Die Klägerin beansprucht unter Berufung auf ihre Schwerbehinderteneigenschaft die Freistellung von Mehr- und Nachtarbeit. Darüber hinaus streiten die Parteien über Vergütungsansprüche der Klägerin aus Annahmeverzug.
Die 1944 geborene Klägerin ist seit Juni 1981 als vollzeitbeschäftigte Assistenzärztin in einem Krankenhaus der Beklagten beschäftigt.
Im März 1997 stürzte die Klägerin ein einem der Operationssäle der Beklagten. Sie erlitt u.a. einen Lendenwirbelkörperbruch. Sie war deshalb vom 6.7.1997 bis einschließlich 15.4.1999 fortlaufend infolge Krankheit arbeitsunfähig. Zum 1.10.1998 wurde die Klägerin als Schwerbehinderte mit einem Grad der Behinderung von 50 % anerkannt. Am 19.4.1999 nahm sie ihre Tätigkeit bei der Beklagten erneut auf. Sie war nicht in der Lage, zur Nachtzeit Arbeitsleistungen zu erbringen, da die von ihr einzunehmenden Medikamente sich mit der Tätigkeit in den Nachtstunden nicht vertrugen.
I. 2. Die Klage ist eine Feststellungsklage und als solche zulässig. Der Wortlaut des Leistungsantrags entspricht nicht dem tatsächlichen Rechtsschutzziel. Die Parteien streiten nicht darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin an fünf Tagen in der Woche in einem zeitlichen Umfang von 8 Stunden und 5 Minuten zu beschäftigen. Streitig ist allein, ob die Klägerin verpflichtet ist, über diesen Zeitraum hinaus weitere Dienste, insbesondere Nacht- und Bereitschaftsdienste zu leisten. Darüber hinaus will die Klägerin nur an fünf Tagen die Woche zur Arbeitsleistung verpflichtet sein. Diese Auslegung ergibt sich deutlich aus dem Vorbringen der Klägerin. Aus den von ihr vorgelegten Schreiben vom 25.4. und 2.6.1999 und aus dem ärztlichen Attest vom 25.9.1999 folgt, dass sie aus medizinischen Gründen keine Nachtarbeit leisten will. Dabei stellt sie teilweise die Bereitschaftsdienste der Nachtarbeit gleich, weil der Bereitschaftsdienst auch während der Nacht zu leisten ist. Sie will aber auch keine Bereitschaftsdienste außerhalb der Nachtarbeit leisten. Insoweit geht sie von einer unzulässigen Mehrarbeit
i.S.d. § 46
SchwbG a.F. aus. Die Klägerin begehrt damit die Feststellung der Grenzen des Direktionsrechts der Beklagten in dem von ihr begehrten Sinn.
Diese Feststellungsklage hat das nach § 256 Abs 1
ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Hierzu reicht es, wenn nur ein Teil eines bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien streitig ist und die gerichtliche Klärung geeignet ist, diesen Streit zu klären (
BAG v. 24.3.1998 - 9 AZR 172/97 - AP GVG § 21 e
Nr. 4 = EzA GVG § 21 e
Nr. 1). Eine gerichtliche Feststellung über den Umfang des zeitlichen Direktionsrechts der Beklagten ist geeignet, eine Klärung zwischen den Parteien herbeizuführen.
II. Die Klage ist nur zum Teil begründet.
1. Die Beklagte ist nicht berechtigt, die Klägerin werktäglich mehr als die von ihr zugestandenen 8 Stunden und 5 Minuten einzusetzen. Eine darüber hinausgehende Arbeitsverpflichtung der Klägerin ist Mehrarbeit, zu der sie
gem. § 124
SGB IX nicht verpflichtet ist.
