Die Revision der Beklagten ist begründet.
Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Kündigungsschutzklage nicht stattgegeben werden. Ob die Kündigung vom 29. September 2003 rechtswirksam ist, steht noch nicht fest.
A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, zwar hätten im Zeitpunkt der Kündigung sehr erhebliche Verdachtsmomente für eine Täterschaft des Klägers vorgelegen. Die Kündigung sei jedoch unwirksam, weil der Kläger nicht ausreichend angehört worden sei. Es sei nicht festzustellen, dass dem Kläger der Inhalt der Ermittlungsakte genau bekannt gewesen sei. Der als Zeuge vernommene Strafverteidiger des Klägers habe das Ermittlungsverfahren im Einzelnen erst nach Vorlage des Videobandes mit dem Kläger besprochen. Die Kenntnisse seines Prozessbevollmächtigten könnten dem Kläger nicht zugerechnet werden. Die Tatsache, dass der Kläger am 22. August 2003 eine Stellungnahme abgelehnt habe, ändere nichts an dem formellen Mangel der Anhörung.
B. Dem stimmt der Senat nur in einem Teil der Begründung zu.
I. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Kündigung nicht mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Klägers unwirksam.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann nicht nur eine erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der schwerwiegende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen Verfehlung einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines ( nicht erwiesenen) strafbaren
bzw. vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Eine Verdachtskündigung ist dann zulässig, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen, die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (st. Rspr. statt vieler: Senat 6. Dezember 2001 - 2 AZR 496/00 - AP
BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 36 = EzA
BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 11, zu B I 1 der Gründe; zuletzt 29. November 2007 - 2 AZR 725/06 -).
a) Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Ihr Umfang richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Sie muss jedenfalls nicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach
§ 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden (Senat 13. September 1995 - 2 AZR 587/94 - BAGE 81, 27, zu II 3 der Gründe; 26. September 2002 - 2 AZR 424/01 - AP
BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 37 = EzA
BGB 2002 § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 1, zu B I 1 b bb der Gründe). Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung und Information des Betriebsrats einerseits und an die Anhörung des Arbeitnehmers im Rahmen einer Verdachtskündigung andererseits dienen anderen Zwecken und sind schon deshalb im Ansatz nicht vergleichbar (Eylert/ Friedrichs DB 2007, 2203, 2205). Dennoch reicht es grundsätzlich nicht aus, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen einer Anhörung zu einer Verdachtskündigung lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Die Anhörung muss sich auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen. Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen zu bezeichnen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Allein um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt. Dagegen ist sie nicht dazu bestimmt, als verfahrensrechtliche Erschwernis die Aufklärung zu verzögern und die Wahrheit zu verdunkeln.
b) Eine schuldhafte Verletzung der Anhörungspflicht liegt dann nicht vor, wenn der Arbeitnehmer von vornherein nicht bereit war, sich auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe einzulassen und nach seinen Kräften an der Aufklärung mitzuwirken. Erklärt der Arbeitnehmer sogleich, er werde sich zum Vorwurf nicht äußern und nennt auch für seine Verweigerung keine relevanten Gründe (Hoefs Die Verdachtskündigung
S. 201; KR-Fischermeier 8. Aufl. § 626
BGB Rn. 231), dann muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung nicht über die Verdachtsmomente näher informieren (
BAG 28. November 2007 - 5 AZR 952/ 06 -). Eine solche Anhörung des Arbeitnehmers wäre überflüssig, weil sie zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Willensbildung des Arbeitgebers nicht beitragen kann (Senat 30. April 1987 - 2 AZR 283/86 - AP
BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 19 = EzA
BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung
Nr. 3, zu B I 2 d aa der Gründe; KR-Fischermeier aaO).
