Aufgrund des einvernehmlich erklärten Einverständnisses der Beteiligten konnte der Vorsitzende (§ 87a
Abs. 2
VwGO) ohne mündliche Verhandlung (§ 101
Abs. 2
VwGO) entscheiden.
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der Bescheid des Beklagten vom 29.01.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2015 in der Fassung des mit Schreiben vom 01.07.2015 übersandten korrigierten Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113
Abs. 1
VwGO). Der Kläger hat den Eintritt der Fiktion der Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach
§ 89 SGB IX hinzunehmen.
1. Rechtsgrundlage für die Zustimmung zur Kündigung sind die §§ 85
ff. SGB IX. Nach
§ 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Dies ist hier zu beachten, weil beim Kläger mit Bescheid der Stadt N. vom 14.05.2013 ein Grad der Behinderung (
GdB) von 50 festgestellt wurde (
§ 2 Abs. 2 SGB IX).
Nach § 89
Abs. 1
S. 1
SGB IX erteilt das Integrationsamt die Zustimmung bei Kündigungen in Betrieben und Dienststellen, die nicht nur vorübergehend eingeschränkt oder aufgelöst werden, wenn zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tage, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen. Dies gilt nicht, wenn eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz desselben Betriebes oder derselben Dienststelle oder auf einem freien Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb oder einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers mit Einverständnis des Schwerbehinderten Menschen möglich und für den Arbeitgeber zumutbar ist (§ 89
Abs. 1
S. 3
SGB IX). Dies gilt mit der Maßgabe, dass die Entscheidung innerhalb eines Monats vom Tage des Eingangs des Antrags an zu treffen ist. Wird innerhalb dieser Frist eine Entscheidung nicht getroffen, gilt die Zustimmung als erteilt (
§ 88 Absatz S. 1 und 2 SGB IX). In diesem Falle kann der Arbeitgeber die Kündigung nur innerhalb eines Monats nach Zustellung erklären (§ 88
Abs. 5
S. 3
i. V. m.
Abs. 3
SGB IX).
Im Rahmen der von dem Arbeitnehmer erhobenen Anfechtungsklage ist im Falle des Eintritts der Fiktion der Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses der zu diesem Zeitpunkt zugrundeliegende historische Sachverhalt maßgeblich - nicht die Sachlage im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (erst recht nicht die Sachlage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung
bzw. bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts) -, um der eintretenden Privatrechtsgestaltung durch die Fixierung der maßgeblichen Sachlage auf den der noch zu erklärenden Kündigung zugrundeliegenden Sachverhalt Rechnung zu tragen. Wäre bei einer Neubescheidung auf den Erkenntnisstand im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids oder der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung
bzw. bei Entscheidung ohne mündliche Verhandlung auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts abzustellen, würde der Beigeladenen eine Rechtsposition genommen, auf die sie sich bei der Kündigung mit Schreiben vom 30.01.2015 hat berufen können, nämlich auf den Eintritt der Fiktion der Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nach § 89
SGB IX.
Vgl.
BVerwG, Beschluss vom 22.01.1993 -
5 B 80/92 -, juris;
OVG Lüneburg, Urteil vom 22.06.1994 -
4 L 4474/93 -, juris;
VG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2002 -
17 K 6243/02 -, juris.
Diese Rechtsposition darf ihr nicht genommen werden. Abzustellen ist somit auf denjenigen Sachverhalt, der dem Integrationsamt im Zeitpunkt des Eintritts der Fiktion der Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses bekannt war
bzw. bekannt sein musste. Das bedeutet, dass alle Umstände, die nach diesem Zeitpunkt eingetreten
bzw. dem Integrationsamt für eine Entscheidungsfindung weder bekannt waren noch bekannt sein mussten, nicht zu berücksichtigen sind.