a) Dies folgt allerdings nicht aus Anlage 4 der arbeitsvertraglich vereinbarten AVR (Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas-Verbandes). Gem. § 1
Abs. 1 Unterabs. 2 der Anlage 5 darf die werktägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter zwar acht Stunden nicht überschreiten, sie kann jedoch auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb der unter
Abs. 1 genannten Ausgleichszeiträume im Durchschnitt werktäglich acht Stunden nicht überschritten werden. Gem. § 1
Abs. 2 der Anlage 5 AVR ist sogar eine Verlängerung auf über 10 Stunden werktäglich zulässig, wenn in die Arbeitszeit regelmäßige Arbeitsbereitschaft in erheblichem Umfang fällt.
b) Die Klägerin hat zu Recht eine Beschränkung der werktäglichen Arbeitszeit auf 8 Stunden und 5 Minuten nach § 124
SGB IX verlangt. Danach sind schwerbehinderte Menschen auf ihr Verlangen von Mehrarbeit freizustellen.
aa) Jede über 8 Stunden hinausgehende werktägliche Arbeitszeit ist Mehrarbeit
i.S.d. § 124
SGB IX (seit dem 1.7.2001 in Kraft
gem. Art. 1
SGB IX vom 19.6.2001).
(1) § 124
SGB IX bestimmt ebenso wie auch der gleichlautende § 46
SchwbG a.F. nach seinem Wortlaut nicht, was unter Mehrarbeit zu verstehen ist. Nach der herkömmlichen arbeitsrechtlichen Begriffsverwendung ist Mehrarbeit diejenige Arbeit, die über die gesetzliche Arbeitszeit hinausgeht (Neumann/Pahlen
SchwbG 9. Aufl. § 46 Rn. 3). Das Bundesarbeitsgericht ist deshalb im Rahmen von § 46
SchwbG a.F. und § 3 AZO a.F. davon ausgegangen, dass Mehrarbeit
i.S.d. Schwerbehindertengesetzes diejenige Arbeit sei, die über die normale Arbeitszeit von acht Stunden werktäglich hinausgehe (
BAG 8.11.1989 -
5 AZR 642/88 - BAGE 63, 221 = br 1990, 116). Demgegenüber wurde nach In-Kraft-Treten des Arbeitszeitgesetzes vermehrt die Auffassung vertreten, Mehrarbeit
i.S.d. § 46
SchwbG a.F. sei die über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit des Schwerbehinderten hausgehende tägliche oder wöchentliche Arbeitszeit. Dies wird vor allem mit der arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Arbeitszeitverkürzung begründet. Der schwerbehinderte Mensch würde ansonsten schlechter gestellt, da er trotz Absenkung der regelmäßigen Arbeitszeit in Arbeitsverträgen und Tarifverträgen das gesetzliche Ablehnungsrecht erst in Anspruch nehmen könne, wenn der Arbeitgeber vom Schwerbehinderten mehr als 48 Stunden Arbeit verteilt auf sechs Tage in der Woche oder mehr als acht Stunden verlangen würde (Dörner,
SchwbG Stand Mai 2001 § 46 III 2 d; Großmann in Großmann/Schimanski,
GK-SGB IX § 124 Rn. 25; Düwell in LPK-SGB IX § 124 Rn. 4; Masuch in Hauck/Noftz,
SGB IX Stand Juni 2002 K ### 124 Rn. 7).
(2) Die Auslegung des Begriffs der Mehrarbeit nach § 124
SGB IX hat sich zunächst am Schutzzweck der Vorschrift zu orientieren. Danach soll sichergestellt werden, dass die Leistungsfähigkeit schwerbehinderter Menschen nicht durch zu lange Arbeitszeiten überbeansprucht wird (BT-Drs. 7/1515
S.15, 16). Daneben soll die gleichberechtigte Teilhabe des schwerbehinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft gefördert werden (§ 1
SGB IX). Dazu muss ausreichend freie Zeit verbleiben, die ihm einem Nichtbehinderten vergleichbare Teilchancen ermöglicht. Je nach der Art der Behinderung, insbesondere bei Geh-, Sehbehinderungen oder geistigen Behinderungen wird der schwerbehinderte Mensch hierzu mehr Zeit als der Nichtbehinderte aufwenden müssen. Der Schutzzweck erfordert es daher, die tägliche Arbeitszeit zu begrenzen. Nur so wird gewährleistet, dass dem schwerbehinderten Menschen ausreichend Zeit für die Teilhabe an der Gesellschaft, insbesondere aber auch für die notwendigen täglich zu verrichtenden Angelegenheiten bleibt, wie Einkaufen, Behördengänge
etc. Dem würde ein Bezug auf tarifliche oder sonst im Arbeitsverhältnis geltende Arbeitszeitregelungen nicht gerecht.