2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts wird diesen Grundsätzen nicht gerecht. Der Kläger ist vor Ausspruch der Kündigung ausreichend angehört worden. Die erhobenen Vorwürfe waren ihm bekannt.
a) Noch zutreffend ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass dem Kläger das Wissen seines damaligen Bevollmächtigten nicht zugerechnet werden kann. Die Anhörung des Arbeitnehmers vor Ausspruch einer Verdachtskündigung soll ihm die Möglichkeit geben, den gegen ihn bestehenden Verdacht zu entkräften. Dies ist aber nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer eigene Kenntnis von den gegen ihn erhobenen Vorwürfen hat. Die Anwendung des zivilrechtlichen Stellvertretungsrechts kommt nicht in Betracht. Zwar wird man dem Arbeitnehmer die Zuziehung eines Rechtsanwalts für die Anhörung zuzugestehen haben ( Eylert/Friedrichs DB 2007, 2203, 2204 f.). Maßgeblich für die Verdachtskündigung ist aber die Zerstörung der persönlichen Vertrauensgrundlage für die Vertragsparteien. Dies kann ausschließlich das unmittelbare Verhältnis des Arbeitnehmers und Arbeitgebers betreffen. In diese Richtung weist auch die Regelung des § 613 Satz 1
BGB.
b) Die Beklagte durfte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts davon ausgehen, dass dem Kläger die Einzelheiten des Tatverdachts bekannt waren und folglich im Anhörungsschreiben nicht noch einmal benannt werden mussten.
aa) In dem gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren wurde am 14. April 2003 vom Amtsgericht Hamburg ein Durchsuchungsbeschluss erlassen. In diesem Beschluss sind die einzelnen Taten und Tattage genannt und der Tatvorwurf umrissen. Ausweislich des Durchsuchungsberichts vom 15. April 2003 wurde dieser Beschluss am Nachmittag des 15. April 2003 vollstreckt und dem Kläger ausgehändigt. Bei dieser Sachlage war es ausreichend, dass die Beklagte im Anhörungsschreiben die Taten pauschal bezeichnet hat. Der Kläger konnte nicht im Unklaren sein, über welchen Kenntnisstand die Beklagte verfügte und welche Taten ihm vorgeworfen wurden.
bb) Außerdem hat der Kläger am 22. August 2003 gegenüber der Beklagten erklärt, sich nicht zu äußern und nicht etwa mitgeteilt, er könne sich nicht im Einzelnen erklären, weil er nicht wisse, was genau ihm vorgeworfen werde. Für die Beklagte musste sich bei dieser Sachlage die Äußerung des Klägers vom 22. August 2003 als abschließende Stellungnahme darstellen, sich zu den Verdachtsmomenten nicht zu äußern.
II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561
ZPO). Auf Grundlage der bisherigen Feststellungen kann der Senat keine eigene Sachentscheidung treffen (§ 563
Abs. 3
ZPO). Dies führt zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht, § 563
Abs. 1
ZPO.
1. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob die Kündigung wirksam ist.
a) Nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es lägen schwerwiegende Verdachtsgründe dafür vor, dass der Kläger die ihm vorgeworfenen Taten begangen habe. Die zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung schon vorhandenen Zeugenaussagen der Geschädigten B und S, die den Kläger auf dem Polizeivideo als Täter identifiziert hatten sowie die Umstände der Tatbegehung und die Tatsache, dass der Kläger ein Tatmotiv hatte, belegen den schwerwiegenden Verdacht. Auch das Amtsgericht hat in seinem Urteil festgehalten, dass lediglich geringe - sog. "letzte" - Zweifel an der Tatbegehung durch den Kläger bestanden.
b) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht ausdrücklich dahinstehen lassen, ob diese Umstände im Rahmen der umfassenden Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Kündigung zu begründen vermögen. Dem Senat ist insoweit eine eigene Entscheidung nicht möglich. Die Bewertung der für und gegen die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung sprechenden Umstände liegt weitgehend im Beurteilungsspielraum der Tatsacheninstanz und kann vom Revisionsgericht regelmäßig nicht durch seine eigene Wertung ersetzt werden (st. Rspr. Senat 21. Juni 2001 - 2 AZR 325/00 - AP
BAT § 54
Nr. 5 = EzA
BGB § 626
nF Nr. 189, zu B I 3 a der Gründe; neuerlich Senat 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 34, AP
BGB § 611 Direktionsrecht
Nr. 71) . Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung wird das Landesarbeitsgericht alle in Betracht kommenden Umstände zu berücksichtigen haben, die für oder gegen eine außerordentliche Kündigung sprechen. Allerdings dürfte es einem Arbeitgeber nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen zumutbar sein, einen Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen, von dem zu gewärtigen ist, dass er kritische Äußerungen von Kollegen mit derart nachhaltigen planvollen und zerstörerischen Eingriffen beantwortet und damit "Angst und Schrecken" verbreitet.
2. Von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent hat sich das Landesarbeitsgericht mit der Einhaltung der Kündigungserklärungsfrist des
§ 91 Abs. 3 SGB IX iVm. § 91
Abs. 5
SGB IX nicht auseinandergesetzt. Dies wird es nach der Zurückverweisung
ggf. nachzuholen haben. Dabei kann es darauf ankommen, ob die Kündigung am 29. September 2003 unverzüglich iSv. § 91
Abs. 3
SGB IX iVm. § 91
Abs. 5
SGB IX erklärt wurde. Die Beklagte geht möglicherweise davon aus, dass erst mit der Zustellung des Bescheids des Integrationsamts vom Mittwoch, dem 24. September 2003, am Montag, dem 29. September 2003, die Kündigung erklärt werden konnte und dies unverzüglich iSv. § 91
Abs. 3
SGB IX iVm. § 91
Abs. 5
SGB IX ist. Der Akte ist nicht zu entnehmen, ob die Beklagte zuvor bereits mündlich oder fernmündlich über die Zustimmung in Kenntnis gesetzt wurde (
vgl. Senat 12. Mai 2005 -
2 AZR 159/04 - AP
SGB IX § 91
Nr. 5 = EzA
SGB IX § 91
Nr. 2).
3. Das Landesarbeitsgericht wird
ggf. auch zu prüfen haben, ob die Kündigung vom 29. September 2003 wegen Verstoßes gegen die Kündigungserklärungsfrist des § 626
Abs. 2 Satz 1
BGB unwirksam ist. Dabei erscheint es naheliegend, davon auszugehen, dass die Frist jedenfalls nicht vor dem 22. August 2003 - dem Tag, an dem der Kläger eine Stellungnahme verweigerte - zu laufen begann. Da die in Unkenntnis der Schwerbehinderung ausgesprochene Kündigung vom 2. September 2003 damit jedenfalls innerhalb der Frist erklärt wurde, könnte der nach Kenntnis der Schwerbehinderung ausgesprochenen Kündigung Fristversäumung nach § 626
Abs. 2
BGB allenfalls dann entgegenstehen, wenn die Beklagte nicht unverzüglich nach Kenntnis von der Schwerbehinderung den Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamt gestellt hätte. Da der Beklagten die Schwerbehinderung am 8. September 2003 bekannt wurde und sie den Zustimmungsantrag bereits am 10. September gestellt hat, dürfte sie unverzüglich tätig geworden sein.
4. Nicht festgestellt ist, was der Kläger hinsichtlich der zunächst am 2. September 2003 ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung unternommen hat. Da die Beklagte von der Schwerbehinderung des Klägers bei Ausspruch dieser außerordentlichen Kündigung keine Kenntnis hatte, musste der Kläger trotz
§ 4 Satz 4 KSchG sich innerhalb der Klagefrist nach § 4 Satz 1
KSchG gegen diese Kündigung wenden und sich selbst auf den Sonderkündigungsschutz nach
§§ 85 ff. SGB IX berufen (s. dazu jetzt auch Senat 13.02.2008 -
2 AZR 864/06 -) . Ob dies geschehen ist oder ob die Kündigung vom 2. September 2003 aus anderen Gründen keine Wirkung entfaltet, wird das Landesarbeitsgericht
ggf. zu prüfen haben.