Die Tatbestandsvoraussetzungen "nicht nur vorübergehende Einstellung des Betriebes" und "Weiterbeschäftigung an anderer Stelle nicht zumutbar" liegen nach den überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Krefeld,
Urteil vom 16.09.2015 - 3 Ca 2185/14 -,
der sich das erkennende Gericht anschließt, vor. Die Auffassung des Klägers, die ebenfalls notwendige Sicherstellung der "Fortzahlung des Lohnes
bzw. Gehalts für mindestens drei Monate" sei weder zum Zeitpunkt des Antrags auf Zustimmung zur ordentlichen Kündigung mit Schreiben der Beigeladenen an den Beklagten unter dem 03.12.2014 noch zum Zeitpunkt der mutmaßlichen Fiktion der Zustimmung sichergestellt gewesen, teilt sich das erkennende Gericht nicht.
Ohne ausdrückliche Regelung im Gesetz geblieben ist die Frage, wie sich die zusätzlich in § 89
Abs. 1
S. 1
SGB IX enthaltene Bedingung "Gehalt oder Lohn (für drei Monate) gezahlt wird" bei einer Zustimmungsfiktion auswirkt. Grundsätzlich gilt nach § 88
Abs. 5
S. 2
SGB IX, was auch dann gelten würde, wenn das Integrationsamt eine entsprechende Zustimmung ausdrücklich erteilt hätte. Das bedeutet, mit Zustimmungsfiktion ist auch die aufschiebende Bedingung verbunden, dass bis zu drei Monaten nach Zugang der Kündigung das Entgelt weitergezahlt wird.
Düwell, BB 2004,
S. 2811, 2814; Düwell, in: LPK-SGB IX, 4. Aufl. 2014, § 89
Rdnr. 53, 58.
Tatbestandsvoraussetzungen für die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung, mithin Tatbestandsvoraussetzungen für die Fiktion,
Knittel,
SGB IX, Loseblatt (Stand: Mai 2015), § 88
Rdnr. 63,
ist die Fortzahlung des Lohnes
bzw. Gehaltes für mindestens drei Monate. Dies liegt etwa dann vor, wenn die dreimonatige Lohnfortzahlung zwischen dem Arbeitgeber und dem zu kündigenden schwerbehinderten Arbeitnehmer vertraglich vereinbart wird oder vom Arbeitgeber mit der Antragstellung beim Integrationsamt verbindlich zugesagt wird; erforderlich ist die Fähigkeit und die Bereitschaft des Arbeitgebers zur Zahlung der Vergütung für drei Monate nach der Kündigung.
VG Dresden, Urteil vom 01.04.2009 - 1 K 449/08 -, juris.
Die Dreimonatsklausel soll gewährleisten, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer noch für mindestens drei Monate Geld erhält. Erforderlich ist die tatsächliche Zahlung des Lohns / Gehalts durch den Arbeitgeber. Durch die dreimonatige Lohnzahlung wird die Kündigungsfrist nicht verlängert. Ebenso wenig ist der schwerbehinderte Mensch trotz Lohnzahlung verpflichtet, über das Ende der Kündigungsfrist hinaus zu arbeiten.
Kossens, in: ders. / von der Heide / Maaß,
SGB IX, 4. Aufl. 2015, § 89
Rdnr. 24, 26; s. auch Knittel,
SGB IX, Loseblatt (Stand: Mai 2015), § 89
Rdnr. 18, 20.
Der Rechtsgrund der Entgeltzahlung ist unerheblich. Er kann sich aus einer einzelvertraglichen Zusage oder aus einer tariflichen oder betrieblichen Vereinbarung ergeben. Die Verpflichtung kann auch auf einer verlängerten Kündigungsfrist beruhen. Entscheidend ist, dass die Vergütung für drei Monate nach Zugang der Kündigung gesichert ist und die Zahlung auch tatsächlich erfolgt. Der Sinn der Vorschrift, dem Schwerbehinderten noch für drei Monate die Zahlung von Arbeitsentgelt zu sichern, ginge sonst vielfach ins Leere, wenn zur Zusicherung auch nicht erfüllte oder unerfüllbare Ansprüchen genügen würden, oder der Arbeitnehmer erst im Klageverfahren durchsetzen müsste.