Die vor allem tariflich eingeführten Arbeitszeitverkürzungen gewährleisten einen solchen Schutz nicht. Sie ermöglichen eine erhebliche Verlängerung der täglichen Arbeitszeit. Die tarifliche Flexibilisierung der Arbeitszeit setzt die Arbeitszeitverkürzung erst innerhalb eines längeren Ausgleichszeitraums um, in dem die regelmäßige Wochenarbeitszeit erreicht werden soll. Deshalb müssen Arbeitnehmer für nicht nur unerhebliche Zeiträume längere tägliche und/oder wöchentliche Arbeitszeiten und damit erhebliche körperliche und geistige Belastungen hinnehmen. So ist nach § 2 Ziff. 2 des MTV für Arbeitnehmer im Groß- und Außenhandel NRW vom 9.7. 1997 trotz Einführung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden eine Verteilung der betrieblichen Arbeitszeit auf bis zu 50 Stunden in der Woche zulässig. Die tägliche Arbeitszeit ist tariflich nicht beschränkt. Es muss lediglich innerhalb des Ausgleichszeitraums von 52 Wochen die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden erreicht werden. § 2 Ziff. 7 des Tarifvertrags über Jahresarbeitszeit und Arbeitszeitgestaltung für die gewerblichen Arbeitnehmer, Angestellten und Auszubildenden des Bekleidungslohngewerbes vom 1.4.1996 lässt eine tägliche Arbeitszeit von bis zu 9,5 Stunden zu.
Diese Flexibilisierung in Tarifverträgen, die sich vor allem an den betrieblichen Bedürfnissen, nicht aber den besonderen Belangen von schwerbehinderten Menschen orientieren, können daher je nach betrieblicher Umsetzung für erhebliche Zeiträume zu einer die gesetzliche Regelarbeitszeit von acht Stunden täglich überschreitenden Arbeitszeit führen. Die individuelle
bzw. tarifliche regelmäßige Arbeitszeit ist daher kein geeigneter Maßstab für die Bestimmung des Begriffs der Mehrarbeit nach § 124
SGB IX. Sie gewährleistet weder den Schutz des schwerbehinderten Menschen vor zu hoher Beanspruchung, noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft.
(3) Es ist daher auf § 3 Satz 1 Arbeitszeitgesetz (
ArbZG) abzustellen, Dabei bleibt die Verlängerung der Arbeitszeit auf bis zu 10 Stunden täglich nach § 3 Satz 2
ArbZG außer Betracht. Sie stellt Mehrarbeit
i.S.d. § 124
SGB IX dar. Trotz der Flexibilisierung auf einen Zehn-Stunden-Arbeitstag sollte es bei dem Grundsatz des Acht-Stunden-Arbeitstages bleiben (BT-Drs. 12/5888
S. 20). Es sollten nur die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten verbessert werden. Die Verlängerung der werktäglichen Arbeitszeit in § 3 Satz 2
ArbZG auf zehn Stunden mit entsprechendem Ausgleich innerhalb der folgenden sechs Kalendermonate wurde zwar aus Gründen des Gesundheitsschutzes auf höchstens zehn Stunden beschränkt, es handelt sich aber dennoch um eine Ausnahme von der regelmäßigen achtstündigen werktäglichen Arbeitszeit. Der schwerbehinderte Mensch ist nach dem Schutzzweck des § 124
SGB IX aber nicht verpflichtet, mehr als die regelmäßige tägliche Arbeitszeit zu arbeiten.
