...) erstaunlicherweise nur minimale degenerative Veränderungen" feststellen konnte. Der Gutachter konnte daher rückblickend zumindest solche Erkrankungen orthopädischer Art in der Vergangenheit ausschließen, die nur beim Vorliegen degenerativer Veränderungen auftreten können oder solche degenerativen Veränderungen zur Folge haben.
Für eine fortbestehende Krankheitsanfälligkeit der Klägerin spricht auch, dass die Klägerin trotz - nach Darstellung des Sachverständigen - nicht vorliegender zu bedeutsamen Funktionseinschränkungen führenden Erkrankungen selbst gegenüber
Dr. E. I. aktuelle Schmerzen in beiden Kniegelenken, "ein bisschen Kopfschmerzen" und im Bereich der Halswirbelsäule angegeben hat. Auch hat sie ihre subjektive Schmerzeinschätzung gegenüber dem Sachverständigen auf der VAS-Schmerzskale (0 - 10) mit einem Durchschnittsschmerz von 5 trotz Einnahme von Medikamenten angegeben. Schließlich nahm die Klägerin im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung die Medikamente Thyronajod 50 ½ / Tag, Syneudon 50 1x1, Omeprazol 1x1, Orgametril 5 1x1 und Arcoxia 90 1x1 /Tag ein, obwohl der Gutachter ein orthopädisches Leiden nicht diagnostizieren konnte.
Der Gutachter
Dr. G. ist zum Ergebnis gekommen, dass "aus chirurgischer Sicht noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ausführbar sind, ebenso auch länger dauernde sitzende Tätigkeiten
bzw. länger dauernde stehende und gehende Tätigkeiten, wenn zwischenzeitlich die Möglichkeit zum Hinsetzen besteht. Auch zeitweilige mittelschwere körperliche Belastungen sind ohne weiteres noch zumutbar." Die Arbeitsanforderungen an ihrem Arbeitsplatz seien "aus chirurgischer Sicht noch vollschichtig ausführbar." Aus chirurgischer Sicht ergäben sich keine Hinweise für zu erwartende gehäufte Arbeitsunfähigkeitszeiten. Längerfristig sei mit der Implantation einer Knieprothese links, später auch rechts zu rechnen. Aus aktueller Sicht sei ein Zeitpunkt nicht eingrenzbar. Mit einem entsprechenden Eingriff sei kurz- bis mittelfristig nicht zu rechnen. "Auch restrospektiv [sei] bei dem Kündigungsausspruch am 29.09.2010 aus objektiver Sicht nicht davon auszugehen [gewesen], dass es aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörungen zu gehäuften Arbeitsunfähigkeitszeiten" komme. "Laut fachorthopädischem Gutachten von Herrn
Dr. I., Orthopäde, E-Stadt vom 13.10.2011 (Blatt 247 ff Band 2 der Gerichtsakten [würden] keine Gründe gesehen für die vorausgehenden häufigen Krankschreibungen. In dem genannten Gutachten wird ausgeführt, dass aus rein orthopädischer Sicht im weiteren Verlauf nicht mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen sei. Insofern besteht mit dem genannten Gutachten im Wesentlichen Übereinstimmung". Der Gutachter
Dr. G. vermag somit keinen triftigen Grund aus chirurgischer Sicht für die vor Kündigungsausspruch angefallenen Fehlzeiten anzugeben. Auf der Grundlage seines Gutachtens kann, da keine Ursache für die Fehlzeiten in der Vergangenheit angegeben werden konnte und im Hinblick auf die Verursachung etwaiger Fehlzeiten in der Zukunft beseitigt werden kann, ebenfalls nicht die Indizwirkung der Fehlzeiten in der Vergangenheit für die Zukunft erschüttert werden. Eine Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin im Sinne einer Verbesserung gegenüber dem Gesundheitszustand vor Ausspruch der Kündigung ist nach seinen Ausführungen gerade nicht eingetreten. Die bisherige Krankheitsanfälligkeit der Klägerin ist nicht beseitigt worden und besteht weiterhin.
Der Gutachter
Dr. H. konnte die erheblichen Fehlzeiten der Klägerin in der Vergangenheit aus nervenärztlicher Sicht nicht nachvollziehen. Das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung hat er ausgeschlossen. Er hat die Klägerin "aus rein nervenärztlicher Sicht (...) als vollschichtig belastbar [angesehen] für leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung von Überkopfarbeiten, dem Heben, Bewegen und Tragen schwerer Lasten, extremer Witterungsexposition, Lärmexposition und Nachtschichtarbeitsorganisation." Weiter kam er zu dem Ergebnis, dass "die episodischen Kopfschmerzen als auch die Zervikalgien und Zervikobrachialgien (...) nicht zu längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten, insbesondere bei fehlenden Hinweisen auf eine relevante zentrale oder periphere Nervenläsion" führen. Auch seine Ausführungen können die auf der Gesamtanfälligkeit der Klägerin beruhende negative Prognose nicht erschüttern.
Sonstige Gründe für eine positive gesundheitliche Prognose der Klägerin sind nicht ersichtlich.
Aufgrund der Fehlzeiten der Klägerin liegt eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung der Beklagten vor.
Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts (
vgl. nur (
BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.b) aa)) stellen schon allein die entstandenen und zukünftig zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten, die jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen dar.