Müller-Wenner, in: ders. /Winkler,
SGB IX, Teil 2, 2. Auf. 2011, § 89
Rdnr. 44, 48,
Dem Wortlaut der Vorschrift nach ist diese Voraussetzung als Prognose formuliert,
Düwell, in: Dan / ders. / Joussen (Hrsg.),
SGB IX, 4. Aufl. 2014, § 89
Rdnr. 53,
und zu orientieren an einer erkennbaren Willensrichtung des Arbeitgebers,
vgl. VG Dresden, Urteil vom 01.04.2009 - 1 K 449/08 -, juris;Hohmann, in: Wiegand,
SGB IX (Stand: Sept. 2015),
SGB IX § 89
Rdnr.20,
die Ausdruck in einer Erklärung gegenüber dem Integrationsamt finden kann,
Knittel,
SGB IX, Loseblatt (Stand: Mai 2015), § 89
Rdnr. 20; ders.
SGB IX, 6. Aufl. 2012, § 89
Rdnr. 20.
und sich nach seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten richtet.
Vorliegend ist nicht erkennbar, dass die Tatbestandsvoraussetzung einer erkennbaren Willensrichtung der Beigeladenen, den Lohn für drei Monate nach der Kündigung des Klägers fortzuzahlen, zum Zeitpunkt des Eintritts der Fiktion am 04.01.2015 (= 1 Monat nach dem Eingang des Antrags der Beigeladene beim Integrationsamt am 04.12.2014) nicht vorlag. Insbesondere bestand zu keinem Zeitpunkt nach Stellung des Antrags unter dem 03.12.2014 die Gefahr, dass die Beigeladene der Lohnfortzahlung nicht nachkommen würde und der Kläger der Gefahr ausgesetzt gewesen wäre, die Lohnfortzahlung klageweise geltend zu machen. Der Hinweis des Klägers auf sein arbeitsgerichtliches Verfahren 3 Ca 2185/14 vor dem Arbeitsgericht Krefeld verfängt insoweit nicht. Dabei handelte es sich nicht um ein Verfahren auf Lohnfortzahlung; vielmehr sollte insoweit geklärt werden, ob die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung des Klägers im Übrigen (also außerhalb der Frage des besonderen Schwerbehindertenschutzes) bestanden. Das arbeitsgerichtliche Urteil vom 16.09.2015 verhält sich insoweit auch lediglich zu den allgemeinen Voraussetzungen des Kündigungsschutzes nach dem Kündigungsschutzgesetz, vor allem der Frage der Kündigung, des dringenden betrieblichen Erfordernisses einer Kündigung aufgrund Stilllegung des gesamten Betriebes sowie der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit des Klägers, die rechtskräftig entschieden wurden. Fragen der Lohnfortzahlung waren insoweit eben gerade nicht streitig. Ähnlich verhält es sich mit dem Hinweis des Klägers, tatsächlich sei das Arbeitsentgelt auch zunächst nicht durch die Beigeladene weitergezahlt worden und er habe zunächst ab dem 01.03.2015 Arbeitslosengeld erhalten. Dies betrifft einen Sachverhalt, der nach dem Eintritt der Fiktion eingetreten ist.
2. Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens: §§ 154
Abs. 1 und 3, 188
S. 2
VwGO. Es entspricht nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen für erstattungsfähig zu erklären, da sie keinen Antrag gestellt hat und sich damit keinem eigenen Prozessrisiko ausgesetzt hat (§ 162
Abs. 3
VwGO).
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167
Abs. 2
VwGO i. V. m. §§ 708
Nr. 11, 711
ZPO.