(4) Der Grundsatz des Acht-Stunden-Tages dient auch der Rechtsklarheit, da die betrieblichen und tarifvertraglichen Arbeitszeitmodelle keinen allgemeingültigen Maßstab für den Begriff der Mehrarbeit liefern können (
BAG 8.11.1989 - 5 AZR 642/88 - BAGE 63, 221 = br 1990, 116). Dies entspricht auch den gesetzlichen Regelungen für andere schutzbedürftige Beschäftigte. So dürfen Jugendliche nach § 8
Abs. 1
JArbSchG nicht mehr als acht Stunden täglich beschäftigt werden. Nach § 8 MuSchG liegt verbotene Mehrarbeit für werdende und stillende Mütter unter 18 Jahren bei einer Arbeitszeit von mehr als acht Stunden täglich (§ 8
Abs. 2 Ziff. 1 MuSchG) oder bei mindestens 18-jährigen werdenden und stillenden Müttern bei einer Arbeitszeit von mehr als 8,5 Stunden täglich vor.
bb) Die Klägerin hat auch die Freistellung von der Mehrarbeit
i.S.v. § 124
SGB IX verlangt. Dies lässt sich ihren vorgerichtlichen Schreiben vom 25.4.1999 und vom 2.6.1999 allerdings nicht entnehmen. Dort hat sie sich lediglich darauf berufen, sie könne keine Nachtdienste leisten. Dies betrifft aber nicht die Dauer der täglichen Arbeitszeit, sondern deren Lage. Mit der Klage verlangte sie aber eine Beschäftigung nur während der "normalen Arbeitszeit" und berief sich ausdrücklich auf die Freistellung von Mehrarbeit
gem. § 46
SchwbG a.F..
Es ist nach § 124
SGB IX auch zulässig, die Freistellung von Mehrarbeit für eine unbestimmte Zeit zu verlangen. Das Verlangen muss nicht für jeden Arbeitstag oder jede Arbeitswoche wiederholt werden. Eine solche Beschränkung lässt sich dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung nicht entnehmen und dient auch nicht dem Interesse des Arbeitgebers. Ihm wäre ansonsten eine längerfristige Personalplanung und Dienstplangestaltung unmöglich, zumal § 124
SGB IX keine Erklärungsfrist vorsieht.
c) Damit war die Klägerin nicht mehr zur Leistung von Mehrarbeit verpflichtet. Einer besonderen Freistellungserklärung des Arbeitgebers bedurfte es dann anders als im Urlaubsrecht nicht (Düwell in LPK-SGB IX § 125 Rn. 7; Dörner
SchwbG a.a.O. § 46
IV). Nach der gesetzlichen Regelung tritt die Rechtslage der Freistellung bei Erfüllung der Arbeitnehmeranspruchsvoraussetzungen allein mit dem Verlangen des schwerbehinderten Menschen ein (ebenso zu § 16
Abs. 1 BErzGG:
BAG 22.6.1988 - 5 AZR 526/87 - BAGE 59, 62).
Das Schrifttum geht davon aus, § 124
SGB IX räume dem schwerbehinderten Arbeitnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht ein (so Dörner
SchwbG a.a.O. § 46
IV). Ein Leistungsverweigerungsrecht berechtigt den Schuldner einer Leistung allerdings nur, die geschuldete Leistung zu verweigern (§ 273
Abs. 1
BGB). Mit dem Zugang des Freistellungsverlanges beim Arbeitgeber tritt hier aber die gesetzliche Freistellung ein. Nach § 124
SGB IX schuldet der Arbeitnehmer die geforderte Mehrarbeit nicht mehr. Dem Arbeitgeber ist auch untersagt, die Erbringung der Mehrarbeit zu fordern. Das ist eine andere Rechtsfolge als sie bei einer Leistungsverweigerung nach § 273
Abs. 1
BGB eintritt.
2. Nach dem Vorbringen der Klägerin kommt auch ein Anspruch auf Beschränkung der Arbeitspflicht auf die Fünf-Tage-Woche ohne Bereitschaftsdienst und Nachtarbeit in Betracht. Dem Senat ist eine abschließende Sachentscheidung nicht möglich. Die dazu erforderlichen Feststellungen fehlen.
a) Der Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht schon aus Anlage 5 AVR.