Die Beklagte leistete an die Klägerin seit dem Jahr 2005 bis zum Ausspruch der Kündigung Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von insgesamt 47.010,91
EUR, nämlich im Jahr 2005 für 49 Tage, für 2006 an 30 Tagen, für 2007 57 Tage, für das Jahr 2008 an 87 Tagen, für das Jahr 2009 an 84 Tagen und im Jahr 2010 bis zum Ausspruch der Kündigung an 49 Tagen. Davon entfiel im Jahr 2005 Entgeltfortzahlung für 30 Tage auf eine Erkrankung wegen Gastroenteritis, Entgeltfortzahlung im Jahr 2006 für 16 Arbeitstage auf Oberbauchbeschwerden, 2 Tage auf Gastroenteritis und für 8 Tage auf eine Schultergelenkverletzung. Im Jahr 2007 entfielen Entgeltfortzahlungskosten für 27 Arbeitstage auf eine akute Bronchitis, Harnblasenentzündung und teilweise zusätzlich eine Nierenbeckenentzündung und insgesamt 12 Arbeitstage auf Gastorenteritis. Im Jahr 2008 beruhten Entgeltfortzahlungskosten für insgesamt 37 Arbeitstage auf einem grippalen Infekt (8 Tage) sowie einem Harnwegsinfekt, Pilz und Gastroenteritis (29 Arbeitstage). Auch im Jahr 2009 beruhten Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 2.643,95
EUR für 24 Tage auf einer Interkostalneuralgie und weitere Entgeltfortzahlungskosten auf einem grippalen Infekt. Im Jahr 2010 entstanden bis zum Kündigungszeitpunkt Entgeltfortzahlungskosten für insgesamt 49 Tage wegen Bronchitis und einem Frauenleiden in Höhe von insgesamt 5.692,89
EUR. Damit entstanden auch ohne Berücksichtigung der durch Erkrankungen orthopädischen Ursprungs verursachten Entgeltfortzahlungskosten der Beklagten seit 2005 jährliche Entgeltfortzahlungskosten, die über sechs Wochen im Kalenderjahr deutlich hinausgehen.
Im Hinblick auf den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses seit dem Jahr 2005 nimmt die Kammer daher an, dass im Kündigungszeitpunkt auch zukünftig mit erheblichen Entgeltfortzahlungskosten, die über sechs Wochen im Jahr liegen, zu rechnen war.
Zumindest für die durch Entzündungs- und Erkältungskrankheiten entstandenen Fehlzeiten der Klägerin liegt keine betriebliche Veranlassung vor. Die Klägerin selbst führt aus, dass es sich aus ihrer Sicht um jeden einmal treffende Erkrankungen handele. Diese Fehlzeiten sind auch nach dem Vergleichsabschluss im ersten Kündigungsschutzverfahren am 25.03.2009 weiterhin entstanden.
Im Rahmen der Interessenabwägung überwiegen nach Ansicht der Kammer die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses diejenigen der Klägerin an dessen Fortsetzung.
Dabei war zu prüfen, ob die betriebliche Beeinträchtigung durch die Krankheit der Arbeitnehmerin auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen ist oder ihn überfordert (
BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.c) aa) m. w. N.). Dabei sind im Rahmen der Interessenabwägung unter anderem auch die familiären Verhältnisse der Arbeitnehmerin, insbesondere ihre Unterhaltspflichten sowie eine mögliche Schwerbehinderteneigenschaft zu berücksichtigen (
vgl. BAG, Urteil vom 20.01.2000 - 2 AZR 378/99 - NZA 2000, 768, 770 unter B.III.5).
Zugunsten der Klägerin hat die Kammer bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien unter anderem berücksichtigt, dass die im Kündigungszeitpunkt 50 Jahre alte, verheiratete Klägerin bereits seit 1978, das heißt seit 32 Jahren bei der Beklagten beschäftigt war und das Arbeitsverhältnis lange Zeit ungestört verlief. Ihren drei Kindern gegenüber war die Klägerin im Kündigungszeitpunkt nicht mehr zum Unterhalt verpflichtet. Diese Interessen der Klägerin konnten jedoch gegenüber den Interessen der Beklagten an der Beendigung des nunmehr bereits seit einigen Jahren gestörten Austauschverhältnisses nicht durchschlagen. Die Beklagte hatte in der Vergangenheit Entgeltfortzahlung in erheblichem Umfang zu leisten. Obwohl die Klägerin aufgrund des Vergleichs vom 25.03.2009 nicht mehr in der Strickerei eingesetzt wurde, kam es zu weiteren, vor allem Entzündungs- und Erkältungskrankheiten, die nicht durch den konkreten Arbeitsplatz verursacht wurden. Auch in Zukunft sind erhebliche Entgeltfortzahlungskosten zu erwarten. Insoweit war auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Jahr 1960 geboren ist und im Kündigungszeitpunkt noch circa 15 Jahre bis zum Erreichen der regulären Altersrente zurücklegen musste.
II.
Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.04.2011 beendet hat, bestehen auch keine Annahmeverzugsvergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Mai bis Oktober 2011 gemäß §§ 615, 611
Abs. 1
BGB sowie kein Anspruch auf Abrechnung für die genannten Monate gemäß § 108
Abs. 1 GewO.
C.
Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus § 97
Abs. 1
ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72
Abs. 2
ArbGG sind nicht erfüllt.