Nach § 7
Abs. 1 der Anlage 5 AVR hat ein Mitarbeiter auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit Bereitschaftsdienste zu erbringen. Diese sind auch während der Nacht zulässig, was aus § 7
Abs. 4 Anlage 5 AVR folgt. Danach werden Bereitschaftsdienste auf die Nachtarbeitsstunden nicht angerechnet. Dieses Anrechnungsverbot setzt aber voraus, dass Bereitschaftsdienste auch nachts zu leisten sind. Ebenso ist eine Beschränkung der Arbeitszeit auf fünf Tage die Woche der Anlage 5 AVR nicht zu entnehmen. Gem. § 1
Abs. 8 der Anlage 5 AVR ist die wöchentliche Arbeitszeit unter Beachtung der gesetzlichen Bestimmungen auf die Tage der Woche zu verteilen, an denen in der Einrichtung regelmäßig gearbeitet wird. Dies sind bei Krankenhäusern mehr als fünf Tage in der Woche.
b) Die Beschränkung auf die Fünf-Tage-Woche ohne Bereitschaftsdienst und Nachtarbeit lässt sich auch nicht aus § 124
SGB IX entnehmen. § 124
SGB IX verbietet lediglich Mehrarbeit nach entsprechendem Verlangen des schwerbehinderten Menschen. Die gesetzliche regelmäßige Arbeitszeit des § 3 Satz 1
ArbZG erstreckt sich aber auch ohne die Anordnung von Mehrarbeit auf acht Stunden täglich in der Sechs-Tage-Woche ohne Mehrarbeit.
Ebenso ist nach § 6
ArbZG auch Nachtarbeit zulässig. Die Klägerin ist damit grundsätzlich
gem. § 124
SGB IX auch zur Leistung von Nachtarbeit und Bereitschaftsdiensten in der Sechs-Tage-Woche verpflichtet, wenn damit keine Mehrarbeit verbunden ist. Sie hat keinen Anspruch darauf, generell von Nacht- und Bereitschaftsdiensten und der Sechs-Tage-Woche ausgenommen zu werden. Es kommt damit nicht darauf an, ob Bereitschaftsdienste Arbeitszeiten sind (hierzu EuGH 3.10.2000 - C-303/98 - EuGHE I 2000, 7997; 3.7.2003 - C-241/99 - Arbeit und Recht 2001, 355).
c) Der Anspruch der Klägerin kann sich aber aus § 81
Abs. 4
Nr. 4
SGB IX ergeben. Danach haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern Anspruch auf behindertengerechte Gestaltung der Arbeitszeit. Der schwerbehinderte Mensch hatte daher bereits nach altem Recht im bestehenden Arbeitsverhältnis einen klagbaren Anspruch darauf, im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten so beschäftigt zu werden, dass er entsprechend seiner Vorbildung und seinem Gesundheitszustand seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln kann (
vgl. BAG 10,7.1991 -
5 AZR 383/90 - BAGE 68, 141
m.w.N.). Der Arbeitgeber kann dem Anspruch nach § 81
Abs. 4 Satz 3
SGB IX nur entgegenhalten, die Erfüllung sie für ihn nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden.
Der Anspruch setzt für die Klägerin voraus, dass ihre Behinderung eine Arbeitszeit erfordert, die so gestaltet ist, dass sie 5 Tage in der Woche nicht überschreitet und nicht zur Nachtarbeit und nicht zu Bereitschaftsdiensten führt. Hierzu hat das Landesarbeitsgericht keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Auch das Attest des behandelnden Arztes vom 25.9.1999 bietet keine hinreichende Entscheidungsgrundlage. Es bezieht sich nur auf die Dauer der nächsten drei Monate. Weiterhin wird nicht deutlich, ob die aus medizinischen Gründen zu unterlassende Leistung von Nacht-/Bereitschaftsdiensten in Zusammenarbeit mit der Behinderung steht.
Auch zur Zumutbarkeit der behinderungsgerechten Gestaltung der Arbeitszeit hat das Landesarbeitsgerichts keine Feststellungen getroffen. Das Landesarbeitsgericht hat zu prüfen, ob die Oberärzte zumutbar auch für die Bereitschaftsdienste eingeteilt werden könnten. Ebenso kann es der Beklagten zuzumuten sein, für diese Dienste eine Ersatzkraft einzustellen. Insoweit ist auch zu prüfen, ob auf Grund der Arbeitsmarktsituation eine ausreichend qualifizierte Ersatzkraft zur Verfügung steht.
3. Die geltend gemachten Zahlungsansprüche stehen der Klägerin nicht
gem. § 615 Satz 1
BGB i.V.m. § 296 Satz 1
BGB zu. Ob ein entsprechender Schadensersatzanspruch besteht, kann auf Grund der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilt werden.
a) Die Voraussetzungen des Annahmeverzugs
gem. § 615, § 296 Satz 1
BGB liegen nicht vor. Annahmeverzug setzt voraus, dass der Arbeitnehmer die Leistung der vertraglich geschuldeten Tätigkeit anbietet. Die Klägerin hat sich aber gerade geweigert, ihre Arbeitsleistung zu den vertraglich geschuldeten Arbeitszeiten zu erbringen.
b) Die Klägerin kann gegenüber der Beklagten einen Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe haben.
Versäumt es der Arbeitgeber schuldhaft, die Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen nach § 14
Abs. 2 Satz 1
SchwbG i.d.F. vom 26.8.1986
bzw. nach § 81
Abs. 4 Satz 1
Nr. 1
SGB IX zu ermöglichen, kommt wegen der dem Arbeitnehmer entgangenen Vergütung ein Schadenersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung (dazu Senat 23.1.2001 -
9 AZR 287/99 - BAGE 97, 23) sowie aus § 823
Abs. 2
BGB i.V.m. § 81
Abs. 4 Satz 1
SGB IX bzw. vorher § 14
Abs. 2 Satz 1
SchwbG a.F. (dazu
BAG 12.11. 1980 -
4 AZR 779/78 - BAGE 34, 259) eine Schadenersatzpflicht in Betracht. § 14
Abs. 2 Satz 1
SchwbG a.F. ist Schutzgesetz im Sinn des § 823
Abs. 2
BGB (
BAG 13.5.1992 - 5 AZR 437/91 - EzA
SchwbG 1986 § 14
Nr. 3). Daneben konkretisiert die Norm die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers gegenüber dem schwerbehinderten Menschen (
BAG 13.5.1992 -
5 AZR 437/91 - a.a.O.).
aa) Für den maßgeblichen Zeitraum bis einschließlich April 2000 ist § 14
SchwbG i.d.F. vom 26.8.1986 gültig bis 30.9.2000 maßgebend. Nach § 14
Abs. 2 Satz 1
SchwbG a.F. hatte der Arbeitgeber den Schwerbehinderten zu beschäftigen, dass dieser seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln konnte. Die Vorschrift schränkte damit das Direktionsrecht des Arbeitgebers ein. Er war verpflichtet, den Schwerbehinderten nur nach dem Stand seiner geistigen und körperlichen Leistungsfähigkeit zu beschäftigen ( Cramer,
SchwbG 4. Aufl. § 14 Rn. 12; Neumann/Pahlen,
SchwbG 9. Aufl. § 14 Rn.22). Der schwerbehinderte Mensch war damit von Arbeiten fernzuhalten, die an seine gesundheitlichen Grenzen stießen (Großmann in Großmann/ Schimanski/Dopatka/Steinbrück,
GK-SchwbG 2. Aufl. § 14 Rn. 306).
Diese Pflicht zur Vermeidung von besonderen Arbeitserschwernissen bezog auch die zeitliche Lage der Arbeitsleistung ein. Sie beschränkte sich nicht nur auf räumliche oder arbeitsplatzbezogene Erschwernisse. Dies folgte aus dem Schutzzweck der Vorschrift, besondere Arbeitserschwernisse für den schwerbehinderten Menschen zu vermeiden, welche sich auch aus der Dauer und der Lage der Arbeitszeit ergeben können, Das Schwerbehindertengesetz hatte auch die besonderen arbeitszeitmäßigen Belastungen im Auge. So war der Schwerbehinderte nach § 14
Abs. 3 Satz 1
SchwbG a.F. den Arbeitgeber zur Förderung der Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen. Hiermit sollten schwerbehinderten Menschen, die eine Vollzeitarbeitsstelle aus behinderungsspezifischen Gründen nicht ausüben können, Arbeitsmöglichkeiten eröffnet werden.
bb) Es kommt auch eine entsprechende Pflichtverletzung der Beklagten in Betracht. Die Klägerin hat sich unter Beifügung des ärztlichen Attestes darauf berufen, sie habe keine Nachtdienste leisten können. Zwar hat sie nicht konkretisiert, für welchen Zeitraum von Nachtdienst auszugehen sei. Gem. § 2
Abs. 3
ArbZG ist Nachtzeit aber die Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr. Wenn es für die Beklagte weiterhin unklar geblieben sein sollte, ob die für die Klägerin notwendige Nachtruhe hiermit identisch ist, hätte sie sich erkundigen müssen. Der Arbeitgeber musste auf die körperliche Konstitution des schwerbehinderten Menschen Rücksicht nehmen. Dazu gehörte es auch, die dem schwerbehinderten Menschen verbliebenen körperlichen und geistigen Fähigkeiten festzustellen (Neumann/Pahlen,
SchwbG a.a.O. § 14 Rn. 11). Die Beklagte hätte sich da hinsichtlich der genauen arbeitszeitlichen Einschränkungen der Klägerin erkundigen müssen. Hierzu hätte sie sich
gem. § 31 Abs 2
SchwbG a.F. auch der begleitenden Hilfe der Hauptfürsorgestelle bedienen können. Die nach § 14
Abs. 2 Satz 1
SchwbG a.F. geschuldete besondere Fürsorge verpflichtet die Beklagte, ihre Erkenntnismöglichkeiten zu nutzen, insbesondere auch mit der schwerbehinderten Klägerin deren Einsatzmöglichkeiten zu erörtern. Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt. Sie hat ohne weiteres eine Dienstplanänderung entsprechend den Wünschen der Klägerin abgelehnt, ohne die genauen arbeitszeitlichen Schranken und Möglichkeiten der schwerbehinderten Klägerin zu prüfen. Zur Feststellung der Schadenersatzpflicht wird das Landesarbeitsgericht daher noch aufzuklären haben, für welche Zeiten die Klägerin wegen der erforderlichen Nachtruhe an der Arbeitsleistung gehindert war.
cc) Aufzuklären ist auch, ob der Beklagten ein entsprechender Einsatz nach den Gegebenheiten des Betriebes möglich und zumutbar war (§ 14
Abs. 2 Satz 1
SchwbG a.F.). Bei dieser Feststellung ist auf die Belange des Arbeitgebers angemessen Rücksicht zu nehmen (Großmann in Großmann/Schimanski/Dopatka/Spiolek/Steinbrück,
SchwbG a.a.O., § 14 Rn. 306; zum gleichlautenden § 12
SchwbG a.F.:
BAG 4.5.1962 -
1 AZR 128/61 - BAGE 13, 109) . Soweit sich die Beklagte darauf berufen hat, alle Assistenzärzte müssten wegen der betrieblichen Gegebenheiten auch nachts Bereitschaftsdienste leisten, sind hierzu die notwendigen Feststellungen zu treffen. Auch wird aufzuklären sein, inwieweit es der Beklagten möglich und zumutbar ist, nur für die Nachtdienste eine Ersatzkraft einzustellen.
dd) Der Schadenersatzanspruch setzt weiter Verschulden
gem. § 276
Abs. 1
BGB voraus. Auch hierzu hat das Landesarbeitsgericht die fehlenden Feststellungen nachzuholen.